Bauleitplanung und Grünpflege müssen Artenschutz integrieren

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Rheinufer Rappenwört, Karlsruhe. Fotos: Helmut Kern

Mit dem Thema Artenschutz in der Bauleitplanung und in der kommunalen Grünflächenpflege werden zwei unterschiedliche Aufgabenebenen angesprochen: Zum einen die strategische Ebene, auf der die Ziele für Qualität und Quantität des gesamtstädtischen Grüns festgelegt werden und zum anderen die operative Ebene, auf der diese Ziele nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden Ressourcen (Flächen, Finanzen und Personal) umgesetzt werden.

Beide Ebenen gehören zu einem zeitgemäßen ganzheitlichen Grünflächenmanagement, das alle ökologischen, ökonomischen und sozialen Aufgaben, die mit der Versorgung und Gestaltung einer Stadt mit Grünflächen und deren Pflege zusammen hängen, einschließt.

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Ausschnitt Landschaftsplan Karlsruhe; Kompensationssuchräume (K). Abb.: Stadt Karlsruhe, Gartenbauamt
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Landschaftsplan Karlsruhe 2010.

Beginnen wir mit der Bauleitplanung. Die gesetzlichen Instrumente sind für die vorbereitende Bauleitplanung der Flächennutzungsplan (FNP) und der Landschaftsplan (LP) und für die verbindliche Bauleitplanung der Bebauungsplan und der Grünordnungsplan. Landschaftsplan und Grünordnungsplan enthalten die für die örtliche Ebene konkretisierten Ziele, Erfordernisse und Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege. Die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege sind ausführlich in § 1 BNatSchG aufgelistet. Sie schließen den Biotop- und Artenschutz ebenso ein wie die Erhaltung der Freiräume im besiedelten und siedlungsnahen Bereich (§1 (6)) und deren Erholungsfunktion.

Auf gesamtstädtischer Ebene oder wie im Falle der Stadt Karlsruhe, die ihre Flächennutzungs- und Landschaftsplanung gemeinsam mit zehn Umlandgemeinden im durch Landesgesetz bestimmtem Nachbarschaftsverband erstellt, auf Verbandsebene kann bei der Erstellung von Landschaftsplan und Flächennutzungsplan der Artenschutz zwar strukturell berücksichtigt werden, in dem man das naturraumtypische Artenspektrum und die Wirkfaktoren betrachtet und dann eine Prognose abgibt, wo und gegebenenfalls bei welchen Arten eventuell artenschutzrechtliche Konflikte auftreten können. Eine vertiefende Prüfung ist aber auf dieser Ebene nicht zu leisten. Wir haben mit dem Ziel, dem Artenschutz schon differenzierter entsprechen zu können, eine Biotoptypenkartierung für den Gemeinsamen Flächennutzungsplan angefragt - es handelte sich dabei summa summarum um 20.000 Hektar - und eine astronomische Honorarberechnung erhalten, was eigentlich zu erwarten war.

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Die Staatliche Musikhochschule ...
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... in Karlsruhe mit Erweiterungsbau.
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Außengelände an der Gartenstraße ...
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... in der Karlsruher Südweststadt.

Auch wenn eine Erstkartierung als Teil der vorbereitenden Bauleitplanung unangemessener Aufwand ist, heißt das aber nicht, dass die bereits aus anderen Quellen vorliegenden verlässlichen Erkenntnisse über geschützte Vorkommen nicht berücksichtigt werden. In der Regel und so auch hier handelt es sich um Fortschreibungen von FNP und LP und es gibt bereits viele Daten, die übernommen werden können. Im Umweltbericht sind die für die Artenschutzprüfung im nachgelagerten Planungs- beziehungsweise Zulassungsverfahren erforderlichen Angaben der Flächennutzungsplan-Ebene angemessen darzulegen.

In jedem Fall muss die vorbereitende Bauleitplanung aber geeignete Flächen und gegebenenfalls auch Maßnahmen benennen, mit denen die zu erwartenden Eingriffe kompensiert werden können. Soweit diese Kompensation auch Schutzgut übergreifend möglich ist, fällt das in der Regel nicht schwer. So haben wir "Kompensationssuchräume" in größerem Umfang lokalisiert, für die dann der Landschaftsplan die passenden landschaftspflegerischen Maßnahmen zur gestalterischen und ökologischen Aufwertung benennt. Deren konkrete Ausarbeitung erfolgt dann in nachfolgenden Biotopverbundplänen oder im Zuge der Grünordnungsplanung zur verbindlichen Bauleitplanung. Die Auswahl dieser potenziellen Kompensationsflächen sollte sich aber in jedem Fall auch eignen, um im Ausnahmefall für besonders geschützte Arten, von deren Existenz man weiß oder ausgehen kann, vorgezogen Ausgleichsmaßnahmen (CEF-Maßnahmen) durchführen zu können.

Bebauungspläne selbst können zwar noch nicht die artenschutzrechtlichen Verbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG erfüllen. Möglich ist dies jedoch später durch die Realisierung der konkreten Bauvorhaben. Deshalb ist bereits bei der Änderung oder Aufstellung eines Bebauungsplanes eine Artenschutzprüfung durchzuführen.

Andernfalls könnte der Bebauungsplan aufgrund eines rechtlichen Hindernisses nicht vollzugsfähig, das heißt ungültig sein. Wichtig ist die frühzeitige Beteiligung der Naturschutzbehörde. Sie stellt gegebenenfalls die Erteilung von Ausnahmen in später zu entscheidenden Einzelfällen in Aussicht. Ohne diese In-Aussicht-Stellung sollte die Bebauungsplanung nicht fortgesetzt werden.

Auf diese Weise ist sichergestellt, dass in aktuellen Bebauungsplanverfahren die Belange des besonderen Artenschutzes von vorneherein angemessen berücksichtigt und die Widmung und Bereitstellung der notwendigen Flächen geregelt werden. Ebenso wichtig ist die Darstellung der Herstellungs- und laufenden Unterhaltungskosten und die Klärung, wer diese Kosten trägt.

Nun existieren sicher vielerorts noch Bebauungspläne älteren Datums, in denen erst beim Vollzug die artenschutzrechtliche Tragweite deutlich wird. So wird dann erst beim konkreten Bauantrag die artenschutzrechtliche Prüfung fällig. In der Regel mit der Folge, dass mangels vorausschauende Widmung und Reservierung von Flächen für CEF-Maßnahmen dann Gebiete irgendwo im Grünflächenbestand der näheren oder weiteren Umgebung gefunden werden müssen.

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Ausschnitt Rasen- und Wiesenpflegeplan Karlsruhe.
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Heldbockeiche Nymphengarten Karlsruhe Stadtmitte.
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Kleiner Fuchs.

So geschehen zum Beispiel beim Ausbau des Standortes der Staatlichen Hochschule für Musik in Karlsruhe: Das neue Multifunktionsgebäude erforderte Ersatzlebensräume für Mauereidechsen. Das Land Baden-Württemberg, das als Bauherr einen zweistelligen Millionenbetrag in das Projekt investierte, erwartete, dass die Stadt mit einem Gelände, einer angrenzenden, planungsrechtlich ausgewiesenen Parkanlage, in die Bresche springen sollte. So verblieb ein Teil der Kosten für die Herstellung und die Dauerpflege vollständig in den Händen des städtischen Gartenbauamtes. Auch bei der Realisierung eines Bürogebäudes im Karlsruher Südwesten durch einen zwar privaten, aber von städtischer Seite sehr geschätzten Investor stellte sich ein Bedarf an Ersatzlebensräumen ein. Auch diese CEF-Maßnahme wurde schlussendlich auf öffentlichem Gelände möglich gemacht. Um die weitere Pflege kümmert sich nun die Stadt.

Diese Beispiele dürfen nicht Schule machen, da sich die angespannten kommunalen Haushalte diese Großzügigkeit gar nicht leisten können. Hier muss das Verursacherprinzip konsequent Anwendung finden. Neben den Kosten ist aber auch die eigentliche Funktion der in Anspruch genommenen Grün- und Freiflächen maßgeblich. So muss der Verlust an Spiel- und Erholungsfunktionen eher kritisch gesehen werden.

Das dafür steigende Potenzial an Naturerlebnisqualitäten reduziert nicht automatisch den Bedarf an Aufenthalts- und Bewegungsräumen. Ganzheitlich auskömmliche Lösungen kann es daher nur geben, wenn von Anfang an, in Kenntnis aller Anforderungen geplant wird, die auf der jeweiligen Maßstabsebene relevant sind. Bei Bebauungsplänen geschieht das Flurstück beziehungsweise Grundstück genau. Dabei kann die Grünordnungsplanung räumlich und funktional hinreichend präzise Vorgaben für den Bebauungsplan machen. Um sicherzustellen, dass die Planziele später auch wirklich erfüllt werden (können), muss es eine frühzeitige Abstimmung mit der Objektplanung und der Grünflächenpflege geben. Aus eigener Erfahrung kann ich nur konstatieren: Ein erfolgreiches Grünflächenmanagement erfordert es, dass ein "Voneinander-Lernen" zwischen allen Ebenen und auf kurzem Wege unmittelbar im Prozess stattfinden kann.

Das Gartenbauamt Karlsruhe blickt auf eine 35-jährige organisatorische Zusammengehörigkeit von Landschaftsplanung, Grünordnungsplanung, Objektplanung sowie Grünflächenpflege zurück. Die Einbindung der Landschaftsplanung und der Grünordnungsplanung in den Aufgabenkatalog des Gartenbauamtes gewährleistet eine aufgabengerechte Kontinuität des Planungsprozesses.

Die Erkenntnisse und Erfahrungen der Objektplanung und der Grünflächenpflege fließen durch die direkte Abstimmung im Amt unmittelbar in die Landschafts- und die Grünordnungsplanung ein. Umgekehrt wird so sichergestellt, dass die in der Grünordnungsplanung verankerten Ziele von der Objektplanung verlustfrei umgesetzt werden können und die Grünflächenpflege eine wirtschaftliche und fachgerechte Entwicklungs- und Erhaltungspflege durchführen kann. Die Rückkopplungen zwischen den verschiedenen Bereichen, das heißt Vorgaben, Hinweise oder Korrekturen, werden innerhalb des Amtes durch kurze Wege erleichtert, sodass auf Veränderungen sofort reagiert werden kann.

Dies gilt gerade auch beim Artenschutz, bei dem die vor Ort pflegenden Gärtnerinnen und Gärtner vertiefende Informationen zum Umgang mit empfindlichen Lebensräumen erhalten und umgekehrt die Planenden langjährige Beobachtungen aus der Praxis zu standörtlichen Besonderheiten erfahren. Zweifellos fördert die Zusammenfassung der fachlich zusammengehörenden Teilbereiche Landschaftsplanung, Grünordnungsplanung, Objektplanung, und Grünflächenpflege in eine Organisationseinheit ihre fachliche Qualifikation und Professionalität.

Dies lässt sich gut am Beispiel der Karlsruher Praxis der differenzierten Rasen- und Wiesenpflege erläutern. Noch 1980 wurden fast alle Rasenflächen häufig gemäht und gedüngt. Der kurz geschnittene, "englische" Rasen war Standard. Vielerorts war das Betreten der Rasenflächen untersagt. Aber dort wie auch in anderen Städten war damals bereits ein Interesse der Bevölkerung an mehr Naturnähe und Naturerleben spürbar. Im Gartenbauamt Karlsruhe wurde diese Entwicklung durch die Landschaftsplanung unterstützt, die bei der Erstellung des Landschaftsplans die ökologischen und klimatischen sowie die sozialen Potenziale der Karlsruher Landschaft analysierte und Optimierungen vorschlug.

Da war es nahe liegend, dass die innerstädtischen Grünflächen ebenfalls mit einbezogen, ihre Vernetzung angestrebt und geeignete Konzepte und Maßnahmen mit dem Ziel einer naturnäheren Pflege erarbeitet wurden. Zu Beginn der behutsamen Umstellung von häufiger geschnittenen Rasenflächen auf Wiesenflächen mit ein- bis zweimaliger Mahd, hielt sich das Verständnis und die Begeisterung der Bevölkerung sehr in Grenzen. Eine den kritischen Bürger überzeugende Beweisführung, wie sinnvoll und wirksam diese Veränderung für den Artenschutz ist, war nicht einfach. Es wurden sehr bewusst Flächen ausgewählt, die keine oder nur untergeordnete Bedeutung für Freizeitaktivitäten, Sport oder Spiel hatten und die als Teil des gesamtstädtischen Grünsystems im Kontext mit übergeordneten Landschaftsstrukturen standen und stehen. Am ehesten konnte man mit Qualitäten überzeugen, die den Bürgern, den Anwohnern direkt zu gute kommen. Das waren die ästhetische Dimension einer blütenreichen Wiese, ihre Bedeutung für die heimische Vogelwelt und etwa die Erwartung auf den Anblick von mehr oder weniger prächtigen Schmetterlingen, die sie im Gegensatz zum Vielschnittrasen besuchen. Insbesondere auch mit dem pädagogischen Nutzen, direkt vor der Haustür Natur erleben zu können, konnten Kritiker milder gestimmt werden.

Diese Pionierarbeit wäre heute zur Etablierung einer Artenschutz fördernden, naturnäheren Grünflächenpflege wohl nicht mehr erforderlich, da inzwischen auf allen Ebenen (UN-Konvention über die biologische Vielfalt, EU Biodiversitätsstrategie 2020, Nationale Strategie zur Sicherung der biologischen Vielfalt, Aktionsplan Biologische Vielfalt Baden-Württemberg) Ziele und Maßnahmen propagiert werden, die vor 30 Jahren der Politik und der Bürgerschaft so kaum vermittelbar gewesen wären.

Um in der kommunalen Grünflächenpflege die erfolgreiche Wahrnehmung des allgemeinen und besonderen Artenschutzes zu gewährleisten, ist es notwendig, die betreffenden Dienststellen und Eigenbetriebe in ihrer fachlichen Verantwortung zu stärken und ihre Leistungen als naturschutzfachlich qualifiziert anzuerkennen. Dies ist ganz sicher nicht bei Organisationsformen zu gewährleisten, bei denen die Grünflächenpflege der Stadtreinigung zugeordnet wird

Anmerkung

(Grundlage für diesen Beitrag ist ein Vortrag im Rahmen der Tagung "Natur in der Stadt" am 20. Juni 2013 in Hannover).

Quellen

Artenschutz in der Bauleitplanung und bei der baurechtlichen Zulassung von Vorhaben.

Gemeinsame Handlungsempfehlung des Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr NRW und des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz NRW vom 22.12.2010.

Schaal, R. und S. Müller-Mitschke: Artenschutz in der Bauleitplanung - Umweltakademie Stuttgart 14.03.2012.

Baumgarten, H.: Grünflächenmanagement - eine Kernaufgabe, Stadt+Grün 1/2013, S. 7-10.

Kern, H.: Strukturreformen in Karlsruhe, Stadt+Grün 1/2013, S. 19-24.

Dipl .-Ing. Helmut Kern
Autor

GALK-Arbeitskreisvorsitzender Landschaftsplanung

Gartenbauamt Stadt Karlsruhe

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