Flüsse als Bedrohung

Deutsche und polnische Wahrnehmungen an der Oder

Forschung und Bildung
Idylle oder Bedrohung? Am Ufer der Oder bei Frankfurt/Oder. Foto: Wolfgang Bilitzka, pixelio.de

Die Jahrhundertflut der Oder von 1991 oder das Hochwasser von 2002 haben die Bedrohungen, die von dem Fluss ausgehen, zu einem wichtigen Gesprächsthema in der Region gemacht. In Eisenhüttenstadt und Frankfurt (Oder) auf der deutschen sowie in S?ubice und Breslau auf der polnischen Seite des Flusses sind Hochwasser zu einem Teil des sozio-kulturellen Diskurses geworden, der die Wahrnehmung der eigenen Verwundbarkeit beeinflusst. In einem neuen Forschungsprojekt widmen sich ab Mai 2016 Wissenschaftler aus dem IRS und aus dem Institut für Literaturwissenschaften der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Warschau genau diesem Phänomen.

Das Projekt mit dem Titel "Socio-Cultural Constructions of Vulnerability and Resilience. German and Polish Perceptions of Threatening Aquatic Phenomena in Odra River Regions" (CultCon) wirft dabei die Fragen auf, wie spezifische sozio-kulturelle Kontexte in Regionen die Wahrnehmungen von Vulnerabilität und die Konstruktion von Resilienz beeinflussen und welche Rolle dabei Diskurse über Naturphänomene spielen? Damit adressiert das Projekt eine Forschungslücke, die sich auf dem Gebiet der Vulnerabilitäts- und Resilienzforschung auftut. "Wir wissen noch wenig darüber, wie genau Vulnerabilitäts- und Resilienzkonstruktionen durch kulturelle Muster geprägt werden", sagt Prof. Dr. Gabriela Christmann, die das Projekt leiten wird. "Erste Erkenntnisse, dass lokale Gesellschaften ihre sehr eigenen Wahrnehmungen von Bedrohungen und von potenziellen Schutzmaßnahmen entwickeln können, haben wir bereits in unserem Progress-Projekt am Beispiel von lokalen Zeitungen in Küstenregionen, die über den Klimawandel berichten, erhalten." Nun wollen die Wissenschaftler am Beispiel der untersuchten Oderregionen für Deutschland und Polen im Detail rekonstruieren, wie in öffentlichen Mediendiskursen welche kulturellen Wissensordnungen hergestellt werden und wie sie sich unterscheiden.

In methodisch aufwändiger Weise (mittels Bevölkerungsumfragen und Experteninterviews) soll dann geprüft werden, inwieweit entsprechende kulturelle Muster tatsächlich in subjektiven Wahrnehmungen von Bürgern wie auch von Experten in den untersuchten Oderregionen vor Ort nachgewiesen werden können und welche Folgen sie zumindest für das Handeln von Experten im Hochwasserschutz haben. "Das Forschungsprojekt kann als ein Projekt der Grundlagenforschung gelten, weil hier diskurstheoretische Annahmen empirisch geprüft werden sollen, die bislang eher unhinterfragt geblieben sind", sagt Christmann. "Gleichzeitig werden wir aber auch Aussagen darüber machen können, in welcher Weise kulturelle Wissensordnungen Folgen für gesellschaftliche Handlungsstrategien haben können."

Das CultCon-Projekt hat eine Laufzeit von zwei Jahren und wird im Rahmen des "Beethoven"-Calls zur Förderung deutsch-polnischer Forschungsprojekte in den Geistes- und Sozialwissenschaften von der DFG und dem Narodowe Centrum Nauki (NCN) gefördert. Neben Prof. Dr. Christmann wird das Projekt durch Thorsten Heimann und Kamil Bembnista am IRS sowie durch Dr. Anna Orzechowska-Barcz und zwei weitere Mitarbeiter am Institut für Literaturwissenschaften der Polnischen Akademie der Wissenschaften (PAN) bearbeitet. Da die Leibniz-Gemeinschaft eine Kooperationsvereinbarung mit der PAN hat, kann das CultCon-Projekt die avisierte deutsch-polnische Zusammenarbeit mit Leben füllen und zudem eine Brücke zwischen den Sozial- und Geisteswissenschaften schlagen. Jan Zwilling

Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung (IRS)

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