Susanne Kost/Antje Schönwald (Hrsg.)

Landschaftswandel - Wandel von Machtstrukturen

Landschaftsplanung

Wer verändert wodurch und mit welchen Mitteln Landschaft? Dieser Frage geht der Sammelband theoretisch und paradigmatisch nach unter Berufung auf den "Sozial Konstruktivismus" und den "Spatial Turn". Seit Henri Lefebvre postuliert hatte, der Raum sei ein soziales Produkt, sind mehr als 40 Jahre vergangen, und es fragt sich auch im Hinblick auf die vorliegenden Beiträge, ob dieser Ansatz noch analytisch-kritische Schärfe hat. Immerhin ist er so weit gefasst, dass die Verfügung über Landschaft mit ihrer Deutung und mit ihrer Wahrnehmung verschränkt ist.

Der Band hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Die theoretischen Beiträge fallen gegenüber den praxisorientierten ab. In der Art von Literaturberichten wird der konstruktivistische und dekonstruktivistische Ansatz verrührt mit allem, was die Soziologie aufzubieten hat: Diskurs- und Kommunikationstheorie, Handlungs- und Systemtheorie, Sozialisations- und Zeichentheorie und dergleichen mehr. Erklärungen von Macht werden durch den Theorien-Mix tautologisch, die Vorgehensweise ist eklektizistisch. Die "multiperspektivischen" Schnelldurchläufe, besser Kreisläufe vermitteln den Eindruck einer Berührungsangst gegenüber der Realität. Die Klage der Herausgeberinnen über die "Machtvergessenheit" der deutschsprachigen Landschaftsforschung bekommt so eine ungewollt selbstironische Note. Hat man als Leser Wortungetüme wie Essentialisierung, Entkomplexisierung und "Vermachtung" über sich ergehen lassen, keimt der Wunsch, dass solche Texte Studierenden als Lernmaterial erspart bleiben. Der Praxisschock würde vertieft.

Ganz anders die auf Fallbeispiele oder geschichtliche Abläufe konzentrierten Beiträge. Man könnte sagen, sie folgen einer französischen Tradition der Wissenschaftstheorie, sich ganz auf die Dinge einzulassen und sie immanent zu kritisieren (Jean Baudrillard). Entsprechend kann sich die Rezension auf Fehler im Detail beschränken. Zwei Beiträge beschäftigen sich mit Bruch und Kontinuität der Landespflege beziehungsweise der Landschaftsarchitektur im Wechsel der politischen Systeme des 20. Jahrhunderts. Den Nucleus bildet eine Naturschutz-Ideologie, die schon vor der Nazi-Zeit, aber auch danach antikapitalistische und tendenziell rassistische Züge trägt. Darauf gehen H. Eissing und N. Franke ein, versäumen aber, den grundlegenden von Joachim Radkau herausgegebenen Band heranzuziehen. Sie vernachlässigen auch die Einbindung der Landschaftsgestaltung in den Generalplan Ost der SS. Die Interpretation, G. Gröning und J. Wolschke-Bulmahn würden eine Kontinuität des Denkens und Handelns der Landschaftsanwälte über 1945 hinaus negieren, stellt eine Verzerrung dar. Überaus gründlich ist der Beitrag von A. Zutz zum gleichen Thema. Die Rolle von Hermann Mattern, der im Kalten Krieg - auch fachliche - Eigenständigkeit darin bewies, den Dialog mit den in die DDR gegangenen Kollegen nicht abreißen zu lassen, wäre jedoch der Beachtung und Betrachtung wert.

A. Schönwald beschäftigt sich mit veränderten Symboliken von Landschaften an Hand des Projekts "Urwald vor den Toren der Stadt Saarbrücken". Auf wirtschaftliche Holznutzung wird verzichtet. Wie verschiebt sich dadurch die Trias Kultur - Wildnis - Natur? Die Macher wissen um den Simulationscharakter einer "Urnatur", weniger die Außenstehenden. So üppig, wie die Quellenangaben sind, verwundert der Verzicht auf das fesselnde Grundlagenwerk ("Der Traum von der Wildnis") des mythenfesten Simon Schama. - Von den übrigen Beiträgen seien hervorgehoben der von H. Megerle zu den Konfliktlinien in den Savoyer Alpen zwischen Massentourismus und Naturschutz, weiter L. Scholze-Irrlitz zur sowohl in den sozialen als auch in den Eigentumsverhältnissen schwierigen Umwandlung einer LPG in eine biologisch-dynamische Agrar-GmbH sowie S. Kost zu den Umbrüchen der Landwirtschaft (Pachtverhältnisse) auf dem Gebiet des Emscher Landschaftsparks.

Die Beiträge, welche die Macht über den Raum in die historische Verlaufsform bringen, geben sich optimistisch: Macht diffundiert in der Demokratie. Die Divergenz zwischen Herrschenden und Beherrschten, Fachleuten und Laien schwindet. Wie wäre es aber, den politischen Soziologen Robert Michels zur Kenntnis zu nehmen: Herrschaft bedient sich des demokratischen Prinzips, um sich an der Macht zu halten. Ganz nebenbei wird in dem Band ein Befund zum Besten gegeben: Bürgerinitiativen entsprechen sozio-kulturell keinesfalls dem Durchschnitt der Anwohner. Daraus resultieren auch auf dieser Seite hegemoniale Ansprüche. Die Moderatoren unter der landschaftsarchitektonischen Zunft wissen das, sagen es aber nicht. An diesem Punkt entsteht Zynismus, nicht sehr demokratisch und arg verschleißend. Wenn künftige Forschung hier anknüpfte, wäre zum Beispiel die Nord/Süd-Stromtrasse nicht nur ein Füllwort, das in theoretische Traktate eingesetzt wird.

Dr. Bernhard Wiens

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