Kritische Anmerkungen zur stofflichen Erscheinung zeitgenössischer Freiraumplanung

Oldenburg hat einen neuen Schlossplatz

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Freiraumplanung
Blick auf den Schlossplatz und das neu errichtete, moderne Bankengebäude von Süden/dem Schloss aus. Foto: Christof Sandt

Es ist ein sonniger Spätsommertag, als ich nach einer ganzen Reihe von Jahren in das niedersächsische Oldenburg zurückkehre. Hier durfte ich einige Jahreswechsel erleben, hier habe ich mich, auch wegen des wunderbar heilen, klassizistisch geprägten Stadtbildes, und nicht zuletzt wegen des so prächtigen Schlossgartens im Englischen Landschaftsgartenstil wohl gefühlt.

Im Gegensatz zu vielen anderen deutschen Städten ist Oldenburg, verschont geblieben von den radikalen Bombardierungen im zweiten Weltkrieg und damit von unsäglichem städtebaulichen Identitätsverlust, noch heute erfrischend greifbar und an vielen Stellen von Siedlungsgeschichte durchweht.

Und doch gilt auch für Oldenburg: Als Zentren menschlichen Wirkens und insbesondere wirtschaftlichen wie kulturellen Schaffens sind gerade Großstädte auch immer Orte der äußerlichen Veränderung, steter Weiterentwicklung. Diesem Paradigma entzog sich auch das schöne Oldenburg nicht - und bekam im Jahr 2011, nach längerem wie zähem Ringen, mit den "Schlosshöfen" ein neues, großes Einkaufszentrum im Herzen der Stadt.

Den Bau dieser städtebaulichen Struktur, wie die Errichtung eines Bankengebäudes am gleichen Ort zum Anlass nehmend, wurde auch deren Umfeld, der sogenannte Schlossplatz, neu gestaltet. Wie unten zu sehen ist, ist der Schlossplatz zwischen historischer und moderner Bausubstanz eingespannt und weist mit dem Oldenburger Schloss aus den Jahren 1607 bis 1615 einen gänzlich unprofanen Profanbau auf.

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Blick auf Baumstandorte am Rand des Schlossplatzes mit (dezent) offengelegter Fußwegeverbindung. Foto: Christof Sandt
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Blick auf den Schlossplatz von Osten, im Bild umfängliche Sitzgelegenheit randlich des Schlosses sowie kränkelnder Baum an exponierter Stelle. Foto: Christof Sandt

Die hier, auch auf wiederkehrenden Beobachtungen in anderen Stadträumen basierenden Gedanken, thematisieren die Neubeplanung des Oldenburger Schlossplatzes und liefern einen kurz gefassten Versuch, einige gegenwärtig wirkende freiraumplanerische "Modeerscheinungen" in ihren Grundzügen offen zu legen:

Bar des Anspruches hier eine vertiefte baustrukturelle Analyse liefern zu wollen: Das Einkaufszentrum Schlosshöfe fügt sich, ebenso wie das neu errichtete Bankengebäude, nach Ansicht des Autors in seiner räumlichen Dimensionierung wie seiner Fassadengestaltung gut in den städtebaulichen Kontext ein und überlässt dabei angemessenerweise dem benachbarten Schlossbau die visuelle Führerschaft.

Im Unterschied hierzu wird die Benachbarung von historischer Bausubstanz (nämlich dem Schloss) und Modernismus ("Schlosshöfe", Bankgebäude) kritisch angemerkt, die hier weitgehend ungebremst aufeinanderprallen. Wünschenswert wäre ein vermittelnder, ein würdiger grüner Rahmen für die raumprägende Schlossanlage gewesen. Dieser hätte zum Beispiel in Form einer breiten wie niedrigen Eibenhecke und/oder einer lebendigen Gräser-Staudenpflanzung geplant werden können. (Im Übrigen wurde an geeigneter Stelle ein stattlicher Baum im Zuge der Baumaßnahme unverständlicherweise gerodet.)

Auch ist der Anteil von Grünflächen und -strukturen an der städtebaulichen Gesamtsituation, dem in der Freiraumplanung gegenwärtig wirkenden Zeitgeist entsprechend, sehr reduziert: Damit zeigt sich ein Trend, der zum Beispiel und gänzlich augenfällig im Kontrast zu den 1980er-Jahren in städtebaulichen Situationen Grün nur sehr spärlich verwendet und vor allem auf hochwertig anmutende Pflasterflächen setzt.

Durch diesen Pendelausschlag hin zur grünlosen Gestaltung entsteht ein schmaler wie gefährlicher Grenzbereich zwischen Pragmatismus, Purismus und Minimalismus auf der einen Seite und Monotonie, Lebensfeindlichkeit und Einfallslosigkeit auf der anderen.

Wohl nicht ohne Zufall zeigen sich auch heute noch zunehmende Teile unserer unbebauten Kulturlandschaft befreit von belebenden Kleinstrukturen, mitunter sogar völlig ausgeräumt. Gewünscht ist, in der Landschaft wie in der Siedlung, der pflegelose Ertragsraum. In diesem Zusammenhang stellt sich dem Autor die Frage, wo (gerne auch erhaben einfach gestaltete) Blumenbeete als ein Herzstück grüner Freiraumgestaltung geblieben sind. Sind sie in Ihrer aufheiternden, in Ihrer prachtvoll-belebenden Wirkung wirklich durch Bauwerke, wie zum Beispiel Wasseranlagen oder plastische Kunst ersetzbar? Sind sie gar, wie bei vielen bauwerks- und pflasterdominier-ten Gestaltungen, ganz verzichtbar? Oder hat sich die trendsetzende Freiraumplanung in Ihrer gegenwärtig eher wenig belebten Anmutung schlicht verlaufen?

Kritisch angemerkt wird auch die Beetform der Baumstandorte, die sogenannte Baumscheibe: sie wurde hier organisch-frei gewählt. Diese Formgebung erscheint zwar pragmatisch-lässig birgt aber auch die Gefahr einer Wahllosigkeit, einer Unstimmigkeit in der Formfindung. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung des streng geometrisch gestalteten städtebaulichen Umfeldes im Herzen des Kulturraumes Stadt Oldenburg.

Im Übrigen gab es diese Formgebung schon einmal an gleicher Stelle: Zurzeit der Anlage des benachbarten Schlossgartens im Englischen Landschaftsgartenstil, dem frühen 19. Jahrhundert, waren auch die Grünstrukturen des Schlossplatzes mit einer landschaftlich freien Formgebung gestaltet.

Was als glückliche Eingebung gefallen kann, ist die rötliche Farbe des gewählten Pflasterbelages, der Anleihen an im Norden weit verbreiteter Klinkerarchitektur nimmt (siehe auch benachbarte "Lambertikirche" im Hintergrund der Abbildung oben rechts). Auch fügt sich der Naturstein im Großsteinformat gut in den historischen Kontext ein. Ebenso sind die dezente Betonung einer stark frequentierten Fußgänger-Wegeverbindung und eine großzügige Sitzgelegenheit an der Außengrenze der Grünanlage um das Schloss in ihrer Lokalisation gelungen.

Einschränkend sei bezüglich der Ergonomie der angesprochenen Sitzgelegenheit angemerkt, dass diese zwar gefällig und modern wirkt, ohne Rückenlehne allerdings wenigstens für ältere Mitbürger - und damit eine erhebliche wie wachsende Gruppe an der Gesamtbevölkerung - kaum nutzbar, weil unbequem ist und deshalb im Sinne einer wohl angestrebten Aufenthaltsqualität leider nur mäßig funktioniert; eine Sitz-Erscheinung, die in der Freiraumplanung aktuell leider eher die Regel als denn die Ausnahme darstellt.

Auch sei als Randbemerkung angeführt, dass ein einzelner, kränkelnder Baum an exponierter Stelle belassen wurde und nun mit seiner wenig vitalen Anmutung einen zentralen Ort Oldenburgs prägt.

Zum Schluss möchte es der Autor auf die Formel bringen, dass der neue Schlossplatz Oldenburg - ein zweifellos funktioneller wie attraktiver Ort - wie so viele zeitgenössisch-nüchterne Freiräume potenzielle Ortsqualitäten wie das Leben feiernden Liebreiz, Pracht und Menschenfreundlichkeit wenigstens nicht zur vollen Blüte bringt. Damit erweist er sich als heilsame wie nötige Gegenstimme unsere auf Effektivität und Nüchternheit bedachten Leistungsgesellschaft in Teilen leider als ungeeignet.

Dipl.- Ing. Christof D. Sandt
Autor

Landschaftsarchitekt AKNDS, Mediator BMEV

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