Daten zeigen Gefahr tiefgreifender irreversibler Veränderungen

58 Klimamodelle belegen anthropogenen Klimawandel

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Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) Stadtklima
1 Der Klimawandel ist schon jetzt sichtbar: Trockenheitsschäden im Wald. Foto: Bernd Kasper, pixelio.de

Man hört es häufig: nach ein paar aufeinanderfolgenden schweißtreibenden heißen Tagen im Sommer wird der Klimawandel lautstark beklagt, während nach einer eher kühlen und feuchten Woche die globale Erwärmung in Frage gestellt wird. In einer Studie in den USA wurde gezeigt, dass ein wichtiger Faktor zu Erklärung einer bejahenden oder ablehnenden Haltung gegenüber dem menschengemachten Klimawandel die - regional höchst unterschiedliche - Erfahrung von nicht zu lange zurückliegenden Wetterextremen ist (Egan&Mullin, 2012).

Der offensichtlich turbulente Charakter des Wettergeschehens¹ zusammen mit unserem kurzen und selektiven Alltagsgedächtnis sorgt für dieses Missverständnis und ist der Grund für die Einführung des Klimabegriffs. Hier werden statistische Eigenschaften der Wetters (Mittelwerte, Maxima, Varianz etc.) typischerweise über 30-jährige Zeitperioden beschrieben. Diese statistischen Wettereigenschaften erklären recht gut sichtbare wetterabhängige Phänomene wie etwa Vegetationszonen.

Schaut man sich in diesem Kontext die langjährige Zeitreihe (1893-2018) des Jahresniederschlages in Potsdam an (Abb. 2), fällt die große Schwankung dieser Größe um ihren Mittelwert (587 mm/a) auf. Man erkennt, dass das Trockenjahr 2018 zwar den geringsten Jahresniederschlag der Messreihe aufweist, es allerdings im Laufe der letzten 100 Jahre etwa ein Duzend ebenfalls sehr trockner Jahre gab - und etwa ebenso viele Ausreißer nach oben. Bildet man klimatische (30-jährige) Mittelwerte dieser Größe (blaue Punkte über der Mitte der Mittelungsperiode), erkennt man keinen langjährigen Trend in dieser Klimavariablen.

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2 Jahresniederschlag, Station Potsdam/Telegrafenberg (dünne blaue Linie). Blaue Punkte: 30-jährige Mittelwerte, über dem Zentrum der Mittelungsperiode aufgetragen.
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3 Trockenheit im Jahr 2018 in Deutschland führte zu extremen Niedrigwasser im Rhein. Foto: Gerd Pfaff, pixelio.de

Einen klaren Trend erkennt man dagegen in der Anzahl der Trockentage im Sommerhalbjahr (jeweils 30-Jahressummen), allerdings mit einem relativ geringen Anstieg von etwa 10 Prozent in 100 Jahren (Abb. 4). Betrachtet man allerdings die Häufigkeit von Trockenperioden im Sommerhalbjahr, die 14 Tage oder länger dauern, sieht man seit den 40er-Jahren einen sehr deutlichen, linearen Anstieg: trat ein solches Ereignis anfangs im Schnitt nur alle zwei Jahre auf, erleiden wir es inzwischen durchschnittlich einmal im Jahr (Abb. 5). Diese Trendbeobachtung ist im Einklang mit neueren Forschungen zur Entwicklung der Persistenz von - eben auch extremen - Wetterlagen im Rahmen des Klimawandels (Mann et al., 2017): durch die stärkere Erwärmung der Pole unter Klimawandel können die sogenannten Rossby-Wellen (Meander des Jetstreams) nahezu stationär werden und sich zu großen Amplituden aufschaukeln (siehe Abb. 6). Neben Hitzewellen führt dies auch zu Flusshochwassern, da persistente Regengebiete über dem Flusseinzugsgebiet häufiger werden.

Dieses lokale Potsdam-Beispiel ist Teil des globalen Klimawandels, der sich in einem Anstieg der globalen Mitteltemperatur (über Land und Wasser) von 1,3 Grad Celsius von 1880 bis heute zeigt (Risbey et al., 2018). Nach einer Pause des globalen Temperaturanstiegs zwischen 1940 und 1960², sehen wir seitdem bis heute einen stetigen, in etwa linearen Anstieg von ca. 1 Grad Celsius. Genau in diesen Zeitraum fällt übrigens auch der starke Anstieg der Trockenperioden in unserem lokalen Beispiel in Abb. 5.

Nachdem der Wandel des Klimas seit Beginn der Industrialisierung eindeutig identifiziert ist (siehe die Berichte des Weltklimarats (IPCC) für eine Vielzahl weiterer Klimavariablen), stellt sich die Frage nach seiner klimageschichtlichen Einordnung. Die globalen Durchschnittstemperaturen im Laufe der menschlichen Zivilisationsgeschichte (seit der neolithischen Revolution³) waren durchweg niedriger als die gegenwärtige, im Rahmen des Klimawandels der letzten 150 Jahre erreichten Temperaturen. Das heißt, wir verlassen gerade das klimatische Fenster, innerhalb dessen sich unsere Zivilisation entwickelt hat. Geht man weiter zurück und betrachtet unsere Gattungsgeschichte (Homo, seit ca. 2 Mio. Jahren) findet man nur im Eem-Interglazial (vor 126.000-115.000 Jahren) vergleichbar hohe Temperaturen wie heute, bei fortschreitendem Klimawandel würde aber auch diese Grenze überschritten.

Ursachen des Klimawandels und Klimamodelle

Bleibt man zunächst bei erdgeschichtlichen Betrachtungen, fällt der enge Zusammenhang zwischen atmosphärischer CO2-Konzentration und globaler Durchschnittstemperatur auf4. Im Laufe des Karbon (vor 350-300 Mio. Jahren, in dem unsere Kohle- und Erdölvorräte aus atmosphärischem CO2 gebildet wurden5) nahm die atmosphärische CO2-Konzentration sehr stark ab und mit ihr die globale Durchschnittstemperatur (permokarbone Vereisung). Seit dem Beginn der Industrialisierung kehren wir diesen Prozess um, indem wir die fossilen Brennstoffe wieder als CO2 in die Atmosphäre emittieren - allerdings mit ungleich höherer Geschwindigkeit (wenige Jahrhunderte anstatt viele Jahrmillionen) und nicht als natürlichen Prozess, sondern vollständig von uns kontrolliert.

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4 Anzahl der trockenen Tage im Sommerhalbjahr über 30-Jahresperideon an der Station Potsdam/Telegrafenberg (braune Punkte, über dem Zentrum der Periode aufgetragen). Abb.: DWD & eigene Berechnungen
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5 Anzahl der (mindestens) 2-wöchigen Trockenperioden im Sommerhalbjahr über 30-Jahresperideon an der Station Potsdam/Telegrafenberg (rote Punkte, über dem Zentrum der Periode aufgetragen ). Abb.: DWD & eigene Berechnungen

Der paläoklimatische "Gleichschritt" von Schwankungen der atmosphärischen CO2-Konzentration und globalen Temperatur ist ein starker Hinweis, aber noch kein Beweis, dass die Entwicklung der CO2-Konzentration ursächlich für die Entwicklung der globalen Temperatur ist. Hierzu müssen die physikalischen Mechanismen und Wirkungen des Treibhauseffekts aufgeklärt und quantitativ beschrieben werden. In quantitativ schon erstaunlich akkurater Form (Verdoppelung des atmosphärischen CO2-Gehalts -> globale Temperaturerhöhung von etwa 5 °C) geschah dies um 1900 durch den schwedischen Physiker und Chemiker Arrhenius im Kontext der Erklärung der Vereisungszyklen des Pleistozäns. Diese Erkenntnisse übertrug er auch auf klimatische Folgen der fossilen Industrialisierung, da er aber deren gewaltige Expansion unterschätzte, sah er eine sehr langsame Erwärmung voraus, die er darüber hinaus - als Nordeuropäer - eher positiv einschätzte.

Ein großer Schritt im Verständnis und der Quantifizierung des Zusammenhangs von atmosphärischer Treibhausgaskonzentration6 und dem globalen Klima war die Entwicklung numerischer globaler Klimamodelle, die alle wesentlichen Komponenten des Klimasystems (Strahlungshauhalt, atmosphärische Zirkulation, Wolkenbildung etc.) in ihrem komplexen Zusammenspiel abbilden. Dies geschah in den 1980er-Jahren, da die Fortschritte in der Computertechnik7 nun erlaubten, sowohl die räumliche Verteilung (Land/Ozeane/Gebirge/ Atmosphärenschichten) als auch die wichtigsten physikalischen Mechanismen in hinreichender Auflösung global darzustellen. Nach ersten Implementierungen in den USA wurde Ende der 1980er das Deutsche Klimarechenzentrum in Hamburg gegründet, dass die Supercomputer-Infrastruktur für das Klimamodell des MPI für Meteorologie (ECHAM) zur Verfügung stellt, das seither weiterentwickelt wird und im Wesentlichen den Deutschen Beitrag zu den internationale Modellvergleichsprojekten liefert, auf deren Basis Klimaprojektionen und -rekonstruktionen erstellt werden.

Hier ist die Klimawissenschaft als Vorreiter zu betrachten, der beispielgebend für andere modellierende Wissenschaftsbereiche (z. B. Demographie) sein kann: der systematische Vergleich der Ergebnisse unabhängig voneinander entwickelter Modelle, die alle mit den gleichen Randbedingungen (Sonneneinstrahlung, Treibhausgas- und Aerosolkonzentration etc.) angetrieben werden, erlaubt über den Grad der Übereinstimmung der Resultate die Einschätzung der Sicherheit der Aussagen. Am letzten abgeschlossenen Vergleichsprojekt (CMIP5) haben 58 Klimamodelle aus 19 Ländern teilgenommen. Dieser sogenannte Modellensemble-Ansatz führt dann typischerweise zu Wertebereichen für unterschiedliche Klimavariablen (Temperatur, Niederschlag), etwa: "unter der Annahme eines ungebremsten Anstiege der globalen CO2-Emissionen ist Ende des Jahrhunderts ein globaler Temperaturanstieg gegenüber heute von 3,5-5,5 Grad Celsius zu erwarten".

In diesem Modellensemble steckt nun unsere gesammelte physikalische Kenntnis über die Mechanismen, wie die Treibhausgaskonzentration unser globales Klima beeinflusst (samt möglicher Unsicherheiten in einigen Bereichen). Dies ist das ideale Instrument, um herauszufinden, ob der beobachtete globale Klimawandel der letzten 100 Jahre auf den Anstieg der Treibhausgaskonzentration zurückzuführen ist oder nicht: das Modellensemble wird einmal nur mit den natürlichen Treibern (Sonneneinstrahlung, Vulkanaktivität, etc. - Abb. 7, blaues Band) und einmal mit den natürlichen Treibern und der ansteigenden Treibhausgaskonzentration betrieben (Abb. 7, rosa Band). Wenn die beobachtete Entwicklung der globalen Durchschnittstemperatur (Abb. 7, schwarze Linie) den blauen Unsicherheitsbereich verlässt, jedoch unter Berücksichtigung der ansteigenden Treibhausgaskonzentration (rosa Band) reproduziert werden kann, ist die Verursachung des beobachteten Klimawandels durch die CO2-Konzentration unter Berücksichtigung noch bestehender Modellunsicherheiten bewiesen. Eine Version dieses Beweises der anthropogenen Verursachung des beobachteten rezenten Klimawandels wurde erstmals 2007 veröffentlicht8 und seitdem gibt es keinen ernstzunehmenden wissenschaftlichen Zweifel mehr an diesem Zusammenhang: wir haben den Klimawandel verursacht und es liegt nahezu vollständig in unserer Hand, wie er in Zukunft verläuft9.

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6 Rossby-Wellen unter Klimawandel. Abb.: PIK –https://www.youtube.com/ watch?time_continue=241&v=MzW5Isbv2A0
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7 Resultate des AR5-Modellensembles für die Änderung der globalen Mitteltemperatur gegenüben 1880, angetrieben durch: blaues Band – nur natürliche Treiber (Sonnen- und Vulkanaktivität, etc.); rosa Band – natürliche und anthropogenen Treiber (CO2-Konzentration, etc.). Schwarze Linie: beobachtete Temperatur. Abb.: modifiziert nach IPCC AR5
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8 Die Lüneburger Heide im Jahr 2010. Nach großer Trockenheit erscheint sie wie eine braune Steppe. Foto: Rainer Klinke

Projektionen des Klimawandels

Um den Bereich möglicher zukünftiger Emissionen abzudecken, wird ein "Business as Usual" Szenario gewählt, in dem die globalen Emissionen bis gegen Ende des Jahrhunderts weiter so ansteigen wie in den letzten 20 Jahren und ein optimistisches Reduktionsszenario, in dem die Emissionen von jetzt an sinken und gegen Mitte des Jahrhunderts auf Null zurückgeführt werden. Diese beiden Emissionsszenarien führen zu Verläufen der Treibhausgaskonzentration, mit denen dann jedes Klimamodell des Modellensembles angetrieben wird. Abbildung 9 zeigt die resultierenden Verläufe für die Variable der globalen Mitteltemperatur für beide Emissionsszenarien, gemessen gegenüber dem Zeitraum um 1880. Es zeigt sich, dass mit dem Reduktionsszenario das 2 Grad-Ziel des Übereinkommens von Paris10 für die mittlere Ensembleprojektion in etwa eingehalten werden kann, während es mit dem "Business as Usual" Szenario um 3 Grad Celsius gerissen würde. Berücksichtigt man die Modellunsicherheiten, reicht auch das Reduktionsszenario (RCP2.6) nicht aus (2,6 °C bis 2100) und das "Business as Usual"-Szenario könnte zu 6,5 Grad Celsius in 2100 führen.

Betrachtet man die räumliche Verteilung der Klimavariablen, findet man, dass die Temperaturen in den Polarregion deutlich stärker ansteigen als im äquatorialen Bereich und dass der Jahresniederschlag in Nordeuropa deutlich zunehmen, im Mittelmeerraum deutlich abnehmen und in unseren Breiten in etwa konstant bleiben wird - letzteres entspricht der Fortsetzung des historischen Trends in Abb. 2. Bei den genannten Projektionen gibt es eine hohe Übereinstimmung im Modellensemble, sie sind also als relativ sicher einzuschätzen und gelten für beide Emissionsszenarien, wobei die Stärke der jeweiligen Veränderung im "Business as Usual"-Szenario signifikant größer ist. Große Übereinstimmung im Modellensemble gibt es in Europa auch zum deutlichen Anstieg der durchschnittlichen Niederschlagsintensität (Jahresniederschlag/Anzahl der Regentage), das heißt, die Konzentration der Regenereignisse auf weniger Tage, wie wir sie derzeit erleben, wird sich mit zunehmendem Klimawandel verschärfen.

Bisher war unser Projektions-Zeithorizont das Ende dieses Jahrhunderts, was aus der Sicht politischer Planung schon recht lang erscheint, aber im Kontext des Klimawandels notwendig ist. Nun gibt es aber einige wichtige Prozesse, deren Auslösung durch unsere derzeitigen Emissionen bestimmt wird, deren nicht mehr rückgängig zu machende Folgen aber erst viel später massiv spürbar sein werden. Ein solcher Kipppunkt im Klimasystem ist das Abschmelzen der Landeises (Grönland und Antarktis), das zu einem extremen Anstieg des Meeresspiegels von mehreren Metern führen wird, allerdings im Laufe von Jahrhunderten (Robinson et al., 2012; Reese et al., 2017). Es ist zu befürchten, dass wir nicht mehr weit von dem Schwellwert an anthropogener Erwärmung entfernt sind, an dem dieser Prozess irreversibel in Gang gesetzt wird. Ein weiterer Prozess, der zeigt, welche Wirkmächtigkeit die Menschheit durch die fossile Industrialisierung erreicht hat, ist das Ausfallen der nächsten Eiszeit (normalerweise in etwa 10.000 Jahren erwartet), was ab einer Schwelle von 3 Grad Celsius anthropogener Erwärmung mit großer Wahrscheinlichkeit eintreten wird (Ganopolski et al., 2016). In diesem Kontext ist auch die Gefahr des Übergangs in eine Heißzeit zu sehen, in die die Erde durch eine Kaskade von Kipppunkten11 gelangen könnte (Steffen et al., 2018).

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9 Modellensembleprojektionen (CMIP5) der Änderung der globalen Durchschnittstemperatur gegenüber 1880 für ein "Business as Usual", (rosa Band) und ein Reduktions-Emissionsszenario (blaues Band). Entsprechende Konzentrationsszenarien: RCP 2.6 & 8.5. Abb.: modifiziert nach IPCC AR5 2014, WG 1
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10 X-Achse - relative Änderung der Anzahl der heißen Tage (Tmax >30 °C) gegenüber heute für den Berliner Raum. Y-Achse – Anteil der Modelle aus dem Ensemble. Blaue Linie – Verteilung der Modellprojektionen für die Mitte des Jahrhunderts. Rote Linie – Verteilung der Modellprojektionen für Ende dieses Jahrhunderts. Abb.: CORDEX und eigene Rechnungen
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11 X-Achse – relative Änderung der Anzahl der Tage mit einem Niederschlag >36 Millimeter gegenüber heute für den Berliner Raum. Y-Achse – Anteil der Modelle aus dem Ensemble. Blaue Linie – Verteilung der Modellprojektionen für die Mitte des Jahrhunderts. Rote Linie – Verteilung der Modellprojektionen für Ende dieses Jahrhunderts. Abb.: CORDEX und eigene Rechnungen.

Anpassung und Minderung

Die Festlegung der 2 Grad-Obergrenze für die Globale Erwärmung¹² der Übereinkunft von Paris ist daran orientiert, "das Unbeherrschbare zu vermeiden", also den Klimawandel in einem Bereich zu halten, in dem die Anpassung an den Klimawandel möglich bleibt. Selbst wenn wir die globalen Emissionen sofort vollständig stoppen würden, würden wir uns dennoch für einige Zeit dem Fortschreiten des Klimawandels gegenüber sehen - also gilt es ebenso, "das Unvermeidbare zu beherrschen".

Die in diesem Kontext notwendige Auswahl und Bewertung konkreter Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel erfordert die Erstellung regionalisierter Klimaprojektionen, da die bisher diskutierten globalen Klimamodelle trotz großer Fortschritte in der Computerkapazität noch nicht die hierfür notwendige räumliche Auflösung erreichen. Hierzu wurden verschiedene Downscaling-Methoden entwickelt, die auf den Resultaten des globalen Klimamodellensembles aufsetzen.

In Abb. 10 und 11 sind beispielhaft regionale Klimaprojektion für die Entwicklung der Anzahl von heißen (Tmax > 30 °C) und Starkregentagen (Tagesniederschlag > 36 mm) für den Berliner Raum dargestellt. Der Zeithorizont ist die Mitte (blaue Linie) und das Ende (rote Linie) dieses Jahrhunderts. Den Modellrechnungen lag das "Business as Usual"-Emissionsszenario zugrunde. Auf der x-Achse ist die relative Änderung der Anzahl der Tage gegenüber heute dargestellt während die Höhe der Kurve angibt, welcher Anteil der Modelle die entsprechende Änderung vorhersagt. In Abb. 10 erkennt man zum Beispiel, dass bis Mitte des Jahrhunderts (blaue Kurve) die meisten Modelle einen Anstieg der Anzahl der heißen Tage um etwa 80 Prozent gegenüber heute vorhersagen. Bis Ende des Jahrhunderts (rote Kurve) wird am häufigsten ein Anstieg um 250 Prozent prognostiziert - man erkennt jedoch, dass die Kurve flacher verläuft, die Streuung der verschiedenen Modelle für diesen längeren Prognosezeitraum also größer ist. Man wird Anpassungsmaßnahmen also auf den meistprognostizierten Wert orientieren, allerdings berücksichtigen, dass auch ein Anstieg von 350 Prozent im Blick zu behalten ist. Abb. 11 zeigt, dass die Projektion der Entwicklung der Anzahl der Starkregentage eine etwas andere Charakteristik aufweist. Hier ist bis Mitte des Jahrhunderts ein Zuwachs von etwa 70 Prozent zu erwarten, während dann bis zum Ende des Jahrhunderts ein nur noch moderater weiterer Anstieg projiziert wird. Ein Modell sagt allerdings einen sehr starken Anstieg auf 230 Prozent vorher.

Anpassungsmaßnahmen an die projizierten Veränderungen der hier gewählten Klimavariablen sind eng mit dem städtischen Grün verbunden. Abschattung und Transpirationskühlung können das Aufheizen städtischer Räume während häufiger auftretenden Hitzewellen verringern. Angesichts zunehmender Starkregenereignisse spielt der geplante Rückhalt der Wassermassen eine immer größere Rolle, um die Überlastung der Kanalisation mit all ihren Folgen für die Qualität der Oberflächengewässer (Abwasserüberläufe) und die Funktionsfähigkeit des Transportsystems (Straßenüberschwemmungen) zu vermeiden. Von der Dachbegrünung bis zum intelligentem Anlegen von Stauräumen können die städtischen Vegetationsgebiete eine wichtige Rolle bei der Realisierung der "Schwammstadt" spielen: Wasser wird vor Ort gehalten, um in den zunehmenden heißen Trockenphasen (siehe Abb. 5) zum Erhalt der Vegetation und zur Kühlung der Stadt zur Verfügung zu stehen - sowohl die historischen Wetterverläufe als auch die Projektionen zeigen, dass wir in unseren Breiten kein Problem mit dem Rückgang des Jahresniederschlags (siehe Abb. 2), sondern mit dessen Verteilung haben. Deshalb spielen Speichermaßnahmen (im weitesten Sinne) eine wichtige Rolle im Rahmen unserer Anpassung an den - hoffentlich in bewältigbaren Grenzen gehaltenen - Klimawandel.

Literatur

Egan, P. J., Mullin, M. (2012). Turning Personal Experience into Political Attitudes: The Effect of Local Weather on Americans' Perceptions about Global Warming. The Journal of Politics, Vol. 74, No. 3, Pp. 796-809. www.journals.uchicago.edu/doi/pdfplus/10.1017/S0022381612000448.

Michael E. Mann, Stefan Rahmstorf, Kai Kornhuber, Byron A. Steinman, Sonya K. Miller & Dim Coumou (2017). Influence of Anthropogenic Climate Change on Planetary Wave Resonance and Extreme Weather Events. Scientific Reports 7:45242.

Risbey JS, Lewandowsky, S, Cowtan, K, Oreskes N , Rahmstorf S, Jokimäki A, Foster G (2018). Fluctuation in surface temperature in historical context: reassessment and retrospective on the evidence. Environ. Res. Lett. 13 123008, doi:10.1088/1748-9326/aaf342.

Alexander Robinson, Reinhard Calov & Andrey Ganopolski (2012). Multistability and critical thresholds of the Greenland ice sheet. Nature Climate Change volume 2, pages 429-432 (2012).

Ronja Reese, Hilmar Gudmundsson, Anders Levermann, Ricarda Winkelmann (2017). The far reach of ice-shelf thinning in Antarctica. Nature Climate Change [DOI: 10.1038/s41558-017-0020-x].

Ganopolski, A., Winkelmann, R., Schellnhuber, H.J. (2016): Critical insolation-CO2 relation for diagnosing past and future glacial inception. Nature [DOI:10.1038/nature16494].

Steffen, W.; Rockström, J.; Richardson, K.; Lenton, T. M.; Folke, C.; Livermann, D.; Summerhayes, C. P.; Barnosky, A. D.; Cornell, S. E.; Crucifix, M.; Donges, J. F.; Fetzer, I.; Lade, S. J.; Scheffer, M.; Winkelmann, R.; Schellnhuber, H. J.(2018). Trajectories of the Earth System in the Anthropocene. PNAS vol. 115 no. 33, 8252-8259.

Anmerkungen

1 Wettervorhersagen über einen längeren Zeitraum als einige Tage sind aus physikalischen Gründen nicht möglich.

2 Bedingt durch den starken Anstieg der industriellen Aerosolemissionen in diesem Zeitraum, die abschattend wirken.

3 Einführung von Ackerbau, Viehzucht und Sesshaftigkeit vor ca. 10.000 Jahren.

4 Beide Größen sind durch unterschiedliche Proxies im Rahmen der Paläoklimatologie rekonstruierbar.

5 Durch den Primärprozess der Photosythese.

6 Neben CO2 im Wesentlichen Methan und Lachgas.

7 Ein großer Schritt waren die Cray-Parallelrechner.

8 Assessment Report 4 des IPCC, 2007.

9 Abgesehen von irreversiblen Prozessen, die wir bereits durch unsere bisherigen CO2-Emissionen angestoßen haben.

10 Dieses Übereinkommen wurde am 12. Dezember 2015 auf der UN-Klimakonferenz in Paris verabschiedet.

11 Neben der Landeisschmelze sind dies Instabilitäten unter anderem des amazonischen Regenwalds, der Borealen Wälder, der thermohalinen Zirkulation, des indischen Sommermonsuns und der Permafrostböden.

12 Der Zusatz, die Erwärmung möglichst unter 2 Grad Celsius (z. B. 1,5 °C) zu halten berücksichtigt die bestehende Unsicherheit in der Auslösetemperatur wichtiger Kipppunkte.

Dr. Matthias Lüdeke
Autor

Senior Scientist am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, Abteilung Klimaresilienz – Klimafolgen und Anpassung

Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

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