Die „Schöneberger Schleife“ – ein Erlebnis neuer Nachbarschaft

Alte Ideen braucht die Stadterneuerung

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Gartengestaltung und Grünflächengestaltung
1 Der Nord-Süd-Grünzug als solcher weist über das Schöneberger Gebiet hinaus. Quelle: TDB Landschaftsarchitektur

Wo sich einst ein Bündel von Bahnlinien in die Stadt gefressen hatte, in Kopfbahnhöfen endend, die noch der alten Akzisemauer Respekt zollten, erstrecken sich heute die bürgernah gestalteten Parks am Gleisdreieck in Berlin. Weiter stadtauswärts, aber noch lange nicht draußen, liegt der naturnahe Park am Südgelände auf ehemals Europas größtem Rangiergelände. Die wild bewachsenen Bahnbrachen entlang radialer Linien verhalfen nach langer Bedenkzeit der Idee zum Durchbruch, die Landschaft in Schneisen in die Stadt zurückzuholen. Die neuen Grünflächen bleiben Fragment, solange dazwischen ein Niemandsland liegt: Autobahnstummel neben Bahn-trassen, Kahlschläge der Bomben des letzten Krieges und Wohnviertel, die im wörtlichen Sinn marginalisiert, weil in Randlage versetzt sind. Die bis vor Jahren ansässigen Kleingewerbetreibenden wurden im Volksmund Auto-Schrauber genannt. Obwohl die Bezirke Schöneberg und Tempelhof politisch zusammengelegt wurden, sind sie bisher stadträumlich voneinander getrennt.

Die voraussichtlich 2016 fertiggestellte, knapp sechs Kilometer lange "Schöneberger Schleife" besorgt die städtebauliche Reparatur. Sie verbindet die angrenzenden Wohngebiete mit dem Park am Gleisdreieck sowie dem Südgelände. Das Stadtumbaugebiet "Schöneberg Südkreuz" rückt näher an die City heran. Die Grünvernetzung ist der Impuls, das Mosaik inkohärenter Areale aufzuheben. Die Grünzüge verlaufen entlang zweier Bahntrassen, die radial vom Potsdamer Platz abstrahlen. Die Schleife schließt sich zum spitzwinkligen Dreieck durch einen Ost/West-Grünzug, welcher der Ringbahn folgt. Was andernorts Grüngürtel heißt, wird hier durch Strahlen ergänzt, die von einem Zentrum ausgehen. Die Vernetzung durch Grünstreifen hat eine enorme verkehrliche Bedeutung. Genau genommen ist es eine Vernetzung aus der Radfahrer-Perspektive. Das Plansoll wäre erreicht, wenn aus dem großen Fernbahnhof am Südkreuz, der für die An- und Abreise mit dem Auto konzipiert wurde, ein "Radfahrer-Bahnhof" würde. Berlin, das in der Hitliste fahrradfreundlicher Städte auf einem schlechten Tabellenplatz liegt, könnte einen Sprung nach vorne machen.

Die Zukunft begann in den 1970er-Jahren, als eine Bürgerinitiative gegen die Verlegung eines Spielplatzes protestierte. Wo heute einer der schönsten Winkel der Schöneberger Schleife zu Füßen des historischen Gasometers liegt, sollte die Autobahn hin. Es war der Auftakt zu den jahrzehntelangen Auseinandersetzungen um die "Westtangente". Das Gleisdreieck wäre zum Aufmarschgebiet eines Autobahnsystems geworden, das auf der einen Seite den Tiergarten gekappt und auf der anderen Seite von Kreuzberg drei Prozent des Altbaubestandes übrig gelassen hätte. Dagegen formierte sich die erste Bürgerinitiative Deutschlands mit dem Schlachtruf: Grüntangente statt Westtangente. Dem Tiergarten wurde noch vor dem Mauerfall die Rolle der "grünen Mitte" zugewiesen.

Ende der 1980er-Jahre kam die Idee in der Politik an. Der damalige Baustadtrat und Bürgermeister Schönebergs brachte die Vernetzungen ins Spiel, um das Patchwork-Grün eines Bezirks zusammenzubinden, der bei der Versorgung mit Grünflächen nur noch von Kreuzberg unterboten wurde. Der Bürgermeister legte im Bezirksamt Stadt- und Landschaftsplanung zusammen, um die städtebauliche Neuordnung systematisch betreiben zu können. Fachliche Mitarbeiter, die damals hinzustießen, sind stolz darauf, dass die landschaftsplanerischen Elemente des heutigen Stadtumbaus schon vor Jahrzehnten zugrunde gelegt wurden. Trotz vieler Rückschläge wie der geplatzten BUGA (1995) und neuer Begehrlichkeiten der Verkehrsplaner nach dem Mauerfall setzte sich die gute Idee durch.

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Gartengestaltung und Grünflächengestaltung
Der Cheruskerpark enttabuisiert den Gasometer. Foto: Bernhard Wiens

Nord-Süd-Grünzug

Das Rückgrat der Schleife ist der Radfernweg Berlin-Leipzig. Vom nördlichen Gleisdreieck kommend und eine der historischen Eisenbahnbrücken an der Yorckstraße passierend, nähert sich der Multifunktionsweg dem Schöneberger Nord/ Süd-Grünzug über den trichterförmig zulaufenden "Flaschenhalspark" an. Der Park, dessen vorhandener, die ehemaligen Gleise überwuchernder Bestand von Atelier Loidl behutsam erschlossen worden ist, gilt als Transitpark. An der Monumentenbrücke, wird der Weg verschwenkt. Die weitgespannte Brücke dient, auch was Blickbeziehungen angeht, als Scharnier. Der Nord/Süd-Grünzug ist an dieser Stelle, wo sich der Weg über Rampen einfädeln wird, parkartig erweitert. Am Ende der Blickachse liegen die (aus dieser Entfernung) markanten Hochhäuser des Potsdamer Platzes.

Nicht minder markant ist der von der Brücke abgehende Häuserriegel von ROBERTNEUN. Das so aufregend wie gezähmt wirkende Rot der Häuser hat das Büro TDB für die Spielgeräte aufgegriffen, die auf dem tiefer gelegenen Monumentenplatz nahe einem ehemaligen Lokschuppen stehen. TDB, die auch für die gesamte Planung und Ausführung des Nord/Süd-Grünzuges zuständig sind, haben die artifizielle Wirkung der Komponenten im Umkreis des kopfsteingepflasterten Monumentenplatzes in die Spielplatzgestaltung einfließen lassen. In den nach individuellen Entwürfen gefertigten Spielgeräten klingt das Eisenbahnthema an. Unter der Brücke liegt eine Multifunktionsfläche für Jugendliche. Ganz anders gestaltet ist der Spielplatz westlich der Gleise in Sichtweite der Brücke. Das Thema "Deutschlandreise" wird aufgefächert von "Strand" bis zu "Felswand". In der Ausführung wirkt es etwas zu programmatisch. Aber der Eintritt in diesen nördlichen Teil des Grünzugs ist, wo er schmal beginnt, sehr diskret. Der vier Meter breite asphaltierte Multifunktionsweg wird abgefangen durch die übernommene Ruderalvegetation mit Bahnrelikten. Die Böschung auf der anderen Seite ist neubepflanzt mit üppig und wechselnd blühenden Arten von Tulpe bis Feuerdorn, dazu große Solitärsträucher und Bestandsbäume. Die Entscheidung fiel, nachdem die Hänge von Munition beräumt worden waren. Vier Biotop-Flächen werden jedoch erhalten.

Als die Böschung von der grünen Wand aus Ruderalgewächsen befreit worden war, machten die TDB-Planer den Anwohnern den Vorschlag, in Verlängerung des alten Bautzener Parks, der auf die Böschung zuläuft, ein "Landschaftsfenster" an der Oberkante aufzustellen. Das Vorbild hatten die inzwischen Kult gewordenen Künstler-Architekten Haus-Rucker-Co auf der documenta 1977 geliefert. Der leere Rahmen verändert die Perspektive, macht die Landschaft via Bildraum zum Raumbild und schärft den Blick für topographische Besonderheiten. An dieser Stelle wäre es eine neue Blickachse nach Osten gewesen, über die Senke des weitläufigen Gleistals der Dresdener/Anhalter-Bahn und zur gegenüber sich wie ein Diorama aufbauenden Silhouette. Aber dass Berlin eine Topographie haben könnte, schien den Anwohnern fremd zu sein, und sie kippten den Vorschlag.

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Anfänge sind gemacht. Foto: Bernhard Wiens
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Der Spielplatz „Deutschlandreise“ beginnt mit Strand. Foto: Bernhard Wiens
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Am Monumentenplatz. Foto: Bernhard Wiens

Die Irritation der Planer wich im Fall zweier sich überkreuzender Rampen an der Böschung besserer Einsicht. Anwohner und die Vertreter des B.U.N.D. monierten allzu starke Eingriffe in den Baumbestand. Eine einzelne Rampe tut es auch, und die Ausgleichsmaßnahmen können auf demselben Gelände getätigt werden. Sechs Planungswerkstätten fanden im Vorfeld statt. Da die Planer die altbekannte Erfahrung machten, dass sich das Laienpublikum mit dem Lesen von Architektenplänen schwer tut, wurden Ausschnitte visualisiert, um mittels der Simulationen den Zustand vorher und nachher zu zeigen.

Mit dem Alfred-Lion-Steg kreuzt eine neue Ost/West-Verbindung den Nord/Süd-Grünzug und die Bahngleise. Die Brücke, welche die "Vier-Meter-Norm" erfüllt, überzeugt durch die Harmonisierung von Stahlrohr-Konstruktion und Form. Auf der östlichen Seite ist an den Nord/Süd-Grünzug ein Geschichtsparcours angeschlossen. Die Kasernen an der General-Pape-Straße beherbergten einmal die "Eisenbahnregimenter" für die Kolonialtruppen. Ein Kellerverlies wurde zum SA-Gefängnis. Ungeheuerlich ist der "Schwerbelastungskörper", mit dem Albert Speer testen wollte, ob der Berliner Sandboden "Germania" trägt.

Im Süden stößt der Grünzug auf den Bahnhof Südkreuz. Ein Sprung ist es von dort zum Hans-Baluschek-Park (Gabriele Kiefer), der parallel zum Südgelände verläuft und den Radfernweg aufnehmen soll. Aber noch ist die Hürde zu hoch für den Sprung. Der Weg endet blind am Hinterausgang des Bahnhofs und wird abseits durch das Nadelöhr einer Unterführung gezwängt. Eine Weiterführung Richtung Süden ist vorhanden, ohne jedoch in räumlichen Koordinaten verortet werden zu können. Der 2004 eröffnete Bahnhof ist ein Solitär, der vorzugsweise zum Umsteigen benutzt wird.

Der Bahnhof hat quasi den negativen Anstoß zum Stadtumbau-Projekt gegeben wie die Grünvernetzung den positiven. Schnell diagnostizierte man die "nicht vorhandene Einbindung" des Bahnhofs in die Stadtstrukturen, vergaß aber hinzuzufügen, dass urbane Strukturen gar nicht vorhanden waren. Vom Bahnhof gingen keine Impulse zur Aufwertung der umliegenden sehr disparaten Gewerbeflächen aus. Die Chance könnte in einer Umkehrung der Aufwertungsstrategie liegen: Die neue grüne Infrastruktur integriert den Bahnhof in die Stadt. Die umzunutzenden Gewerbegebiete heißen nun "Baupotenzialflächen", und der Schwerpunkt verlagert sich zum Wohnungsbau.

Machen wir hier Stopp, nehmen den Bahnhof lieber als "Umlenkpunkt" der Schöneberger Schleife und folgen ihr im Uhrzeigersinn nach Westen. Dieser in der Ursprungsidee enthaltene überörtliche Grünzug, der die südliche Kante der Schöneberger Schleife markiert, rückt Tempelhof näher heran. In dem von Topos gestalteten Bereich wurde eine Autostraße entwidmet. Die Wege mäandrieren und gehen in den Cheruskerpark über. Das Gelände ist modelliert entsprechend dem leichten natürlichen Gefälle. Die Verbreiterung in diesem südwestlichen Winkel bietet viel Platz für Aufenthalts- und Aktionsbereiche. Mit der großen Geste des Gasometers korrespondieren alte Säulenpappeln. Dieser Streifen ist zugleich Bestandteil eines anderen grünen Passepartouts der Stadt, des "Inneren Parkrings".

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Der Alfred-Lion-Steg wurde 2012 montiert. Foto: Bernhard Wiens
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Die Erweiterung des Leuthener Platzes (von „Planwerk“) grenzt an das Wohngebiet der „Roten Insel“, benannt nach der – ehemals – politischen Ausrichtung der Einwohnermehrheit. Foto: Bernhard Wiens
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Ruderaler Bewuchs und Steine des Anstoßes. Der Kabelkanal an der Wannseebahn. Foto: Bernhard Wiens

Wannseebahngraben

Schnurgerade geht es zurück nach Norden im "Wannseebahngraben". Die Baumaßnahmen haben begonnen. Dieser Graben der alten "Stammbahn" nach Potsdam kann als Spiegelbild des Nord/Süd-Grünzuges an der Dresdener Bahn gesehen werden, nur ist alles etwas gedrängter. An der Langenscheidtbrücke bieten Aufweitungen Gestaltungsmöglichkeiten. Die Böschungsvegetation soll weitgehend erhalten bleiben, aber auch hier müssen Altlasten beseitigt werden, wodurch sich das Pflanzkonzept schnell ändern kann. Durch die Enge des Grabens ist jedoch etwas Neues entstanden: klaustrophobische Angst. Der Reihe nach: Neben der S-Bahn verlaufen die Bahngleise, die seit Jahrzehnten nicht benutzt worden sind, es sei denn provisorisch für die Baulogistik am Potsdamer Platz. Diese Gleisbetten werden benötigt, um den Vier-Meter-Weg mitsamt Grünstreifen anzulegen. Die Bahn lässt sich auf einen Gestattungsvertrag ein, der das Gelände für mindestens zehn Jahre der Kommune anheim gibt. Alle Fraktionen in der Bezirksverordnetenversammlung waren einverstanden. Anzunehmen wäre, dass dieses politische Handeln in der Öffentlichkeit auf nichts als Zustimmung stößt. Die Verwaltungen warten nicht weitere Jahrzehnte ab, sondern steuern beherzt pragmatische Lösungen an, die mit einem Restrisiko behaftet sind. Es wird jedoch als wenig wahrscheinlich angesehen, dass noch einmal Verkehrsbedarf auf der Linie entsteht. Zudem würde ein erneut notwendiges Planfeststellungsverfahren eine Rückübertragung ausbremsen.

Doch nicht weit vom nördlichen S-Bahnhof Großgörschenstraße tat sich eine Sollbruchstelle auf, die die Konflikte, welche jahrelang am Gleisdreieck durchgespielt worden waren, wieder aufleben ließ. Da sich die Bahn der kostenträchtigen Verlegung eines Kabelkanals verweigert, bot sich die Ausweichmöglichkeit an, den Weg auf einen alten Bahnsteig der Stammbahn zu legen. Die Bürgerinitiativen hatten es zuvor sehr begrüßt, dass der Bezirk eine Fläche hinzukauft, auf der sich ein ruderaler Baumbestand entwickelt hatte. Den tauften die Liebhaber unter Verwendung des Namens der angrenzenden Straße "Crelle-Urwald". Er breitete sich auch auf dem Bahnsteig aus. Die üblichen Reflexe sprangen an. Der B.U.N.D. machte sich erbötig, gegen geplante Fällungen gerichtlich vorzugehen. Vorwurf: Der naturschutzrechtliche Eingriff sei nicht ausreichend geprüft worden. Bevor das Gericht entscheiden konnte, setzte die Vegetationsperiode ein. Im Grünflächenamt steht man Kopf, nicht ahnend, dass dem B.U.N.D. nicht ganz wohl bei dem Erfolg ist. Der Landesverband erläutert: Es gelte lediglich, "vollendete Tatsachen" zu verhindern, um mit den Ämtern auf gleicher Augenhöhe zu verhandeln. Sogar an die Bahn wollen die B.U.N.D.-Funktionäre noch einmal herantreten, wohl wissend, dass diese "kein einfacher Verhandlungspartner" ist.

Der Baustadtrat droht hingegen, dass die ganze Maßnahme futsch ist, wenn nicht die für dieses Jahr bewilligten Fördergelder des "Stadtumbau West" abgerufen werden.1 Entspricht dem nicht das Ultimatum eines kleinen harten Kerns der Bürgerinitiativen, das Projekt als ganzes zu kippen, wenn Bäume gefällt werden? Die Besonnenen auf allen Seiten erinnern sich nostalgisch an die Moderation des Büros Seebauer und Partner beim Ausbau des "Gleisdreieck", die mehrmals Gordische Knoten durchzuschlagen half. Eine begleitende Moderation gibt es diesmal nicht, und das Büro Seebauer könnte sie auch nicht übernehmen, weil es den Zuschlag für den Ausbau des Wannseebahngrabens bekommen hat. Immerhin fand eingangs ein dreistufiges Verfahren der Bürgerbeteiligung statt: 1. Vorgespräch. "Die Planer hörten zu." 2. Zwei Ideenwerkstätten, eine davon für Jugendliche; schon konkreter, themenbezogen. 3. Planungswerkstätten. Die auf Grund von 1. und 2. erarbeiteten Planungsvorschläge wurden - auch vor Ort - vorgestellt.

Mit der schon professionellen Frustrations/Aggressionshaltung eines mittlerweile in die Jahre gekommen harten Kerns der Bürgerinitiativen umzugehen, ist unersprießlich. Es wäre jedoch wenig ratsam, die Akte "Bürgerbeteiligung" zu schließen, solange die Dinge in Fluss sind. Dass die sozialen Prozesse rund ums Grün nie aufhören, bezeugt der Nutzerbeirat, der sich als "ständiges Organ" am Gleisdreieck etabliert hat. Für die Schöneberger Schleife wird zumindest ein Runder Tisch gefordert. Ob wassergebundene Wegedecken für Fußgänger, wie aus Kreisen der Initiativen gewünscht, noch der Stein der Weisen sind, sei dahingestellt. Aber die Probleme mit asphaltierten Multifunktionswegen werden bei der Schöneberger Schleife verstärkt die Fußgänger treffen, wenn der Charakter von Rennpisten in Korridoren nicht aufgebrochen wird. Umherschweifen, Verweilen, sich dem Mikrokosmos der Pflanzen zuwenden ist in den schmalen Transitzonen des Rundkurses nur eingeschränkt möglich. Ab und zu eine Bank unterstreicht nur das Defizit. Fehlende Wohnumgebung, enge Räume, mangelnde Ausweichmöglichkeiten verstärken den Eindruck der Marginalisierung. Noch liegt die Schöneberger Schleife in randständigen Bereichen, und es bleibt (besser nicht) abzuwarten, ob sie nicht vereinzelt ein marginalisiertes Publikum oder entsprechende Szenen anziehen. Der Wannseebahngraben sollte auf alle Fälle beleuchtet werden.

Aber man kann nicht alles haben. Die Antworten der befragten Planer stimmen überein: Wenn die Schleife - und deren Verlängerungen - kein Torso mehr ist, wenn die städtebauliche Situation etwa am Bahnhof aufgeklärt ist, wenn die Nutzerfrequenz steigt, dann üben auch die Radfahrer soziale Kontrolle aus. Der Wechsel von Aufweitung und Verengung, die Vielfalt der vernetzten Räume ist das Erlebnis. Es schafft das Gefühl von Nähe und Ferne zugleich - ein urbanes Gefühl. Die Leipziger, und warum nicht auch die Kopenhagener,2 mögen in die Pedale treten und in Schöneberg eine Schleife drehen.

Anmerkungen

Ich danke meinen Gesprächspartnern Eva-Maria Boemans, Matthias Franke, Hans Göhler, Tilmann Heuser, Ulrich Schop, Martin Schwarz, Rüdiger Schwietzki, Manfred Sperling. Besonderer Dank an Norbert Rheinländer von der "Aktionsgemeinschaft Gleisdreieck", für den sich ein Lebenswerk abrundet.

¹ Für den Nord/Süd-Grünzug wurden die Mittel aus dem Stadtumbau durch eine GRW-Förderung ("Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur") zugunsten des überregionalen Radweges aufgestockt.

² Der Radfernweg nach Kopenhagen existiert bereits, aber ein günstiger Anschluss an das Gleisdreieck fehlt noch.

Dr. Bernhard Wiens
Autor

Beuth Hochschule

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