Ein Gespräch mit Prof. Dr. Harald Linke zum 90. Geburtstag

"Am Ende der Ausbildung stand der Generalist"

Jubiläum Landschaftsarchitektur
Prof. Dr. Harald Linke. Foto: Nora Kindermann

Von 1968 bis 1992 wirkte Harald Linke als Professor für Landschaftsarchitektur und Ingenieurbiologie an der TU Dresden, später auch in Wien. Er prägte dabei Generationen von Landschaftsarchitekten. Durch seine zahlreichen Kontakte machte er auch im Ausland die Leistungsfähigkeit der Landschaftsarchitektur der DDR bekannt. 1990 erhielt er deshalb den Europapreis für Landespflege der Johann Wolfgang von Goethe-Gesellschaft zu Basel.


Herr Linke, warum sind Sie Landschaftsarchitekt geworden?

Mein Leben und die Berufswahl haben der Krieg und seine Folgen bestimmt: mit 16 wurde ich kriegsdienstverpflichtet, danach verbrachte ich drei lange und bittere Jahre im sowjetischen Speziallager. Russische und lateinische Sprachkenntnisse sowie eine Menge botanischer Namen verhalfen mir zum späteren Beruf: ich musste als absoluter Laie eine Lager-Gärtnerei mit 100 Mann Personal zur Versorgung der Wachmannschaften und - manchmal auch der Gefangenen - aufbauen. Als die ersten Radies fertig waren, wurde ich mit Lungentuberkulose und Kehlkopfkrebs ins Lazarett eingeliefert und überlebte. Als ich 1948 wieder nach Hause kam, absolvierte ich eine Gärtnerlehre und studierte danach an der Landwirtschaftlich-gärtnerischen Fakultät der HU Berlin.

Wie erlebten Sie nach diesen Turbulenzen Ihre Studienzeit in Berlin?

Professor Georg Bela Pniower hat mich mit seinem landschaftspflegerischen Engagement, der komplexen Behandlung der Probleme und der Einbindung aller in der Landschaft Tätigen sehr begeistert. Er lehrte ja auch damals schon Ingenieurbiologie. Die Kunsthistoriker - Professor Sörensen und Professor Kurth - vermittelten neben Fachwissen insbesondere auch Allgemeinbildung, sowie das Verständnis für große Zusammenhänge. Aber auch die enge Verbindung zur Wasserwirtschaft und zum Bauwesen, vor allem zum Städtebau, begeisterten uns.

Sie studierten an dem ersten, 1929 durch Erwin Barth errichteten Universitätsinstitut in Berlin. Aber warum hat gerade die TU Dresden dieses 1970 - mitsamt Studenten - übernommen?

Die Verlagerung der Ausbildung von Berlin nach Dresden war eine Folge jahrelanger Notlösungen nach Pniowers überraschendem Tod 1961 und Hennebos Übersiedlung in die BRD. Prof. Werner Bauch an der TU Dresden, der mit seinem 1954 eingerichteten Lehrstuhl bereits vor Ort eine Zusammenarbeit mit den Architekten und vor allem den Städtebauern praktizierte, gewann zunehmend an Bedeutung und war eine naheliegende Alternative. Ich war nach mehrjähriger Tätigkeit in Büros für Hochbau und auch Gebiets-, Stadt- und Dorfplanung der erste Assistent an seinem Lehrstuhl, promovierte, habilitierte und wurde 1968 sein Nachfolger.

Das heißt, der Zusammenschluss von Garten, Landschaft und Architektur war ausschlaggebend?

Richtig. Und mehr noch: die an unserem Institut deutschlandweit erstmals eingeführte Berufsbezeichnung "Landschaftsarchitekt" war die logische Konsequenz der Neuausrichtung. 1970 wurden die ersten Studierenden immatrikuliert.

Woher kam Ihr Interesse an der Ingenieurbiologie?

Günstig war, dass in Dresden Bau-, Wasser- und Forstwesen in Dresden zu einer Fakultät gehörten. Ein Schlüsselerlebnis waren die Hochwasserereignisse von 1955 und 1958. Da man 1955 die Schadensbeseitigung langsam anging, kam das Hochwasser von 1958 umso überraschender für die angefangenen, offenen Baustellen. Genau dies war unsere Chance! Wir konnten in der Praxis beweisen, was die Pflanze kann. Die lebenden Baustoffe und deren Verwendungsmöglichkeiten wurden binnen kürzester Zeit Planungsbestandteil. Das Motto war: "learning by doing", da es weder Zeit noch Geld für Forschung gab.

Was war Ihnen in der Lehre besonders wichtig?

Die Verbindung zur Praxis! Daneben aber auch die Zusammenarbeit mit den Architekturstudenten: Das gemeinsame Herangehen, die gemeinsame Sprache und Tätigkeit am Objekt, die Verteidigung vor dem Praxispartner waren wichtige Vorbereitungen auf den Beruf.

Die Wende griff auch in die Landschaftsarchitektur der DDR ein. Was hat sich bis heute verändert?

Nach der Wende zerfielen die großen Büros und die gelebte Zusammenarbeit wurde zum Einzel- und Konkurrenzkampf. Das einst selbstverständliche Komplexbüro, in dem Statiker, Architekt, Tiefbauer und Grünplaner von Anfang an einem Objekt zusammenarbeiteten, gehört bis auf Ausnahmen der Vergangenheit an. Beim Bauen und im Landschaftsbau ging es in der DDR in erster Linie um Masse, geringe Kosten, Funktionserfüllung und weniger um Qualität - und all das verbunden mit einem Mangel an Material, Arbeitskräften und Baukapazität. Künstlerische Qualität blieb wenigen Objekten vorbehalten: Die KZ-Gedenkstätten im Zusammenwirken von Freiraum und monumentaler Architektur sind Zeugnisse möglicher Qualität, "Verschönerungen" mit repräsentativen Plätzen, Straßenräumen oder Promenaden waren selten.

Das heißt…?

Es ist durchaus dienlich, sich der Vergangenheit zu erinnern und ihrer Mühen. Die DDR war kein Paradies, sondern eine Werkstatt der Improvisation, aber auch mit Lichtblicken - freilich aus einem bescheidenen Blickwinkel.

Dennoch haben Sie das Bild des Landschaftsarchitekten nachhaltig geprägt. Was zeichnet ihn aus?

...umfangreiche disziplinübergreifende praktische Kenntnisse und Erfahrungen, ergänzt durch die gestalterische Komponente. Leider mangelt es angesichts zunehmender Spezialisierung an dieser komplexen Herangehensweise. Keine Frage: Wir haben heute einen Gewinn künstlerischer Qualität im Freiraum, aber früher stand am Ende der Ausbildung der teamfähige Generalist, nicht der Künstler.

Welchen Rat würden Sie angehenden Landschaftsarchitekten geben?

Erwerben sie vor dem Studium praktische Kenntnisse im Landschaftsbau, kümmern sie sich um Botanik und Bauen. Darüber hinaus lernt man nie aus und nichts umsonst, denn jeder Lebenstag steckt voller Überraschungen und neuen Aufgaben, deren Lösung Freude bringt.

Anlässlich seines 90. Geburtstags im Juni 2018 sprachen Marcus Köhler, Professor für Geschichte der Landschaftsarchitektur und Gartendenkmalpflege an der TU Dresden, und Nora Kindermann, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Landschaftsarchitektur TU Dresden, mit Prof. Linke.

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