Ernst Paul Dörfler

Aufs Land: Wege aus Klimakrise, Monokultur und Konsumzwang

Bücher Klimawandel

Es ist nicht leicht mit Ernst Paul Dörfler einen Termin zu finden; er ist gerade oft mit seinem neuen Buch zu Lesungen und Interviews unterwegs. Ein Tag Ende Oktober passt. Gut, dass es noch mild ist, wir wollen im Freien sein, sagt er am Telefon. Mit dem Zug geht es nach Zerbst, der seinem Wohnort Steckby nächsten Bahnstation. Von da aus 10 Kilometer mit dem Rad über die Landstraße. Das Dorf liegt im Biosphärenreservat Mittelelbe, zählt 250 Seelen, hat eine Radfahrerkirche und eine Storchenmühle.

Auf die Frage nach Dr. Dörflers Haus wird mir mehrfach bereitwillig Auskunft gegeben. Er ist hier bekannt und beliebt. Zuerst führt er mich durch den Garten zu Apfel-, Pfirsich- und Feigenbäumen, Sonnenblumen, Himbeer- und Blaubeersträuchern, Tomatenstauden. Bohnenpflanzen winden sich am Gestänge, Wein rankt an Fassaden. Am Boden wachsen Zucchini, sogar Wassermelonen, unterirdisch roter Rettich und natürlich Möhren. Oder Kartoffeln, gleich gibt es welche zum Mittagsmahl. Für den Quark sammeln wir Dill, Petersilie, Kerbel, schneiden Zwiebeln und Knoblauch. Der Tisch ist gedeckt, wir reden beim Essen übers Landleben, wie's im Buch steht und wie es der Autor praktiziert. Spatzen zwitschern dazwischen. Wer Dörflers vogelkundlichen Bücher, zum Beispiel "Nestwärme", kennt, wird erstaunt sein, dass es dem Ökochemiker jetzt ums große Ganze geht: um Naturzerstörung in Stadt und Land und um Auswege aus der Klimakrise, der Monokultur und dem Konsumzwang. Am 29. Juli war der diesjährige Erdüberlastungstag; seitdem lebt die Menschheit von den Ressourcen, die den nächsten Generationen zustehen. Die Gründe sind komplex: Wachstumszwang, verhängnisvolle Produktionsketten, falsche Preispolitik, Denaturierung der Landschaft . . . Von den Elbauen, kann ich mir beim gemeinsamen Spaziergang ein Bild machen. Im UNESCO-Biosphärenreservat soll Harmonie zwischen den Menschen und ihrer natürlichen Umgebung hergestellt werden - eine löbliche Absicht, deren Umsetzung immer wieder, zum Beispiel durch den Ausbau der Flussufer, behindert wird.

Dörfler beklagt nicht nur vielfältiges Versagen der Politik, der Buchtitel "Aufs Land" - ohne Ausrufezeichen - richtet sich an alle. Es geht um Ideen, wie das Sterben des ländlichen Raums umzukehren, Fehlentwicklungen rückläufig zu machen sind und um die Bedeutung der Wälder und der biologischen Vielfalt für das Lebensnotwendige - für die Lebensmittel, die die Stadt verbraucht und viel zu gering honoriert.

Auch postuliert Dörfler, dass der Mensch nahe der Natur stressfreier und - auch seelisch - gesünder lebt. Das Landleben muss nur attraktiver werden, zum Beispiel mit besserem öffentlichem Verkehr.

Jugendliche besuchen bei Dörfler im Freiwilligen Ökologischen Jahr Workshops, wo sie erfahren, wie ein ökologisches Dorf beschaffen sein sollte, wie Biodiversität zu bewahren und der Boden agrargiftfrei und zum Tierwohl nachhaltiger zu bewirtschaften ist.

In dem teilweise sehr persönlichen Buch wird der Begriff Natur in Beziehung gesetzt zum Wohnen, zum Geld, zum Haustier, zum Müll, zur Kindheit, zur Arbeit, zur Psyche. Nicht zur Religion, zum Christentum - warum nicht? Es würde fast ein weiteres Buch bedeuten, sagt Dörfler, der Mitglied der Kirche ist. Dort gehe es zwar um "Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung", aber die Thesen würden nur selten oder kleinlaut vorgebracht. Beim tätigen Klimaschutz sei die Kirche nicht vorbildhaft.

Aber: "Noch ist es nicht zu spät zum Handeln", schreibt er. Das gilt für Einzelne, Paare, Familien, Freundeskreise, Kommunen, Institutionen - für alle Verantwortlichen der Gesellschaft.

Christoph Kuhn

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