Der sanierte Körnerpark in Berlin-Neukölln

Barock fürs Arbeiterquartier

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Gartendenkmalpflege
Formal gestaltet wie im (Neo-)Barock, doch mit „demokratischer“ Nutzung. Eigentlich sollen die Rasenflächen gar nicht betreten werden. Da aber kaum Schäden entstehen, wird es in republikanischer Manier geduldet. Foto: Thomas Herrgen

Die Gartendenkmalpflege einerseits und der realistische Blick auf die Pflege- und Unterhaltungskosten andererseits stehen oft in krassem Widerspruch zueinander. Die Sanierung und Erhaltung historischer Parkanlagen ist vor dem Hintergrund knapper öffentlicher Haushalte meistens schwierig, manchmal unmöglich, gerade in Berlin. Doch gelegentlich gelingt auch ein kleines Wunder, etwa wenn ein Park hundert Jahre alt wird und der Bevölkerung dringend Grünflächen zur Verfügung gestellt werden müssen. 1912 hatte ein Neuköllner Sponsor die Idee für einen Park, schenkte das Grundstück der Stadt und die setzte ihn um.

Wohltaten willkommen

Großzügige Geschenke an eine Stadt durch Mäzene, Konzerne oder Spender sind immer gern gesehen, natürlich auch wenn sie für das öffentliche Grün bestimmt sind. Der Bau eines neuen Parks ist ein eher seltenes Ereignis und so freute sich der Berliner Bezirk Neukölln vor rund 100 Jahren über ein kostenfrei überlassenes Grundstück, das bis 1916 zu einer beeindruckenden Grünanlage wurde. Zur Hundertjahrfeier 2016 war der Park umfangreich saniert worden. Viele, heute eingewachsene Parkanlagen entstanden vor einem Jahrhundert und erfuhren bis zum Jubiläum eine Renovierung, so auch der Körnerpark in Berlin-Neukölln. Er ist U-förmig von der Jonasstraße, der Schierker Straße und der Wittmannsdorfer Straße umgeben, wurde baulich saniert und neu bepflanzt. Das ganze Jahr 2016 hindurch stand der Geburtstag mit Feiern, Veranstaltungen und Ausstellungen im Fokus des hoch verdichteten Berliner Arbeiterbezirks.

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Gartendenkmalpflege
Bei der Sanierung wurde die neobarocke Geometrie wieder herausgearbeitet. Ausnahme sind die Bäume, da der alte Baumbestand erhalten und Lücken in Kauf genommen wurden. Abbildung: Henningsen Landschaftsarchitekten, Berlin
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Die zentrale Rasenfläche wird längs von Wasserkanälen und üppigen Staudenbeeten flankiert. Foto: Thomas Herrgen

Entstehungsgeschichte

Der axiale Park wurde 1912-1916 und damit größtenteils im Ersten Weltkrieg auf der Fläche einer ehemaligen Kiesgrube geplant und angelegt. Die Höhenunterschiede nach der Ausbaggerung von fünf bis sieben Metern blieben dabei erhalten. Gebäude, Arkaden und Stützwände halten die Seiten; in der untersten Ebene liegt eine Rasenfläche mit Wasseranlagen, Kaskaden und Fontänen. Der neobarocke Garten wird auch als das "Neuköllner Versailles" bezeichnet. Die etwa 3,6 Hektar große Grünfläche steht unter Denkmalschutz und wurde bereits 2003 mit dem Gustav-Meyer Preis ausgezeichnet. Seit der Stilllegung des Flughafens Tempelhof Ende 2008 herrscht über dem bis dahin in geringer Höhe überflogenen Neukölln nun auch Ruhe und der Park kann tatsächlich wieder zur Erholung genutzt werden.

Der Hintergrund zur Entstehung dieses wundersamen Berliner Parks ist ein wenig skurril. Der laut Zeitzeugen "steinreiche" Kiesgrubenbesitzer Franz Körner besaß auf dem Gebiet der damals noch eigenständigen Stadt Rixdorf, dem späteren Neukölln, ein Abbaugebiet, das um 1910 herum erschöpft war. Wo andernorts heutzutage rekultiviert oder ein See angelegt wird, wurde die Abbaggerung damals üblicherweise wiederverfüllt. Um sich aber den logistisch schwierigen Transport von Boden und die immensen Kosten dafür zu sparen, verschenkte Körner einen Großteil der Fläche an die Stadt, während er einen kleineren Teil als Baugrund für ein "stattliches Wohngebiet" verkaufte. Das Geschenk war verbunden mit dem Wunsch beziehungsweise der Bedingung, auf der Fläche einen Park anzulegen, der seinen Namen trägt. Franz Körner galt als "freigiebiger Wohltäter und Förderer der Wissenschaften und Künste, begeisterter Blumenzüchter, Hobbyarchäologe und Orientreisender, als Vorbild an Bürgertugend, Bildung und Gemeinsinn" wie über ihn in der Neuköllner Heimatgeschichte zu lesen ist.

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Von der Orangerie-Terrasse besteht ein guter Blick auf die zentrale Rasenfläche. Im Gebäude auf Ebene -1 befinden sich Ausstellungsräume und ein Café. Foto: Thomas Herrgen
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Die Wasserachse hat ihren Auftakt im Osten, wo sie über eine pompöse Kaskade in das runde Becken mit der großen Fontäne mündet. Foto: Thomas Herrgen

Im Schatten des Krieges planen und bauen

Nachdem alle rechtlichen und notariellen Aspekte geklärt waren, folgte ein langer Planungs- und Abstimmungsprozess. Eine erste Darstellung im Rixdorfer Bebauungsplan von 1910 sah noch eine Art englischen Landschaftspark vor. Der zweite Entwurf des Neuköllner Gartenbaudirektors Otto K. Halbritter von 1912 hatte dann aber einen gewissen Volksparkcharakter mit großem Wasserbecken und einer quer dazu liegenden Rasenfläche. Die Bäume waren zwar mehr oder weniger symmetrisch angeordnet, aber als frei wachsend gedacht. Halbritters Nachfolger Hans R. Küllenberg entwickelte den Entwurf schließlich weiter zu einer streng axialen, repräsentativen Anlage im Stil des Neobarock mit geschnittenen Schirmplatanen. Statt eines Wasserspiegels sah er eine Kaskade, eine Fontäne in rundem Becken und zwei lange "Kanäle" vor, die die zentrale, rechteckige Rasenfläche seitlich begleiten. Die markanten Höhenunterschiede bis sieben Meter mussten durch Gebäude, Mauern, Terrassen und Treppen überwunden und gegliedert werden. Die grundsätzlichen Arbeiten hatten bereits im Sommer 1913 begonnen und wurden, was die baulichen Elemente aus Beton betraf, im Mai 1914 nach weiteren Modifikationen der Planung beendet. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges verhinderte sodann die schnelle Fertigstellung, unter anderem auch deshalb, weil viele Projektbeteiligte an der Front fielen oder eines natürlichen Todes starben. Die Bepflanzung der Anlage, ihre Ausstattung mit Parkbänken und Pflanzkübeln sowie die Inbetriebnahme der Wasseranlagen erfolgte - noch mitten im Krieg - bis Juli 1916, als dann auch der Bevölkerung einmal pro Woche, am Sonntagnachmittag erlaubt wurde, den Park zu betreten.

Fluglärm und Zerfall

In den folgenden 30 Jahren entwickelte sich der Park zu einem beliebten Treffpunkt und er wurde stark genutzt. Den Zweiten Weltkrieg überstand die Anlage relativ gut mit nur geringen Schäden. Im Zuge der Berlinblockade 1948/49 und dem Bau einer zusätzlichen Landebahn in Tempelhof für die Berliner Luftbrücke geriet Neukölln jedoch vollends in die Einflugschneise. Der Aufenthalt im Körnerpark und sein Zustand selbst wurden immer unattraktiver.

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Am Eingang zum Blumengarten werden Besucherinnen und Besucher um Respekt gebeten – was offenbar funktioniert. Foto: Thomas Herrgen
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Zum Jubiläum 2016 hatten offenbar Anwohner in einer seitlichen Rasenfläche die Zahl 100 mit roten Eisbegonien gepflanzt. Foto: Thomas Herrgen

Bis in die 1960er-Jahre hinein war die Anlage fast dem Zerfall preisgegeben. Immer mehr Bereiche mussten aus Sicherheitsgründen abgesperrt werden. Erst 1977, nach jahrelanger Diskussion, wurden Finanzmittel zur Rekonstruktion des Parks bereitgestellt. Diese umfasste die Baulichkeiten wie Orangerie, Kaskade und Umfassungsmauern. Die Arbeiten wurden vom damaligen Landeskonservator fachlich begleitet. Nach der vollständigen Sanierung 1984 eröffnete die ehemalige Orangerie als "Galerie am Körnerpark" neu. In ihr arbeiteten zeitweise Künstler mit der Möglichkeit, ihnen über die Schulter schauen zu dürfen und es fanden regelmäßig Ausstellungen der dabei entstandenen Arbeiten statt.

Gartendenkmalpflegerische Wiederherstellung

Ab 1980/81 folgten dann auch erste gartendenkmalpflegerische Maßnahmen und im Rahmen eines neu aufgelegten Brunnensanierungsprogramms konnte ab 2001 mit den bis dahin noch nicht erfolgten Arbeiten an der Kaskade, mit Fontäne und der zugehörigen Wassertechnik begonnen werden. Das Berliner Büro Henningsen Landschaftsarchitekten BDLA erarbeitete im Auftrag des Bezirksamts Neukölln den Entwurf zur denkmalgerechten Sanierung. Auch hier - in enger Abstimmung mit dem Landesdenkmalamt Berlin - erhielt die Brunnenanlage ihr Erscheinungsbild nach historischer Vorlage zurück und wurde auf den neuesten Stand der Technik mit Filteranlage, Umwälzung und niedrigerem Wasserverbrauch gebracht.

Seit Ende 2002 plätschern nun die Wasserkaskaden und sprudeln die Fontänen im Körnerpark wieder wie vor 100 Jahren (Vergl. auch der Bericht zur Brunnensanierung in Stadt+Grün 2-2006).

2003 wurde das Projekt "für hervorragende Leistungen bei der Planung und deren handwerkliche Umsetzung sowie für den Unterhaltungszustand der Anlage" mit dem Gustav-Meyer Preis der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ausgezeichnet. Die nach dem ersten Berliner Gartendirektor benannte Auszeichnung wird seit 1995 im Zweijahresturnus vom Senat für herausragende Leistungen im Bereich öffentliches Grün vergeben. Bereits seit April 1984 ist der Körnerpark offiziell ein Gartendenkmal.

Gartendenkmalpflege
An heißen Sommertagen bieten die alten Bäume viel Schatten und auf dem großen Rasen ist Picknicken sehr beliebt. Foto: Thomas Herrgen
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Im ruhigen, am Rand gelegenen Blumengarten auf der Nordseite können barocke Muster, auch mit Wechselflorbepflanzung genossen werden. Die Rasenflächen sind hier strikt Tabu. Foto: Thomas Herrgen

Vollendung bis 2016 zum 100sten Jubiläum

Ende Oktober 2008 wurde der Flugverkehr in Berlin-Tempelhof endgültig eingestellt. Der damit endende Fluglärm über Neukölln und das nahende 100-Jahre-Jubiläum des Parks beförderten dann die letzten Sanierungsmaßnahmen, insbesondere bei der Bepflanzung. So wurden vor allem die beiden Staudenbeete entlang der Wasserkanäle, beidseits der großen, zentralen Rasenfläche neu angelegt, unter anderem mit Hortensien, Funkien, Rudbeckien, Silberkerzen, Anemonen und verschiedenen Gräsern. Die benachbarten, ehemaligen Schirm-Platanen zur Fassung der Rasenfläche waren bereits seit Jahrzehnten nicht mehr geschnitten worden und dürfen weiterhin frei wachsen. Die Kaskade wird von Säulenbäumen und niedrigen Hecken flankiert. Im Blumengarten an der Nordseite (mit Südsonne) blühen im Sommer Salbei und Eisbegonien, während Taxus-Formgehölze, Einfassungsbuchs und Liguster-Kugeln vor einer mit Efeu berankten Stützwand das Gerüst bilden. Auf dem Platz vor der ehemaligen Orangerie geben Palmen, Lorbeer, Oleander und Agapanthus in Kübeln den Ton an, begleitet von im Erdreich wachsenden Kugelrobinien.

Nutzung und Sozialverhalten

Obwohl es eigentlich nicht gestattet ist, wird das Betreten und Liegen auf den Rasenflächen geduldet, soweit es keine Schäden verursacht. Mit einem Café in der Ausstellungshalle ist auch für ein gastronomisches Angebot gesorgt. Neukölln ist ein sehr bunt gemischter Bezirk mit überwiegend Arbeitern und etwa einem Drittel Migranten, hauptsächlich mit türkischen Wurzeln. So gehört zur Nutzung des Parks auch, dass sich frisch verheiratete türkische Paare vor dem Hintergrund der neobarocken Parkanlage fotografieren lassen und von den Besuchern wohlwollend beäugt werden. Es gibt zudem praktisch keinen Vandalismus mehr und so bestätigen diese friedlichen Bilder abermals, dass Grün als soziales Element sehr wichtig ist und bei guter Pflege und Unterhaltung auch funktioniert.

Der historische Körnerpark

Entstehung: 1913-1916
Planung: Gartendirektor Otto Karl Halbritter, Diplom-Gartenmeister Hans Richard Küllenberg und Stadtbaurat Reinhold Kiehl
Bauherr und Auftraggeber: Stadt Rixdorf, Gartenverwaltung (heute Bezirk Neukölln von Berlin)
Größe: 3,6 ha
Bausumme: 920.000 Reichsmark (Herstellungskosten; das Grundstück war ein Geschenk)
Sanierungskosten (bis 2016): ca. 1,3 Mio. EUR

Weitere Informationen

www.körnerpark.de
www.henningsen-berlin.de
www.berlin.de/ba-neukoelln/aktuelles/pressemitteilung
www.parcview.de/themen/kulturelles-erbe/details/18

Zugang & Öffnungszeiten: Öffentlich zugänglich (kein Eintritt), Galerie im Körnerpark, Dienstag bis Sonntag 10-18 Uhr
Anfahrt ÖPNV:
S- und U-Bahn Station 'Neukölln'
Adresse:
Schierker Straße 8, 12051 Berlin

Dipl.-Ing.(FH) Thomas Herrgen
Autor

Landschaftsarchitekt

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