Was beinhaltet das Maßnahmenkonzept 2017?

Barrierearmer öffentlicher Raum im Berliner Märkischen Viertel

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Haupteingang Märkisches Zentrum: unübersichtlicher öffentlicher Raum mit zahlreichen Hindernissen. Foto: Christiane Gottwald

Die Großsiedlung Märkisches Viertel soll barriereärmer werden. Bereits im Jahr 2012 wurde damit begonnen, im öffentlichen Straßenraum Barrieren abzubauen und für eine bessere Orientierung zu sorgen. Die Umbaumaßnahmen erfolgten im Zusammenhang mit zeitgleich durchgeführten Maßnahmen der Gesobau AG, die im Zuge der Modernisierung ihrer Gebäude damit begonnen hatte, auch in ihrem Wohnumfeld vorhandene Barrieren zu beseitigen. Da sämtliche Wohnungen der Wohnungsbaugesellschaft mit dem Aufzug erreichbar sind, bietet die Großsiedlung gute Voraussetzungen für einen behinderten- und altersgerechten Wohnstandort. Mit der Modernisierung ihrer Gebäude und des Wohnumfelds strebt die Gesobau AG das Prädikat "Barrierearme Wohnsiedlung" an. Um dieses Prädikat zu erhalten, müssen aber nicht nur die privaten Grundstücksflächen, sondern auch der öffentliche Raum den Anforderungen gerecht werden.

Im Januar 2009 wurde das Märkische Viertel als Stadtumbaugebiet festgesetzt. Fördermittel aus diesem Programm ermöglichten bereits die Qualifizierung von mehreren Fuß- und Radwegen sowie diverser Straßenquerungen. Darüber hinausgehend verständigte sich das Bezirksamt Reinickendorf mit der Gesobau AG darüber, weitere Gehwegabsenkungen und Fußgängerquerungen im öffentlichen Straßenraum zu realisieren, um diesen noch besser an die bereits umgestalteten Grundstücke der Wohnungsbaugesellschaft anzubinden. Des Weiteren wurde zum besseren Auffinden des zentralen Veranstaltungs- und Kulturzentrums "Fontane-Haus" ein Leitsystem für blinde und sehbehinderte Menschen angestrebt.

Zur Vorbereitung der Maßnahmen wurde im Herbst 2016 das Konzept "Barrierearmer Öffentlicher Raum" beauftragt, das durch eine ausführliche Bestandsaufnahme und Beteiligung von orts- und themenkundigen Akteuren als Maßnahmenkonzept mit den erforderlichen Umbauten für eine barrierearme, mobilitätsfördernde Gestaltung von Wegen im Märkischen Viertel zu entwickeln war.

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Einladungsplakat Rundgänge. Abb.: S.T.E.R.N. GmbH

Im Anschluss an die Konzepterstellung und der dort getroffenen Festlegung von abgestimmten Handlungsschwerpunkten stehen für erste Umbaumaßnahmen in den Jahren 2017/18 Mittel in Höhe von rund 280.000 Euro zur Verfügung.

Rundgänge: Feststellen von Barrieren im öffentlichen Raum

Auf drei öffentlichen Rundgängen im Märkischen Viertel führten die Beobachtungen und Erfahrungen von Gebietsakteuren und vor Ort lebenden mobilitätseingeschränkten, blinden und sehbehinderten TeilnehmerInnen zu wertvollen Erkenntnissen. Zahlreiche große und kleine Hindernisse und Einschränkungen wurden festgestellt sowie mögliche Alternativen und Verbesserungsvorschläge diskutiert.

An den Rundgängen beteiligten sich neben Vertreterinnen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, des Bezirksamtes und der Gebietsbeauftragten S.T.E.R.N. GmbH besonders engagiert die Behindertenbeauftragte des Bezirks, der Behindertenbeirat, der Mobilitätshelfer zur Verbesserung der Mobilität von Menschen mit Behinderungen des agens e. V. (Arbeitsmarktdienstleister), das Institut für Gerontologische Forschung e. V. und der Quartiersbeirat.

Zuwegung zum Fontane-Haus: Auffindbarkeit und Orientierung

Das am zentralen Marktplatz gelegene Veranstaltungs- und Kulturzentrum Fontane-Haus, eine wichtige Anlaufstelle für die Bewohner und Besucher des Märkischen Viertels, ist vom Haupteingang des Märkischen Zentrums und den dort befindlichen Bushaltestellen aus schwer aufzufinden und nicht barrierefrei erreichbar. Der Weg zum Fontane-Haus beginnt mit zum Teil schlecht erkennbaren Hindernissen und zahlreichen Stolperfallen in Form von zu niedrigen, nicht kontrastierenden Granit-Pollern ohne Warnmarkierungen, groben Metall-Pollern und Bodenwellen an Feuerwehrzufahrten, nicht markierten Werbeschildern und Litfaßsäulen, Baumscheiben mit hervorstehenden Baumwurzeln, schadhaften Gehwegplatten und mangelnder Beleuchtung. Eine eindeutige Wegweisung zum Fontane-Haus und Orientierungshilfen, insbesondere für blinde und sehbehinderte Menschen, sind nicht vorhanden. Der letzte Wegeabschnitt zum Marktplatz und Fontane-Haus weist ein starkes Gefälle auf, das angesichts fehlender Festhalte- und Ausruhmöglichkeiten, wie Handläufe, Podeste und Bänke, für Menschen im Rollstuhl oder mit Rollator nur schwer zu bewältigen ist.

Am Marktplatz sorgt eine farbliche und strukturelle Vielfalt an Wegebelägen für Desorientierung. Dagegen dominiert in der aus opulenten Treppen und Rampen bestehenden Eingangszone des Fontane-Hauses ein kontrastarmes Anthrazit. Hier fehlen sich farblich absetzende Bodenindikatoren, Stufenvorderkantenmarkierungen und an den Handläufen Informationen in Brailleschrift.

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Wilhelmsruher Damm: Weg zum Fontanehaus ohne Orientierungshilfen. Foto: Christiane Gottwald
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Marktplatz: vielfältige Wegebeläge erschweren die Orientierung. Foto: Christiane Gottwald
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Fontane-Haus: kontrastarme Rampen- und Treppenanlage. Foto: Christiane Gottwald
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Ampelübergang: bereits qualifiziert, jedoch mit Hindernissen in der Laufrichtung. Foto: Christiane Gottwald

Wesentliche Ergebnisse des ersten Rundgangs waren der Wunsch nach einem durchgehenden optischen und taktilen Leitsystem, zum Beispiel als Mosaikstreifen im vorhandenen Gehwegbelag mit eindeutiger Linienführung zum Fontane-Haus und ohne Hindernisse, die aufgrund fehlender Warnmarkierungen nicht rechtzeitig wahrgenommen werden können, sowie nach punktuellen Aufwertungsmaßnahmen an der Treppen- und Rampenanlage des Kulturzentrums.

Öffentlicher Straßenraum: Qualität der Querungshilfen

Der Wilhelmsruher Damm trennt als dominierende Ost-West-Achse das Märkische Viertel in einen nördlichen und einen südlichen Teil und besitzt starke Barrierewirkung. Der Senftenberger Ring, der im Norden des Märkischen Viertels eine besondere Rolle einnimmt, zweigt vom Wilhelmsruher Damm ab, teilt sich nach 350 Metern und bildet vom Zentrum ausgehend und dorthin zurückkehrend einen kompletten Ring. Er erschließt nicht nur die gesamten nördlichen Wohnquartiere, sondern umschließt auch ausgedehnte Grünanlagen um das Mittelfeldbecken im nördlichen Zentrum. Der Senftenberger Ring ist die einzige Straße im Gebiet, die vollständig als Tempo-30-Zone ausgewiesen ist.

Beide Straßen wurden auf den Rundgängen im Rahmen der Bürgerbeteiligung zum Thema "Barrierearmer öffentlicher Raum" einer eingehenden Betrachtung unterzogen.

Am Wilhelmsruher Damm finden sich an allen Kreuzungen und Einmündungen größerer Straßen Lichtsignalanlagen. Zusätzliche Übergänge mit Lichtsignalanlagen wurden vor dem stark frequentierten Märkischen Zentrum und der Charlie-Chaplin-Grundschule angelegt. An einigen Querungen fehlen Bodenindikatoren als Richtungsfelder vor abgesenkten Bordsteinen. Die barrierearme Gestaltung der Fußgängerüberwege ist auch in sonstiger Hinsicht unvollständig. An verschiedenen Stellen sind die Bordsteinabsenkungen unzulänglich. Punktuell befinden sich Hindernisse, zum Beispiel Litfaßsäulen, in der Laufrichtung und weisen keine warnenden Bodenmarkierungen auf. Anforderungstaster für blinde und sehbehinderte Menschen oder akustische Signale fehlen an mehreren Übergängen oder sind nicht intakt. Die an den meisten Ampel-Übergängen vorhandenen Lautsprecheranlagen geben überwiegend kein akustisches Signal ab.

Am Senftenberger Ring gibt es in regelmäßigen Abständen Mittelinseln, die alle verbesserungsbedürftig sind. Diese sind überwiegend schlecht wahrnehmbar, es fehlen fast überall Bodenindikatoren. Nicht an allen Standorten ist die Lage der Mittelinsel ideal, aufgrund von Zwangspunkten wie Zufahrten, Bushaltestellen und Kurven jedoch schwer veränderbar. Zwei Mittelinseln führen geradlinig auf der gegenüberliegenden Seite auf einen Straßenbaum zu.

Am stark frequentierten nördlichen Zugang zum Märkischen Zentrum fehlt es einseitig an Bodenindikatoren. Ein Zebrastreifen an dieser Stelle wird kurzfristig hergestellt.

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Mittelinsel im Bestand: schlecht wahrnehmbar und mit Straßenbaum im Wegeverlauf. Foto: Christiane Gottwald
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Nördlicher Zugang zum Märkischen Zentrum: halbherzige Querungshilfe. Foto: Christiane Gottwald
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Finsterwalder Straße: fehlender Übergang in den Landschaftsraum. Foto: Christiane Gottwald

Insbesondere im Bereich einer neu errichteten und einer in Planung befindlichen Kindertagesstätte, einer Grundschule, sowie am nördlichen Zugang zum Märkischen Zentrum, wurden Aufwertungsmaßnahmen an den Querungsstellen, aber auch zusätzliche verkehrsberuhigende Maßnahmen für unbedingt erforderlich erachtet.

Anbindung des Wohngebiets an den Landschaftsraum

Am nordwestlichen Gebietsrand markiert die Finsterwalder Straße den Übergang in den landschaftlichen Teil des Seggeluchbeckens und das ländliche Umland. Hier sind gut funktionierende Rad- und Fußgängerüberwege erforderlich, um allen Bürgern den Zugang zu Naturerlebnis und Erholung zu ermöglichen. In regelmäßigen Abständen befinden sich neue und ältere Mittelinseln im Bereich wichtiger Einrichtungen und Grünverbindungen. Diese sollen da, wo erforderlich, durch Bodenindikatoren aufgewertet und durch einen weiteren Fußgängerüberweg an einer im Ausbau befindlichen Grünverbindung ergänzt werden.

Festlegung von Handlungsschwerpunkten

Im Rahmen des Maßnahmenkonzepts wurden insgesamt 60 Standorte erfasst und bewertet. Es gibt an zwölf Standorten im Gebiet einen Neubedarf an Leitsystemen und Querungshilfen. Das betrifft vor allem die Zuwegung zum Fontane-Haus, die Neugestaltung von Mittelinseln sowie den Bedarf eines Zebrastreifens am nördlichen Zugang zum Märkischen Zentrum. An 15 bereits vorhandenen Mittelinseln sind umfassende Erneuerungsmaßnahmen erforderlich, an weiteren fünf Querungen nur kleinteilige Verbesserungsmaßnahmen, wie zum Beispiel der Einbau fehlender Bodenindikatoren an bereits vorhandenen Bordsteinabsenkungen. An elf Ampelanlagen im Märkischen Viertel sind Instandsetzungen und Ergänzungen von Orientierungssignalen und Anforderungstastern durchzuführen.

Die aus den Bestandsaufnahmen und gemeinsamen Rundgängen resultierenden Maßnahmenvorschläge wurden innerhalb des Bezirks in der Steuerungsrunde sowie im Behindertenbeirat und Quartiersbeirat vorgestellt und diskutiert. Schnell wurde deutlich, dass nicht alle identifizierten Mängel auf einmal zu beheben sind und nicht alle gewünschten Neubaumaßnahmen kurzfristig innerhalb des vorgesehenen Budgets durchgeführt werden können. Daher erfolgte eine mit allen Beteiligten abgestimmte Festlegung von vier, als besonders wichtig eingeschätzten, Handlungsschwerpunkten:

  • Leitsystem Fontane-Haus
  • Senftenberger Ring: Querungen nördlich des Märkischen Zentrums
  • Senftenberger Ring: Querungen und verkehrsberuhigende Maßnahmen im Bereich der Chamisso-Grundschule und eines Kita-Neubaus
  • Finsterwalder Straße: Querungen in den Landschaftsraum
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Gesamtplan Maßnahmenkonzept. Quelle: Belvedere GmbH/Brigitte Gehrke FreieLandschaftsarchitektin

Fazit und Ausblick

Maßnahmen zur besseren Erreichbarkeit des Fontane-Hauses besitzen einen hohen Stellenwert, da die dort zentrierten kulturellen und sozialen Angebote allen Bürgern uneingeschränkt zur Verfügung stehen müssen. Hierbei wird entlang einer ausgesuchten Wegstrecke aneinander gereihten "Qualifizierungsmaßnahmen im Bestand" aus bautechnischen, finanziellen und förderrechtlichen Gründen der Vorrang vor einem kompletten Umbau der Strecke gegeben.

Die öffentlichen Straßenräume des Märkischen Viertels besitzen insgesamt sehr viele Querungsangebote, von denen die meisten mehr oder weniger verbesserungsfähig sind. Zusätzliche neue Querungsmöglichkeiten sind vor allem im Zusammenhang mit Grünverbindungen erwünscht. Perspektivisch kann das Märkische Viertel durch Qualifizierung vorhandener und geringfügige Ergänzung neuer Übergänge flächendeckende Querungsangebote in guter Qualität aufweisen.

Den Straßenräumen mangelt es allgemein an Verweilmöglichkeiten, die für ein barrierearmes Umfeld unabdingbar sind. Gehwege von großzügiger Breite wie am Wilhelmsruher Damm oder die Schnittstellen von Grünverbindungen und Straßenräumen, an denen sich im Grünraum Aufweitungen für eine Sitzgelegenheit oder ein Geländer zum Anlehnen herstellen lassen, bieten ausreichende räumliche Möglichkeiten im Gebiet, in regelmäßigen Abständen Ausruhmöglichkeiten vorzusehen.

Die Umsetzung der Handlungsschwerpunkte wird seit Abschluss des Konzepts im März 2017 vom Bezirk Reinickendorf konsequent vorangetrieben.

Daten zum Märkischen Viertel

Großsiedlung ­im­ Bezirk­ Reinickendorf­ von Berlin­ Stadtumbaugebiet­ seit­ 2009

Entstehungszeit: 1963-1974
Sanierungsträger zur Erbauungszeit:
Gesobau AG
Bewohner:
35 742 EW; 12 269 EW/km²
Flächengröße:
3,2 km²
hiervon Stadtumbaugebiet:
2,53 km²
Wohnungen:
16 419
Wohnungsbaugesellschaft mit dem größten Wohnungsbestand:
Gesobau AG, ca. 15 200

Dipl.-Ing. Brigitte Gehrke
Autorin

Freischaffende Landschaftsarchitektin

Dipl.-Ing. Christiane Gottwald
Autorin

Freischaffende Landschaftsarchitektin

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