Behutsame Erneuerung der Bestattungskultur in Deutschland

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Friedhöfe
Neues Bestattungsfeld mit Urnenstelen auf dem Friedhof der Stadt Gröditz: der zentralsymmetrische Grundriss nimmt Bezug auf das Motiv des Paradiesgartens. Vier quadratische, von Hecken eingefasste Räume nehmen jeweils vier Urnenstelen auf. Fotos und Abbildung: Soweit nichts anderes angegeben, Christiane Schwarz

"… unser Umgang mit dem Tod und Friedhof wird durch die Lebenden bestimmt, er ist auch immer auf diese ausgerichtet. Der Friedhof ist also weniger ein Reich der Toten als vielmehr Gedenkstätte für die Lebenden." Dieter Kienast1

Seit einigen Jahren befindet sich die Bestattungskultur in Deutschland in einem tiefgreifenden Wandel. Lange praktizierte, allgemein übliche Bestattungsformen verlieren zugunsten alternativer, individualisierter Bestattungsformen an Bedeutung. Dieser Wandel fordert Städte und Kommunen, sich mit der Zukunft ihrer Friedhöfe auseinanderzusetzen. Es gibt viele gute Gründe, sorgsam mit bestehenden Friedhöfen umzugehen und den Wandel im Sinne einer Weiterentwicklung zu gestalten. Welche dies sind und wie eine beispielhafte praktische Lösung aussehen kann, ist Thema dieses Beitrags.

Zur Bedeutung von Friedhöfen

Friedhöfe stehen im Kontext existenzieller Fragen des menschlichen Daseins. Studiert man die Entwicklung vom mittelalterlichen Kirchhof zum Reformfriedhof des frühen 20. Jahrhunderts, erfährt man viel über das kollektive und individuelle Verhältnis zum Tod.

Als kulturelle Orte sind Friedhöfe ein Spiegel der Gesellschaft, die sie eingerichtet hat. Der in räumlicher Einheit mit dem Kirchengebäude verbundene mittelalterliche Kirchhof repräsentiert die gesellschaftliche Dominanz der Kirche. Wer die religiös motivierten gesellschaftlichen Normen brach, verlor den Anspruch auf ein Grab im Schutz der kirchlichen Gemeinschaft und wurde anonym im Wald oder auf freiem Feld begraben. "Schandacker" hießen solche Orte. Die zunehmende Säkularisierung der Gesellschaft führte zu einer allmählichen Loslösung der Begräbniskultur von den Kirchen. Bedingt durch das Wachstum der Städte traten Aspekte der Hygiene in den Vordergrund. Die räumliche Bindung des Friedhofs an das Kirchengebäude wurde aufgegeben. Friedhöfe entwickelten sich fortan als autonome Räume.

In gründerzeitlichen Friedhöfen des 19. Jahrhunderts manifestiert sich der Repräsentationswille des Bürgertums. Aufwendige Mausoleen als das steingewordene Who-was-Who der damaligen Gesellschaft schrieben die herausgehobene Stellung von Personen und Familien und die damit verbundene soziale Differenzierung über den Tod hinaus fest. Heute stehen sie oft als wertvolle kunstgeschichtliche Zeitzeugnisse unter Denkmalschutz.

Die Sichtbarkeit sozialer Unterschiede über den Tod hinaus wich auf den Reformfriedhöfen des frühen 20. Jahrhunderts dem Prinzip der Gleichheit. Dies führte zu einer strengen Reglementierung der Gestaltung des Einzelgrabes.2 Das im Ergebnis einheitliche, nahezu standardisierte Bild prägt heute noch viele Friedhöfe. Die Individualität der einzelnen Gräber entsteht im Rahmen der jeweiligen Friedhofssatzungen durch Grabstein und Bepflanzung.

Friedhöfe haben neben ihrer kulturellen auch eine stadträumliche Bedeutung. Mit der im 19. Jahrhundert entstandenen Typologie des Parkfriedhofes wurde ihnen eine Erholungsfunktion zugewiesen. Wie bedeutsam diese sein kann, zeigt der als Parkfriedhof konzipierte Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg. Mit einer Größe von 391 Hektar ist er Hamburgs größte Grünanlage.

In dichtbebauten Stadtquartieren ist die Erholungsfunktion von Friedhöfen besonders bedeutsam. Auch für das Stadtklima leisten sie einen wertvollen Beitrag. Aus stadtökologischer Sicht sind viele Friedhöfe darüber hinaus ein wertvoller Lebensraum für Flora und Fauna.3

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Der Kirchhof von Groß Zicker auf Rügen zeigt die enge Verbindung von Kirche und Bestattungsort, so wie sie lange Zeit üblich war. Foto: Gerhard Giebener/pixelio.de
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Das Mausoleum des Chemikers Frasch auf dem Friedhof seiner Heimatstadt Gaildorf ist ein typisches Beispiel repräsentativer Grabstätten des 19.Jahrhunderts. Foto: jimby/pixelio.de
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Friedhöfe heute: Reihengräber auf dem Friedhof Gröditz.

Friedhöfe als landschaftsarchitektonische Planungsaufgabe

So unterschiedlich sich Friedhöfe in einzelnen Epochen auch entwickelt haben, ein Merkmal ist konstant geblieben: ihre Prägung durch Vegetation. Dies gilt für die Gesamtanlage wie für das individuelle Grab gleichermaßen. Ubiquitär sind Bäume zur räumlichen Fassung und Strukturierung der Friedhöfe sowie Pflanzungen und Blumenschmuck zur Gestaltung der Gräber.

Als grüngeprägte Freiräume dokumentieren Friedhöfe gartenkünstlerische und landschaftsarchitektonische Vorstellungen ihrer Zeit. Die Parkfriedhöfe des 19. Jahrhunderts sind im Stil des englischen Landschaftsgartens angelegt. Wie in einem Paradiesgarten sollen die Verstorbenen ruhen. So wollte es Wilhelm Cordes, ab 1898 Direktor des Parkfriedhofs Hamburg-Ohlsdorf.4 Das landschaftlich-malerische Konzept des Landschaftsgartens bot hierfür den idealen Rahmen.

Wesentlich nüchterner dachte man im frühen 20. Jahrhundert. Die Reformfriedhöfe folgten dem von der Funktion ausgehenden Planungsansatz der Moderne. Eine rasterförmige Grundstruktur zur Gliederung der Friedhofsfläche in gleichförmige Felder und Grabstellen sorgte für eine optimale Flächenausnutzung.

Im Verlauf des 20. Jahrhunderts hoben landschaftsarchitektonische Planungen die Bedeutung des Friedhofs als spirituellen Ort wieder stärker hervor. Dies geschah unter anderem durch eine Neuinterpretation vorchristlicher Kult- und Grabstätten. Wald, Hain und Hügel wurden wichtige Gestaltungselemente.

Wegweisend wurde der zum Unesco-Weltkulturerbe gehörende Waldfriedhof in Stockholm, der ab 1917 entstand. Die Architekten Asplund und Lewerentz machten die räumlichen und atmosphärischen Qualitäten der vorhandenen Landschaft zu Ausgangspunkten ihrer Planung. Der bestehende Kiefern- und Birkenwald wurde in hainartige Begräbnisfelder transformiert. Ein weithin sichtbares Zeichen setzt der archaisch wirkende Meditationslund im Zentrum einer weiten Lichtung. Dieser von Ulmen gekrönte, regelmäßig geformte Gedenkhügel weckt Assoziationen, zum Beispiel zu norddeutschen Megalithgräbern.

Die Setzung sakral wirkender räumlicher Schwerpunkte und die Herstellung von Bezügen zur Landschaft sind Aspekte, die in vielen späteren Friedhofsplanungen aufgegriffen wurden.

Auf dem 1994 vollendeten Friedhof Skovlunde im dänischen Ballerup schuf die Landschaftsarchitektin Hauxner darüber hinaus räumlich und atmosphärisch unterschiedliche Bestattungsfelder. Die Wahlmöglichkeiten reichen vom klassischen Grab bis zur Naturbestattung auf einer Wiese oder im Wald. Auch innerhalb eines von Pappeln gebildeten Kreises kann man sich bestatten lassen. Die Analogie zur Rousseau-Insel, dem Grab von Jean-Jaques-Rousseau im Park von Ermenonville, ist sicher nicht zufällig.

Eine gärtnerisch und landschaftlich geprägte Atmosphäre, starke räumliche Setzungen mit Symbolkraft und die Schaffung räumlich und atmosphärisch differenzierter Bestattungsorte sind hilfreiche Anknüpfungspunkte für die Transformation bestehender Friedhöfe. Dies wird deutlich, wenn man den Wandel der Bestattungskultur und die damit verknüpften Ansprüche näher betrachtet.

Bestattungskultur - Wandel und Bedürfnisse

Über Ursachen und Folgen des Wandels der Bestattungskultur ist in den letzten Jahren viel geforscht worden (zum Beispiel Nohl/Richter 2001, Fischer 2011, Schäfer 2011). Zu den Ursachen des Wandels zählen die zunehmende Mobilität und die Verringerung familiärer Bindungen. Aber auch der Wunsch, Kosten zu sparen, spielt eine Rolle.

Daraus resultiert eine steigende Nachfrage nach pflegeextensiven oder pflegefreien Grabstätten. Bestattungen in Kolumbarien, in Gemeinschaftsgräbern oder anonyme Beisetzungen entsprechen diesen Bedürfnissen.

Nicht nur aus praktischen Gründen ändern sich die Ansprüche an die Bestattungsform. Sei es, weil man die üblichen Bestattungsformen und Bestattungsrituale als sinnentleert und zu routiniert empfindet oder weil man sich am Ende eines individuellen Lebens ein individuelles Grab wünscht: die Nachfrage nach alternativen, individualisierten Bestattungsformen wächst.5 Die Naturbestattung in einer zersetzungsfähigen Urne unter einem Baum ist nur ein Beispiel von vielen.

Die Frage steht im Raum, ob Friedhöfe in Zukunft als konkret räumliche Orte für die Hinterbliebenen überhaupt noch wichtig sein werden. Studien kommen zu dem Schluss, dass dies der Fall sein wird. Friedhöfe werden als Ort des Erinnerns, der Kommunikation und der Erholung langfristig von Bedeutung sein. Erforderlich sei es jedoch, sie an die veränderten Bedürfnisse anzupassen. Dies sei vor allem, wie Fischer 2011 konstatiert, eine ausgeprägte Tendenz zu verschiedenen Varianten naturnaher Bestattung.

Wichtig sei es auch, die kultische Funktion neuer Bestattungsorte zu betonen und sie als Orte des Erinnerns auszuformulieren. Nohl und Richter schreiben dazu: "Unter dem Gesichtspunkt gelingender Trauer werden aber die Menschen auch von diesen Bestattungsorten verlangen, dass ihnen eine deutliche Symbol- oder Zeichenwirkung anhaftet." Fischer verweist auf "die wachsende Bedeutung des Erinnerungs-Aspektes im Umfeld der Bestattungskultur".6, 7

Wie können bestehende Friedhöfe also planerisch an diese Entwicklungen angepasst werden? Wie können die vielfältigen Wünsche in Bezug auf unterschiedliche Bestattungsformen umgesetzt werden? Was ist und bleibt für Trauernde wichtig? Wie können bestehende Grabfelder behutsam transformiert werden? Diese Fragestellungen standen am Anfang des Planungsprozesses zur Umgestaltung des Hauptfriedhofs von Gröditz, einer Stadt in Sachsen.

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Friedhof Skovlunde: ein von Pappeln kreisrund eingefasstes Gemeinschaftsgrab erinnert an die „Rousseau-Insel“, das Grab von Jean Jaques Rousseau im Park von Ermenonville.
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Friedhof Skovlunde: die Gestaltung der unterschiedlichen Begräbnisstätten arbeitet mit typischen Elementen der dänischen Landschaft.

Kontinuität im Wandel: ein Fallbeispiel

Der in den 1950er-Jahren geplante und gebaute Friedhof der Stadt Gröditz teilt die Probleme vieler Friedhöfe: die lange Zeit praktizierte Bestattung in Särgen oder Urnen in erdgebundenen Einzel- oder Familiengräbern wird auch in Gröditz immer seltener nachgefragt. Freiwerdende Gräber wurden nicht mehr belegt und hinterließen Lücken im Gewebe der noch in Pflege befindlichen Gräber. Gleichzeitig fehlten Angebote für andere, individuellere Bestattungsformen. Aus der Bevölkerung wurde der Wunsch nach Bestattungsmöglichkeiten in Kolumbarien sowie nach naturnahen Bestattungsmöglichkeiten an die Stadtverwaltung herangetragen.

Um sowohl kurzfristig Anpassungen in Teilbereichen vornehmen zu können als auch eine langfristig umsetzbare Entwicklungsperspektive für den Gesamtfriedhof zu erhalten, beauftragte die Stadt Gröditz mein Büro mit einer Entwicklungsplanung. Diese sorgt dafür, dass der Friedhof bedarfsorientiert innerhalb eines gesetzten Rahmens entwickelt werden kann. Ein Patchwork aus beziehungslos nebeneinander liegenden Teilbereichen wird vermieden.

Die Entwicklungsplanung sieht eine Neuordnung des Friedhofs unter dem Leitmotiv "Gartenfriedhof" vor. Das aus dem Bestand entwickelte Konzept definiert den Friedhof zukünftig als ein Mosaik aus individuell gestalteten Feldern. Sie sind in einen einheitlichen Rahmen aus Bäumen und Heckenpflanzungen eingebunden. Die Individualität entsteht durch differenzierte Vegetationsbilder und durch die Art der Bestattungsform mit den damit verbundenen Einbauten. Einheit in der Vielfalt ist eine Voraussetzung für ein ästhetisch ansprechendes Erscheinungsbild. Das Materialkonzept sieht für alle zukünftigen Einbauten Naturstein in unterschiedlichen Nuancen von Grau vor. Dadurch wird ein Bezug zu der Materialität der vorhandenen Grabsteine hergestellt.

Die wesentlichen Grundelemente der ursprünglichen Friedhofsanlage bleiben erhalten. Dazu gehören das orthogonal verlaufende Wegenetz, die raumbildenden Alleen und ein naturnah wirkender Birkenhain.

Die Integration neuer Bestattungsformen erfolgte am Bestand orientiert. Dies ermöglicht eine sukzessive Umsetzung des Konzepts in Abhängigkeit vom Freiwerden von Flächen durch die Aufgabe von Gräbern.

In dem Birkenhain werden zukünftig Naturbestattungen möglich sein. Kleine Ellipsen aus niedrigen Gehölzen markieren einzelne Bestattungsbereiche. Sie sind wieder auffindbare Trauerorte für die Hinterbliebenen. Auf einer Rasenfläche, eingefasst von einer Heckenellipse, entsteht ein Gemeinschaftsgrab. Fünf locker über das Feld verteilte Zierkirschen schmücken das Feld durch Blüte und Laubfärbung. Die Felder mit Erdgräbern werden dort, wo Lücken entstehen, sukzessive durch vegetative Elemente umgestaltet. Niedrige Hecken als lineare Elemente und punktuelle Setzungen aus quadratischen Heckenpaketen mit jeweils einem Baum gliedern sukzessive die großen Flächen in kleinteiligere Bereiche. Auf größeren, bereits länger nicht belegten Feldern sollen Kolumbarien entstehen.

Die Belegung von absehbar freiwerdenden Flächen ist nicht abschließend festgelegt. Die Offenheit für zukünftige Entwicklungen bleibt gewährleistet.

Neue Bestattungsmöglichkeiten

Um der Nachfrage der Bürger nach erdungebundenen Bestattungsformen zu entsprechen, wurden im Lauf der letzten Jahre bereits zwei Grabfelder umgestaltet und mit Kolumbarien ausgestattet.

Eine Vorgabe der Stadt Gröditz war es, jeweils vorgefertigte Urnenkammern oder -stelen zu verwenden. Auf dem Markt werden mittlerweile Komplettlösungen von Herstellerfirmen angeboten, die sich durch eine vermeintliche Originalität empfehlen. Ein Beispiel für derartig "originelle" Angebote sind burgzinnenartige Anlagen aus Urnenwürfeln mit einem Würfel als herausgehobene Ruhestätte. Der Friedhof bleibt ein Ort der Trauer und des Gedenkens. Ihn angemessen zu gestalten, ist Gebot und Notwendigkeit, auch für seine zukünftige Entwicklung. Die Stadt Gröditz entschied sich gegen ein solches Komplettangebot.

Bei beiden im Folgenden vorgestellten Projekten habe ich zunächst ein räumlich-gestalterisches Konzept entwickelt. Dieses definiert den Rahmen für die Einbindung vorgefertigter Elemente.

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Der Entwicklungsplan des Gartenfriedhofs zeigt die zukünftige Vielfalt der Bestattungsmöglichkeiten.
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Die Urneninsel ist ein nach außen hin nahezu abgeschlossener ellipsenförmiger Raum. Urnenwürfel sind in Gabionenwände integriert.

Der Paradiesgarten

Auf einer annähernd quadratischen, von hohen Lebensbäumen eingerahmten Fläche entstand ein neuer Beisetzungsort mit Urnenstelen. Die räumliche Gliederung der Fläche lehnt sich an das Motiv des Paradiesgartens an, das in antiken, in arabischen und in mittelalterlichen Gärten Europas verwendet wurde. Von einem durch einen Brunnen oder Baum betonten Mittelpunkt gehen vier Achsen aus, die die Grundfläche in vier quadratische Felder teilen. Hier sind es vier durch niedrige Hecken gebildete, quadratische Felder, die "Stelenkabinette". Das Zentrum der Anlage wird von drei Birken in unregelmäßiger Anordnung umspielt.

Die Stelenkabinette beinhalten jeweils vier Urnenstelen mit jeweils 16 Urnenkammern. Als Fläche zur Ablage von Sträußen und Gebinden verläuft um die Stelen jeweils ein herausgehobener Sockel aus großformatigen Platten. In die Heckenstreifen sind Bänke integriert, die den Blick sowohl auf die Stelen als auch auf den zentralen Raum ermöglichen.

Erschlossen werden die Stelenkabinette über Rampen mit einer Steigung von sechs Prozent. Die spürbare Steigung symbolisiert den schweren Gang, den der Besuch eines Friedhofs meist bedeutet. In den Boden eingelassene Platten an der Schwelle zu den Stelenkabinetten machen auf die Übergänge zwischen den unterschiedlichen Bereichen aufmerksam.

Die Urneninsel

Das Ensemble aus zwei leicht gebogenen Urnenwänden liegt wie eine Insel auf einer Rasenfläche. Die Urnenwände bestehen aus Gabionen mit integrierten Segmenten aus Urnenwürfeln. Durch die Anordnung der Wände wird eine klare Unterscheidung zwischen zwei Räumen oder Sphären, dem Innen und dem Außen, definiert.

Die Wände bilden einen nahezu abgeschlossenen ovalen Raum. Schmale Öffnungen lassen Durchblicke nach außen zu. Der räumliche Kontrast zwischen Innen und Außen wird atmosphärisch durch Bepflanzung und Materialität verstärkt. Der innere Raum ist geprägt durch grauen Stein in unterschiedlichen Formen, Farbtönen und Oberflächen. Ein niedriger ellipsenförmiger Hügel mit einer Pflanzfläche aus Blattschmuckpflanzungen und einem japanischen Ahorn als Solitärgehölz betont die Mitte des Raumes. Als Leitmotiv dienten traditionelle japanische Gärten, deren wesentliche Bestandteile Stein und Pflanze sind.

Die Erschließung erfolgt über zwei vom Hauptweg abgehende, den Radius der Wände fortführende Wege. Torähnliche Öffnungen zwischen den Wänden als Zugang zu den Urnenkammern inszenieren den Übergang zwischen den Räumen.

Die Gestaltung der beiden neuen Begräbnisstätten bezieht sich in ihrer Zeichenhaftigkeit nicht auf eine bestimmte Religion oder Glaubensrichtung. Sie ist nicht nur rein funktional konzipiert und vermeidet so eine für Ort und Zweck nicht angemessene Banalität. Vielmehr bietet sie eine subtil aufscheinende und vieldeutig lesbare Symbolik, die weitgefasst um das Thema Leben und Tod kreist. Das angedeutete Motiv des Paradiesgartens und der von den Urnenwänden gebildete, auf sich bezogene Innenraum sind Teile dieser Symbolik.

Für die Hinterbliebenen sind angemessene, würdevolle Orte zum Trauern und Erinnern entstanden. Diese erfordern keine individuelle Pflege, kommen aber durch ihre gartenähnliche Gestaltung einem grünen Grab nahe. Die Hinterbliebenen wissen zudem, wo ihre Toten liegen und sie können dort Blumenschmuck ablegen oder eine Kerze aufstellen.

Die zukünftige Entwicklung des Friedhofes und die beiden bisher errichteten Anlagen wurden von den Bürgern der Stadt uneingeschränkt positiv beurteilt. Anfangs vorhandene Bedenken in Bezug auf die Deckung der Investitionskosten haben sich nicht bestätigt. Im Gegenteil: beide Kolumbarien sind fast vollständig belegt. Ihre überzeugende Qualität hat sogar schon zu Anfragen aus Nachbargemeinden geführt. Der Friedhof in Gröditz ist also gut gerüstet für die Zukunft.

Literatur

1 Kienast, Dieter: Die Poetik des Gartens; Basel (u. a.): Birkhäuser 2002; S. 77.

2 Dracklé, Dorle (Hrsg.): Bilder vom Tod: kulturwissenschaftliche Perspektiven Hamburg: LIT 2001; S.72-75.

3 Stiftung Naturschutz Berlin (Hrsg.): Lebensraum Friedhof - Naturschutz auf Friedhöfen, Berlin 2004; S. 15-18.

4 Vgl.: Hambuger Friedhöfe AöR: Friedhof Ohlsdorf: URL: ttp://www.friedhof-hamburg.de/ohlsdorf/chronik/www.friedhof-hamburg.de/ohlsdorf/chronik/; Datum: 14.09.2015.

5 Schäfer, Julia: Tod und Trauerrituale in der modernen Gesellschaft: Perspektiven einer alternativen Trauerkultur; Stuttgart: Ibidem Verlag 2011.

6 Fischer, Norbert: Inszenierte Gedächtnislandschaften: Perspektiven neuer Bestattungs- und Erinnerungskultur im 21. Jahrhundert; Königswinter: Aeternitas e. V. 2011; S.11-25; Zitat: S.3.

7 Nohl, Werner, Richter, Gerhard: "Friedhofskultur und Friedhofsplanung im frühen 21. Jahrhundert - Bestatten, Trauern und Gedenken auf dem Friedhof"; Königswinter: Aeternitas e. V. 2000; Zitat S. 58.

Dipl. Ing. Christiane Schwarz
Autorin

Landschaftsarchitektin

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