Innovationen für die Grünflächenpflege in Berlin

Bestand und Entwicklung im digitalen Grünflächenmanagement

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Gebrauchsrasen können je nach Ansprüchen unterschiedlich entwickelt werden. Hier ein Beispiel für einen extensiven Parkrasen im Großen Tiergarten. Foto: Andreas Kurths, gruppe F

"Das Wichtigste aber, was wir davon hoffen, ist die Wirkung und die Macht des Beispiels". Peter Joseph Lenné

Gesellschaftliche Phänomene wie Urbanisierung und demographischer Wandel führen aktuell zu Nachverdichtungen und Wohnungsneubauten im Stadtraum. Dadurch haben öffentliche Grünflächen in der Wahrnehmung der Stadtbewohner zuletzt mehr Bedeutung erlangt. Dabei sind auch die Erwartungen an die Grünflächen gestiegen. Gleichzeitig weitet sich die Digitalisierung auf immer mehr Bereiche der Gesellschaft - von Kommunikation bis Mobilität - aus. Nicht ohne Grund, lässt sich doch Vieles mit digitaler Unterstützung effizienter gestalten. Aus diesen Entwicklungen resultieren nicht nur neue und dynamische Nutzungsformen, sondern auch neue Herausforderungen und digitale Innovationen für das Management von Grünflächen. Berlin ist mit der landesweiten Einführung eines Grünflächeninformationssystems (GRIS) einen großen und entscheidenden Schritt in die Richtung eines digital unterstützten Pflegemanagements gegangen. Doch beinhaltet dieses Informationssystem bislang keine Informationen zu einer geplanten künftigen Entwicklung der Pflegeobjekte. Das operative und das strategische Management gehören allerdings zusammen und sind entsprechend auch auf der digitalen Ebene des GRIS zusammenzubringen. Dieser Versuch wurde nun im Zuge der Aktualisierung und Fortschreibung des Parkpflegewerks für den Großen Tiergarten beispielhaft für Berlin unternommen.

Eigentümer von Grünflächen, wie beispielsweise Kommunen, nutzen verstärkt die Möglichkeiten der Digitalisierung für ihr Pflegemanagement. In Berlin wird dafür von allen Bezirken ein digitales Grünflächeninformationssystem (GRIS) verwendet. Innerhalb dieses Informationssystems können die Informationen der Datenbank unterschiedlich ausgewertet und dann in entsprechenden Karten dargestellt werden. Dazu ist die Voraussetzung, dass die Pflegeobjekte digital als Punkte, Linien oder Flächen erfasst und jeweils einer bestimmten Pflegekategorie zugeordnet werden. Zu jeder Pflegekategorie gehören bestimmte Standardtätigkeiten, die in ihrer Anwendungshäufigkeit in drei Pflegestufen unterteilt sind. Die Zuordnung erleichtert die möglichen Abfragen an die Datenbank und somit die Arbeitsorganisation, denn ein Straßenbaum ist anders zu pflegen als ein Gebrauchsrasen oder eine Parkbank. Außerdem lässt sich somit der Einsatz der Pflegemittel transparent darstellen. Ein erster wichtiger Schritt in Richtung eines Grünflächenmanagements, welches die Aufgabenebenen des operativen und strategischen Managements miteinander verbindet, ist somit getan. Weitere müssen jedoch folgen:

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„Frische Wiese" als individuelle Pflegekategorie ermöglicht eine präzisere Pflege. Foto: Anna-Lena Reuter, gruppe F

Eine Grünfläche entwickelt sich selten linear. Unvorhersehbare Umwelteinflüsse oder Nutzungen, aber auch die Art und Häufigkeit der Pflege sind Faktoren, die das Aussehen und die Entwicklung einer Grünfläche dynamisch beeinflussen. Aus verschiedenen planerischen Fachrichtungen haben sich Werkzeuge herausgebildet, die die Entwicklung einer Grünfläche normativ sowie strategisch-planerisch steuern. Für gestaltete Grünanlagen erarbeitet idealerweise der Entwerfer einen Pflegeplan. Für historische Parkanlagen gibt es das Parkpflegewerk und für Landschafts- und Naturschutzgebiete werden Pflege- und Entwicklungspläne erstellt. Aber auch andere strategische Entwicklungskonzepte können die Richtschnur pflegerischen Handelns für eine Grünfläche sein. Trotz aller inhaltlichen Unterschiede wird in all diesen Planwerken ein künftiger Zustand detailliert dargestellt und es wird erläutert, durch welche Pflegemaßnahmen dieser Zustand erreicht wer-den soll.

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Intensive Parkrasen bieten vielfältige Möglichkeiten zur Erholung, bedeuten jedoch auch einen speziellen Pflegeaufwand. Foto: Anna-Lena Reuter, gruppe F
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In der Bildmitte kann man sehr gut den Übergang zwischen der Pflegeart eines trockenen Rasens und eines intensiven Parkrasens erkennen, genauso wie es im GRIS graphisch dargestellt wird. Foto: Andreas Kurths, gruppe F
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Säume entwickeln sich beispielsweise im Übergang von Gehölzflächen zu Parkrasen und sind aus gartendenkmalpflegerischer sowie auch aus ökologischer Sicht erwünscht. Foto: Andreas Kurths, gruppe F

Solche Planwerke definieren und begründen somit die Entwicklungspflege für bestimmte Flächen. Doch bisher sieht das Berliner Grünflächeninformationssystem (GRIS) keine Veränderungen des Bestands und somit auch keine Entwicklungspflege vor. Auf der anderen Seite sind auch die Planwerke bisher nicht darauf angelegt, sich mit den Pflegekategorien des GRIS zu harmonisieren. Das operative Management und die strategischen Planungen gehören jedoch eindeutig zusammen. Nur wenn es ein klar definiertes Pflegeziel gibt, können auch die bereitstehenden Ressourcen effizient eingesetzt werden.

Bereits seit Beginn der 1990er Jahre werden Grünflächendaten in Berlin digital erfasst. Die Systeme wurden mehrfach verändert. Zuletzt erfolgte 2011 eine grundlegende technische und fachlich-inhaltliche Weiterentwicklung des GRIS. Kern dieser Weiterentwicklung war die Einführung einer neuen, verstärkt prozessorientierten GRIS-Datenbankkomponente. Genau in dieser Umbruchphase des Berliner GRIS beauftragten das Landesdenkmalamt Berlin und die Abteilung I der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Berlin das Büro Topos in Zusammenarbeit mit gruppe F Landschaftsarchitekten das Parkpflegewerk für den Großen Tiergarten Berlin zu aktualisieren. Gruppe F fiel dabei die Aufgabe zu, das Parkpflegewerk für das GRIS kompatibel zu machen.

Im laufenden Prozess der Aktualisierung des Parkpflegewerks wurde von den Beteiligten nun gemeinsam eine weitreichende Entscheidung getroffen: die für das Parkpflegewerk zu erarbeitenden Ergebnisse sollen auf der Basis der GRIS-Datenstruktur digital aufbereitet werden. Das wichtigste Argument dafür war, dass die im Parkpflegewerk abgestimmte künftige Entwicklung auf diese Weise am besten umgesetzt werden kann. Das Pflegemanagement kann somit zu jedem Zeitpunkt der Arbeitsplanung flächen- und linienscharf sowie punktgenau die vorgesehene Entwicklung ohne großen Aufwand berücksichtigen.

Die Ausgangslage der Bestandsdaten zum Großen Tiergarten war allerdings unübersichtlich. Die Daten aus dem GRIS waren zum Teil unvollständig. Außerdem waren die Entwicklungen der vorangegangenen Jahre, wie die vielfältigen Rekonstruktionsmaßnahmen, Neubauten und Veränderungen im Baumbestand noch nicht aufgenommen worden. Aktuelle Daten waren im Zuge von Gutachten (z. B. Biotopkartierung, Altbaumuntersuchung, Alleengutachten) erfasst worden, jedoch noch nicht in das GRIS eingeflossen. Die sehr umfangreiche Bestandsaufnahme des vorangegangenen Parkpflegewerks von Wörner aus den späten 1980er-Jahren lag ausschließlich in analoger Form vor und war nie in das GRIS übertragen worden. Weiterhin hatte sich die Bestandssituation über die Zeit nicht zuletzt als Folge Mauerfalls zum Teil rasant verändert.

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Der hohe Detailgrad der GRIS-Erweiterung ermöglicht die Darstellung von Säumen. Foto: Andreas Kurths, gruppe F
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Schema der Erweiterung der GRIS-Datenbankstruktur.
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Darstellung des Bestands (links) und der Entwicklung (rechts) auf Ebene der GRIS-Pflegekategorien in einem Bereich des Großen Tiergartens.

Um überhaupt Entwicklungsaussagen darstellen zu können, war zuerst der Bestandsdatensatz zu vervollständigen und der aktuellen Bestandssituation anzupassen. Diese Veränderungen wurden durch Begehungen vor Ort, Luftbildanalysen, Auswertung von Gutachten sowie digitalisierte ältere Pläne in der digitalen Datengrundlage aktualisiert bzw. ergänzt. Dieser Arbeitsschritt war zwar aufwändig, doch mit dem aktualisierten Bestandsdatensatz wurde eine neue digitale Grundlage geschaffen. Andreas Luczynski, Inspektionsleiter im Straßen- und Grünflächenamt des Bezirks Mitte von Berlin und für das Grünflächeninformationssystem verantwortlich, dazu: "Es erleichtert meine tägliche Arbeit, dass die Aktualisierung der Daten für den Großen Tiergarten bereits so weit fortgeschritten ist. Außerdem wurde erstmals so eine große Datenmenge von einer externen Bearbeitung zurück ins System überspielt." Diese Grundlage ist aber nicht ausschließlich zum Nutzen des operativen Pflegemanagements, sondern diente auch dazu, Konzepte zur künftigen Entwicklung des Großen Tiergartens unter Einbeziehung kleinteiliger Informationen zu erstellen. So konnte beispielsweise auf Basis der vorliegenden Biotoptypenkartierung, der eigenen Nutzungsanalyse, der gartendenkmalpflegerischen Anforderungen und in enger Abstimmung mit dem Pflegemanagement des Bezirks für die Rasen- und Wiesenflächen ein detailliertes und flächengenaues Pflegekonzept erarbeitet werden.

Dieses flächengenaue Konzept zur geplanten Entwicklung der Wiesen ließ sich allerdings, wie alle Aussagen zu einer Entwicklungspflege, nicht in der GRIS-Datenstruktur notieren. Um Maßnahmen und Ziele für alle flächen-, linien- bzw. punkthaften Attribute notieren zu können, wurde die bestehende vorgegebene Datenbankstruktur des GRIS unter Verwendung der GIS-Software um zusätzliche Spalten ergänzt.

Dadurch wurde es möglich, sämtliche Informationen zur geplanten Entwicklung anzuzeigen. Neben dem Ziel-Zustand gehören dazu auch die Pflegemaßnahmen, die für das Erreichen des Entwicklungsziels notwendig sind. Diese Pflegemaßnahmen konnten zum Teil den Pflegeempfehlungen für bestimmte Vegetations- oder Biotoptypen entnommen werden. Doch sind diese Typisierungen oftmals weitaus differenzierter als die Pflegekategorien des GRIS.

Daraus resultierte ein weiteres Problemfeld. Es waren die verschiedenen Pflege- bzw. Flächenkategorien des GRIS, der Biotoptypenliste Berlins und der Gartendenkmalpflege in Beziehung zu setzen. Diese unterscheiden sich zum Teil in den Begrifflichkeiten, doch vor allem in der Detailtiefe. So meint beispielsweise die GRIS-Pflegekategorie "Zier- und Parkrasen" einen völlig anderen Flächentyp als der "Parkrasen" für die Gartendenkmalpflege, der wiederum einer Kategorie von "Trittrasen" der Biotoptypenliste entspricht. Im GRIS werden außerdem auch alle Wiesentypen mit allen sonstigen Sukzessions- und Biotopflächen zu einer Pflegekategorie zusammengefasst. Doch allein die Pflege von Trockenrasen und Feuchtwiesen unterscheidet sich bereits wesentlich voneinander. Dieses Beispiel verdeutlicht nachdrücklich, dass einige Pflegekategorien die unterschiedliche erforderliche Pflege all ihrer zugeordneten Objekttypen im Bestand als auch in der geplanten Entwicklung nicht adäquat wiedergeben können.

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Darstellung des Bestands (links) und der Entwicklung (rechts) auf Ebene der individuellen Pflegekategorien am Beispiel des thematischen Konzeptplans zu Rasen, Wiesen und Säumen in einem Bereich des Großen Tiergartens.
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Die Flächenentwicklung kann mithilfe der GRIS-Erweiterung zielgerichtet gesteuert werden. So können in Parkbereichen mit geringerem Nutzungsdruck Flächen naturnaher entwickelt werden. Foto: Anna-Lena Reuter, gruppe F

Deshalb wurden Unterkategorien zu den GRIS-Pflegekategorien eingeführt, welche einen höheren Detailgrad zur Charakterisierung und Pflege der einzelnen Elemente erlauben. Die Unterkategorien orientieren sich hierbei stark am Parkpflegewerk, so zum Beispiel bei der Spezialisierung der GRIS-Pflegekategorie "Wiese, Sukzessions- und Biotopflächen" in "Frische Wiesen", "Trockene Rasen" und "Säume" sowie "Uferstauden und Röhrichte". Um in der GRIS-Datenstruktur zu bleiben, wurden diese Unterkategorisierungen in der vorgegebenen Spalte "individuelle Pflegekategorie" notiert. In dieser Spalte werden die einzelnen Objekte detaillierter bezeichnet. Durch diese Unterteilung wurde eine differenzierte digitale Grundlage bereitgestellt, um spezifischere Aussagen zu diesen Flächen festhalten zu können. Die Unterteilungen der Bestandselemente waren analog für die angestrebten Entwicklungszustände zu übernehmen, d.h. die Unterkategorien waren in einer weiteren neuen Spalte in die erweiterte Datenbank zu integrieren. Erst dieser Schritt ermöglicht den direkten Vergleich von Bestand und Entwicklung in der differenzierten Detailtiefe.

All diese beschriebenen Arbeitsschritte führten dazu, dass die nuancierten Aussagen des Parkpflegewerks digital und für eine praxistaugliche Anwendung aufbereitet werden konnten. Dies würdigt die Inhalte des Parkpflegewerks, indem sie durch eine digitale Übersetzung für ein zeitgemäßes Grünflächenmanagement verfügbar sind. Den Verantwortlichen der Pflege kann nun anschaulich aufgezeigt werden, wie sich bestimmte Flächen entwickeln sollen und welche Maßnahmen dafür umzusetzen sind.

Für den Großen Tiergarten wurde auf der Basis des Berliner GRIS eine individuelle GIS-Lösung entwickelt, die die zeitliche Dimension der Entwicklung in eine differenziertere Flächenbetrachtung einbezieht. Damit konnte eine Brücke zwischen Unterhaltungspflege und Entwicklungspflege hergestellt werden. Diese Erweiterung wird ganz klar auch im Berliner GRIS benötigt. Entwickelt sich das GRIS in diese Richtung weiter, sind entsprechend alle Entwicklungspläne und Pflegewerke künftig GRIS-kompatibel aufzubereiten. Dafür ist der Große Tiergarten nun ein erstes Beispiel.

Somit ist der Große Tiergarten in Berlin fit für eine digitale Zukunft und gut gerüstet für zukünftige Herausforderungen des Pflegemanagements.

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