Bestattung in der Ferne

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Friedhöfe
Blick vom Friedhof auf die Stadt Menton nach Westen, Richtung Monaco. Foto: Wikimedia gemeinfrei, Tongopaso

Die Flüchtlingswelle seit diesem Sommer macht deutlich, dass die Welt noch immer von Krisen und Kriegen gezeichnet ist. Exil, Flucht, oder gar Vertreibung standen hierzulande über Jahrzehnte für eine Folge des Zweiten Weltkriegs und dessen Nachwirkungen im 20. Jahrhundert. In den 1960er-Jahren folgten dann viele "Gastarbeiter" dem Ruf nach Deutschland. Ein erster Einwanderungsstrom aus Jugoslawien, Portugal und später aus der Türkei setzte ein. Und 1989/90 kam die Flüchtlingswelle von DDR-Bürgern gen Westen, zuerst aus Ungarn und Österreich dann durch die gefallene Mauer hindurch.

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Friedhöfe
Eine große Eiche hinter der Kirche überschirmt den Friedhof. Zwischen den zumeist schlichten Grabzeichen und Einfassungen aus Stein bilden Bronzeskulpturen, wie dieser Engel eine Ausnahme. Fotos, soweit nichts anderes angegeben, Thomas Herrgen
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Vom Friedhof hat man einen sicheren und herrlichen Ausblick auf den feinsandigen St. Brelade´s Strand. Der Tidenhub auf Jersey kann zwölf Meter und mehr betragen, einer der höchsten der Welt. Foto: Wikipedia – gemeinfrei

Migrationsbewegungen gab es immer, in allen Teilen der Welt und zu jeder Zeit der Geschichte aus den verschiedensten Beweggründen. Schon im 19. Jahrhundert wanderten viele Briten, polnische Adelige, russische Kommunisten und andere Nordeuropäer, auch aus klimatischen, oft gesundheitlichen Gründen nach Südfrankreich und Italien aus. Im sonnigeren Süden erhofften sie sich Genesung und sie blieben oft bis an ihr Lebensende. Nach einer geglückten Flucht, einer Ausreise und einem in der Ferne verbrachten Leben manifestieren sich Exilgeschichten schlussendlich auch auf den Friedhöfen. Kulturen, Religionen oder nationale Besonderheiten bilden sich im Bestattungswesen ab, wie auch zwei Friedhöfe in Großbritannien und Frankreich zeigen.

Auf der britischen Kanalinsel Jersey etwa liegt ein sehr alter Friedhof, mit bedeutender Geschichte. Seine ruhige Lage rund um die St. Brelades Church, hoch über der gleichnamigen Bucht mit langem Sandstrand und Aussicht macht ihn darüber hinaus zum Ausflugsziel. Bemerkenswert ist er aber nicht zuletzt deswegen, weil eine bekannte Französin 1937 vor der Wehrmacht hierher geflohen war und nach dem Krieg im Exil starb. Aber Friedhöfe sind - wie in aller Welt zu beobachten - nicht nur Bestattungsplätze sondern auch kulturelles Spiegelbild des Ortes, zu dem sie gehören und der Personen, die dort begraben sind. Sie erzählen Geschichten, von Einheimischen und Fremden, wie auch auf dem Cimetière du Vieux-Château (Friedhof am alten Schloss) in der Stadt Menton, die sehr idyllisch an der Côte d´Azur, nahe der italienischen Grenze liegt.

Fluchtziel Jersey, Britische Kanalinseln

Der Ärmelkanal trennt nicht nur die Britischen Insel und den europäischen Kontinent, heute England und Frankreich geografisch voneinander, sondern auch Kulturen. Im Mittelalter beherrschten nach den Kelten die Normannen den Norden Frankreichs. Als Folge der Schlacht von Hastings 1066 eroberten sie von dort aus England und stellten deren Könige. Mit der Christianisierung ab dem 11. Jahrhundert waren in der Normandie und auf den Kanalinseln Klöster, Kirchen und Friedhöfe entstanden. 1204 zogen sich die Normannen aus Frankreich zurück, die Kanalinseln vor Saint Malo, mit dem Mont St. Michel, blieben jedoch unter englischer Hoheit. Die älteste Grabstätte auf Jersey in St. Brelade ist heute wegen ihrer beeindruckenden Lage ein Besuchermagnet. Hier und in der nahe gelegenen Höhle La Cotte, deren Funde bis auf das Jahr 5000 v. Chr. zurückgehen, als die Inseln noch Teil des französischen Festlands waren, liegt der Ursprung der Besiedlung Jerseys.

Friedhöfe
Die St. Brelade´s Church bildet das Zentrum des Friedhofs. Zusammen mit ihrem Vorgängerbau hat sie eine rund 1400-jährige Geschichte.
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Unmittelbar neben dem Friedhof auf Jersey liegen Wohnhäuser. Das Grün der gepflegten Gärten ist optisch in das Friedhofsensemble einbezogen.
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„Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde“ steht auf dem Gemeinschaftsgrab von Lucy Schwob und Suzanne Malherbe. Die beiden Jüdinnen flohen vor den Faschisten nach Jersey. Sie sind zusammen auf St. Brelade´s begraben. Foto: Wikipedia gemeinfrei

Kelten, Christen - Kapelle, Friedhof

Die Kirche von St. Brelade geht auf einen keltischen Vorgängerbau aus dem 5./6. Jahrhundert zurück. Nachdem sich die Normannen zum Christentum bekannten, wurde sie nach dem Missionar und Heiligen Sankt Brelade ("Branwalladur") benannt. Mit der schnell fortschreitenden Christianisierung kam der Kirche eine identitätsstiftende Funktion zu. Auf den Grundmauern eines weiteren, monastischen Baus aus dem 6. Jahrhundert entstand im 11./12. Jahrhundert die Kapelle Fisherman´s Chapel, für das Seelenheil der Fischer und ihre wohlbehaltene Rückkehr. Sie mussten zum Teil weit draußen auf dem Meer ihre Netze auslegen, um einen guten Fang zu erzielen. Die 1400 Jahre alten Bauwerke liegen inmitten des Friedhofs der Gemeinde - von einer Natursteinmauer umringt und von einer riesigen Eiche markant überschirmt. Der Blick geht hinaus zum langen, feinsandigen St. Brelade´s Strand mit Gezeitenunterschieden von mehr als zwölf Metern und auf das türkisblaue Wasser der Bucht von Saint Malo.

Grabstätten, einfach gestaltet

Die überwiegende Anzahl der Gräber ist einfach gestaltet, sie sind in der Regel heute unbepflanzt und von einer Steineinfassung begrenzt. Manche Grabsteine stehen auch schlicht in der umgebenden Rasenfläche, ohne Fassung. Einzelne Gräber tragen ein Steinkreuz oder eine Säule als Grabzeichen, andere aus dem 19./20. Jahrhundert werden durch eine Bronzeskulptur, zum Beispiel Engel geziert. Die Bepflanzung der Gemeinschaftsanlagen ist neben dem Rasenteppich und einigen Solitärbäumen von verschiedenen Hydrangea-Sorten und Laubsträuchern im Randbereich geprägt. Hortensien sind auf den überwiegend sauren Böden auf Jersey, ähnlich denen in der Normandie, stark verbreitet. Unmittelbar hinter der Friedhofsmauer im Nordosten schließt eine Wohnbebauung mit Einfamilienhäusern an, kleine Steingebäude mit britisch gepflegten Gärten, die vom Friedhof aus gut einsehbar sind.

Prominente im Exil (Jersey)

Auch wenn die meisten Gräber von St. Brelade´s überwiegend sehr alt sind, dokumentieren sie doch in Teilen auch jüngere Geschichte. So liegt etwa die 1954 verstorbene Schriftstellerin und Fotografin Claude Cahun hier begraben. 1894 in Nantes mit bürgerlichem Namen als Lucy Schwob geboren unterhielt sie in den 1920er- und 1930er-Jahren zusammen mit ihrer Lebensgefährtin Suzanne Malherbe einen Künstlersalon in Paris. Ihr jüdisch-intellektueller Hintergrund, ihr surrealistisches Werk, Kontakte zum Surrealisten André Breton und schließlich das politische Engagement für die Kommunisten und gegen den Faschismus bedeuteten damals eine große Gefahr. 1937, noch vor dem Einmarsch der Wehrmacht in Frankreich flohen Cahun und Malherbe nach Jersey, wo Lucy Schwob als Kind oft ihre Ferien verbracht hatte. Doch 1940, mit der Besetzung Frankreichs nahmen die Deutschen auch die Kanalinseln ein. Claude Cahun und Suzanne Malherbe engagierten sich trotzdem weiter offen gegen den Faschismus, wurden deshalb 1944 inhaftiert, zum Tode verurteilt und 1945 nach zehn Monaten Haft begnadigt. Die Gestapo hatte jedoch fast ihr gesamtes Werk in ihrem Landhaus auf Jersey vernichtet. Neun Jahre später, im Alter von 60 starb sie eines natürlichen Todes in St. Hélier, der Hauptstadt von Jersey. Sie wurde auf dem Friedhof von St. Brelade´s Church bestattet, ihre Lebensgefährtin folgte ihr 1972.

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Blick auf den Friedhof von Menton mit Hafen im Hintergrund. Foto: Wikipedia gemeinfrei, Tongopaso
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Architektonische Terrassenstruktur in Menton. Foto: Wikipedia (FR), gemeinfrei
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Das Grab von William Webb Ellis. Foto: Wikipedia Berthold Werner

Bestattungen heute

Die Gemeinde St. Brelade´s Church ist heute für eine Bevölkerung von etwa 12 500 Menschen zuständig. Zusammen mit St. Aubin on the Hill und Communicare sind sie als Gemeinde Teil der Church of England in Hampshire, east Dorset & the Channel Islands und insofern organisatorisch mit dem britischen Festland verbunden. Auf dem Friedhof St. Brelade´s entstehen heute keine neuen Grabanlagen mehr. Ausnahmen sind Bestattungen in bestehende Gräber, die noch entsprechenden Platz aufweisen oder Urnenbestattungen, wo es möglich ist. Für alle anderen Bestattungsfälle gibt es einen neuen Friedhof in der Nähe. Der alte Friedhof ist gut dokumentiert, Gräberverzeichnisse und Verstorbenenlisten werden geführt und gehen bis 1860 zurück. Dokumente über die Zeit davor lagern im Jersey-Archiv. Genealogen, Familienforscher und Historiker können sich jederzeit informieren und nach Absprache in den Unterlagen recherchieren.

Fluchtziel Menton, Südfrankreich

Im 19. Jahrhundert entdeckte die "feine Gesellschaft" den sonnigen Süden für sich. Das milde Klima half gegen verschiedene Krankheiten, vor allem bei der damals weit verbreiteten Tuberkulose. Adelige und Wohlhabende aus ganz Europa, vor allem Briten, Russen, Polen und Franzosen zog es zum "Überwintern" oder auf Dauer an die Küsten von Frankreich und Italien, die Côte d´Azur und die Riviera. Aus dieser Zeit sind noch heute die großen, prächtigen Hotels und Gärten, Casinos oder auch Orthodoxe Kirchen und Synagogen zu bewundern.

Die Stadt Menton liegt im schmalen, französischen Korridor zwischen Monaco und Italien, genau an der Grenze zu Ligurien. Sie war in ihrer Geschichte bereits französisch, monegassisch oder italienisch und hieß dann Mentone. Seit 1861 gehört sie nach einer Volksabstimmung wieder zu Frankreich. Daran änderte auch die erneute fünfjährige italienische, dann deutsche Besatzung im Zweiten Weltkrieg nichts. Im Gegenteil: Die Bewohner sprechen noch immer eine eigene Sprache, das Mentonasc, eine Sonderform des Provenzalischen und die Stadt ist durch ihr jährliches Zitronenfest berühmt. Der Zustrom von Menschen, Kulturen und Religionen schlug sich dann auch im Bestattungswesen nieder, das der Enge in der Stadt und der besonderen Lage am Felshang von Cap Martin Rechnung tragen musste.

Grabfelder in Terrassenform

Die fast 30.000 Einwohner zählende Kleinmetropole in der Provence erstreckt sich von null Meter über dem Mittelmeerspiegel bis über 700 Meter. Die steilen Felsen sind dicht bebaut und von engen Gassen durchzogen. Zickzacktreppen erschließen die höher gelegenen Stadtteile mit der Küstenstraße und dem feinen Sandstrand des Mittelmeeres. Auch für die Totenbestattung ergaben sich entsprechende Probleme. So erbaute Menton, beginnend in der Spätrenaissance, einen architektonischen Friedhof mit gestalteten Mauern, Terrassen, Fassaden und Gebäuden, fast mitten in der Stadt auf einem Hügel, neben dem Schloss, das heute nicht mehr existiert. Zwei Haupteingänge, von Nord und Süd erschließen ihn. Am Eingang vom Meer aus, über viele Treppen steil nach oben liegt die Basilika Saint-Michel. Der Friedhof dahinter wurde der Topografie folgend mit sich überlagernden Terrassen aufgebaut und dadurch auch räumlich strukturiert. Mit seiner Höhenlage über der zum Mittelmeer hin abfallenden Stadt bietet er eine herrliche Aussicht, bis hin zur Punta Mortola gegenüber in Italien.

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Kunstvolle Grabskulptur für die polnische Prinzessin Janina Jelowickich Lewandowska. Foto: Wikipedia gemeinfrei, Tongopaso
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Das Grab der Baronin Ernesta Stern (links, dreiteilig) ist nach Italien (Bildhintergrund) ausgerichtet. Sie hatte unter anderem in Triest gelebt.

Kulturelle Nischen über den Tod hinaus - Bestattung nach Religionen und Nationen

Zu den weiteren Besonderheiten in Menton gehört, dass bestimmte Terrassen und Zonen des Friedhofs jeweils einer Nationalität beziehungsweise Religion gewidmet sind. Die Briten waren als einträgliche Kurgäste zwar willkommen, doch offenbar keinesfalls beliebt. Sie galten als die "entnervenden, reichen" Angelsachsen. Nach ihrem Tod fanden sie in einem eigenen, britischen und damit anglikanischen Bereich ihren Platz. Orthodoxe, überwiegend Russen hatten eine Terrasse, die auch Raum für kleine Mausoleen ließ. Die Katholiken, vor allem polnische und französische wurden getrennt nach Nationen bestattet. Und schließlich gab es für die heimischen Bewohner eigene Bereiche. Über die Jahrhunderte entstand so eine kulturelle Vielfalt von Grabzeichen, Begräbnisarten und Grabschmuck. Allen Gräbern ist jedoch gemeinsam, dass es Blumen - wenn überhaupt - nur in Töpfen und Schalen gibt. Der felsige Untergrund, der architektonische Aufbau und die Enge im Friedhof ließen ganz überwiegend nur Bestattungen in Grabkammern zu. Die Grabplatten und Aufbauten aus Kalk- und Sandstein sind jedoch kunstvoll ausgestaltet und reich verziert, auch mit Einfassungen aus Metallzäunen, wie sie im späten 19. Jahrhundert modern waren.

Prominente im Exil (Menton)

Wer an die Côte d´Azur und nach Menton kam, wollte vor dem schlechten Wetter zuhause "flüchten", gesund werden und sich erholen. Doch viele, auch prominente Persönlichkeiten, verstarben in der Ferne an ihren Krankheiten, an plötzlichen Infarkten oder eines natürlichen Todes im Alter. Überführungen in ihre Heimatländer waren wegen der weiten Entfernungen meistens unmöglich, andere mussten aufgrund religiöser Vorschriften sehr schnell bestattet werden. Auf dem zentralen Friedhof von Menton strandeten daher Menschen aus fast ganz Europa, so etwa die russischen Prinzessinnen Toubetzkoï und Volkonsky.

Einer der bekanntesten ist jedoch der englische Reverend William Webb Ellis, dem nachgesagt wird, er habe das Rugby-Spiel "erfunden". Tatsächlich nahm er einmal bei einem Fußballspiel 1823 im Dörfchen Rugby, Grafschaft Warwickshire, den Ball unter den Arm und trug ihn regelwidrig ins Tor. Sehr viel später, 1848 wurden die "Rugby School Rules" eingeführt und schließlich entstand die eigenständige Sportart Rugby, benannt nach dem Ort in England. Dennoch gilt Ellis für die Rugby-Gemeinde als Erfinder des Sports. Nachdem er 1872 mit 65 Jahren in Menton gestorben war, gerieten er und sein Grab aus Marmorplatten mit einem Metallzaun schnell in Vergessenheit. Erst 1958 wurde es von Ross Mc Whriter, dem Herausgeber des Guinness Buchs der Rekorde, wiederentdeckt und saniert. Heute pilgern Rugby-Fans nach Menton und hinterlassen letzte Grüße.

Baronin Ernesta Stern war eigentlich eine Weltenbummlerin. Geboren 1854 in Triest lebte sie unter anderem in Venedig und Paris, doch dann gefiel es ihr in Menton und sie blieb überwiegend im Süden. Die Schriftstellerin war mit dem jüdischen Bankier Louis Antoine Stern aus Paris verheiratet und bewohnte die Villa Torre Clementina am Cap Martin, heute ein historisches, denkmalgeschütztes Gebäude. Nach ihrem Tod 1926 wurde für sie ein beeindruckendes Grabmal errichtet, das mit zwei kirchturmartigen Spitzen und einer Madonna im Zentrum sakrale Züge aufweist. Ein schwungvolles Schriftband mit Name und Lebensdaten windet sich um die Mittelsäule mit einem korinthischen Kapitell. Die Ausrichtung nach Osten verweist auf ihre Herkunft aus Triest, das damals zu Österreich gehörte, heute zu Italien.

Auch das kleine Mausoleum der polnischen Prinzessin Janina Jelowickich Lewandowska gehört sicher zu den schönsten Grabstätten auf dem Friedhof. Über dem eigentlichen Grab steht das Werk eines Bildhauers, das einen Sarg darstellt. Der Deckel ist offen und steht schräg-senkrecht nach oben. Die Statue über dem kleinen Mausoleum stellt eine junge Frau dar, die ihrem Sarg entsteigt und in den Himmel auffährt. Sowohl die Inszenierung, als auch die kunsthandwerkliche und technische Ausführung beeindrucken.

Kurios ist das Grab von Charles Carrol, in dem eine Kopie der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung liegt. Grund dafür ist, dass sein Großvater Carrol of Carrollton einer der Mitunterzeichner vom 4. Juli 1776 war. Enkel Charles gründete später das Hôpital Américain de Neuilly (amerikanisches Krankenhaus bei Paris) und starb in Menton.

Und auch die Russische Revolution hat am Cap Martin ihre Spuren hinterlassen. Anatoli Wassiljewitsch Lunatscharski geboren 1875 war von Lenin 1917 zum Volkskommissar für das Bildungswesen (NARKOMPROS) berufen worden. Bis 1929 entwickelte er sich zum bedeutendsten marxistischen Kulturpolitiker, in einer Zeit, als Künstler sich in der neu gegründeten Sowjetunion noch mehr oder weniger frei entfalten konnten. Als Lunatscharski schwer krank wurde, übersiedelte er nach Südfrankreich. Er starb 1933 an einem schweren Herzfehler in Menton und erlebte damit den kurz danach einsetzenden stalinistischen Terror nicht mehr. Lunatscharski wurde noch in Menton eingeäschert, seine Urne später nach Moskau überführt und an der Kremlmauer beigesetzt.

Begrünung und Erholungswert

Von Juni bis August können in Menton, wie an der gesamten Côte d´Azur die Temperaturen auf über 40 Grad steigen. Trockener, felsiger Untergrund, Wind, Hitze und schneller Regenwasserabfluss machen es jedweder Vegetation schwer. Doch allen Widrigkeiten zum Trotz ist der im Grundriss tropfenförmige, Nord-Süd ausgerichtete Friedhof teilweise grün. So mit Bäumen vor allem im Zugangsbereich von der Basilika und auf dem höchsten Grabfeldplateau. Darüber hinaus gibt es an einigen wenigen Standorten große alte Bäume, wie Eiben (Taxus baccata), Zypressen (Cupressus sempervirens) und Platanen (Platanus acerifolia). Sie rahmen das Bild, das sich zusammen mit Bougainvillen (Bougainvillea glabra), Kletterpflanzen und Grabschmuck zu einem Ganzen vervollständigt. Von allen nach Osten und Süden ausgerichteten Terrassen besteht eine sehr gute Aussicht auf die dichte Altstadt von Menton und hinaus auf das Mittelmeer. Die relative Ruhe des Ortes und Sitzgelegenheiten, auch im Schatten machen den Cimetière du Vieux Château zu einem parkartigen Ort mit Erholungswert, der durch seine vielen verschiedenen, historischen Grabmale zu einem Gesamtkunstwerk geworden ist.

Kulturelle Vielfalt

Der Tod in der Ferne, nach Flucht, Exil, der Suche nach einem besseren Leben, günstigeren Klima oder aus anderen Beweggründen ist ein Phänomen, so alt wie die Menschheit selbst. Am Ende entscheiden Herkunft, Religion, Nationalität und nicht zuletzt, wie vermögend die Menschen an ihrem neuen Wohnort waren darüber, wie sie bestattet werden und wie intensiv ihre Gräber gestaltet sind. Friedhöfe mit Migranten, wie etwa der muslimische Friedhof am Berliner Columbiadamm sind insofern auch immer ein Spiegelbild ihrer Zeit, sie verweisen auf Fluchtbewegungen aus den unterschiedlichsten Gründen, ein in der Ferne gelebtes Leben und dokumentieren Geschichte. Nicht zuletzt bilden kunstvolle Grabstätten, wie in Menton auch Stile und Moden im Kunsthandwerk der jeweiligen Zeit ab. Sie tragen zur kulturellen Vielfalt und zum Verständnis zwischen den Völkern bei. Im Tod sind zwar alle "gleich", aber doch auch verschieden. So sind historische Friedhöfe beispielgebend für ein friedliches Miteinander, den interkulturellen Dialog und die Migration der Gegenwart in Zukunft.

Weitere Informationen

www.stbreladeschurch.com (Friedhof Jersey)

Friedhof Menton, Cimetière du Vieux-Château, Rue du Vieux-Château, F-06500 Menton

Dipl.-Ing.(FH) Thomas Herrgen
Autor

Landschaftsarchitekt

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