Über Prozesse und Potenziale des Baustoffs

Beton in der Landschaftsarchitektur

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Beton Landschaftsarchitektur
Die charakteristischen Schichtungen des Stampfbetons bilden den Herstellungsprozess ab. Textur, Struktur und Farbtemperatur geben der Betonmauer am Kolumba in Köln eine warme Atmosphäre. Foto: Wigbert Riehl
Beton Landschaftsarchitektur
Der Entwurf spielt mit Anordnung von Ankerlöchern und Schalungsplatten. Schalungsprozess und Entwurf stehen in wechselseitiger Beziehung zu einander. Foto: Lucas Büscher

Beton verkörpert wie kein zweiter Baustoff in der Landschaftsarchitektur eine hohe Variabilität und Individualität in Anwendung und Gestalt. Das form- und strukturlose Gemisch eröffnet vor allem visuell und taktil ein nahezu unbegrenztes Gestaltungspotenzial. Die Varianz wird maßgeblich durch den Herstellungsprozess ermöglicht. Schalungsart und Fertigungsmethoden lassen sich später im Projekt ablesen. So überführte Peter Zumthor den Stampfbeton in die zeitgenössische Architektur und belegt beispielhaft die gestalterischen Potenziale, die sich aus dem Entwurf mit den prozessualen Eigenschaften des Baustoffs ergeben. Arbeits- und Ruhephasen, Einbringungs- und Verdichtungsmethode sowie die Zusammensetzung des Betons spiegeln sich in den charakteristischen Schichtungen des Stampfbetons wider. Der generative Prozess kann das Ergebnis demnach entscheidend mitbestimmen. Gleichzeitig ist der so robust erscheinende Baustoff ein sensibles Material, das eine präzise Planung und Umsetzung erfordert. Denn Beton ist kein starres Gebilde. Beton unterliegt einer ständigen stofflichen und optischen Veränderung. Diese beginnt auf substanzieller Ebene mit den drei Phasen der Hydratation des zunächst plastischen Werkstoffs, also dem Ansteifen, gefolgt von dem Erstarren bis zur Erhärtung, die die zentralen 28 Tage der Festigkeitsentwicklung zur Normfestigkeit beinhaltet (vgl. Neroth, Vollenschar2011). Auch nach dieser Zeit ist der stoffliche Veränderungsprozess nicht abgeschlossen.

Der optische Wandel lässt sich gerade im Freiraum an den Oberflächen erkennen, auf denen sich Umwelteinflüsse und der Lauf der Zeit einschreiben. Beispielsweise ein Wasserverlauf des Niederschlags auf einem weißen Beton, vorgegeben durch die Form des Objekts, der ungewollt als grauer Schleier die Herausforderungen des Entwurfes offenbart. Der Umgang mit Beton erfordert daher ein spezifisches Wissen und eine sorgfältige Planung, vom Entwurf des Objekts bis zur Bauüberwachung. Die Planung sollte auch die Veränderung des Materials einbeziehen. Das Wissen um die Prozesse hilft nicht allein um technisch-konstruktive Anforderungen dauerhaft zu erfüllen. Im Freiraum sollten auch die gestaltgebenden Faktoren und Prozesse sowie deren Auswirkungen identifiziert und in planerische Qualitäten überführt werden. Denn Forschungs- und Entwicklungsqualität ergibt sich auch aus dem Entwerfen von Freiräumen und Objekten, wenn diese neben der Innovation gleichzeitig reflektierte und evaluierte Erkenntnisse und Ergebnisse beinhaltet oder neue Forschungsfragen identifiziert.

Die Varianz von Beton

Beton ist ein Gemisch. Es besteht mindestens aus Gesteinskörnung, Wasser, Zement und Luft. Allein aus dem Verhältnis dieser vier Ausgangstoffe ergeben sich vielfältige Betone mit steuerbaren Eigenschaften. Zusatzmittel und Zusatzstoffe können zur Erzielung weiterer Qualitäten hinzugefügt werden. Allein ein Blick auf die Expositions- oder Konsistenzklassen belegt: Es existiert nicht "der eine Beton". Die Variabilität der Zusammensetzung ermöglicht eine Vielzahl spezifischer, für die Anwendung optimierter Betone. Wir können die Betone folglich nach verschiedenen Aspekten klassifizieren. Neben den technisch-konstruktiven und bauphysikalischen Zielparametern, können auch ästhetisch-gestalterische und nutzungsspezifische Eigenschaften als Zielwerte ausgegeben werden. Denn im Gegensatz zu anderen Materialien des Freiraums sind diese Eigenschaften nicht zwangsläufig durch den Beton vorgegeben.

Beton hat keine eigene Gestalt, keine eigene Textur und eine hohe Varianz in der Zusammensetzung. Für planende Berufe ergibt sich daraus einerseits die Chance, Utopien und Visionen, Funktion und Form sowie Identität und Ausdruck zu materialisieren. Andererseits ergibt sich der Planungsauftrag, mindestens die Folgen der Betonwahl und des Herstellungsprozesses für Nutzung und Ästhetik zu berücksichtigen. Das Nigata City Konan Ward Culture Center (Chiaki Arai) und der Konferenzpavillon in Weil am Rhein (Tadao Ando) belegen beispielsweise, wie allein Systematisierung und Anordnung von Schalungsplatten und -ankern auf eine subtile Weise die Gestalt der Architektur ganz maßgeblich positiv bestimmen. Der Entwurf wird durch das Wissen um den Schalungsprozess möglich.

Anwendungspotenzial von Beton im Freiraum

Beton findet sich im Freiraum in verschiedensten Anwendungsgebieten wieder. Von der Rückenstütze einer Einfassung, über den Belag und die Mauer bis zur Skulptur beweist der Werkstoff seine Einsatzbreite. Vor dem Hintergrund der Variabilität der Betone wäre eine abschließende Auflistung der Einsatzzwecke nicht zielführend. Die Variabilität in den Prozessebenen sollten dazu motivieren die Anwendungsfelder wiederzuentdecken, zu interpretieren und zu erweitern. Wichtig ist der differenzierte Blick auf die Materialverwendung und Eignung für das individuelle Projekt.

Entwurfsphase und Ausführungsplanung sind in der Honorarordnung klar getrennt, da sie formal aufeinander aufbauen. Idealerweise entsteht im Planungsprozess jedoch ein Nebeneinander, eine Kongruenz und Wechselbeziehung von Konzept, Entwurf und Detail. Dies beinhaltet auch die frühe Auseinandersetzung mit Materialien und deren Funktion. Material wird dann nicht allein technisch-konstruktiv angewendet, sondern über gewünschte Inhalte/Leistungen reflektiert. Dazu zählen Abhängigkeiten zu Ort, Topografie, Funktion, Nutzung, Atmosphäre, Formensprache und Gestalt. Diese stehen in Wechselbeziehung zu den technisch-konstruktiven Eigenschaften.

Das direkte Entwerfen mit dem Beton birgt folglich ein hohes Potenzial, die Eigenschaften des Materials zu reflektieren und gezielt für die Intention des Entwurfs zu nutzen.

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Beton Landschaftsarchitektur
Belag und Rasenflächen bilden eine topografische Einheit am Schweizerischen Nationalmuseum in Zürich. Foto: Lucas Büscher
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Flusskiesel akzentuieren Bereiche des Belags am Vorplatz des Schweizerischen Nationalmuseums. Die Technik bietet das Potenzial, subtil zu lenken und zu leiten. Foto: Lucas Büscher

Ein exemplarisches Beispiel ist der Vorplatz des Schweizerischen Nationalmuseums in Zürich (Vogt Landschaftsarchitekten). Sehr prägnant zeigt sich hier, wie die Vorteile der Formbarkeit, variablen Zusammensetzung und Nachbearbeitung für den Ort genutzt wurden. Der Platz ist durch eine dynamische und geschwungene Formgebung geprägt. Die Übergänge zwischen Belag und Vegetationsflächen sind fließend, da die Betonfläche topografisch in die Rasenfläche übergeht. Ein klarer gestalterischer Bezug zum anliegenden Fluss Limmat erfolgt durch ein Arrangement von großen, geschnittenen Flusskieseln im Ortbeton, die durch die Nachbearbeitung des Betons sichtbar werden. Durch die Oberflächenbearbeitung wird gleichzeitig eine rutschhemmende Wirkung erzielt.

Das handwerkliche Prinzip ist nicht neu, wird jedoch durch die Anordnung der Einschlüsse und die Wahl der Gesteinskörnung innovativ und ortsgebunden angewendet. Die Anordnung der Kiesel hat zudem das Potenzial, durch Schwerpunktbildung subtil durch den Raum zu leiten.

Individuelle Transformation

Die Arbeit an und mit dem Ort ist eine zentrale Aufgabe der Landschaftsarchitektur. Material bestimmt dabei die Lesbarkeit und Atmosphäre maßgeblich mit. Beton lässt sich, wie exemplarisch beschrieben, innerhalb der Prozessebenen codieren. Es erscheint daher notwendig, die Prozessebenen im Umgang mit Beton genauer zu betrachten und ihre Auswirkungen auf die Gestalt systematisch zu erfassen.

Am Beispiel des Werkstoff Betons untersucht das Fachgebiet Landschaftsarchitektur | Technik (LAT), an der Universität Kassel unter anderem die spannungsvolle Wechselwirkung und prozessualen Bezüge der Materialforschung, der Materialanwendung und des wissensbasierten Entwurfs. Die Verwebung der praktischen Erfahrungen und Projekte von Wigbert Riehl als freier Landschaftsarchitekt mit der Forschung am Fachgebiet und den studentischen Projekten ermöglicht den Dreiklang aus Evaluierung, Anwendung und experimenteller Innovation. Hierbei wird der Frage nachgegangen, wie und wozu Beton zukünftig im Freiraum eingesetzt werden kann. Eine nachhaltigkeitsorientierte Planung beinhaltet dabei die Zielstellung, die Materialeigenschaften sinnvoll und gezielt zu nutzen. Durch die Verknüpfung mit interdisziplinären Themenfeldern werden Möglichkeiten identifiziert, Betone zu aktivieren und funktionalisieren, um neue Aufgaben in komplexen Freiraumstrukturen zu übernehmen. Vor dem Hintergrund endlicher Ressourcen und vergleichsweise hoher Energieaufwendung zur Zementherstellung soll ein Beitrag und Impuls gegeben werden, das Material optimiert zu nutzen und weiterzudenken.

Weiterführendes Ziel ist die Systematisierung aller gestaltgebenden Prozessebenen des Werkstoffs Beton, um eine Hilfestellung für die Entwurfsphase zu geben.

Evaluierung gebauter Betonobjekte

Das Zusammenspiel aus Gesteinskörnung und Nachbearbeitung ergibt im Beton eine außergewöhnliche Möglichkeit, diese Inhalte zu materialisieren und Bedeutungsebenen neu zu belegen.

Ein frühes Beispiel dafür bietet der Landschaftspark Duisburg Nord. Ein Schwerpunkt des in den 1990er-Jahren richtungsweisenden Parkkonzepts von Peter Latz lag darin, eine veränderte Wahrnehmung der vergangenen Industriekultur zu erreichen. "Die Wahrnehmung, dass aus einem Unort ein lebenswerter Ort hervorgehen kann." (T. Latz 2018)

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Material und Ort. Fertigteil mit rezyklierter Gesteinskörnung im Landschaftspark Duisburg Nord. Foto: Wigbert Riehl, bearbeitet Lucas Büscher
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Das Rote Theater am Sinterplatz enthält Gesteinskörnung aus RC-Material und Rheinkies 0/16. Foto: Wigbert Riehl, bearbeitet Lucas Büscher

Ein wichtiger Beitrag war dabei das Recycling aller am Ort anfallender Abbruch- und Schuttmaterialien, also die Umdeutung des Abfalls. Das vorhandene Material wurde als neuer Baustoff begriffen und fand als Substrat, Wegedecke und im Beton seine Anwendung. Für die Verwendung rezyklierter Gesteinskörnungen im Beton gab es zu dieser Zeit noch kein Regelwerk und viele Betonhersteller lehnten die Herstellung eines Recyclingbetons ab. Dennoch entschied man sich die, durch die anschließend erforderliche Reinigung der Zuschlags-Silos entstandenen, Mehrkosten in Kauf zu nehmen, um die Recyclingbetone zu realisieren. Unter Leitung von Wigbert Riehl entstanden das Rote Theater am Sinterplatz aus Ortbeton und zudem Fertigbetonteile für Mauerabdeckungen im Park, deren markanten roten Zuschläge durch die nachträgliche Oberflächenbearbeitung des Waschens sichtbar gemacht wurden.

Intention und Gestaltungswunsch führten zu angewandter Forschung. Heute wissen wir, dass diese Betone haltbar sind und funktionieren. Projekte wie der Landschaftspark Duisburg-Nord identifizieren Forschungsbedarfe und Anwendungsfelder. Diese angewandte Forschung und die Evaluierung gebauter Projekte fließen stark in die Arbeiten am Fachgebiet ein.

Entwerfen und Experimentieren mit Beton

Dass der Beton ein Träger für gesellschaftliche und atmosphärische Inhalte werden kann, impliziert das experimentelle Entwerfen des Materials. Dieser Work in progress- Gedanke am Fachgebiet LAT wird in studentischen Projekten erforscht. Parallel zur konzeptionellen Arbeit mit Stift und Papier sowie digitalen Entwurfswerkzeugen werden Materialproben erstellt, sodass sich Entwurf und Material wechselseitig beeinflussen.

Untersucht werden vor allem gestalterische Auswirkungen und Anwendungsfelder. Exemplarisch für diese Arbeitsweise ist die studentische Arbeit Bankwald. Die Arbeit analysiert intensiv die materielle und farbliche Diversität und Funktionalität der Bänke, die im UNESCO Welterbe Bergpark Wilhelmshöhe über Jahrzehnte hinweg installiert wurden. Dabei sind räumliche Analogien zwischen Banktypus und Raumabschnitt im Park erkennbar. Um einerseits eine gestalterische Leitlinie für den gesamten Park zu realisieren und gleichzeitig eine individuelle Reaktion auf die charakteristischen Raumtypen zu ermöglichen, wurde eine simple Grundform aus Beton entwickelt. Diese wird ortsgebunden über die Oberflächenbearbeitung gestaltet. Angepasst an die strukturellen und räumlichen Atmosphären des Parks entsteht so auf dezente Weise eine hohe Varianz.

Stilprägend sind der weiße Zement und der für Kassel typische Basalt als Gesteinskörnung. In diversen Versuchsreihen wurden Körnungsgrößen, Anteile und Nachbearbeitungstechniken erprobt. Als Reminiszenz an den Schlosspark wurden auch historische Steinbearbeitungsmethoden, die im Bergpark Verwendung finden, in den Katalog der Bearbeitung aufgenommen. Zudem wurde das ästhetische Erscheinungsbild im trockenen und feuchten Zustand erfasst. Exemplarisch entstanden die Bänke 'Karl No.1' und 'Karl No.2', die auch die Grenzen des Materials reflektieren. Der haptische Komfort war ein wichtiges Kriterium im Entwurf. So sind beispielsweise spezifische Oberflächenbearbeitungen als Sitzfläche nicht geeignet. Als Reaktion auf den geringen Sitzkomfort von Beton erhalten Bänke mit längerer Aufenthaltsdauer eine Holzintarsie als Sitzfläche. Entstanden ist eine Systematik "aus dem Ort, für den Ort".

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Die Bänke des Bergparks Wilhelmshöhe in Kassel. Die Arbeit \'Bankwald\' von Margarete Arnold analysiert Banktypologie, Material, Ortsbezug und Atmosphäre. Grafik: Margarete Arnold
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Margarete Arnold schafft eine simple Bankform, deren Oberflächen jedoch ortsspezifisch gestaltet werden kann. Parallel zum Entwurf entstehen diverse Materialstudien. Grafik: Margarete Arnold
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Oberflächen durch Verwendung von Abfallstoffen als Negativ. Bild: Fachgebiet Landschaftsarchitektur | Technik
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Der Student Carlo Pfannenschmidt untersuchte die Nachbearbeitung durch den Laser. Der präzise Abtrag ermöglicht filigrane Bildübersetzungen. Bild: 1–4; 5–6 Carlo Pfannenschmidt, 7–8 Fachgebiet Landschaftsarchitektur | Technik

Materialeigenschaften gestalterisch nutzen

Als strukturloses Material spiegelt Beton das negative Abbild der Schalung wider. Unter Berücksichtigung technischer Parameter, wie der des Größtkorns, lassen sich diverse Bilder auf den Beton übertragen. Entwurfsinhalte, wie Funktion oder Ortsbezug, werden in die Oberfläche eingebracht.

Dies ermöglicht zum einen Bilder oder geometrische Formen in den Beton zu übertragen. So war die Architektur der 1970er-Jahre oftmals von klaren, linearen Reliefs als Betonoberfläche geprägt.

Zum anderen bietet die Oberflächenausbildung ein weiteres spannungsvolles Experimentierfeld. Unter dem Aspekt der Ästhetik und des Ressourcenschutzes experimentierte ein studentisches Projekt mit der Anwendung von Abfallstoffen als Matrize oder Schalungsmatrize. Das Bild wird nicht technisch übersetzt, sondern ergibt sich aus dem Schalungsmaterial. Aus Verpackungsmaterialien, Plastik- und Papiertüten, Wellpappe oder Textilien entstanden diverse Prototypen. Exemplarisch wurden Oberflächenstrukturen durch die Photogrammmetrie erfasst und digital übertragen. Aus den Prototypen ließen sich beispielsweise durch Fräsen serielle Schalungen oder Matrizen erschaffen.

Auch die Technik des Fotobetons arbeitet mit der Oberfläche. Über eingebrachte Verzögerer und Auswaschung wird ein hell/dunkel Verlauf erstellt, der nachher als Bild wahrgenommen wird (vgl. Informationszentrum Beton). Mit einer Projektarbeit am Fachgebiet wurde ein anderer Ansatz zur Genese von fotorealistischen Abbildungen auf Beton erforscht. Die Arbeit macht sich die bei Natursteinarbeiten geläufige Bearbeitungsmethode des Flämmens zu nutze. Durch das Flämmen der Oberfläche platzt die oberste Schicht des Materials ab. Um die Abplatzung gezielt und gesteuert einzusetzen wurde das Material mit dem Laser bearbeitet. Der Laser wurde über CAD angesteuert. Als relevante Parameter wurden Laserstärke, Betonzusammensetzung, Datengeometrie und Daten- und Bildaufbereitung untersucht. Das gewünschte Bild wurde vectorisiert und in Farbnuancen unterschieden. Diesen Farbnuancen wurden anschließend Texturen zugeordnet. Diese Übersetzung ermöglicht einen gezielten Übertrag von fotorealistischen Bildern.

Ein angewandtes Beispiel für den gezielten Umgang mit Materialeigenschaften bildet die Bank 'Paraseat', die 2008 auf dem Campus der Universität Kassel realisiert wurde. Zum Einsatz kam ein UHPC Beton. Durch den hochleistungsfähigen Beton konnte mit einer selbstverdichtenden, faserbewehrten Betonrezeptur der filigrane parametrische Entwurf übersetzt werden.

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Der \'Paraseat\' aus UHPC nutzt die Eigenschaften des High-Tech-Betons UHPC um eine dauerhafte, filigrane und freie Form zu realisieren. Bild: Wigbert Riehl

Neue Aufgaben in komplexen Freiraumstrukturen

Die oben genannten Beispiele zeigen exemplarisch gestaltgebende und funktionale Aspekte im Umgang mit Beton, um klassische Themen der Landschaftsarchitektur in ein Material zu überführen.

Durch konzeptionelle Weiterentwicklung können bestehende Stärken des Materials genutzt und neue Funktionen implementiert werden. Entscheidend ist, dass der Beton gleichermaßen die Ansprüche des konzeptionell-entwerferischen Handelns sowie die technischen und ökonomischen Anforderungen nachhaltigen Bauens erfüllt.

Das laufende Promotionsvorhaben von Lucas Büscher untersucht diese Wechselwirkung. Als Reaktion auf begrenzte Flächenressourcen, Klimawandel und den Bedarf an ästhetisch und funktional hochwertigen begrünten Freiräumen, wird eine alternative vertikale Begrünungstechnik erforscht. Die komplexen Aufgaben und Ansprüche werden in das Material Beton überführt.

Um eine extensive und materialreduzierte Begrünung von Wänden zu realisieren, sollen Betone als Vegetationsstandort funktionalisiert werden. Dazu wird die Eignung der entwickelten Betone für Mauern im Außenraum evaluiert. Die Arbeit überprüft die Eignung von Betonmatrix, Relief und Textur der Oberfläche als Standort für eine ästhetisch steuerbare und dauerhafte Vegetation auf Beton. Die Möglichkeit zur Reduktion endlicher Ressourcen, wie des Zements oder der Gesteinskörnung, werden durch den Einsatz rezyklierter Materialien und die Senkung des Zementbedarfs überprüft. Die Kenntnis und Systematisierung der auszugsweise aufgeführten Prozessebenen der Betonentwicklung und -anwendung bildet für die Arbeit eine wesentliche Grundlage.

Beton in der Landschaftsarchitektur

Der Werkstoff Beton beinhaltet ein hohes Potenzial für die Landschaftsarchitektur. Sowohl auf der gestaltenden und planerischen Ebene als auch als Forschungsfeld ergibt sich ein umfangreiches Betätigungsfeld. Das wissensbasierte Entwerfen von Freiräumen in Verbindung mit der baulichen Konstruktion, der Materialverwendung bis zur baulichen Gestalt enthält eine erhebliche Forschungs- und Entwicklungsqualität. Das Verständnis und das Arbeiten mit der gegenseitigen prozessualen und systematischen Bedingtheit von Entwurf und empirischer Forschung kann dabei einen erheblichen Beitrag zu einer innovativen, nachhaltigen und qualitativ hochwertigen Landschaftsarchitektur leisten. Eine Anwendungshilfe soll die Beschreibung der gestaltgebenden Prozessebenen und deren Wechselwirkungen mit technischen Anforderungen sein. Ziel des Fachgebiets Landschaftsarchitektur | Technik ist die Systematisierung zentraler gestaltgebender Prozessebenen und Faktoren des Werkstoffs Beton als Hilfestellung und Inspirationsquelle für die Entwurfsphase in der Landschaftsarchitektur. Forschung für reale, gebaute Qualitäten in unseren Lebensräumen.


Quellen

InformationsZentrum Beton GmbH. Beton.org. Fotobeton. Kontrastreiche Fotos und Motive auf Beton bringen und für die Ewigkeit festhalten. www.beton.org, [Zugriff: 20.11.2018].

Latz, T. (2018) Transformation. Interview von Anja Koller mit Tilman Latz. In: Garten und Landschaft. Ausgabe November 2018. S. Callwey Verlag, München.

Neroth, G.; Vollenschaar, D. [Hg.] (2011) Wendehorst Baustoffkunde. Grundlagen -Baustoffe - Oberflächenschutz. 27. Auflage. Vieweg und Teubner Verlag, Hannover.

M. Sc. Lucas Büscher
Autor

Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Uni Kassel im Fachgebiet Landschaftsarchitektur – Technik

Autor

Universitätsprofessor

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