Wie Stadtzentren durch Spiel und Bewegung lebendiger werden

Bewegung belebt Innenstädte

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Bewegungsraumgestaltung Freiraumplanung
Abb. 1: Das gesamte Stadtzentrum soll zu Bewegung verführen – das ist die Idee des Spiel- und Bewegungskonzepts für Burgdorf. Foto: Hölscher/Thies, Collage: Thies
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Abb. 2: Neben den grundsätzlichen Faktoren für eine hohe Aufenthaltsqualität (Verkehrsberuhigung, Zugänglichkeit, Barrierefreiheit etc.) sind die hier dargestellten Qualitätskriterien für eine bewegungsfreundliche Innenstadtgestaltung maßgeblich. Abb.: Thies

Da ist dieses Ideal der lebendigen Innenstadt: Das Stadtzentrum soll mehr sein als nur ein "Einkaufs-Zentrum". Ein lebendiger Ort, an dem alle Menschen sich begegnen können und der das Stadtbild prägt . . . und dann ist da die Realität: Die Innenstädte verwaisen.

Die Folgen der Corona-Pandemie haben das seit Jahren schwelende Problem deutlich gemacht: Menschen bleiben zu Hause, im Home-Office, auf dem Sofa, in digitalen Räumen. Die Straßen sind leer, der Online-Handel boomt. Der Fokus allein auf Konsumangebote funktioniert nicht mehr. Autos und Parkplätze nehmen in den Stadtzentren noch immer viel Platz ein. Auch deshalb halten Menschen sich hier nicht unbedingt gerne auf.

Gleichzeitig drängt sich ein zweites, deutlicher werdendes Problem auf: Bewegungsarmut und die daraus folgenden gesundheitlichen Konsequenzen für alle Altersgruppen. Was vielen Menschen fehlt, ist vor allem die vielfältige, alltägliche, freie Bewegung nebenbei, die durch das Betreiben spezifischer Sportarten nicht kompensiert werden kann (vgl. Hölscher, Oppermann, Thies 2018).

Dabei ist der Trend hin zu selbstorganisierten Bewegungsformen außerhalb genormter Sportanlagen und -angeboten zu beobachten: Immer mehr Menschen bewegen sich, wann und wie es ihnen passt und nutzen dafür öffentliche Flächen und Grünanlagen. Die in den letzten Jahren entstandenen Outdoor-Bewegungsparks sind ein Spiegel dieser Entwicklung.

Auch die Erklärung zum Bewegungsgipfel des Bundes, der Länder, der Kommunen und des organisierten Sports vom 13. Dezember 2022 hebt die "steigende Bedeutung des selbstorganisierten Sports und des wohnortnahen Raums für Sport und Bewegung" hervor und fordert eine entsprechende Qualifizierung von öffentlichen Räumen (BMI & BMG 2022). Dem steht allerdings eine gewisse "Bewegungsscham" entgegen:

Es ist in unserer Gesellschaft nicht üblich, sich beim Warten an einer Bushaltestelle ausgiebig zu strecken, an einen Baum zu hängen oder auf einer Parkbank unkonventionelle Sitzpositionen einzunehmen. Wir haben uns daran gewöhnt, dass Bewegung und Spiel insbesondere im urbanen Raum (ausschließlich) auf dafür vorgesehenen und beschilderten Flächen und genormten Anlagen stattfindet: auf Spiel- und Sportplätzen, in Fitness- und Skateparks, auf Wanderwegen und Barfußpfaden. In allen anderen Freiräumen - auf Plätzen, an Haltestellen oder im Straßenraum - ist spielerische Bewegung "unnormal".

Spätestens im Erwachsenenalter haben wir häufig verlernt und vergessen, was für Kinder selbstverständlich und eine Ressource für Lebensfreude und Gesundheit ist: Den spielerischen, kreativen, wachen Blick für die Umgebung und die Möglichkeiten, die sich unterwegs bieten. Viele Menschen sind unsicher, ob sie sich an Orten, die nicht explizit dafür ausgewiesen sind, überhaupt bewegen "dürfen". Also mahnen sie ihre Kinder: "Hier ist doch kein Spielplatz!".

Wie schaffen wir es, die Bewegungs- und Entdeckungsfreude im Menschen (wieder) zu wecken? Wie kann Freiraumgestaltung auch in den Innenstädten ihren Beitrag dazu leisten?

Innenstädte für Bewegung und Begegnung - Wie kann das gehen?

In den Stadtzentren fehlen die Menschen. Und den Menschen fehlt es an Bewegung und echter Begegnung. - Wie wäre es, beide Aufgaben verknüpft zu betrachten und anzupacken? - Die Idee ist, Innenstädte zu lebendigen Zentren für Begegnung, Bewegung und Spiel zu verwandeln.

Die Stadt Burgdorf (Region Hannover) hat diese Idee ernst genommen und die Erarbeitung eines "Spiel- und Bewegungskonzepts Innenstadt" in Auftrag gegeben, das nun vorliegt. Ziel ist, das Stadtzentrum insgesamt bewegungsfreundlicher und damit einladender zu machen. Im Fokus stehen nicht nur Spielplätze oder ausgewiesene Bewegungsflächen: Das gesamte System öffentlicher Freiraum wird unter dem Aspekt Spiel und Bewegung betrachtet. Freude an kreativer Bewegung und Spiel in und mit der Umgebung zu wecken ist das Anliegen des Konzeptes.


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Abb. 3: Während der Beteiligungsveranstaltung erforschen die Kinder die unkonventionelle Bewegungslandschaft in der Turnhalle auf ihre ganz eigene Weise. Sie überwinden Hindernisse und bewältigen Bewegungsprobleme und kleine Risiken – aufzufordern braucht man sie dazu nicht. Foto: Hölscher
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Abb. 4: Jugendliche eigenen sich den Freiraum auf ihre eigene Art an: Mauern, Steine und Treppen sind für sie selbstverständliche Orte zum Sitzen, Stehen, Verweilen. Auf dem "Präsentierteller" in der Platzmitte fühlen sich die Jugendlichen weniger wohl, sie beobachten lieber vom Rand aus das Geschehen. Gleichzeitig wünschen sie sich zentrale Orte, an denen "was los ist" und wo sie nicht weggeschickt werden. Foto: Hölscher

"Bewegungsfreundlicher" Freiraum - Was ist das?

Freiräume bewegungsfreundlich zu gestalten ist mehr als nur tolles neues Spiel- und Bewegungsmobiliar aufzustellen. In einer verdichteten urbanen Umgebung sind spezifische Spiel- und Bewegungsanlagen unverzichtbar - aber nicht der einzige Weg. Es geht vielmehr darum, das gesamte Freiraumsystem aus der Bewegungsperspektive zu betrachten. Bewegung ist etwas, das immerzu passiert, und nicht ausschließlich in separierte (Frei)Räume und Zeitfenster gedrängt werden darf.

Eine wichtige Voraussetzung für die Gestaltung solcher Freiräume ist zunächst organisatorischer Natur: Gefragt ist die Zusammenarbeit von Planenden und Bewegungsfachleuten mit einer offenen Sichtweise jenseits der konventionellen Sportperspektive, die auf praktischer (Bewegungs-)Erfahrung basiert.

Dazu gehört es, die grundlegenden Bewegungsbedürfnisse zu kennen und zu erkennen, welche versteckten Möglichkeiten ein Freiraum bietet, diese auszuführen. Drei übergeordnete Bedürfnisse sind hier wesentlich:

A) Gefühl von Sicherheit und Wohlfühlen. Nur wer sich "sicher" fühlt, bewegt sich mit Freude.

B) Kleine Herausforderungen, die uns anspornen, uns auszuprobieren und zu erfahren, dass wir uns im wahrsten Sinne des Wortes "weiterbewegen" können (Selbstwirksamkeit).

C) Bewegungsdiversität:

  • Häufig wechselnde Körperhaltungen und Bewegungen in Aufenthaltssituationen (sitzen, stehen, sich bücken, anlehnen, sich strecken, hängen, hangeln etc.).
  • Vielfältige Formen und Qualitäten der Fortbewegung: vor allem zu Fuß (langsam und schnell, kurvig und geradlinig, in wechselndem Rhythmus, hüpfen, springen, schleichen, schlurfen, steigen, balancieren, klettern etc.), aber auch mit muskelbetriebenen Bewegungsvehikeln (Fahrrad, Roller, Skatebord, Skates, Rollstuhl, Rollator etc.). Hier ist das Gefühl "vom Fleck" zu kommen und unterschiedliche Geschwindigkeiten zu erfahren relevant.

Alle Menschen - egal ob alt oder jung, beweglich oder vermeintliche "Bewegungsmuffel" - haben diese grundsätzlichen Bewegungsimpulse, nur in unterschiedlichen Ausprägungen. Die in der Abbildung dargestellten Qualitätskriterien machen deutlich: Es geht darum, Bewegungsdiversität in den Raum zu denken. Wir brauchen ein "Sowohl-als-auch", ein Nebeneinander vermeintlicher Gegensätze: Flächen und Anreize für Herausforderung neben Möglichkeiten für Rückversicherung, für Aktion und ausgelassene Bewegung genauso wie für Erholung und Rückzug.

Bewegungspotenziale im Freiraum entdecken - Was ist schon da?

Welche (versteckten) Möglichkeiten für Bewegung und Spiel gibt es im Freiraum und welche Bewegungsoptionen eröffnen sie? - Das ist die Kernfrage der eingehenden Bestandsaufnahme vor Ort, die die Bewegungsperspektive und die Raumperspektive zusammenführt. Die abgebildeten Kriterien sind hier die Grundlage.

Zur Bestandsanalyse gehört auch die Berücksichtigung der Sichtweisen, Erfahrungen und Wünsche der Menschen vor Ort: Wie und wo bewegen sie sich gerne, wo nicht? Was wünschen sie sich, um in Bewegung zu kommen?

Im Rahmen des Spiel- und Bewegungskonzeptes Innenstadt Burgdorf wurden drei Beteiligungsveranstaltungen mit unterschiedlichen Altersgruppen durchgeführt:

  • "Die Kinderbeteiligung" war als experimenteller Bewegungs- und Kreativworkshop angelegt: Durch das freie Spiel in einer "Bewegungslandschaft" in einer Turnhalle und die anschließende eigene Gestaltung solcher Spiellandschaften wurden Bedürfnisse, Wünsche und Ideen der Kinder in Burgdorf deutlich. Hoch im Kurs standen vor allem das risikoreiche Überwinden und Beklettern von Hindernissen, Balancieren und Schwingen, aber auch Möglichkeiten für Versteck und Rollenspiel.
  • Im Rahmen der Jugendbeteiligung fand ein Stadtspaziergang statt, um Orte in der Innenstadt aus ihrer Perspektive zu verstehen. Darüber hinaus wurden die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage der Mobilen Jugendhilfe Burgdorf herangezogen. Deutlich wurde: Die Jugendlichen fühlen sich in der Burgdorfer Innenstadt grundsätzlich wenig erwünscht. Sie vermissen einen Ort, der einerseits Rückzug bietet, an dem andererseits aber auch "was los" ist. Einen solchen zentralen Treffpunkt gibt es bisher nicht.
  • Ein Wahrnehmungs- und Kreativspaziergang (Audit) war als generationenübergreifende Veranstaltung angelegt. Der Workshop sollte den Raum öffnen für verschiedene Perspektiven und den Dialog zwischen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen ermöglichen. Kreativmethoden gaben Impulse, um den Blick für "versteckte" Bewegungsmöglichkeiten zu öffnen. Beispielsweise wurden ein Steinhaufen und eine kleine Mauer vorab mit Kreide markiert - und prompt von den teilnehmenden Kindern und Großeltern entdeckt und bespielt.


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Abb. 5: Zum Auftakt des Wahrnehmungsspaziergangs durch die Burgdorfer Innenstadt verorteten die Teilnehmenden ihre Erfahrungen und Meinungen in einer Übersichtskarte. Die Karte war Ausgangspunkt für eine erste gemeinsame Diskussion und den anschließenden Spaziergang. Foto: Hölscher
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Abb. 6: Einfache Markierungen auf den Findlingen einer ungeplant gewachsenen "Steinwäldchen-Insel" im Burgdorfer Stadtpark machen auf Spielmöglichkeiten aufmerksam und laden ein, hier zu spielen. Im Rahmen der Beteiligungsveranstaltung bemerkte eine Teilnehmerin: "Ach, hier hätte ich mich gefragt: Dürfen meine Kinder da überhaupt drin spielen? Hier steht ja kein Schild." – In einer Welt voller Verbote brauchen vor allem Erwachsene oft diese "offizielle Erlaubnis". Foto: Thies

Die drei Beteiligungsveranstaltungen haben wichtige Impulse und Ideen für die Konzeptentwicklung gegeben und die Perspektive der kleinen und großen Menschen in Burgdorf aufgezeigt. Nicht immer stimmen Meinungen und Wünsche überein: Einige bewegen sich besonders gern durch eine kleine, dicht begrünte Straße, andere finden sie "beengend" und "unangenehm". Dennoch haben sich in den Veranstaltungen am Ende eindeutige Lieblings-Plätze, Potenzial-Orte und konkrete Gestaltungsideen für mehr Spiel und Bewegung in der Burgdorfer Innenstadt herauskristallisiert, die neben der Bestandsaufnahme eine wichtige Grundlage für die weitere Konzeptentwicklung lieferten. Die Kernergebnisse:

  • Jugendliche finden bisher kaum Möglichkeiten und Orte in der Innenstadt, die sie als Treffpunkte und für Bewegung nutzen können. Mit der Jugendpflege der Stadt Burgdorf gibt es eine engagierte Institution mit gutem Kontakt zu den Jugendlichen vor Ort. Ideen und Umsetzung können so in die Stadtplanung einfließen.
  • Die Kinder wünschen sich Orte und Möglichkeiten zum abenteuerlichen und kreativen Entdecken ihrer Umgebung. Sie sehen überall Möglichkeiten zum Klettern, Hangeln, Balancieren. Ihr kreativer Spieltrieb muss auch in den Straßen und Freiräumen Berücksichtigung und Legitimation finden.
  • Es stellen sich Potenzial-Orte heraus, die "schön" sein könnten oder es einmal waren, aber noch nicht oder nicht mehr sind (die zentrale Grünfläche Bürgermeister-Schuster-Park und der Platz Am Brandende).
  • Viele Beteiligte wünschen sich eine Gestaltung mit Naturmaterialien.
  • Ein von allen Altersgruppen gern genutzter Wohlfühlort für Begegnung und Bewegung ist die zentrale Grünfläche in Burgdorf, der Stadtpark. Durch kleine Ergänzungen und Kennzeichnungen der hier vorhandenen "natürlichen" Strukturen könnte dieser Ort weiter aufgewertet werden.
  • Die Auto-Dominanz in der Burgdorfer Innenstadt wird von der Mehrheit der Beteiligten kritisiert. Verkehrsberuhigung und eine Reduzierung der Stellflächen werden als wesentliche Voraussetzungen für mehr Lebensqualität gesehen. Insbesondere die stark befahrene Haupteinkaufsstraße (Markstraße) und die fast ausschließliche Nutzung des Schützenplatzes als Parkfläche werden diskutiert.

Das Burgdorfer Konzept: Lust machen auf kreative Bewegung und Spiel in und mit der Umgebung

Vier Leitlinien bilden den Rahmen für das Burgdorfer Spiel- und Bewegungskonzept:

  • Augen öffnen für niedrigschwellige, bereits vorhandene Bewegungsmöglichkeiten. Es geht darum, Möglichkeiten (anders) zu sehen, zu provozieren und einzuladen, Ungewohntes auszuprobieren. Eine spielerische oder künstlerisch-gestaltete Kennzeichnung von Bewegungsmöglichkeiten (Poller zum Klettern, Slalomstrecke um Laternenpfähle) kann dabei helfen, die Augen zu öffnen und zu kreativer Bewegung inspirieren: "Ah, guck mal, hier können wir klettern". Eine solche Kennzeichnung macht es außerdem "normaler" sich zu bewegen und wirkt Verunsicherung entgegen.
  • Gestalten mit dem, was da ist: Materialien aufgreifen. Vorhandene "natürliche" Strukturen sind die maßgebliche Gestaltungslinie für die Installation weiterer Elemente. Vor allem in Grünanlagen lassen sich Spielelemente aus Naturmaterialien gut integrieren. So wird der gesamte Ort zu einer Bewegungslandschaft und Spielelemente sind Teil des Raumes statt Fremdkörper.
  • Bewegte Wege: Verbindungen zwischen Spielpunkten herstellen. Der Weg ist das Spiel. Wege durch die Innenstadt können mehr sein als nur die schnellstmögliche Überbrückung zwischen zwei Orten: Eine farbige Linie kann die Spielpunkte und Highlights der Innenstadt verbinden. So entsteht nicht nur ein Zusammenhang, sondern auch eine Attraktion in sich, die auch für das Stadtmarketing genutzt werden kann. Die zentrale "Einkaufsmeile" verbindet sich durch Bewegungsimpulse mit dem direkt danebenliegenden Stadtpark.
  • Punktuell spezifische und zielgruppenorientierte Bewegungsanlässe schaffen. Neben der bewegungsfreundlichen Gestaltung der Straßen- und Freiräume, können durch spezifische Bewegungsanlässe ergänzende Highlights geschaffen und bestimmte Zielgruppen angesprochen werden. Dazu zählen Anlagen wie ein Calisthenics-Park, aber auch kleine Bewegungsimpulse wie Baumelbänke, ein Streckstamm etc.
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Abb. 7: Zu den 32 vorgeschlagenen Maßnahmen des Burgdorfer Spiel- und Bewegungskonzepts zählen beispielsweise eine "Farbmeile" mit künstlerisch-gestalteten Markierungen auf Pflastersteinen und Pollern als kleine Bewegungsimpulse, ... Luftbild: Stadt Burgdorf, Plandarstellung: Mareike Thies
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Abb. 8: ... eine Bewegungslandschaft aus Naturmaterialien, eine "bewegte Bushaltestelle" und eine vielseitig nutzbare Freilufthalle. Plandarstellung: Mareike Thies

Insgesamt 32 konkrete Maßnahmen schlägt das Konzept vor, die auf diesen Leitlinien basieren. Sie sind fünf thematischen Aktionsfeldern zugeordnet (s. Abb. 7 und 8).

Die kleinen und umfangreicheren Maßnahmen sollen Impulse geben und Aufmerksamkeit erregen: Sie sollen bereits vorhandene Möglichkeiten im Freiraum sichtbar und zugänglich machen und dazu ermuntern, Ungewohntes zu probieren. Sie ergänzen sich gegenseitig und ergeben ein Gesamtangebot für verschiedene Zielgruppen. Gleichzeitig ist es möglich, einzelne Maßnahmen nach Priorisierung herauszugreifen und sukzessive umzusetzen. Auch räumlich lässt sich eine Verbindungslinie zwischen den vorgeschlagenen Aktionspunkten ziehen: ein "Burgdorfer Spiel- und Bewegungsband", das "Spielen am laufenden Band" ermöglicht.

Das Konzept wurde von den politischen Gremien in Burgdorf sehr positiv aufgenommen und soll nun sukzessive in die Umsetzung gehen. Voraussetzung dafür war, dass alle Maßnahmenvorschläge bereits vorab mit parallellaufenden Planungen und Konzepten für das Innenstadtgebiet abgestimmt wurden. Dazu zählen unter anderem ein Mobilitätskonzept, ein Verkehrskonzept Schülerverkehr und Schulwegplanung und die Einbettung in den Städtebaulichen Rahmenplan, sowie ein bereits beschlossenes Konzept zur Einrichtung von "Ruhezonen" in der Innenstadt.

Mit Bewegung gestalten - mehr als ein "buntes Extra"

Grundlegend für das Burgdorfer Konzept ist der Gedanke: Bewegung schafft Lebensqualität. Überall in der Innenstadt entstehen bewegungsfördernde Impulse, die die vorhandenen Strukturen und Eigenarten des dicht bewohnten Zentrums aufgreifen und bespielbar machen. Eingebettet in den städtebaulichen Rahmenplan, der die Klimaveränderungen in den Fokus nimmt, wird Burgdorf zu einer am Menschen ausgerichteten Stadt mit Straßen und Plätzen zum Verweilen, für Begegnung und Interaktion. Das bedeutet auch die Anpassung der Verkehrsinfrastruktur mit Verzicht auf Pkw-Stellflächen und Regulierung des Autoverkehrs.

Bewegungsfreundliche Stadtgestaltung bringt Herausforderungen mit sich. Diese müssen der Barrierefreiheit nicht entgegenstehen, sondern können sie vielmehr integrieren. Wir brauchen Mut und Vertrauen in die körperlichen Fähigkeiten und Freiraum für echte Interaktion und Entfaltung. Eine Stadt, die diesen Perspektivwechsel in den Fokus nimmt, wird davon insgesamt - auch wirtschaftlich - profitieren.

Bewegung in der Stadt ist ein Querschnittsthema. Die ressortübergreifende Zusammenarbeit innerhalb der Verwaltung, die Einbeziehung der Institutionen, Verbände und der Menschen in der Stadt sind deshalb eine wesentliche Gelingensbedingung.

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Abb. 9: Bunte Kletterpoller als Teil einer "bewegenden Farbmeile": Durch auffordernde bunte Bemalung werden aus "Verhinderungspollern" Springsteine, Sitzgelegenheiten oder Kletterelemente. (Maßnahmenvorschlag im Aktionsfeld 1 WALK & PLAY). Foto und Montage: Thies
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Abb. 10: Ein ebenerdiges Wasserspiel anstelle des alten, trockengelegten Brunnens kann auf dem Platz Am Brandende ein belebendes Element schaffen. Über eine Wipp-Saug-Pumpe muss das Wasser selbst gepumpt und in Bewegung gebracht werden. Damit entsteht eine attraktive Spielmöglichkeit mit und ein Treffpunkt am Wasser. (Maßnahmenvorschlag im Aktionsfeld 3 – FLOW & MEET) Foto: Hölscher, Montage: Thies
Literatur
  • BMI Bundesministerium des Inneren und für Heimat & BMG Bundesministerium für Gesundheit (2022): Gipfelerklärung zum Bewegungsgipfel des Bundes, der Länder, der Kommunen und des organisierten Sports "Bewegung und Sport für Alle" vom 13.12.2022.
  • Hink, Michael; Schäfer, Norbert; Schelhorn, Dirk; Ukas, Elke (2019): Allez. Bewegung und Begegnung. Planen im öffentlichen Raum, Münster.
  • Hölscher, Ariane; Oppermann, Bettina (Prof. Dr.), Thies, Mareike (2018): Bewegung wirkt. In: Stadt+Grün Heft 10/2018, S. 13-17. Patzer-Verlag.
  • Landeshauptstadt Stuttgart, Amt für Stadtplanung und Wohnen & Amt für Sport und Bewegung (Hrsg.) (2021): Masterplan für Urbane Bewegungsräume. Stuttgart.
  • Meyer, Bernhard (2009): Die bespielbare Stadt. Die Rückeroberung des öffentlichen Raumes (Berichte aus der Pädagogik). Shaker Verlag, 1. Edition.
Dipl.-Des. Ariane Hölscher
Autorin

Designerin und Bewegungspädagogin

Kreativität in Bewegung
Dipl.-Ing. Mareike Thies
Autorin

Freiraumplanerin und Bewegungstrainerin

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