Ein Beitrag zur nachhaltigen Stadtplanung

Bewegung und Gesundheit in der Freiraumplanung

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Bewegen, Zuschauen, Nach- und Mitmachen – Calisthenics und Parcours integriert im Stadtraum. Foto: Gerlinde Trinkhaus

Als Teil der Gesundheitsvorsorge sind Angebote zur Bewegungsförderung und für Sport heute selbstverständlicher Baustein der Kommunalpolitik. Sportvereinsförderung sowie Bau, Sanierung und Unterhaltung von Sportplätzen und Sporthallen machen einen nicht unerheblichen Teil der kommunalen Haushalte aus. Viele Städte haben Sportentwicklungskonzepte, die die Angebote, Bedarfe und Zielsetzungen zur Förderung von Sport in einen gesamtstädtischen Rahmen fassen. Oft werden vor allem nur quantitative Größen und grundsätzliche Versorgungsfunktionen erfasst oder Vorgaben für die Pflege der Sportanlagen gemacht. Der vertiefte Blick auf kommunale Sport- und Bewegungsangebote zeigt zudem, dass ein großer Teil ausschließlich vereinsbezogen ist und auf in der Regel nicht öffentlich zugänglichen Flächen stattfindet. Hier wird der Sport gefördert, die Förderung der Alltagsbewegung bleibt die Ausnahme.

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Luft anhalten und wegsehen – Bewegungserfahrung auf dem Schulweg. Foto: Dirk Schelhorn
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Der Schwebebalken – Bewegungsanreiz, Gleichgewichtssinn fördern, Gemeinschaftsgefühl stärken. Foto: Dirk Schelhorn

Parallel zu diesen normierten Sport- und Bewegungsangeboten finden immer mehr sport- und bewegungsorientierte Aktivitäten außerhalb von Vereinen und deren Freiflächen statt. Auf diesen gesellschaftlichen Wandel einerseits und auf die Tatsache, dass immer mehr Menschen unter ungesunden Rahmenbedingungen leben, beginnt Stadt- und Freiraumplanung zu reagieren, beispielsweise mit frei zugänglichen Bolzplätzen, Skateparks oder speziell ausgewiesenen Laufstrecken. Ergänzend erleben wir eine zunehmende Möblierung des öffentlichen Raumes mit sogenannten Fitnessgeräten. Die deutsche Nomenklatur spricht von Spielplätzen für Erwachsene oder von Generationenplätzen. Das ist sachlich zu hinterfragen. Die alltäglichen Spielplätze und -räume, in denen Kinder in geschütztem Rahmen spielen dürfen, sind von je her Bewegungsräume und tragen erheblich dazu bei, Kinder mit gesunden Lebensräumen zu versorgen. Gleichwohl handelt es sich auch hier um vom öffentlichen Stadtraum abgetrennte Räume mit Zugangsbeschränkungen für die Nutzung, was Zeiten und das Alter angeht.

Die oben beschriebene bewegungsfördernde Freiraumplanung richtet zurzeit noch einen starken Fokus auf Grünanlagen, weniger auf eine stringente Gesamtplanung im Rahmen von Stadtentwicklung. Gerade deswegen will dieser Beitrag den Rahmen von bewegungsfördernder Freiraumplanung weiter spannen. Jenseits der Ausweisung von Spezialflächen, sei es nun für Vereine oder für freie Angebote, offenbart sich beim Thema Bewegungsförderung immer stärker der gesundheitliche Aspekt. Unser tendenziell bewegungsarmer Lebensstil, verbunden mit einer stark kohlenhydrat- und fettreichen Ernährung, und die nach wie vor auf das Auto ausgerichtete Fortbewegung, hat mittlerweile drastische gesundheitliche Auswirkungen, unabhängig von Altersgruppen.

Bereits heute sind viele Kinder in ihrem Bewegungsvermögen stark eingeschränkt bis adipös, was sich im Erwachsenenalter fortsetzt. Gleichzeitig sind die städtebaulichen Rahmenbedingungen grundsätzlich und auch speziell für alte und hochbetagte Menschen oft sehr ungünstig. Angebote mit sogenannten Seniorenfitnessgeräten täuschen darüber hinweg, dass der Stadtraum für Senioren im Ganzen voller Barrieren und damit lebensfeindlich ist. Durch das Zusammenwirken von ungünstigen städtebaulichen Faktoren, wie zum Beispiel gesundheitsferne Wohnquartiere, mangelhafte Fußwegesysteme, ungesunde Lebensstile und die starke Fokussierung auf die Fortbewegung mit dem Kfz - in Bezug auf Kinder seien hier beispielhaft die Elterntaxis genannt - entstehen volkswirtschaftlich immense Kosten, gleichzeitig haben die Entwicklungen auch Auswirkungen auf das soziale Gefüge.

Deshalb stellt sich die Frage, wie Sport und Bewegung stärker als bisher in den Lebensalltag integriert werden können. Neben frei verfügbaren Außenräumen wie oben beschrieben geht es hierbei grundsätzlich um die Schaffung einer bewegungsfördernden Stadtstruktur und die konkrete Stadtraumgestaltung, die zur Bewegung animieren kann.

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Baumelnd verweilen – Sitzhöhe mal anders. Foto: Dirk Schelhorn
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Bewegend verweilen – Drehpoller. Foto: Katrin Korth

Sport- und Bewegungsförderung als Teil der Stadtplanung

Bewegung und Bewegungserfahrung umfassen mehr als Sport im Sinne körperlicher Fitness und Ertüchtigung oder wettbewerblichen Kräftemessens. Zunächst geht es hierbei um die Fähigkeit, Lage und Bewegungsrichtung von Körperteilen zueinander und in Bezug auf die Umwelt zu steuern und zu kontrollieren. Das damit verbundene Bewegungsgefühl setzt unterschiedliche Emotionen frei: Freude, Aufregung, Unbehagen oder auch Angst, wobei meistens die positiven Emotionen überwiegen. Alle Menschen haben einen angeborenen Bewegungs- und Entdeckungsdrang, doch bei vielen Menschen verkümmert die angeborene Lust, sich ganzheitlich zu entfalten.

Die negative Auswirkung dieser Entwicklung ist immens, denn Bewegung ist die Basis der Persönlichkeitsentfaltung. Menschen benötigen eine vielseitige, an ihren Bedürfnissen orientierte Gestaltung, eine Umwelt, die sie auffordert und in der sie spontan in einen Bezug treten, daraus neue Erfahrungen gewinnen und sich wiederum Anreize verschaffen können. Eine entsprechend gestaltete Umwelt, die besondere Anreize für körperliche Bewegung bietet, fördert die Bewegungserfahrung jedes einzelnen Menschen und auch die Interaktion zwischen Menschen. Bewegung und Bewegungsfähigkeit sind damit einerseits Teil der Gesundheitsvorsorge und Gesundheitsförderung, aber auch Voraussetzung für die Teilhabe von Menschen am gesellschaftlichen und sozialen Leben und schließlich notwendig für die eigene gesundheitsförderliche Entwicklung. Im stadtplanerischen Kontext bedeutet dies: Bewegung nur auf spezielle Angebote oder Flächen in der Stadt zu begrenzen oder allein auf sportliche Aspekte zu reduzieren, wird ihrer Bedeutung für den einzelnen Menschen und das Zusammenleben in der Stadt nicht gerecht.

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Wasser in der Stadt – Wassererleben, Bewegungsanreiz, emotionale Aneignung. Foto: Katrin Korth
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Treppe als Bewegungs- und Verweilobjekt auf einer Alla hopp!-Anlage. Foto: Dirk Schelhorn

In der Stadtplanung wird das Thema Bewegung meist im Zusammenhang mit der grundsätzlichen Lebensqualität von Städten diskutiert. Lebensqualität einer Stadt wird demnach wesentlich durch ihre Qualität für zu Fuß Gehende und Radfahrende bestimmt. Entsprechend ist eine nachhaltige, menschenfreundliche und gesunde Stadt eine Stadt mit attraktiv gestalteten, öffentlichen Räumen. Sie ist eine kompakte Stadt, die Menschen dazu anregt, gerne zu Fuß zugehen. In diesem Zusammenhang sei fest gestellt, dass das Fußwegesystem unabhängig vom Kfz-Verkehr gerade für Kinder wesentliche Aufenthaltsflächen darstellt. Eine Stadt mit einem gut ausgebauten Fahrradwegenetz und sinnvoll vertakteten ÖPNV reduziert zudem die Abhängigkeit vom Pkw. Die nachhaltige, menschenfreundliche und gesunde Stadt ist auch eine Stadt mit ausreichend wohnortnahen Parkanlagen und bepflanzten Flächen - kurzum, ist sie eine Stadt, die den Menschen als Fußgänger in den Mittelpunkt stellt.

Die Fokussierung der bewegungsfördernden Stadt auf den Fuß- und Radverkehr ist wichtig. Flächenmäßig und energetisch sind Rad- und Fußverkehr die effizienteste Verkehrsart, gleichzeitig dient das mit ihnen verbundene Mehr an Bewegung automatisch auch der Gesundheitsförderung.

Gleichwohl geht es bei der Förderung von Rad- und Fußverkehr nicht allein um die Breite von Geh- und Fahrradwegen oder ausreichend Fahrradparkplätze. Damit das zu Fuß gehen gefördert wird, braucht es attraktiv gestaltete öffentliche Räume. Hier geht es insbesondere darum, Anreize und Angebote für die Menschen zu schaffen, sich freiwillig und über das zwingend notwendige Maß hinaus in der Stadt zu bewegen. Es geht um die kleinen oder auch größeren Umwege, die beim Gang durch die Stadt bewusst und gern in Kauf genommen werden, weil sich entlang des Weges Besonderheiten entdecken lassen. Solche Besonderheiten sind auch die sogenannten multifunktionalen Bewegungsverführer, die in die Raumgestaltung, in die Wege- und Platzbeziehungen integriert sind. Ob Baumelbänke oder neuartige Schaukelsitzer als Alternative zu den klassischen Stadtmöbeln, oder Trampoline an Bushaltestellen, es geht um die Attraktivität der Wege und der Bauwerke im Stadtraum im Alltag, sowie um die einzigartigen Erfahrungen, die Menschen dort durch die Begegnung mit anderen Menschen machen können.

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Laufstrecke durch die Stadt, den Park mit der Alla hopp!-Anlage kreuzend. Foto: Dirk Schelhorn
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Turnen und Klettern für jede(n) – Mikadowald auf einer Alla hopp!-Anlage. Foto: Dirk Schelhorn

Beispiele für bewegungsfördernde Stadtraumgestaltung

Freiraumplanung kann und muss dazu beitragen, dass sich alle Menschen gern zu Fuß und mit dem Rad in ihrer Stadt bewegen, also müssen motivierende Räume geschaffen werden.

Gesundheitsfördernde Stadträume leben durch das Zusammenwirken von vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten und überlagerten Funktionen. Vier- oder achtspurige Autotrassen und monofunktionale Parkplatzflächen für Kfz dienen vielleicht der schnellen und reibungslosen Abwicklung des Verkehrs, sind aber in den seltensten Fällen menschenfreundlich. Entlang solcher Straßen und Plätze ist es laut und unwirtlich, für Fußgänger wie für Radfahrer sind sie Angsträume. Statt ausreichend Parkplätze nur für Pkw werden Parkplätze für Fußgänger benötigt - Plätze mit Aufenthaltsqualität und Bewegungsanreizen. Die gut gemeinte, nicht störende Monofunktionalisierung von Bolzplätzen, Skateparks und sonstigen Spezialisierungen sind kein Ersatz für den generationsübergreifenden Bewegungsspaß im Alltag.

Entsprechend sollte sich bewegungsfördernde Freiraumplanung auf einer grundsätzlichen Ebene dem Prinzip des Zusammenspiels von unterschiedlicher Funktionen und Nutzungen widmen und das Prinzip geteilter Räume verfolgen. Bewegungsfördernde Gestaltungen und Nutzungsangebote erfordern neben generationsübergreifenden Überlegungen eine gewisse Barrierearmut, jedoch darf die Welt auch nicht überall geglättet und in diesem Sinne steril sein. Sind für Kinder schon Pfützen auf der Straße und Löcher im Zaun wesentliche Anreize zur Stadterkundung, benötigen auch alle anderen Altersgruppen Anreize zum ganzheitlichen Trainieren des ganzen Menschen. So können kalkulierbare Wellen im Weg sogar wesentliche Trainingsanreize für Menschen mit Rollator sein.

Es braucht also im Stadtraum Anreize, die zur Bewegung animieren und positive Bewegungserfahrungen vermitteln. Es geht um Bewegungsangebote, die dazu anregen sich selbst zu bewegen oder auch solche Orte aufzusuchen, um an der Bewegung anderer Menschen teilzuhaben. Das sind eben genau nicht Wippelemente für Kleinkinder als vermeintlich gut gemeintes Bewegungs- und Spielangebot. Bewegungs- und Sportangebote brauchen ihren Platz inmitten der Stadt, zentral und gut sichtbar. Calisthenics und Parcours-Anreize in die Raumgestaltung integriert und nicht als Sonderfall sind Beispiele für solche Angebote und für eine größtmögliche Wirkung brauchen sie Zentralität.

Eine weitere Möglichkeit besteht in der Umwidmung des üblichen Stadtmobiliars. Beispielsweise müssen Poller nicht nur Elemente der Abtrennung von Verkehrsräumen sein, sie können auch Sitz- und Drehpoller sein und so zum multifunktionalen Stadtraumelement werden. Viele Möglichkeiten bieten Bänke. Bänke als Sitzmöbel sind heute meistens durchgestylte, oftmals wenig funktionale, viel zu niedrige und zudem in ihrer Gleichförmigkeit oft langweilige Stadtmöbel. Unterschiedliche Sitzhöhen, Schaukelstühle, Drehsitze und Sitzlandschaften schaffen nicht nur Abwechslung, sondern können auch Bewegungsanreize bieten.

Warum wird die Fußgängerzone nicht zur Balancierwelt? Ein dem Wegeverlauf begleitender 30 Meter langer Balancier-, Sitz-, Verweilbalken fördert im Verhalten der Menschen Überraschendes, Soziales und Generationsübergreifendes zu Tage. Vielleicht sogar Unverständnis - der Ewignörgler trifft auf den unkomplizierten, freudigen und spontanen Menschen. Es entstehen soziale Bewegungen! Gestaltungen mit Wasser in der Stadt zeigen schon jetzt vielfältige Anreize für Bewegungserfahrung. In einem Netz über die Stadt verteilt und durch sichere, attraktive Wege verbunden, wird durch die beschriebenen Angebote so auch Bewegung gefördert.

Bewegungsfördernde Freiraumgestaltung - Das Konzept alla hopp!

Ein weiteres Beispiel für bewegungsfördernde Freiraumgestaltung sind die Alla hopp! Anlagen. Maßgeblich gefördert durch die Dietmar Hopp Stiftung, entstanden seit 2014 in der Metropolregion Rhein-Neckar mehrere Bewegungsräume für alle Generationen. Unterschiedlich große, teilweise neue Anlagen von 5000 bis 20.000 Quadratmeter verbinden landschaftlich unterschiedliche modulhafte Bausteine für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Neben typischen, wiederkehrenden Bausteinen zeichnet sich jede Anlage durch spezielle, einzigartige Elemente aus.

127 Kommunen haben sich für eine Förderung beworben, 19 Städte und Gemeinden erhielten den Zuschlag und haben die Chance genutzt, vorhandene, wohnortnahe Grünräume als Begegnungsräume aufzuwerten oder neue Parkanlagen als Bewegungs- und Begegnungsräume zu realisieren. Die Alla hopp! Anlagen sind keine klassischen Spielplätze und auch keine Sportplätze; sie sind multifunktionale, frei zugängliche und generationenübergreifende Bewegungs- und Begegnungsräume. Das grundsätzliche Ziel aller Anlagen lässt sich unter dem Motto zusammenfassen: Bewegung macht Spaß - Bewegung fördern - Begegnung ermöglichen - Gesundheit schützen.

Fazit

Bewegungsfördernde Stadt- und Freiraumplanung erfordert über das bisherige Maß hinaus eine Neubewertung des Themas Sport und Gesundheit. Bewegungsfördernde Freiraumplanung braucht integrierte und vernetzte Ansätze, darf sich nicht auf separierte Einzelflächen beschränken und muss den gesamten Stadtraum berücksichtigen. Dabei ist das Ziel nicht, den Stadtraum mit Sportgeräten zu möblieren, sondern Anreize und Angebote zu schaffen, die Lust auf Bewegung machen.y

Dr.-Ing. Katrin Korth
Autorin

Freiraum- und Verkehrsplanerin

KORTH StadtRaumStrategien
Autor

Landschaftsarchitekt

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