Fachtagung

Blick zurück nach vorn: Gartenkultur neu gedacht

Am 4. und 5. Juni 2019 fand in Hanau eine Fachtagung der Verwaltung Staatlichen Schlösser und Gärten in Hessen zusammen mit der Brüder-Grimm-Stadt Hanau, der KulturRegion FrankfurtRheinMain, der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur (DGGL) und dem European Garden Heritage Network (EGHN) statt.

Der Staatspark in Hanau Wilhelmsbad ist einer der ältesten Landschaftsgärten Deutschlands. Erbprinz Wilhelm von Hessen-Kassel baute sich zwischen 1777 und 1785 seinen Rückzugsort für den Sommer in einer luxuriös ausgestatteten Parkruine. Auf kleinstem Raum wurden in den letzten Jahren gartenkünstlerische Preziosen und Stimmungen in der Anlage herausgearbeitet. Um den Brunnen herum sollte ein mondänes Bad entstehen. Ein Parkweg umfasst den Garten in bewegtem Gelände. Rousseau-Insel und Schneckenberg sind typische Merkmale des Gartens und seiner Entstehungszeit. Seit drei Jahren funktioniert das alte Karussell wieder, weil Bürgerinnen und Bürger in einem Verein dafür gespendet haben.

In den Vorträgen zur Tagung schauten Gartendenkmalpflegerinnen und Landschaftsarchitekten vom liebevoll gepflegten singulären Ort über den Tellerrand in die Zukunft und in die weite Welt. Das nähere Umfeld mit Frankfurt als zentraler Metropole, aber auch die umgebende Landschaft und die umliegenden Orte im Taunus und im Rhein/Main-Gebiet - Bad Homburg, Darmstadt und der Rheingau - waren Gegenstand der Reflexionen. Dabei wurde deutlich, dass historische Gärten und Parkanlagen immer ein lohnender Anknüpfungspunkt sind, um sich seiner Heimat zu vergewissern. Erst im Zusammenwirken prägen die Schlösser und Burgen, die Patrizierhäuser und Villengärten, die Promenaden und Blicke wie auch die modernen Parks und Initiativen die Gartenkultur von heute. Unterscheidet sich der alte Reiseführer durch den Rheingau, die "Riviera am Main, also vielleicht gar nicht so sehr von der App zum Veranstaltungsprogramm der Gartenregion RheinMain?

Die Anlagen müssen erforscht, saniert und gepflegt werden, ohne eine Käseglocke über sie zu stülpen. Und die Herausforderungen wandeln sich: Veranstaltungen und Marketing dienen dazu, die Denkmäler bekannt zu machen und sie den Menschen in ihrer spezifischen Nutzbarkeit und Empfindlichkeit zu erklären. Denn es gibt zahlreiche Bedrohungen, durch Klimaänderungen, Baubegehrlichkeiten und Überlastungen bei Events aller Art. In Frankfurt wird zum Beispiel ein Drittel des Pflegeetats für Freiräume für die Beseitigung von Müll ausgegeben, während gleichzeitig die Nutzungsansprüche der Menschen an die Parkanlagen stetig steigen.

Bei unserem modern-mobilen Lebensstil funktioniert Freiraumversorgung ohne eine regionale Zusammenarbeit nicht mehr. "Freiraum" wird deshalb regional gedacht und umfasst nicht nur gestaltete Anlagen, sondern auch die Landschaft, in der Rad gefahren und Kunst und Kultur genossen wird. Zum Management dieser Freiraumsysteme gehört heute selbstverständlich eine Kommunikationsabteilung, die Feste organisiert, die Bilder in den Presseumlauf bringt, die Bücher, Karten und Apps veröffentlicht, und so Lust auf Ausflüge und Veranstaltungen macht. Kommunalverbände und Regionen sind Dachorganisationen geworden, die immer neue Highlights suchen und thematisch bündeln, nicht zuletzt um eine Verbreiterung des Angebots und eine Entlastung einiger weniger Hotspots zu erreichen.

Fördermittel geben einzelnen Menschen und Organisationen weitere Anreize, aktiv zu werden. Urban Gardening, Kunst im Forst, Arbeitseinsätze im Park um die Ecke - all das wird gefördert und in Form von Preisen in Wettbewerben wertgeschätzt. Gartenkultur ist eine lohnende Anstrengung für Gartenbesitzer, Gartennutzer, Bürgerinitiativen und öffentliche Institutionen geworden. Preise und Anerkennungen lassen sich bestens für Mitgliederwerbung und die Außendarstellung nutzen.

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Während lokale und regionale Initiativen gut funktionieren, scheint es bisher noch schwierig zu sein, Menschen im überörtlichen Kontext für die Gartenkunst und -kultur zu bewegen. Vielleicht sind wir überfordert, Gartenkultur im Verlauf der gesamten Geschichte der Gartenkunst und im europäischen oder sogar globalen Maßstab zu betrachten? Der Naturschutz hat es mit Roten Listen und standardisierten Schutzkategorien geschafft, sich bürgernah und global zu vernetzen, obwohl ja auch hier jedes Schutzgebiet einzigartig ist. Für die wertvollen Gebiete wurden wirkmächtige Schutzinstrumente geschaffen, außerhalb werden Qualitäten eher preisgegeben.

Dicht bebaute Megastädte in Asien und China brauchen Fürsprecher für benutzbare, robuste Grünflächen. Einfache, leicht multiplizierbare Ideen werden in der internationalisierten Gartenkultur aufgegriffen und verbreitet. Urbane Gärten verbreiten sich zum Beispiel wie Ausläufer im Garten. Es besteht aber eine Gefahr, den netten Gärtner- und Gartenbildern ohne Anschauung vor Ort auf den Leim zu gehen.

Trends zu beobachten und daraufhin zu prüfen, ob sie auch wirklich taugen und angemessen sind, ist auch Sache der Fachleute. So viele Bäume wie möglich zu pflanzen gehört zur Idee der "biophilen Stadt", die nur durch kühlende, klimastabilisierende Strukturen überleben kann. Das Repertoire unserer Stadtbäume wird sich zwangsläufig wandeln. Die Verwendung von Pflanzen folgt zunehmend einer Standardisierung durch vorgefertigte Mischungen, bis der Trend kippt und sich ein neuer durchsetzen kann. Pflanzenkennerinnen und -kenner haben eine verantwortungsvolle Aufgabe, ihren Baustoff intelligent zu nutzen. Das Wissen um Orte, Pflanzen und Symbole ist nicht fix, es muss für landschaftsarchitektonische Aufgaben immer wieder neu und für den "genius loci" interpretiert werden.

Historische und aktuelle Kulturlandschaften und Gartenkunstwerke sind gefährdete Kulturträger und nicht nur Staffage für Festkonsum und Tourismuswerbung. Ihre dauerhafte Erhaltung ist nicht ohne Fachkenntnisse oder ohne Debatten zu haben. Denn auch das steckt im Begriff der Kultur: Das Urbarmachen von Land, also der Wille zur Gestaltung, die Pflege des Überkommenen und Wertgeschätzten, freilich mit einer Anpassung an berechtigte Erfordernisse und Bedürfnisse und last but not least das Hinterfragen von Wissen. Gefragt ist kritisches Nachdenken mit einem Blick nach vorn und zurück, der sich nicht so leicht von Moden und falschen Freunden täuschen lässt.

Prof. Dr. Bettina Oppermann

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