Martin Baumann und Steffen Raßloff (Hg.)

Blumenstadt Erfurt Waid - Gartenbau - iga/egapark

Bücher Gartendenkmäler

400 S., 270 Abb., Hardcover, Sutton Verlag Erfurt, 2011, 19,95 Euro, ISBN 978-3- 86680-812-6.

Blumenstadt Erfurt! Die heutige Landeshauptstadt des Freistaates Thüringen trägt diesen klangvollen Ehrententitel bereits seit dem 19. Jahrhundert. Im vorliegenden, umfangreichen und reich bebilderten Sammelband werden in zahlreichen, fachlich fundierten Einzelaufsätzen die Ursprünge und die verschiedenen Aspekte beleuchtet, die dazu führten, dass Erfurt als "Blumenstadt" bezeichnet wurde und diesem Namen, trotz zeitweise schwieriger äußerer Bedingungen, bis heute immer wieder gerecht wird.

Nach dem einführenden Kapitel von Steffen Raßloff beschreibt Stephan Selzer die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Waidstädte Erfurt und Toulouse im Spätmittelalter. Ein kurzer Beitrag von Thomas Nitz widmet sich den Gärten und Gärtnern im mittelalterlichen Erfurt. Nach dem Niedergang des Waidanbaues und Waidhandels im 17. Jahrhundert konnte im 18. Jahrhundert der Erfurter Erwerbsgartenbau diese Lücke wieder schließen. Mit der wohl bedeutendsten Persönlichkeit in diesem Zusammenhang, dem Mitbegründer des wissenschaftlichen Gartenbaues und Erfurter Bürger - Christian Reichart - setzen sich Eberhard Czekalla und Reiner Prass auseinander. Ausführlich werden die Verdienste Reicharts sowohl für den Erfurter Erwerbsgartenbau als auch auf gartenbautheoretisch-wissenschaftlichem Gebiet herausgestellt. Da Reicharts Ausführungen zur Bodenbearbeitung, Düngung, Bewässerung, Züchtung bereits in der Sekundärliteratur gewürdigt worden sind, weisen die Autoren insbesondere auf dessen Definitionen zu Garten, Gartenbau und Gärtner sowie seine Ansichten zur sozialen Stellung der Gärtner hin.

Mit dem Beitrag von Ilsabe Schalldach zur 325-jährigen Geschichte der weitverzweigten Gärtnerfamilie Haage beginnt die Reihe der Aufsätze zu bedeutenden Erfurter Gartenbaubetrieben. Joachim Schaier skizziert die Firmengeschichte von J.C. Schmidt, Eberhard Czekalla den Werdegang der Firmen Ernst Benary und F.C. Heinemann sowie Wolf-Dieter Blüthner die Firma Chrestensen. Diese fünf Firmenporträts zeigen, stellvertretend für die ehemals rund 20 wichtigsten Gartenbaubetriebe, einerseits die (ehemalige) große internationale wirtschaftliche Bedeutung des Erfurter Gartenbaues und andererseits, wie eng gärtnerisch-unternehmerisches Handeln von den politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingen abhängig ist.

Eng mit der wirtschaftlichen Bedeutung des Gartenbaues und dem daraus resultierenden Repräsentationswillen der Fachvereinigungen verbunden waren die seit den 1830er Jahren regelmäßig stattfindenden Gartenschauen, die beispielhaft von Jürgen Zerull dargestellt werden. Rüdiger Paul Kirsten schildert die Entwicklung des öffentlichen Erfurter Stadtgrüns im engen Zusammenhang mit der gartenbaulichen Tradition der Stadt. Der Aufschwung der gärtnerischen Aus-, Fort- und Weiterbildung in Erfurt von den schwierigen Anfängen im 19. Jahrhundert bis hin zur heutigen Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau (LVG) und zur Fakultät Landschaftsarchitektur, Gartenbau und Forst der FH Erfurt wird von Eberhard Czekalla skizziert.

Um 2011 dem 50. Jubiläum der iga'61 gerecht zu werden, widmen sich die abschließenden Kapitel des Buches, dem Gelände der Internationalen Gartenbauausstellung iga des Jahres 1961, dem heutigen egapark. Susanne Karn beschäftigt sich mit der Vorgeschichte der iga'61, insbesondere der Ausstellung "Erfurt blüht" im Jahr 1950. Martin Baumann stellt die historische Entwicklung und die heutige, herausragende Bedeutung der Internationalen Gartenbauausstellung iga'61 als Gartendenkmal dar. Er bezeichnet die Anlage als "opus magnum der Gartenarchitektur der DDR" und würdigt die Ausstellung als eines der "wenigen Zeugnisse der Gartenarchitektur der 1960er Jahre in Deutschland, das noch soweit in seinen Grundzügen erhalten geblieben ist." Zahlreiche Abbildungen, Pläne und Skizzen lassen daran keinen Zweifel aufkommen und machen Lust auf einen Besuch. Mit der Rolle der iga'61 im Systemvergleich zwischen Ost und West beschäftigt sich Kristina Vagt. Einen Beitrag zur Professionsgeschichte liefert Rüdiger Paul Kirsten, der den Werdegang des Landschaftsarchitekten Reinhold Lingner, dessen Meisterwerk die iga Erfurt ist, würdigt. Harald Bischoff zeigt in seinem Aufsatz zur Geschichte des Deutschen Gartenbaumuseums, wie die 1961 gegründete Einrichtung nach 1990 erfolgreich modernisiert werden konnte. Der Band schließt mit einem Plädoyer von Andrea Hildebrand für den Erhalt der Denkmalsubstanz der iga´61 im heutigen egapark Erfurt.

Das dem Schlusskapitel vorangestellte Zitat von Wilhelm von Humboldt: "Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft" könnte das Motto der gesamten Publikation sein. Das Buch sei deshalb dringend jedem empfohlen, der sich für die Geschichte des Gartenbaues in Deutschland und dessen vielfältige Wechselbeziehungen zu städtebaulichen, landschaftsarchitektonischen und sozialen Fragen interessiert. Die durchweg hervorragende Quellenarbeit ermöglicht darüber hinaus jedem wissenschaftlich an diesem Themenkomplex Interessierten einen schnellen Einstieg in noch tiefgründigere Forschungsarbeit.

Daniel Rimbach

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