Förderung der Obstbaumkultur im 19. Jahrhundert

Das beste und schönste Obst verbreiten

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Obst Baumschulen
1) Mindestens 68 Apfelsorten gab es in der Obstbaumschule Kraft. Foto: Christian Hlavac

Eine Nussbaumschule zur Fertigung von Gewehrschäften. So oder mit den Worten von der Verbreitung der Obstkultur in der Habsburger-Monarchie könnte man die Geschichte einer ehemaligen Obst- beziehungsweise Nussbaumschule in der Nähe von Wien einleiten. Diese "Doppelbaumschule" existierte von Ende des 18. Jahrhunderts über mehrere Jahrzehnte am Rande der Stadt direkt beim damaligen äußeren Befestigungsring, dem Linienwall. Beide Unternehmungen stehen im Zusammenhang mit der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfolgten "staatlichen" Förderung von Obstbaumkulturen.

Private Baumschule des Johann Kraft

Unter der Regierung von Kaiser Joseph II. erfolgte um 1780 die Genehmigung für eine privat geführte Obstbaumschule (Abb. 2), welche der 1736 geborene Johann Kraft in Währing beziehungsweise Weinhaus (beide Orte sind heute Teil des 18. Wiener Gemeindebezirks) bis zu seinem Tod betrieb. Er inserierte im April 1789 in der Wiener Zeitung, um auf seine Baumschule hinzuweisen. Er schreibt von "ausländischen, meistens nordamerikanischen seltenen Bäumen und Sträuchern, welche bey mir Johann Kraft zu finden sind. Auch sind mehr denn 10.000 Stück wälsche Pappeln [Säulenpappeln] von 6 bis 12 Fuß hoch, und eben so viele junge weisse Maulbeerbaumpflanzen bey mir um billige Preise zu haben. […] Pflanzen, welche itzt schon den dritten, und sogar den heurigen so rauhen Winter ganz unbeschädigt im Freyen ausgehalten haben, und übrigens von dem schönsten Wuchse sind, empfehlen sich Liebhabern und Kennern der Gartenkunst von selbsten. […] auch wird meine ohnehin bekannte k. k. privilegirte Obstbaumschule durch meine neue ansehnliche Anlage […] mich im Stande setzen, jede Nachfrage jedes Liebhabers auf das vollkommste und mit hier noch nie gefundenen Obstbaumgattungen zu begnügen."

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Obst Baumschulen
2) Das Währinger Baumschulareal (markiert) im sogenannten Franziszeischen Kataster (1819). Abb.: Wiener Stadt- und Landesarchiv (verändert durch Christian Hlavac)
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3) Cover des "Verzeichniß der […] Gattungen von Obstbäumen, welche in dem großen Baumschulgarten des Johannes Kraft in Weinhaus […] gezogen werden", 1786. Repro: Christian Hlavac
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4) Bildtafel "Die königliche Somerbirn" und "Blutbirn". Aus "Abhandlung von den Obstbäumen" von Johann Kraft, erster Teil, 1792. Repro: Christian Hlavac

Zwei Jahre nach der ersten nachweisbaren Werbeschaltung inserierte Johann Kraft wieder in der Wiener Zeitung: "Vom Frühjahre bis zum Winter steht es täglich, von Früh bis Abends jedem Gartenliebhaber frey, meine Gartenarbeit in Augenschein zu nehmen. Man wird alle jene Bäume und Gesträuche finden, welche in meinem Katalog angezeiget sind, der im Jahre 1786 hier gedruckt, und seitdem ansehnlich vermehrt wurde […] Ueberhaupt aber schmeichle ich mir, daß meine systematische Fruchtbaumordnung, und die dabey verwendete Sorgfalt eben so geneigten Beyfall finden werde, gleichwie die gegenwärtige Blühtezeit da Auge vergnügen, und die künftige Fruchtzeit den Geschmack befriedigen wird."

Aus diesen beiden Einschaltungen geht hervor, dass Johann Kraft spätestens in den frühen 1780er-Jahren die Baumschule angelegt haben muss, da er von drei (überstandenen) Wintern und seinem im Jahr 1786 gedruckten Katalog (Abb. 3) spricht. Da der Verkauf von Obstbäumen aus nachvollziehbaren praktischen Gründen nicht im ersten Jahr der Gründung erfolgen kann und Johann Kraft in seiner 1792 erschienenen "Abhandlung von den Obstbäumen" von "zwölf Jahren" Arbeit spricht, wird der Gründungstermin um das Jahr 1780 anzusetzen sein.

Der zweisprachig verfasste Verkaufskatalog (Französisch/Deutsch) aus dem Jahr 1786 hat sich erhalten. In seiner Vorrede kommt Johann Kraft auf den Grund zu sprechen, warum er eine eigene Baumschule einrichtete: Es war "die so große und väterliche Sorgfalt Sr. Majestät unsers allergnädigsten Kaisers [Franz II.] für den Landmann." Denn die bestehenden Baumschulen waren "nur für Partikuliers angelegt, und der Landmann zog davon nicht den geringsten Nutzen; ja auch in diesen Baumschulen war nicht alles Obst zu finden, und manche Sorten wie zum Beispiel […] die graue Kaiserbirn […] waren so selten, daß sie nur durch die fremden Gesandten erhalten werden konnten." Dieser Nützlichkeitsgedanke und die Möglichkeit, die guten Absichten des Monarchen zu befördern, spornte Johann Kraft nach eigener Aussage an. Wie im langen Titel seines Verkaufskatalogs angeführt, versorgte sich Johann Kraft mit Bäumen aus dem Ausland, und hier insbesondere aus der seit mindestens 1736 bestehenden und damals berühmten Baumschule der Karthäuser bei Paris. Die bis 1792 bestehende Baumschule besaß einen Obstgarten mit Mutterpflanzen für eine genaue Kontrolle der Sorten.

Mit seiner eigenen Baumschule ermöglichte es Johann Kraft - so schreibt er in der Vorrede seines Verkaufskatalogs -, dass es "die Baumliebhaber nicht mehr nöthig haben sich die Bäume aus dem Auslande" zu besorgen. Dies ist unter dem Gesichtspunkt zu sehen, dass Ende des 18. Jahrhunderts der Transport von Bäumen über große Strecken nicht nur teuer, sondern für die Pflanzen alles andere als verträglich war - von anderen klimatischen Voraussetzungen ganz abgesehen.

Der Hauptzweck seines Verzeichnisses war laut Kraft, "daß der Landmann Gelegenheit habe, die bessern Obstsorten kennen zu lernen, sich solche mit geringern Kosten anzuschaffen, hiedurch einen Nahrungszweig zu verbessern." Das Verzeichnis der Obstbäume seiner Baumschule enthält an Sorten unter anderem zwölf Kirschen, 19 Weichsel, 13 Aprikosen, sieben Mandelbäume, 48 Pfirsiche, 49 Pflaumen, 124 Birnen und 68 Äpfel.

Im Jahr 1792 erschien in Wien der erste Teil der von Johann Kraft verfassten "Abhandlung von den Obstbäumen worinn ihre Gestalt, Erziehung und Pflege angezeigt und beschrieben wird, mit hundert sehr feinen Abbildungen in Kupfer gestochen, und nach der Natur in Farben dargestellt" (Abb. 4), welcher auf Einzellieferungen basierte, die zwischen 1787 und 1792 herausgegeben wurden. 1796 folgte der zweite Teil der Abhandlung.

In einer Einschaltung aus dem November 1794 in der Wiener Zeitung erfahren wir durch Johann Kraft erstmals von einer Aktion zur Förderung der Obstbaumkultur durch den Monarchen Kaiser Franz II. (1768-1835): "Durch die Gnade Sr. kaiserl. Majestät werden von Unterzeichneten im Orte Weinhaus […] 40.000 Stücke junge Birn- und Aepfel-Wildstämme, zum Aeugeln, an den Landmann, gegen Quittung, und Zeugnis seiner Herrschaft, unentgeldlich vertheilet, diejenigen aber, welche mit Obstbäumen Handel treiben, sind ausgenommen. Die Absicht Sr. Majestät ist hierdurch das beste und schönste Obst zu verbreiten und allgemein zu machen." Deutlich wir hier, dass Zwischenhändler beziehungsweise Wiederverkäufer ausdrücklich von der Aktion ausgeschlossen waren. Diese Aktion zur Hebung der Obstbaumkultur, die - soweit ersichtlich - keine weiteren Vorgaben enthielt, wurde einige Jahre später von Kaiser Franz durch eine Pflanzschule für Nussbäume erweitert.

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5) Förderungsobjekt von Kaiser Franz: der Nussbaum (Juglans regia). Foto: Christian Hlavac
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6) Noch heute als Lebensmittel beliebt: die Nüsse der Echten Walnuss. Foto: Christian Hlavac

Kaiserliche Nussbaum-Pflanzschule

Diese ließ Kaiser Franz im Jahre 1799 anlegen, um einerseits für die Produktion von Gewehr- und Pistolenschäften für die Kavallerie genug Holz zu haben, aber auch um das Glacis (unbebautes Gelände vor den Befestigungsanlagen der Stadt Wien) und die Basteien mit Walnussbäumen (Juglans regia) bepflanzen zu können. Beauftragt wurde mit der Leitung dieser Nussbaum-Pflanzschule Johann Kraft, der (zusätzliche) Flächen bei seiner eigenen privaten Baumschule nutzte. Die Prager Neue Zeitung berichtete im Jahre 1802 darüber: "Der bekannte Baumziegler Kraft erhielt den Auftrag, in seiner zu Währing und Weinhaus bestehenden Baumschule, so viel möglich, junge Nußbäume zu erziehen, und unter das Landvolk zu vertheilen, und eine Theil der hiesigen Bastionen wurde schon verflossenes Jahr mit Nußbäumen besetzt, womit heuer fortgefahren werden wird." Hingewiesen wird in diesem Zeitungsbericht auch auf das gewonnene Öl, um nicht mehr auf Importe aus dem Ausland angewiesen zu sein.

Das Besondere an der kaiserlichen Nussbaum-Pflanzschule war, dass die Nussbäume gratis an alle verteilt wurden; wiederum waren Händler ausgenommen. Johann Kraft, nun auch "Director der k. k. Nußbaumpflanzschule", die dem kaiserlichen Privat- und Familienfonde gehörte, verwies auf das Prozedere der Abgabe und den Sinn der Aktion in einem Inserat, welches im März 1804 in der Wiener Zeitung erschien: "Auf befehl Sr. k. k. Majestät werden auf Ihrer k. k. Nußbaumpflanzschule zu Währing durch Unterzeichnetem in den Orte Weinhaus […] einige Hundert junge ziemlich erwachsene Nußbäume, und von besten Gattungen Zweige von Fruchtbäumen zum Pelzen, dann nach Johanni [Johannistag, 24. Juni] Zweige zum Oculiren an den ärmern Landmann, gegen Quittung, und gegen Zeugnisse seiner Herrschaft, unentgeldlich abgegeben, und es werden von dieser Vertheilung nur jene ausgenommen, die damit Handel treiben. Die Absicht Sr. k. k. Majestät gehet dahin, daß die bessere Obst-Cultur und die Pflege aller bessern Fruchtbäume im Lande verbreitet, und dem Landmann zu seinem eigenen Gewinn erleichtert werde."

Die von Kaiser Franz initiierte Gratisverteilung von Obst- und insbesondere Nussbäumen wurde - soweit ersichtlich - positiv rezipiert. So heißt es in einer Publikation aus 1804, dass Kaiser Franz "die vortreffliche Einleitung getroffen [hat], daß aus der Baumschule zu Währing […] die nöthigen Pfropfreiser jeder Gemeinde, welche ihre Obstsorten in ihren Bauerngärten veredeln will, gegen Schein unentgeltlich ausgefolgt werden. Dieser Befehl des einsichtsvollen Landesfürsten ist eine unschätzbare Wohlthat für den Bauer in Oesterreich."

Im November 1804 meldete sich auch die zuständige niederösterreichische Landesregierung mit einer Nachricht in der Wiener Zeitung zu Wort: "Von der k. k. ni. öst Landesregierung wird hiemit bekannt gemacht, daß Johann Kraft, in seiner k. k. privil. Nußbaumpflanzschule […] bey fünftausend schon erwachsene Nußbäume zur unentgeltlichen Vertheilung an die mit den Zeugnissen ihrer Obrigkeiten gehörig versehenen Unterthanen, diesen Herbst und im kommenden Frühjahre, dann gegen zwanzigtausend Propfreiser [sic] edler […] Obstgattungen, zum gleichen Zwecke in Bereitschaft habe, deren Abnahme zu Verbreitung der Obstkultur hiemit jedermann empfohlen wird." Gleich unter diese Nachricht wurde das Verzeichnis jener Obstgattungen, deren Pfropfreiser unentgeltlich verteilt werden, angeführt. Es enthält 75 Birnensorten, 50 Apfelsorten, 20 Zwetschken-/Pflaumensorten, zwölf Weichselsorten sowie sechs Kirschsorten.

Förderung der Obstbaumkultur

Die Gratisaktion ist ein typisches Beispiel für die Förderung der Obstbaumkultur beziehungsweise Pomologie (Obstbaumkunde) durch Kaiser Franz. Ein wesentlicher "Stützpunkt" dieser Förderung war der sogenannte Reservegarten auf der Landstraße nahe bei Wien, welcher 1804 auch deshalb angelegt wurde, um genügend Platz für die reichen Obstbestände der kaiserlichen Gärten zu haben. In einem Bericht aus 1818 streicht der Mediziner Joseph August Schultes vor allem den Reichtum an Obstbäumen hervor. In der Anlage wurden demnach alle in Wien gedeihenden Obstsorten gezogen. Dieser Obstgarten "wird von den wohlthätigsten Folgen für die Monarchie, indem Pfropfreiser von allen Sorten an die Freunde der Obstbaumzucht in der Stadt und auf dem Lande abgegeben werden." Zur Hebung der Obstbaumkultur passte auch des Kaisers Schlossgarten in Persenbeug an der Donau (Niederösterreich). Auch bei dieser, im Jahr 1800 angekauften Anlage war Kaiser Franz die Förderung der Obstbaumkultur wichtig: Er ließ neben einem umfangreichen Zier- und Nutzgarten auch eine Obstbaum-Pflanzschule anlegen, um die ländliche Bevölkerung mit Edelreisern zu versorgen. Sein großes Interesse an der Kultur von Obstbäumen zeigt sich auch an den Kontakten mit anderen Fachleuten, so zum Beispiel mit dem Melker Benediktinermönch Rupert Helm (1748-1826), Pomologe und Verwalter einer großen Obstbaumschule in Leesdorf bei Baden (Niederösterreich), welche Kaiser Franz nachweislich mehrmals anlässlich seiner Sommeraufenthalte im Kurort Baden besuchte. Dass Pater Rupert die Kultur der Obstbäume am Herzen lag, zeigt auch sein gemaltes Porträt (Abb. 7): Er hält einen birnenförmigen Apfel in seinen Händen.

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7) Pater Rupert Helm mit birnförmigem Apfel, undatiertes Ölgemälde. Abb.: Rollettmuseum Baden, Städtische Sammlungen
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8) Gestreifter Blutapfel aus 1833. Wachsfrüchtesammlung des Pater Thaddäus Keller, Stift Admont. Foto: Christian Hlavac

Eine Ähnlichkeit mit Rupert Helm wies der Admonter Benediktinermönch Thaddäus Keller (1778-1864) auf. Auch er gründete eine Obstbaumschule (1810): im steirischen Mautern, wo er Pfarrer war. Pater Thaddäus verteilte von seiner Baumschule aus kostenlos Bäume an die Bauern aus der Gegend. Besondere Bedeutung erlangte seine noch heute existierende Sammlung von naturgetreuen Obstfrüchten aus Wachs: Von zirka 1819 bis 1841 fertigte er naturgetreue Wachsmodelle vor allem der steirischen Obstsorten an. Neben den Sorten seiner eigenen Baumschule und von Nachbarn bildete er auch jene nach, die er von der Obstbaumschule des Grazer Joanneum (Versuchshof mit Baumschule und Versuchsflächen für neue Obst- und Rebsorten) erhalten hatte. Die Modelle verwendete er, um Kunden der Baumschulen besser beraten und die Früchte der verschiedenen Obstsorten in Originalgröße zeigen zu können. 243 Modelle (unter anderem Äpfel, Birnen, Feigen, Quitten, Pfirsiche und Ringlotten) sind erhalten und werden heute im Naturhistorischen Museum des Benediktinerstiftes Admont in einem eigenen Raum ausgestellt (Abb. 8).

In seiner Funktion als Pfarrer von Mautern lernte Pater Thaddäus den jüngeren Bruder von Kaiser Franz, Erzherzog Johann (1782-1859), kennen, den er bei seinen Bemühungen um die Förderung der Landwirtschaft in der Steiermark unterstützte. Erzherzogs Johanns persönlicher und intensiver Einsatz für die Verbesserung der Landwirtschaft in nationalökonomischer und sozialer Hinsicht zeigt sich bei der von ihm initiierten Gründung der Steiermärkischen Landwirtschaftsgesellschaft, in die - im Gegensatz zur seit 1808 bestehenden "k. k. Landwirtschaftsgesellschaft in Wien" auch einfache Bauern eintreten durften und sollten.

Das Ziel des 1819 vom Kaiser genehmigten Vereines war die Förderung der Landwirtschaft im Sinne einer "Hilfe durch Selbsthilfe". Sie war für alle bäuerlich Tätigen zugänglich, sollte mittels Zweigstellen eine maximale Verbreitung erhalten und durch die Einrichtung von Mustergütern den agrartechnischen Fortschritt deutlich machen. Beim Tod Erzherzog Johanns 1859 waren es beachtliche 47 Zweigstellen mit 5021 Mitgliedern. Wie Pater Thaddäus kümmerte sich auch Erzherzog Johann um die Fertigung von Obstmodellen aus Wachs. Bis 1847 wurden durch ihn 40 Früchte aus einer Wiener Bossierer-Werkstatt sowie mindestens 514 Kern- und Steinobstmodelle eines anderen Wachsmodellbauers für den Musterhof in Graz angekauft.

All diese Bemühungen stehen im Zusammenhang mit dem damals sogenannten "fortschrittlichen Landbau", der als wichtige Grundlage des Staates und des wirtschaftlichen Wohlstandes der Landbevölkerung galt. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass zahlreiche Landschaftsgärten in Mitteleuropa vom Beginn der 1780er-Jahre an eigene landwirtschaftliche Betriebe - meist mit Tierhaltung - aufwiesen. Die Einbeziehung der Landwirtschaft in die Gartenanlagen steht in engem Zusammenhang mit dem damals weit verbreiteten Konzept der "Landesverschönerung".

Das Ziel der Verfechter einer Landesverschönerung war es, durch das Zusammenwirken von Architektur, Agrarökonomie (Landwirtschaft) und Gartenkunst einerseits eine ökonomische Verbesserung und andererseits eine ästhetische Verschönerung des Landes zu erreichen. Der spiritus rector der Landesverschönerung Gustav Vorherr meinte 1826, nachdem er seit 1807 zu diesem Thema mehrmals publiziert hatte, die "wahre Landschaftsverschönerung oder Verschönerung der Erde entsteht nur dadurch, wenn Agrikultur, Gartenkunst und Architektur […] nicht bloß für das Einzelne, sondern hauptsächlich für das Gemeinsame wirken."

Generationenwechsel und das Ende der Baumschulen

Im Februar 1808 verstarb der Gründer der Währinger und Weinhauser Obstbaumschule, Johann Kraft, im Alter von 71 Jahren. Nun wurde der 1764 geborene und schon längere Zeit im väterlichen Betrieb arbeitende Joseph Kraft neuer Leiter der beiden Baumschulen. Die von Kaiser Franz veranlasste Gratisverteilung von Bäumen führte man weiter, wie auch die Presse registrierte. So heißt es beispielsweise 1816: "Überdieß wurden […] in mehreren Provinzen des österreichischen Kaiserstaates auf Staatskosten öffentliche Baumschulen, so wie zum Beispiel die Kraftische Baumschule außer der Währinger-Linie, errichtet, die jährlich bestimmte Quantitäten von jungen Obstbäumen unentgeltlich an die Landleute abgeben mußten."

Im November 1840 verstarb Joseph Kraft im Alter von 77 Jahren. Da zu diesem Zeitpunkt alle männlichen Nachkommen von Joseph Kraft verstorben waren, erbte die einzige noch lebende Tochter Eleonore die private Obstbaumschule. Sie führte den Betrieb weiter, wobei man gleichzeitig einen Käufer suchte, wie aus einem Inserat aus dem März 1841 hervorgeht: Sie wolle "die Anlage mit der Besitzung verkaufen, bis zum Verkaufe aber die Obstbaumzucht fortsetzen, wobey ich alles aufbiethen werde, das Vertrauen, welches mein seliger Vater durch eine lange Reihe von Jahren in Erziehung aller Gattungen, in jedes Erdreich tauglicher Obstbäume der edelsten Sorten, so wie deren Echtheit, sich erworben hat, seinem rühmlichen Andenken zu erhalten, und auch mir zu erwerben." Ein Jahr später meldete Eleonore Kraft, dass sie mehrere 1000 ein- und zweijährige Pfirsichbäume, Bäume aller Sorten von Birnen, Pflaumen und Aprikosen sowie auch "Rosenbäumchen, exotische Bäume und Strauchgewächse" anbiete.

Der Verkauf der privaten Obstbaumschule - mit der dann folgenden Auflassung - ging nicht schnell voran; ganz im Gegensatz zur kaiserlichen Nussbaum-Pflanzschule. Hier wurde die Verwaltung des Eigentümers bereits im Jänner 1841 tätig, wie sich aus einem schriftlichen Vortrag vom Direktor des Fideikommiss-Familienfonds an Kaiser Ferdinand (Sohn von Kaiser Franz) ablesen lässt. Dieses Schriftstück erhellt auch Teile der Geschichte der Nussbaum-Pflanzschule und der Bepflanzung der Basteien und des Glacis. Demnach wurde nach dem Ableben von Joseph Kraft die Nussbaum-Pflanzschule der Tochter, gemeinschaftlich mit dem Gärtnergehilfen Joseph Schreiber, provisorisch übertragen und danach eine Inventur vorgenommen.

Die damals mit rund 5000 Nussbäumen versehene Pflanzschule - so wird in der Einleitung des Textes festgehalten -, wurde "zur Vorbereitung des Nußbaumes auf dem Lande wegen des Erfordernißes dieses Holzes für die Feuergewehr-Fabrick auf Gewehr- und Pistolen-Schaften für die Cavallerie, dann zur Bedeckung der Fortification, wegen Bepflanzung des Glacis und Bastey mit Nußbäumen" angelegt. Die Auslagen als auch die durch den Verkauf eingegangenen Beträge rechnete man von 1819 an über die kaiserliche Privatkassa ab. Joseph Kraft erhielt demnach neben einem jährlichen Gehalt in der Höhe von 400 Gulden Konventionsmünze zusätzlich monatlich 36 Gulden Wiener Währung für die unentgeltliche Abgabe der Edelreißer aus der Obstbaumschule.

Da das Glacis und die Basteien "nicht mehr mit Nußbäumen bepflanzt, selbe durch mehr als 40 Jahre im Lande vorbereitet worden sind, daher der Absatz gering und bey dem Fortbestand die Regie-Auslagen bedeutend seyn dürften, glaubt der treugehorsamst Unterzeichnete sich verpflichtet, die Aufhebung derselben in allerunterthänigsten Antrag zu bringen." Der Direktor des Fideikommiss-Familienfonds regte am Schluss des Berichtes an, die noch vorhandenen Nussbäume unter fachlicher Einbeziehung der Hofgarten-Direktion zu verkaufen. Kaiser Ferdinand bewilligte am 13. Februar 1841 die Auflassung der Nussbaum-Pflanzschule (Abb. 9), dessen Gelände heute verbaut ist. Auch das Areal der privaten Obstbaumschule ist schon längst überbaut.

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9) Das heutige Aussehen des ehemaligen Baumschulgeländes in Währing am ehemaligen Linienwall von Wien. Foto: Christian Hlavac

Fazit

Mit der Auflassung der kaiserlichen Nussbaumschule 1841 und dem Verkauf der privaten Baumschule frühestens im Jahre 1842 endete die Tätigkeit der Familie Kraft in Währing und Weinhaus. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten zwei Generationen als Pioniere der praktischen Obstbaumkunde im Wiener Raum gearbeitet. Die Geschichte der beiden Baumschulen zeigt deutlich das Engagement von Kaiser Franz für die Hebung der Landwirtschaft und des Gartenbaus. Es ging ihm um den mehrfachen Nutzen, wie das Beispiel des Nussbaumes zeigt: Die Baumart sollte zur Verschönerung der Residenzstadt dienen und gleichzeitig einen militärischen Nutzen aufweisen. Gleichzeitig verringerten lokale Baumschulen die Abhängigkeit von teuren Importen und ermöglichten die Anzucht klimatisch besser angepasster Pflanzen. Dieser letztgenannte Aspekt kann uns, die wir sowohl fachlich als auch privat vom menschlich verursachten Klimawandel betroffen sind, eine Mahnung und Anregung sein. Auch in jenem Sinne, der Ende des 18. Jahrhunderts in der Gartenkunst weit verbreitetet war: nämlich das Schöne mit dem Nützlichen zu verbinden.

Literatur

Anonym: Versuch über die slawischen Bewohner der österreichischen Monarchie. Erster Theil. Wien 1804.

Hlavac, Christian, Göttche, Astrid: Die Gartenmanie der Habsburger. Die kaiserliche Familie und ihr Gärten 1792-1848. Wien 2016.

Hnatek, Hildegard: Der Benediktiner Pater Rupert Helm. Katalogblätter des Rollettmuseums Baden Nr. 40. Baden 2002.

Kraft, Johann: Abhandlung von den Obstbäumen […], erster Teil, 1792; zweiter Teil, 1796.

Martini, Silvio: Geschichte der Pomologie in Europa. Bern 1988.

Schneider, Gerhard: Die k. k. Landwirtschaftsgesellschaft in Wien im Vormärz 1808-1850. Dissertation. Universität Wien. 1982.

Dr.- Ing. Christian Hlavac
Autor

Gartenhistoriker und Gartentouristiker am Zentrum für Garten, Landschaft und Tourismus, Wien

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