Der 100-jährige Japangarten in Karlsruhe ist traditionell angelegt

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Japan Parks und Gärten
Tori, Eingangstor in den Japangarten, Übergang von der irdischen in die geistige Götterwelt. Alle Fotos: Horst Schmidt

Hinter den Mauern des Stadtgartens in Karlsruhe befindet sich ein Kleinod japanischer Gartenkunst, das in diesem Sommer 100 Jahre alt geworden ist. Damit ist der Garten einer der ältesten japanischen Gärten in ganz Europa, als traditioneller japanischer Garten wahrscheinlich der älteste, der auch als erster einen traditionellen Schintoschrein beinhaltet. Er ist ein besonderer Teil des Stadtgartens. Kein anderer hat so eine detaillierte Geschichte, die auf gesellschaftliche und historische Entwicklungen hinweist und anerkannt zur Völkerverständigung beitrug. Er entstand in drei typischen Entwicklungsstufen, die jeweils durch Mediziner angestoßen wurden. Informationen über Japan und den japanischen Gartenstil kamen erst nach der Mitte des 19. Jahrhunderts verstärkt nach Europa, als Japan seine über 200 Jahre dauernde Isolation durch die Intervention amerikanischer Kriegsschiffe 1853 aufgab. Amerika hatte die Öffnung Japans für den Welthandel erzwungen. Den Verträgen schlossen sich mehrere Staaten an, für Deutschland führte Preußen die Verhandlungen. Neben dem freien Handel der Güter verbreiteten sich nun viele Informationen über das bis dahin verschlossene Japan in der ganzen Welt. Sie stießen auch bei uns auf eine große Nachfrage, die sich zum "Japonismus" entwickelte und erheblichen Einfluss auf die Entwicklung des Jugendstils und die Kunst hatte.

Die japanischen Pflanzen waren dagegen schon früher bekannt. Die botanisch interessierten Ärzte Engelbert Kaempfer (1651-1716) und Philipp Franz von Siebold (1797-1866) waren bei der Niederländischen Ostindienkompanie in Nagasaki beschäftigt, die als einzige Handel zwischen Europa und Japan führen durfte. Einmal pro Jahr reisten sie durch Japan nach Edo (später Tokio), um dem Schogun Gastgeschenke zu überreichen. Das nutzten sie, um Pflanzen zu sammeln und per Schiff nach Europa zu senden. So kam zum Beispiel der Ginkgobaum in den botanischen Garten von Leiden in Holland. Von Siebold nutzte seinen hohlen Wanderstock zum unauffälligen Sammeln von Pflanzensamen.

Die Isolation Japans, die die Tokugawa-Schogune im 17. Jahrhundert erließen, bedeutete, dass kein Ausländer einreisen und kein Japaner ausreisen durfte. Damit waren die Japaner weitgehend abgeschirmt von dem, was in der Welt geschah, was neu erfunden oder entwickelt worden war. Nach der Öffnung war das Informationsbedürfnis entsprechend groß. So gab es zum Beispiel ein großes Interesse an der modernen deutschen Medizin. Viele Ärzte nahmen diese Herausforderung an und arbeiteten einige Jahre in Japan. Professor Bälz aus Bietigheim-Bissingen war sogar Leibarzt des japanischen Kaisers, dem Tenno. Diese Ärzte waren oft begeistert von der japanischen Gartenkunst und brachten diese Begeisterung nach der Rückkehr mit.

Anfang des Japangartens

So kam 1906 ein Arzt aus Japan zurück, trat eine Stelle am hiesigen städtischen Klinikum an und brachte eine Steinlaterne und Samen japanischer Pflanzen mit. Er stellte sie dem ersten Karlsruher Gartendirektor Friedrich Ries zur Verfügung und schwärmte ihm sicher über die japanischen Gärten vor.

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Schintoschrein mit Schutzhunden aus Nagoya.

Ries war nicht nur weit gereist, er hatte auch mit Prof. Franz Sales Meyer das Buch "Die Gartenkunst in Wort und Bild" herausgegeben, in dem auch die japanischen Gärten beschrieben waren. Als 1913 in Karlsruhe der Bahnhof verlagert wurde, konnte neben dem Stadtgarten ein Schienenstrang aufgegeben und ein Teil der Fläche für seine Erweiterung zur Verfügung gestellt werden. Hier fanden die aus dem Samen gezogenen Pflanzen und die Steinlaterne ihre neue Heimat. Ein See mit Brücke wurden geschaffen und unter anderem 1500 japanische Iris gepflanzt. Nach Abschluss dieser Arbeiten im Sommer 1914 war der Japangarten fertig und konnte seine Funktion im Stadtgarten erfüllen, den Besuchern sozusagen als Bildungsauftrag diese fremden Pflanzen in heimischer Umgebung zeigen. Im Sommer 1915 konnte der Maler Hermann Göhler die Blütenpracht im Japangarten bereits in einem Aquarell festhalten. Das war das erste Bild des Japangartens in Karlsruhe, das als Postkarte heraus gegeben wurde.

Geschenke aus Nagoya

Mediziner gaben weiterhin Anstöße zur Entwicklung des Japangartens. So kam 1926 der gebürtige Karlsruher Mediziner Professor Dr. Siegfried Gräff aus Japan zurück, wo er als Pathologe an Universitäten gelehrt hatte. Seine Begeisterung galt den Japangärten, und als er den Garten in Karlsruhe sah, meinte er, er wäre nicht japanisch genug. Nach Rücksprache mit dem Oberbürgermeister schrieb er über seinen Freund Professor Dr. Seizo Katsunuma an den Oberbürgermeister von Nagoya. Er schilderte den Karlsruher Japangarten und fragte an, ob Nagoya nicht im Sinne der Völkerverständigung der Stadt Karlsruhe einen Schintoschrein und einen Tori (ursprünglich orangerotes Eingangstor beim Schintoschrein) zur Verfügung stellen könne, um dem Japangarten ein authentischeres Aussehen zu geben. Nagoya wollte gern zur Völkerverständigung beitragen und gab dem Tempelbaumeister Jutsuijiro Yamada den Auftrag, einen Schintoschrein zu bauen und einen Plan für einen Tori zu erstellen. Der Bildhauer Yasuke Araki erhielt den Auftrag für die beiden Schutzhunde in Löwengestalt, die vor dem Schrein aufgestellt werden sollten. Die Geschenke mit dem Plan für das Tori kamen 1927 mit dem Schiff in Karlsruhe an und wurden eingebaut. Karlsruhe übernahm die Kosten der Fracht und des Materials. Da die Haushaltsmittel für das Grün schon damals beschränkt waren, mussten 2000 Reichsmarkt bei der Entschlammung des Stadtgartensees eingespart werden. Die Geschenke hatten aber einen viel höheren Wert, und so bedankte sich Karlsruhe bei Nagoya mit Majolika-Geschenken aus Keramik aus der Karlsruher Majolika Manufaktur.

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Pagode aus Nagoya.
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Der Trockengarten.
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Gefüllt blühende japanische Zierkirsche.

Der japanische Kultusminister Rentaro Mizuno bedankte sich beim Karlsruher Oberbürgermeister für den großen Beitrag zur Völkerverständigung. Bei der geplanten Einweihung waren auch Japaner von der Universität Heidelberg eingeladen, die durch Musik- und Redebeiträge der Feier einen japanischen Ausdruck verleihen sollten. Die Feier war detailliert geplant und sah für die Eingeladenen ein Festessen und die Aufführung von "der Braut aus Messina" vor. Auch die Anzugsordnung war festgelegt: Gehrock, Zylinder und farbige Halsbinde. Doch die Einweihung wurde kurzfristig vom Gemeinderat abgesagt, da der badische Staatspräsident sein Kommen mit der Begründung absagte, er habe gehört, der Schrein solle religiös geweiht werden, und das könne er mit Rücksicht auf die religiösen Gefühle der Bevölkerung nicht akzeptieren. Fotos vom Schrein im Japangarten gingen über das Außenministerium nach Nagoya, und mehrere Zeitungen japanischer Großstädte berichteten über den Japangarten.

Zurzeit des Nationalsozialismus, im Herbst 1937, besuchte Prof. Katsunuma aus Nagoya den Garten, als er in Deutschland an einem Kongress teilnahm. Er war sehr angetan vom Karlsruher Japangarten und schlug vor, noch eine Pagode aufzustellen und markierte gleich den Platz dafür. Nach seiner Rückkehr berichtete er in der Presse von dem Besuch in Karlsruhe, und der Oberbürgermeister von Nagoya veranlasste die Herstellung einer 13-stöckigen Pagode aus japanischem Granit. Sie kam 1938 in Karlsruhe an und wurde am gewünschten Standort aufgestellt. Karlsruhe war sehr angetan von dem beachtlichen Geschenk und bedankte sich beim Oberbürgermeister von Nagoya mit einem Tischchen mit Majolika-Fliesen, die die Sehenswürdigkeiten Karlsruhes darstellten. Als der Autor 1996 auf einer Vortragsreise in Japan seinen Kollegen in Nagoya besuchte, wurde ihm stolz dieses Tischchen gezeigt, das die Kriegsschäden gut überstanden hatte.

Der Japangarten wurde durch den zweiten Weltkrieg stark beschädigt. Der Schrein und die Pagode wurden teilweise zerstört und konnten erst 1953 wieder im Garten aufgestellt werden. Auch nach dem Krieg waren es wieder Ärzte, die sich um die Weiterentwicklung des Gartens bemühten. Alle zwei Jahre kam eine Delegation japanischer Ärzte unter der Leitung von Professor Dr. Choei Ishibashi, dem Präsidenten der Internationalen Medizinischen Gesellschaft Japans, zum Therapiekongress nach Karlsruhe und brachte Gastgeschenke wie Steinlaternen, Steinstelen mit japanischen Gedichten und Kirschbäume mit.

Bundesgartenschau 1967

Als der Bundesgartenschau-Vertrag geschlossen war, übernahm der japanische Gartenarchitekt Professor Keiji Uyehara von der Universität Tokio die Überplanung und Erweiterung des Japangartens. Prof. Ishibashi hatte ihn als bekannten Gartenarchitekten in Japan empfohlen. Bei seinem ersten Besuch erläuterte er dem Oberbürgermeister, der Stadtverwaltung und der Presse seine Vorstellungen. Er führte aus, der Garten sei so, wie wir uns hier in Karlsruhe einen Japangarten vorstellen. Er wolle ihn aber nach den klassischen Regeln um-planen und mit einem wichtigen Element, dem Trockengarten (Karesansui), zum Stadtgartensee hin erweitern. Er erläuterte, dass die Japangärten neben den beiden typischen Religionen, der Naturreligion des Schintoismus und dem Buddhismus durch die japanische Landschaft mit den Bergen und dem Wasser geprägt seien. Deshalb wollte er einen durchgehenden Wasserlauf vom Wasserfall in den Bergen, dem Bergbach, einem See und dem Fluss bis zum Meer schaffen. Die vorhandene Brücke war ihm zu chinesisch, und er wollte sie durch Trittsteine(Sawatori ishi) ersetzen, die im Wasser zu schweben scheinen. Die Sommerblumen sollten verbannt werden, da im Japangarten die verschiedenen Grüntöne dominieren und nur einige gezielte Blühhöhepunkt wie Kirschen, Azaleen, Iris, Paeonien üblich seien.

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Geschlitztblättriger Ahorn und Azaleen.
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Nandine mit Fruchtschmuck.
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Die Ishibashi Steinbrücke.

Der Trockengarten mit den Steinsetzungen solle den Übergang zum Meer, dem Stadtgartensee bilden. Da Prof. Uyehara auch Schintopriester war, führte er vor Baubeginn, wie in Japan üblich, die Erdbeschwichtigungsfeier vor vielen Gästen und den Medien durch, um die Schintogötter zu bitten, dem Umbau gnädig gestimmt zu sein und keine Überschwemmung, kein Feuer und kein Erdbeben zu schicken. Japanische und deutsche Gärtner führten die Arbeiten nach detaillierten Anweisungen durch Prof. Uyehara aus. Die Steinsuche für die benötigten Natursteine erwies sich als schwierig, da sie den klassischen Ansprüchen der japanischen Gartenkunst entsprechen mussten.

Am Abend vor der Eröffnung der Bundesgartenschau 1967 weihte Prof. Uyehara in seinem Priesterornat den umgestalteten Garten vor vielen Gästen und Vertretern des In- und Auslandes ein. Der Japangarten wurde einer der Höhepunkte der Bundesgartenschau, die mit 6,3 Millionen Besuchern sehr gut besucht war. Durch diese Umgestaltung ist historisch gesehen westlich des Hauptweges ein Teich- und Hügelgarten (Tsukiyama) mit den interessant geführten Wegen des Wandelgartens(Chisen Kaiyu-Teien), dem Wasserlauf und den Hügeln mit der differenzierten Bepflanzung entstanden. Hinter der niedrigen Hainbuchenhecke östlich des Hauptweges findet man dagegen den Trockengarten (Karesansui), der sich aus dem Zen-Buddhismus entwickelt hat. Der Teegarten als vierter Grundtyp der japanischen Gärten ist durch einen Pavillon angedeutet.

Entwicklung nach 1967

1968 besuchte der japanische Botschafter mit Prof. Ishibashi den Japangarten und brachte eine neue Steinlaterne aus Japan mit. Weitere Geschenke aus Japan folgten und erhöhten die Authentizität des Japangartens. 1980 stiftete Prof. Ishibashi ein sehr persönliches Geschenk, eine Steinbrücke, denn auch sein Name bedeutet auf deutsch Steinbrücke (ishi- Stein, bashi-Brücke). So kamen 1980 im Hafen drei Steine mit einem Gewicht von 2,5 Tonnen an, die als monolithische Brücke über den Bergbach eingebaut und so ein neuer Zugang zum Pavillon geschaffen wurde. Im Herbst weihte Prof. Ishibashi im hohen Alter von 86 Jahren die Brücke selbst ein.

1994 übernahm die Deutsch-Japanische Gesellschaft Karlsruhe die ideelle Partnerschaft über den Garten, führte Kamelien- und Kirschpflanzungen durch, veranstaltete Teezeremonien und gab damit Einblicke in die japanische Tradition. Wünsche zur Weiterentwicklung des Gartens sind auch vorhanden. So hat die Deutsch-Japanische Gesellschaft vorgeschlagen, einen japanischen Teepavillon im Anschluss an den Trockengarten zu bauen, in dem die Teezeremonien stattfinden können. Eine Terrasse am Trockengarten sollte wie in Japan die Möglichkeit eröffnen, mit Blick auf die Kiesfläche und die Natursteinsetzungen zu meditieren und Ruhe zu finden. Dieser Vorschlag wurde in die Planungsüberlegungen zu einer geplanten Bundesgartenschau 2015 aufgenommen, für die die Stadt Karlsruhe aber leider den Zuschlag nicht bekommen hat.

Der hundertjährige Japangarten ist für die Besucher des Stadtgartens ein Highlight. Die Kinder sind begeistert über die Trittsteine im Wasser, und Groß und Klein freuen sich über die intensive Pflanzung mit den typischen Vertretern Japans, seien es die Zaubernuss, die Azaleen, die Kamelien, die Glyzinien, die großen Blüten der Strauchpaeonien oder die roten Früchte der Nandine und die Herbstfärbung der Ahorne und des Ginkgo.

Gesucht und bewusst aufgenommen werden die besinnliche Ruhe und die besondere Atmosphäre in dem Garten aus dem fernen Ostasien. Das Interesse am Japangarten drückt sich aus in den vielen Fragen, die die Besucher stellen, nach der Bedeutung der einzelnen Elemente, ihrem Ursprung und dem besonderen Flair, der empfunden wird, zum Beispiel beim Durchschreiten durch das orangerote Tori. Um den Besuchern erste Antworten auf die Fragen zu geben, wird zum 100. Geburtstag ein Plan mit Hinweisen aufgestellt und eine Kurzdarstellung als Informationsblatt verteilt. Pünktlich zum Jubiläum ist für Interessierte eine Broschüre des Stadtarchives im Infoverlag Karlsruhe über den Japangarten erschienen.

Literatur

Horst Schmidt, Der Japangarten in Karlsruhe, Info Verlag Karlsruhe 2014.

Autor

Ehemaliger Leiter des Gartenbauamtes Karlsruhe

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