Erkenntnisse aus dem 21. Dresdner Forum Stadtgrün

Der Freiraum als dritter Pädagoge

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Stadtgrün Fachtagungen und Kongresse
Kita Carrierastraße Dresden. Foto: Halina Starkloff

Das Dresdner "Forum Stadtgrün" ist eine Fachtagung, die sich mit den Problemen und Fragestellungen des Stadtgrüns befasst. In jedem Jahr gibt es ein spezielles Thema, das praxisnah und möglichst umfassend von fachkundigen Referenten dargestellt wird, ergänzt von wertvollen Diskussionsbeiträgen der Tagungsteilnehmer. So werden neueste Erkenntnisse des jeweiligen Fachgebietes vermittelt und der Austausch zwischen den Wissenschaftlern, Kolleginnen und Kollegen aus Kommunen, Planungsbüros und Fachfirmen der grünen Brache gefördert.

"Bewegen - Begegnen - Lernen! Freiflächen an Schulen und Kindertageseinrichtungen" war das Thema des 21. Forum Stadtgrün im November 2017. Weil es in der geburtenstarken Stadt Dresden hochaktuell ist, entschieden sich die Veranstalter - die Sächsische Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie und das Amt für Stadtgrün und Abfallwirtschaft Dresden - nach 2009 für eine Neuauflage dieses Tagungsthemas.

Nachfolgend werden die wichtigsten Erkenntnisse aus der Tagung wiedergegeben. Die Vielfalt der Themen und der tangierenden Fachgebiete ist riesig. Nicht jede Problematik kann in diesem Artikel ausführlich erläutert werden. Das war auch bei der Tagung nicht möglich. Es geht vielmehr darum, ein Gefühl für die Komplexität zu bekommen, den Blick zu schärfen für die Rahmenbedingungen und Zusammenhänge, die bei der Freiflächenplanung für Bildungseinrichtungen zu beachten sind. Die Erkenntnisse sollen Chance für alle Betroffenen, Entscheidungsträger und Beteiligten sein, mit diesem Wissen gemeinsam den optimalen Außenraum zu entwickeln und sich bewusst zu machen, dass dieser Raum als Teil der Pädagogik enorm wichtig für eine gesunde Entwicklung der Heranwachsenden ist.

Freiräume an Bildungseinrichtungen gelingen in der Kooperation von Planung und Pädagogik. Deshalb war ein Anliegen der Tagung, die übliche Trennung der Betrachtung von Kitas, Horten und Schulen zu überwinden, um sie als "Freiräume für Heranwachsende" insgesamt wahrzunehmen. Damit soll der Blick geschärft werden für die Gemeinsamkeiten von Bildungseinrichtungen und das Prozesshafte des Heranwachsens, in dem sich Bedürfnisse zwar verändern, nicht jedoch schlagartig mit dem Übergang zwischen Kita und Schule, Grundschule und weiterführender Schule oder gar zwischen vormittags und nachmittags. Daher wird in den Ausführungen meist nicht zwischen Freiflächen von Kita, Schule oder Hort unterschieden. Es ist die Freifläche an Bildungseinrichtungen gemeint.

In Schulen, Kitas und Horten gibt es grundlegende Anforderungen und Funktionen. Dennoch ist in der Umsetzung jedes Objekt ganz speziell, weil pädagogischer Ansatz, die Nutzenden, die örtlichen Gegebenheiten und die jeweilige Situation stets verschieden sind und Kinder unterschiedlicher Entwicklungsstufen und Fähigkeiten unterschiedlich gestaltete Freiräume brauchen.

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Auditorium des 21. Forum Stadtgrün 2017. Foto: Melanie Knievel, VWA
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Funktionen von Freiflächen an Schulen. Quelle: BLDA Sachsen, AG Bildungsräume

Situation

Bauen für die Bildung ist wieder zum Thema geworden. In der Regel steht jedoch das Gebäude mit Aussehen, Raumaufteilung und städtebaulicher Einordnung im Fokus der Planung. Die Gestaltung der Freianlagen spielt eine untergeordnete Rolle. Immer noch werden Landschaftsarchitekten gar nicht oder erst dann einbezogen, wenn die Einordnung der Baukörper und die Raumaufteilung bereits feststehen. Auch die Beteiligung der Nutzenden der Flächen - der Kinder, Jugendlichen und des pädagogischen Personals - bei der Planung ist noch keine Selbstverständlichkeit.

In wachsenden Kommunen wie Dresden und Leipzig besteht ein großer Bedarf an Kita- und Schulplätzen. Hier entstehen unter hohem Zeitdruck zahlreiche neue Einrichtungen, die mit anderen Bauvorhaben in den Städten um knappe Bauflächen konkurrieren. In der Folge reduzieren sich die Flächen für neue Bildungseinrichtungen auf Mindestmaße und bespielbare Außenräume in der Stadt schwinden.

Wann ist Freiraum Bildungsraum?

Der Freiraum ist das verbindende Element einer Bildungseinrichtung mit vielfältigen Funktionen. Er ist als "Dritter Pädagoge" ebenso wichtig wie das Gebäude. Der Freiraum ist der Ort des Empfangs, das Gesicht und die Verbindung nach außen. Mit ihm identifiziert sich die jeweilige Bildungseinrichtung. Er ist Spiel-, Erholungs- und Bildungsraum im Freien. Wirtschaftsbereiche wie Wege und Zufahrten, Stellplätze und Abfallbehälter und Sammelplätze für den Gefahrenfall müssen im Freiraum untergebracht werden.

Welche Voraussetzungen müssen Freiräume an Bildungseinrichtungen haben, um die pädagogischen Anforderungen zu erfüllen und Lebensraum für die Heranwachsenden zu bieten? Erfolgt die Planung nach den Bedürfnissen der Kinder und der Jugendlichen? Diese Fragen stellte Sigrid Böttcher-Steeb, Landschaftsarchitektin und Ansprechpartnerin der AG Bildungsräume beim Bund Deutscher Landschaftsarchitekten (bdla) Sachsen. Ihre Thesen in Kürze: Bei Kindertageseinrichtungen und Horten ist der Rahmen für die pädagogischen Anforderungen und die Bildungsziele vorgegeben. So fordert der sächsische Bildungsplan, dass Kinder heute vor allem aus ihrem eigenen Handeln lernen und Erfahrungen sammeln sollen und Pädagogen "nur" die Anregungen geben. In den Kitas steht die ganzheitliche Entwicklung des Kindes im Fokus, der Außenraum als Bildungsort ist beim pädagogischen Team präsent. In der Schule dagegen liegt der Schwerpunkt auf der Wissensvermittlung, mit dem Lehrplan als Grundlage. Hier wird der Außenraum oft nur als Sportfläche und als Pausenbereich wahrgenommen, für kurze Unterbrechungen des Unterrichts und des Stillsitzens im Klassenzimmer.

Bei der Planung von Freiräumen wird das Funktionsgefüge im Dialog mit dem Auftraggeber, dem Hochbau und der Schulgemeinschaft entwickelt. Aber befassen sich Landschaftsarchitekten dabei genug mit den pädagogischen Anforderungen und den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen?

Richtlinien und Normen geben Auskunft zur Quantität - Mindestflächen, Anzahl der Fahrradständer, Ausstattung mit Sportfreiflächen - nicht jedoch zur Qualität der Freifläche. Während technische Anforderungen genau definiert sind, gibt es für die pädagogischen Anforderungen keine Richtlinie. Landschaftsarchitekten planen häufig für Erwachsene - aufgeräumt, schön, ästhetisch. Was aber brauchen Kinder?

In der betreuten Kindheit hat die Selbstbestimmtheit der Kinder im Erleben ihrer Umwelt stark abgenommen. Wenn Kinder den Spielplatz nur noch mit ihren Eltern besuchen und bis zur Schule gefahren werden, brauchen sie andere Wege, sich selbst zu erproben. Bewegungsmangel, wenige Gelegenheiten zum Toben, Entspannen und Selbstgestalten der Umwelt führen zu den zahlreichen bekannten Defiziten.

Kinder und Jugendliche verbringen durch gesellschaftliche und bildungspolitische Veränderungen, wie die Berufstätigkeit beider Eltern und den Ausbau von Ganztagsschulen, heute viel mehr Zeit -bis zu neun und mehr Stunden wochentäglich - in den Bildungseinrichtungen. Um attraktiver für Schülerinnen und Schüler zu sein. Kinder und Jugendliche brauchen die Chance, viel Zeit draußen, an der frischen Luft und im Tageslicht zu verbringen und in Freiräumen, die Bewegung, Entdeckung, Naturerleben, ästhetische Erfahrungen, Forschung, Raum für Gemeinschaft, kreatives Spiel und die Durchführung verschiedenster Projekte ermöglichen. Hier können Kinder eigene Erfahrungen machen und aus ihnen lernen. Sie brauchen aber auch die Möglichkeit, sich aus der Gruppe und dem Blickfeld der Erwachsenen zurückzuziehen und zu erholen. Alle Risiken können und sollen nicht vermieden werden, denn Risiko ist ein Grundrecht, weil es zur kindlichen Entwicklung erforderlich ist.

Um attraktiver für Schülerinnen und Schüler zu sein, müssen sich Schulgelände vom Pausenraum zum Lebensraum weiterentwickeln, der entsprechend der Entwicklungsstufe der Kinder gestaltet ist. Das Potenzial des Schulgeländes als Lernraum und als Ort, an dem Natur erlebbar wird, gilt es auszuloten und zu nutzen. Und es braucht Unfertiges, Veränderbares, was den Kindern und Jugendlichen Raum für die eigene Kreativität ermöglicht. Dies gelingt in der Zusammenarbeit von Planern und Pädagogen und in der Beteiligung der Nutzenden bei der Planung. "Der Wandel der Pädagogik wandelt Räume. Entwickeln wir sie gemeinsam und bieten ein gesundes, vielfältiges und leckeres Wrap-Buffet statt Sahnetorte", empfehlen Angela Schüler und Sigrid Böttcher-Steeb, bdla Sachsen.

Der Auffassung, dass man nur gemeinsam gute Bildungsräume schaffen kann, schloss sich auch Dirk Fellendorf von der Architektenkammer Sachsen an. In seinem Statement betonte er das Bekenntnis der Architektenkammer zur Interdisziplinarität bei der Freiraumgestaltung. Aus seiner Sicht sind Kitas und Schulen Zukunftsinvestitionen und die Grundlage unserer Gesellschaft. Hochwertige Baukultur entsteht nur, wenn Gebäude und Freiflächen gemeinsam entwickelt werden. Das bedarf der frühzeitigen und stetigen Zusammenarbeit von Architekten und Landschaftsarchitekten. Die derzeitige getrennte Ausschreibung von Leistungen für Freiflächen und Gebäuden wirkt dieser Zusammenarbeit jedoch entgegen. Eine Plattform für die gute Kooperation von Architekten und Landschaftsarchitekten ist die Schulbaukonferenz Sachsen, die im Januar 2018 zum zweiten Mal stattfand.

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Beitrag der 30. Grundschule „ Am Hechtpark“ Dresden zum Schulgartenwettbewerb 2017. Foto: Melanie Knievel, VWA
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Funktionsschema der Adam-Ries-Grundschule in Berlin. Quelle: Barbara Willecke

Mit Beteiligung und Zusammenarbeit entstehen gute Bildungsräume

Passgenaue Planung gelingt nur durch Beteiligung und Zusammenarbeit von Beginn an. Diese Überzeugung und die Voraussetzungen, die es dafür braucht, vermittelte Barbara Willecke vom Büro planung.freiraum.

An den Beispielen der Kita "Baumstark" in Dresden, der Adam-Ries-Grundschule in Berlin und des Bildungscampus "Am Weinberg" in Dresden erläuterte sie die Vorgehensweise der Planung mit Beteiligung. Die Zusammenarbeit mit den Nutzenden ermöglicht es, auch für komplexe Planungsaufgaben gute Lösungen zu entwickeln. So vereint die Kita "Baumstark" auf einem stark hängigen Gelände den Hort der Schule für Lernförderung mit einer Altersstruktur von sechs bis 14 Jahren mit der Kita für schwerst mehrfach behinderte Kinder von einem bis sechs Jahren. Für keine der beiden Gruppen bot das Gelände vor der Planung gute Bedingungen. Probleme mit der Aufsicht und Nutzungskonflikte bestanden auch an der Adam-Ries-Grundschule mit ihrem unübersichtlichen Gelände und dem Altersspektrum von der ersten bis zur siebten Klasse.

Beteiligung bedarf einer wertschätzenden Grundhaltung und einer Zielstellung. Sie bedeutet, mit allen Nutzenden (Kinder - Jungs und Mädchen, pädagogisches und technisches Personal, Flächenverwaltung) auf Augenhöhe zu arbeiten. Ämter, Feuerwehr und Polizei sind einzubeziehen. Architekten und Landschaftsarchitekten sind gleichberechtigte Partner in diesem Prozess. Beteiligungen sind langfristige Prozesse. Es ist nicht mit dem Abfordern von Wunschzetteln oder einer einmaligen Information der Nutzer zu fertigen Plänen getan. In der Arbeit mit den Nutzenden wird Wissen über den Ort und seine Qualitäten, zum Beispiel Lieblingsorte oder Angsträume, und die pädagogischen Zielstellungen generiert. Um die optimalen Möglichkeiten der Neugestaltung zu nutzen, muss die Frage "Was braucht ihr?" im Mittelpunkt stehen, nicht die Frage "Was wollt ihr haben?". (Finanzielle) Rahmenbedingungen müssen geklärt sein, um Vereinbarungen und Zusagen einhalten zu können. Die Ressourcenverantwortung bleibt bei den Planenden. Beteiligung ändert die Planung! Form folgt Funktionen, folgt Bedürfnissen. Inhaltliche Lösungen werden diskutiert und in ein räumlich funktionales Konzept übertragen, das die Basis für die weitere Planung darstellt. Diese räumlich funktionale Struktur und Gestaltung nimmt Einfluss, ob ein Raum für friedliches Miteinander sorgt oder ob er Dominanten und Aggressionen provoziert und produziert.

Beteiligung macht Selbstwirksamkeit erlebbar und erhöht die Zufriedenheit mit der Freifläche. Die Leistungsfähigkeit eines Ortes und einer Investition werden gestärkt.

Mut zur Beteiligung machten auch Lucas Hilbert und Timo Hesse von der 138. Oberschule in Dresden-Gorbitz. Als Experten für das eigene Schulgelände und die erlebten Schwachstellen und Konflikte entwickelte der Schülerrat konkrete Vorstellungen für den Außenraum. Den Schülern waren zum Beispiel Unterrichtsmöglichkeiten im Freien, die Verbesserung von Ordnung und Sauberkeit, ungestörte Sitzbereiche und mehr Bewegungsangebote wichtig. Sie präsentierten diese Bedürfnisse als Ergebnis ihres in Eigeninitiative durchgeführten schulinternen Beteiligungsverfahrens sehr eindrucksvoll. Auf die im Forum gestellte Frage "Wie geht es da jetzt weiter?" können wir nun sagen, dass die Vorplanung auf Basis der Anregungen der Schülerinnen und Schüler entstand. Sie wurde mit dem Schülerrat der 138. Oberschule diskutiert und von ihm bestätigt.

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Bilddokumentation zur Neugestaltung der Freiflächen in der Kita "Vogelnest" in Neustadt/Sachsen-Beitrag zum 5. Kindergarten-Wettbewerb. Foto: VWA, Melanie Knievel
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Zweijähriger im Kletterbaum – „Wer denkt, Abenteuer seien gefährlich, sollte es mal mit Routine versuchen: Die ist tödlich.“ Paulo Coelho (*1947). Foto: Sigrid Böttcher-Steeb

Bewegung formt das Gehirn

Dr. Dieter Breithecker plädierte für die Verführung zur Bewegung als Voraussetzung für eine gesunde körperliche, geistige und soziale Entwicklung. Ohne körperliche Aktivität ist diese unmöglich. Im sensiblen Entwicklungsalter von der frühen Kindheit bis in das Grundschulalter finden weichenstellende Reifungsprozesse des Gehirns statt, an denen körperliche Aktivität und Bewegung maßgeblich beteiligt sind. Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, bei ihnen findet Lernen im Tun statt. Deshalb benötigen Kinder eine vielfältige und anregungsreiche Umgebung. Sie brauchen Spiel- und Bewegungsräume, in denen der naturgegebene Forscher- und Entdeckerdrang freudvoll, selbstgesteuert und herausfordernd ausgelebt werden kann. Der Raum als dritter Pädagogen ist unerlässlich, damit sie sich selbst ausprobieren, aus eigenen Erfahrungen lernen, etwas wagen und Risiken eingehen können, um Vertrauen in sich zu gewinnen. Um das zu ermöglichen, braucht es Betreuungspersonen, die es zulassen, wenn das Kind sich erprobt und kalkulierbare Risiken eingeht.

Breithecker verdeutlichte, dass die Angebote über die Entwicklung der Kinder entscheiden: Eine reizreiche, herausfordernde Lernumgebung fördert Wohlbefinden, neuronale Plastizität und Lernleistung. Deshalb plädiert er für Spielräume in der Natur und für die naturnahe Planung der Freiflächen, die sich abhängig von den äußeren Bedingungen ändern und immer neue Erlebnisse ermöglichen.

Freiflächen müssen vor allem viel Raum für Bewegung und eigenes, selbstbestimmtes, körperlich aktives Tun bieten. Für die kindliche Entwicklung ist Sport nicht mit Bewegung gleichzusetzen. Möblierte Spiel- und Kletterbereiche halten oft nicht, was sie versprechen. Die Erfahrungen, die ein Kind beim Klettern auf einen Baum macht, haben mit der "Steighilfe Leiter" an manchen Spielgeräten nichts gemein.

Sicherheit und Nachhaltigkeit

"Risiken zu kennen, sie einzugehen, etwas zu wagen, aus Erfahrungen zu lernen - diese Erlebnisse dürfen wir unseren Kindern nicht vorenthalte", betonte auch Michael Salz, Sachverständiger für Spielplatzsicherheit. Wie verträgt sich das mit den Vorgaben der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) und der DIN EN 1176-2008, die bei der Planung zu beachten sind? Grundsätzlich müsse "so sicher wie nötig" gebaut werden, um schwere Unfälle und dauerhafte Schäden zu vermeiden, so der Experte.

Ein Aspekt des Vortrags des Sachverständigen war die Haltbarkeit von Hölzern. Seine Thesen: Bei kesseldruckimprägniertem Holz führen höhere Umweltauflagen mangelhaften Holzschutz. Bei der Robinie führt die große Nachfrage dazu, dass das in kurzer Zeit in Plantagen produzierte Holz nicht mehr die gewünschte Dauerhaftigkeit aufweist. Totholz oder abgesetzte Bäume sind als Standpfosten komplett ungeeignet und haben zu schweren Unfällen geführt. Ebenso Einmastgeräte, die beim Versagen der Träger zusammenbrechen. Derzeit diskutiert man ebenfalls die Eignung von Fallschutzbelägen, weil sie auch seitliche Bewegungen abrupt abbremsen und es dadurch zu Verletzungen kommen kann. Beim Spiel mit Wasser ist im Kleinkindbereich, bei versprühtem Wasser sowie bei wasserhahnartigen Auslässen Trinkwasserqualität sicherzustellen, um unter anderem Gefährdungen durch Legionellen auszuschließen.

Auch naturnah gestaltete Spielanlagen brauchen professionelle Planung bei der Sicherheit: Lebende (!) Bäume als Pfosten zu benutzen ist möglich, wenn Standfestigkeit - es wirken extreme Zugkräfte etwa bei Slacklines -, Totholzentfernung, Stammschutz sowie Überprüfung und Überarbeitung der Befestigungen beachtet werden. Bei der Gestaltung mit Findlingen und Natursteinen sind der sichere Halt wie durch Fundament und Untergrabeschutz und die Kantenrundung unbedingt sicherzustellen.

Strauchpflanzungen und Weidenkonstruktionen bedürfen der regelmäßigen und sachgemäßen Pflege. Geschieht das nicht, können auch bei ursprünglich sicheren Anlagen Spieße in Augenhöhe und Kopffangstellen entstehen.

Giftige Pflanzen und die vielfältigen und widersprüchlichen Anforderungen an die Pflanzenverwendung waren Themen, die Stephan Holfert und Halina Starkloff vom Amt für Stadtgrün und Abfallwirtschaft im Beitrag "Gut gestaltet - auch gut zu pflegen?" aufgriffen. Die Anforderungen reichen den beiden Referenten zufolge von "keine störenden Früchte" über "schöne Blüten", "geometrischer Wuchs" bis hin zu ihrer Eignung als Spiel- und Vogelnistgehölz. Deshalb brauche die Planung eine Zieldefinition. Mit der Einrichtung sei zu klären, ob sie beispielsweise einen Apfelbaum auf dem Gelände haben möchte und an welcher Stelle die Äpfel als Früchte erlebbar werden und nicht als Matsch auf dem Pflaster.

Immer wieder gibt es von Auftraggebern und Eltern die Forderung, auf giftige Pflanzen zu verzichten. Das ist nahezu unmöglich, da fast alle Pflanzen giftige Anteile enthalten. Eine gute Orientierung zur tatsächlichen Giftigkeit und als Gesprächsgrundlage bietet die Übersicht des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.

Wichtige Planungsfaktoren für Pflanzungen sind die extremen Standortbedingungen an vielen Schulen und Kindertagesstätten. Während das Kleinklima am Gebäude durch Schatten, Gebäuderückstrahlung und Trockenheit definiert ist, sind andere Flächen stark verdichtet und damit undurchlässig für Wasser und Luft oder bieten nur wenig Wurzelraum. Die natürlichen Bedingungen in der Stadt sind für Bäume lebensfeindlich. Ihnen gute Entwicklungsmöglichkeiten zu schaffen, ist gerade in Bildungseinrichtungen unverzichtbar. Nur so können sich Bäume artgerecht entwickeln und ihren Beitrag für eine gute Aufenthaltsqualität leisten.

Die beste Freiraumplanung ist wertlos, wenn die Stauden, Sträucher und Bäume nicht gedeihen und das Gelände, Boden- und Sportplatzbeläge später nicht oder nur mit erheblichem finanziellen Aufwand zu pflegen sind.,

Grundsätzlich müssen Freiflächen erreichbar sein, was oft schon mit der Anordnung von Flächen und Funktionen auf dem Gelände entschieden wird. Sind Freiflächen zugänglich für die erforderliche Technik, beispielsweise für Hubsteiger zur Pflege von Bäumen und Kletterpflanzen? Kann Schnittgut, Mähgut und Unkraut abtransportiert werden oder muss das Unkraut des Sporthallendachs durch eine Dachluke getragen werden? Sind auch bei ungünstiger Witterung genügend Freiflächen nutzbar? Steht die Pflegeintensität im Verhältnis zum Unterhaltungsbudget und ist die Pflege darauf abgestimmt, wer pflegt? Das können Fachfirmen oder Hausmeister, Pädagogen, Eltern und Schüler sein. Hier ist es Aufgabe der Planung, die Pflegeziele zu definieren und abzustimmen. Gelungene Außengelände, in denen es sich langfristig leben, spielen und lernen lässt, benötigen Pflege, die nicht nach dem Prinzip Hoffnung, sondern mit Überlegung geplant wird.

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Anforderungen an die Pflanzenverwendung. Quelle: Amt für Stadtgrün und Abfallwirtschaft Dresden
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Schulgelände der 4. Grundschule, Schweizer Straße, Dresden. Foto: Halina Starkloff

Spielen in der Stadt

Spielräume, noch dazu mit guter Ausstattung, sind besonders in den Innenstädten eher Mangelware. Um die Situation zu verbessern, könnten ausgewählte Freiräume von Schulen oder Kitas als "Spielhöfe" nachmittags und an den Wochenenden öffnen. Viele Städte würden damit ihr Defizit an Spielplätzen verringern. Dennoch wird Schulhoföffnung in Deutschland bisher nur in geringem Umfang praktiziert. Verschiedene Zuständigkeiten und Trägerschaften, Angst vor Lärm und Vandalismus und vor Beschwerden der Nachbarschaft sind Beispiele für Hindernisse. Einige Städte haben positive Erfahrungen mit für die Allgemeinheit geöffneten Schulhöfen: "Wenn man es probiert, kann es durchaus gelingen"- so der Tenor von Gerd Matthes aus der Landeshauptstadt München. Anreize, Bürgerbeteiligung, ehrenamtliches Engagement - zum Beispiel für einen verlässlichen Schließdienst - aber auch ein zusätzliches Budget für Reinigungs- und Reparaturarbeiten und die Bespielbarkeit des gesamten Außenraums sowie Überlegungen zur Abgrenzung von Sportflächen, die von Vereinen genutzt werden, sind einige der notwendigen Voraussetzungen. Neben dem gewonnenen Spielraum sind die soziale Kontrolle, aber auch der Kontakt der Stadtbewohner und verschiedener Generationen untereinander weitere Vorteile.

Optimal ist es, wenn die Öffnung des Geländes bereits in der Planungsphase für das gesamte Projekt entsprechend berücksichtigt wird und damit eine günstige Raumaufteilung, aktive Förderung und Befürwortung des Projektes möglich sind.

Zeigen, was möglich ist

Neben der Diskussion zu Problemen, Verboten und Hindernissen war es bereits in der Konzeption der Tagung ein Anliegen, dem Auditorium Ideen, Visionen, Inspirationen und Vorstellungen für "das Machbare" mit auf den Weg zu geben. Sozusagen als Ermutigung, dass es sich lohnt und es gelingen kann, gemeinsam gute Freiräume für und mit unseren Kindern und Jugendlichen und für ihre gesunde Entwicklung zu planen.

So präsentierte die tagungsbegleitende Ausstellung beeindruckende Beiträge aus dem Sächsischen Kinder-Garten-Wettbewerb und dem Sächsischen Schulgartenwettbewerb. Beide Wettbewerbe unterstützen und fördern mit den zugehörigen Fachtagungen und Exkursionen seit Jahren wirkungsvoll Eigeninitiativen der Bildungseinrichtungen zur Entwicklung ihrer Freiräume als Bildungs- und Naturraum zum gesunden und naturbewussten Aufwachsen, so Eileen Hornbostel (Sächsische Landesvereinigung für Gesundheitsförderung und Barbara Kroll (Landschaftsarchitektin und "Fachberaterin für Natur-Erlebnis-Räume").

So dokumentieren die Wettbewerbsbeiträge das Engagement und den Ideenreichtum der Akteure und machen Mut, selbst die Initiative zu ergreifen, um Freiräume weiterzuentwickeln.

Claudia Blaurock, ebenfalls Mitglied der AG Bildungsräume der BDLA-Landesgruppe Sachsen, initiierte vor einigen Jahren eine nunmehr jährlich stattfindende Bustour zu Freiflächen an Bildungseinrichtungen. Zur Tagung präsentierte sie aus diesen Bustouren die verschiedensten Impressionen zu unterschiedlichen Schulen und Kitas. Gleichzeitig hatte der Film "Kinder-Gärten - ein Film des bdla Sachsen" Premiere. Sowohl Bilder als auch der Film gaben Anregung, wie gut gestaltete Freiräume an Bildungseinrichtungen entstehen können und die all das vereinen, was den Referentinnen, Referenten des 21. Forums Stadtgrün eine Herzensangelegenheit für das gesunde Aufwachsen unserer Kinder ist.

 Cornelia Borkert
Autorin

Öffentlichkeitsarbeit, Landeshauptstadt Dresden, Amt für Stadtgrün und Abfallwirtschaft

 Halina Starkloff
Autorin

Planung/Projektmanagement, Landeshauptstadt Dresden, Amt für Stadtgrün und Abfallwirtschaft

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