Eine Neuinterpretation infolge eines Museumsneubaus

Der Küchengarten im Schlosspark Rosenau bei Coburg

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Küchengärten Parks und Gärten
Ehemaliger Küchengarten nach der 1986 vorgenommenen landschaftlichen Umgestaltung, Senkrechtluftaufnahme, Juni 2005. Foto: Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung München
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Albert Wagner: Vorschlag zur Erweiterung des bestehenden Glasmuseums in Form eines Anbaus an die historische Orangerie, Oktober 2005. Foto: Bayerische Schlösserverwaltung, Archiv der Gärtenabteilung

Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha (reg. 1844-1893) ordnete 1849 an, dass jenes Überwinterungshaus, das sein Vater Ernst I. um 1820 für seine umfangreiche Pflanzensammlung im Kammergut Oeslau hatte errichten lassen, in den Park Rosenau zu translozieren ist. Dort bildete es fortan den axialen Bezugspunkt eines neuen Küchengartens, der damals in repräsentativer Weise neben der Hauptzufahrt von Coburg zum Schloss Rosenau angelegt worden war.

Sowohl die Lage als auch die Gestaltung dieses herrschaftlichen Nutzgartens gaben den Einfluss der viktorianischen Gartenkunst zu erkennen. Das kann nicht verwundern, denn Königin Victoria von Großbritannien und Irland war seit 1840 mit Prinz Albert, dem jüngeren Bruder von Herzog Ernst II., verheiratet.

1919 gelangten Schloss und Park Rosenau in staatlichen Besitz, konkret in die Obhut der Coburger Landesstiftung, die den Küchengarten samt Pflanzenhaus und ehemaligem Hofgärtnerhaus verpachtete. 1972 übernahm die Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen die Gesamtanlage Rosenau. Das auf einer Fachwerkkonstruktion basierende Pflanzenhaus erhielt erst 1877 seine endgültige Form durch die Verlängerung um jeweils zwei Fensterachsen nach Osten und Westen. 1981 musste es wegen Baufälligkeit notgesichert werden. In den Folgejahren wurde dieses nun als "Orangerie" bezeichnete Gebäude grundlegend saniert, von 1989 bis 2008 diente es den Kunstsammlungen der Veste Coburg als "Museum für modernes Glas".¹

Zur Entwicklung des Rosenauer Küchengartens

Die 1862 gravierte Flurkarte der Coburger Steuerkatastervermessung veranschaulicht die Struktur und die funktionelle Gliederung des Küchengartens sowie den Standort des zunächst "Palmenhaus" und heute "Orangerie" genannten Pflanzenhauses.²

Vor diesem Gebäude breitete sich axialsymmetrisch eine kleine rechteckige Schmuckanlage mit einem mittig angeordneten Wasserbecken aus. Westlich davon befanden sich anfangs ein Ananashaus und acht Treibkästen, später vier Gewächshäuser. Östlich von der Orangerie lag ein kleines Wirtschaftsgebäude, an das sich nach Süden ein lang gestrecktes und wohl der Blumenzucht dienendes Areal mit regelmäßiger Unterteilung anschloss. Den relativ großflächigen Mittelteil des Küchengartens nahm das Grabeland ein, das gleichmäßig in rechteckige, zum Teil auch trapezförmige Gemüse- und Kräuterbeete mit unterschiedlich breiten Binnenwegen und sehr schmalen, sicherlich unbefestigten Arbeitsgängen gegliedert war. Darauf folgte nach Süden ein Quartier, das im regelmäßigen Wechsel groß- und kleinkronige Obstbäume aufwies. Parallel zum zentralen Hauptweg verlief eine schmale geradlinige Böschung von etwa zwei Meter Höhe, die die beiden nahezu ebenen Bereiche des Küchengartens trennte und zwar die tiefer gelegene Fläche vor dem Orangeriegebäude von der höher gelegenen vor den Gewächshäusern. Die Einfriedung des Küchengartens wurde von Gehölzen begleitet, wobei die südliche Grenzpflanzung den Ausblick in die Landschaft und zur Veste Coburg zuließ.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts öffnete sich am Ende der zur Rosenau führenden Kastanienallee ein Blickfächer, der im Osten das auf einem Hügel stehende neugotische Schlösschen, in der Mitte den Tiefenzug in den Landschaftspark und im Westen den Küchengarten mit der Orangerie sowie das Wohnhaus des Hofgärtners darbot. Eine Aufnahme der anglo-amerikanischen Luftaufklärung vom 8. April 1945 belegt, dass die Grundstruktur des ehemaligen Nutzgartens am Ende des Zweiten Weltkriegs noch weitgehend unverändert vorhanden war.³ Dieser Zustand ging erst 1955 nach einem Pächterwechsel verloren. An die Orangerie wurde ein großer Gewächshauskomplex angebaut und auf dem ehemaligen Grabeland eine ausgedehnte Frühbeetanlage errichtet. Nach dem Konkurs des Gartenbaubetriebes und zwei weiteren Verpachtungen war der bauliche Zustand äußerst kritisch. Alle in den 1950er-Jahren entstandenen gärtnerischen Anlagen mussten vollständig beseitigt werden. Schließlich erfuhr der ehemalige Küchengarten 1986 eigenartigerweise eine gravierende Umgestaltung ohne Rücksicht auf die originäre Funktion und die einstigen Proportionen sowie unter Vernachlässigung der wenigen überkommenen Reste der historischen Substanz: Relevante Merkmale, wie Geländeform, Flächengliederung und Wegeverlauf, wurden aufgegeben und durch eine "Neuschöpfung" im landschaftlichen Stil und einen vor der Südfassade der Orangerie eingefügten formalen Rosengarten ersetzt.

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Schlosspark Rosenau, Blick von Westen auf den 2008 angelegten "Rastergarten" im Bereich des ehemaligen Küchengartens zwischen historischer Orangerie und "Europäischem Museum für modernes Glas". Foto: Helmut Wiegel 2019
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Schlosspark Rosenau, Areal des Küchengartens, Flurkarte N.W.103-17a der Coburger Steuerkatastervermessung (Ausschnitt), 1862. Foto: Vermessungsamt Coburg
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Mathias Pfeil: Vorschlag eines separaten Baukörpers für das neue Glasmuseum als Pendant zur Orangerie, März 2006. Foto: Bayerische Schlösserverwaltung, Archiv der Gärtenabteilung
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Lothar Schätzl: Vorschlag zur Einordnung des neuen Glasmuseums unter Bezugnahme auf die Hauptwege des ehemaligen Küchengartens, Juli 2006. Foto: Bayerische Schlösserverwaltung, Archiv der Gärtenabteilung

Ein "Museum für modernes Glas"

Im Oktober 2005 schlug der Coburger Unternehmer und Kunstmäzen Otto Waldrich (1923-2017) überraschend vor, das bisherige Glasmuseum durch einen langgestreckten und im rechten Winkel an die historische Orangerie angebauten Flügel zu erweitern. Dafür stellte er eine Spende in Höhe von 3 Millionen Euro in Aussicht; mit der Planung hatte er bereits den Architekten Albert Wagner aus Coburg beauftragt.

Den Anbau begründete Waldrich vor allem damit, dass auf diese Weise kein zusätzliches Museumspersonal für die Kunstsammlungen der Veste Coburg als Betreiber des Glasmuseums erforderlich sei und nur kurze Wege zum benachbarten Parkrestaurant bestünden. Dagegen blieben die Genese und die kulturhistorische Bedeutung der Orangerie und ihres unmittelbaren Umfeldes völlig unberücksichtigt.

Der damalige bayerische Staatsminister der Finanzen, Prof. Dr. Kurt Faltlhauser, erklärte schon bald, dass er diese Spende nicht ausschlagen werde, zumal er Sponsorengelder aus der Wirtschaft für kulturelle Zwecke sehr begrüße.4 Angesichts dieser politischen Willensbekundung musste die Bayerische Schlösserverwaltung als nachgeordnete Behörde des Finanzministeriums ihre berechtigten Bedenken gegen einen Museumsneubau innerhalb des historischen Gartens zurückstellen. Als Denkmalbehörde hatte sie aber zu versuchen, den Anbau an die Westseite der Orangerie zu verhindern und eine von der Politik und vom privaten Geldgeber gleichermaßen akzeptierte Lösung zu finden. Zunächst gelang es, Interesse für einen separaten Baukörper als Pendant zum Orangeriegebäude zu wecken.

Am 12. Mai 2006 legte Staatsminister Faltlhauser die Baulinie des neuen Museums persönlich vor Ort fest; dazu äußerte er sich rückblickend beim Festakt anlässlich des 90. Geburtstags von Otto Waldrich am 11. September 2013: "Der ehemalige bayerische Finanzminister Kurt Faltlhauser ließ süffisant noch einmal die damaligen Ereignisse Revue passieren, bis zu dem Punkt, als er sich gegen seine eigenen Beamten gestellt und den Neubau samt Platz in der Landschaft bestimmt hatte".5

Damit war im Mai 2006 die grundsätzliche Entscheidung gegen einen Anbau an die Orangerie gefallen. Es lag nun am Geschick der Bayerischen Schlösserverwaltung, im weiteren Planungsprozess Korrekturen zugunsten des denkmalgeschützten Gartens vorzunehmen. Als erstes konnte der neue Baukörper fast bis an die heutige Grundstücksgrenze und damit an die südliche Außengrenze des ehemaligen Küchengartens verschoben werden. Dann gelang es, die parallele und axial-symmetrische Ausrichtung des Neubaus zur Orangerie abzuwenden. Hierfür war die Tatsache ausschlaggebend, dass die historischen Gebäude im Landschaftspark Rosenau - abgesehen von den Wirtschaftsgebäuden unweit des Schlosses - als staffageartige Bauten ohne formale Bezüge zueinander gruppiert sind, was sich insbesondere im Fall von Orangerie, Hofgärtnerhaus und "Teehaus" (dem jetzigen Parkrestaurant) in der direkten Nachbarschaft des Museumsneubaus zeigt. Es bot sich an, die beiden divergierenden Hauptwege des ursprünglichen Küchengartens als Bezugslinien für die künftige Gebäudestellung zu nutzen: Demnach sollte das Orangeriegebäude - analog zum 19. Jahrhundert - rechtwinklig zum westlichen Weg, das neue Museum dagegen rechtwinklig zum östlichen Weg stehen. Diese Überlegungen fanden ihren Niederschlag in einer Skizze, die der Leiter der Bauabteilung Lothar Schätzl (1945-2017) nach eingehender Diskussion mit dem Verfasser am 13. Juli 2006 anfertigte.

Diesen Vorschlag unterstützten sowohl der Vizepräsident der Bayerischen Schlösserverwaltung Dr. Johannes Erichsen als auch Mathias Pfeil, der im August 2006 die Leitung der Bauabteilung übernahm. Der Spatenstich erfolgte unter Beteiligung von Minister Faltlhauser am 22. März 2007, das Richtfest fand am 21. September 2007 statt.6 Am 11. Oktober 2008 wurde das "Europäische Museum für modernes Glas" feierlich eröffnet.7

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Benjamin Eiband, Felix Huber und Roberto Kaiser: Siegerentwurf des studentischen Ideenwettbewerbs "Auf den Spuren eines viktorianischen Küchengartens" (Ausschnitt), Juli 2007. Foto: Bayerische Schlösserverwaltung, Archiv der Gärtenabteilung
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Helmut Wiegel: Übersichtsblatt "Park Rosenau. Freiflächen zwischen Europäischem Museum für modernes Glas und historischer Orangerie (ehem. Küchengarten)", 8. September 2008. Foto: Büro Helmut Wiegel, Landschaftsarchitektur und Gartendenkmalpflege

Die Suche nach einer adäquaten Freiflächengestaltung

Die zwischen der Bayerischen Schlösserverwaltung und der "Stiftung Glasmuseum im Park Rosenau" geschlossene Vereinbarung zur Errichtung des Museumsgebäudes sicherte der Bayerischen Schlösserverwaltung die alleinige Zuständigkeit für die Gestaltung, Finanzierung und Realisierung aller Außenanlagen im Umfeld des Neubaus zu, mit Ausnahme der rückseitigen Anlieferstraße, die rampenartig auf die Ebene des Kellergeschosses führt. Dadurch war die Gärtenabteilung als zuständige Fachabteilung in der Lage, weitgehend eigenständig ihre gestalterischen, funktionellen und technischen Vorstellungen unter Beachtung gartendenkmalpflegerischer Belange umzusetzen.8 Von Anfang an bestand die Absicht, die Grundstruktur des einstigen Küchengartens in Form eines "Rastergartens" wieder sichtbar zu machen.

Auf Anregung des Verfassers richtete der Lehrstuhl für Landschaftsarchitektur und öffentlichen Raum der Technischen Universität München im Sommersemester 2007 einen studentischen Ideenwettbewerb aus, den die Professorin Regine Keller als Ordinaria entscheidend unterstützte.9 Benjamin Eiband, Felix Huber und Roberto Kaiser favorisierten mit ihrem Siegerentwurf "Zeitsprünge" ebenfalls die Idee einer Freifläche mit orthogonalem Wegeraster und verknüpften in attraktiver und origineller Weise historische und moderne Gestaltungselemente.¹0

Die Preisträger erfüllten überwiegend die Anforderungen eines Vorentwurfs und erhielten deshalb neben dem Preisgeld auch eine Vergütung nach Leistungsphase 2 der HOAI. Allerdings mussten aus denkmalpflegerischen und finanziellen Gründen verschiedene Vorschläge unberücksichtigt bleiben, etwa das schmale Wasserbecken parallel zur Orangerie oder die Stützmauer aus Naturstein anstelle der ehemaligen Rasenböschung. Mit der Modifizierung der Planung und ihrer Umsetzung, das heißt mit den HOAI-Leistungsphasen 3 bis 9, beauftragte die Bayerische Schlösserverwaltung das renommierte Büro für Landschaftsarchitektur und Gartendenkmalpflege Helmut Wiegel aus Bamberg.¹¹

Die Arbeiten an den Freiflächen konnten erst Anfang Mai 2008 nach dem Einbau eines neuen Drainagesystems und der Trockenlegung des Geländes begonnen werden. Alle umfangreichen und insbesondere Spezialmaschinen erfordernden Leistungen, wie Erdarbeiten samt Grobplanum, der Einbau von Drainagen und Wegetragschichten, Beton-, Pflaster- und Asphaltarbeiten wurden Fremdfirmen übertragen. Alle anderen Arbeiten realisierte der Regiebetrieb der Schloss- und Gartenverwaltung Coburg vorrangig mit seinen drei Auszubildenden der Fachrichtung Garten- und Landschaftsbau.¹²

Baubegleitend wurden zudem gezielte gartenarchäologische Untersuchungen durchgeführt.¹³ Der "Rastergarten" mit allen Wegen und Rasenflächen sowie die markante Rasenböschung waren zur Eröffnung des Museums Anfang Oktober 2008 fertiggestellt. Die Obstbäume wurden im Frühjahr 2009, die amöbenförmigen Zierbeete im Herbst 2009 ergänzt. Die Gesamtkosten für die Planung und Ausführung der Freiflächen, einschließlich der Neuanlage der Buswendeschleife und der Sanierung des bereits vorhandenen Besucherparkplatzes, betrugen rund 450.000 Euro.

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Ursprüngliche Rasenböschung im Neigungsverhältnis von 1 : 1,55 während der Wiederanlage auf der Basis eines Aufmaßes von 1984, Mai 2008. Foto: Rainer Herzog
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Amöbenförmige Zierbeete während des Einbaus auf dem ehemaligen Grabeland mit dem 2008 angelegten Raster aus Schotterrasenwegen, Oktober 2009. Foto: Kurt Grübl

Gestalterische und technische Details

Das ursprüngliche Grabeland südlich der Orangerie ist als ebene Rasenfläche angelegt und durch Schotterrasenwege gegliedert, die das für dieses Areal einst charakteristische Raster aus untergeordneten Binnenwegen zurückhaltend sichtbar machen. Die beiden seitlichen Hauptwege sind wassergebunden ausgeführt, erhielten jedoch nur kurzlebige Begrenzungen in Form bündig eingebauter Fichtenbretter. Anstelle der ursprünglichen Schmuckanlage vor der Orangerie erstreckt sich jetzt eine wassergebundene Platzfläche, die eine Aufwertung mit wenigen, für die Rosenau nachgewiesenen Kübelpflanzen in lockerer Anordnung erfährt. Da die historische Orangerie aufgrund ihrer ganzjährigen Nutzung als Veranstaltungsort nicht mehr als Überwinterungsquartier zur Verfügung steht, erfolgte bislang eine Beschränkung auf die in der Pflege relativ unproblematischen Arten Magnolia grandiflora und Phoenix canariensis, von denen die Rosenau 2008 mehrere Exemplare als Grundstock vom Schlosspark Pillnitz und vom Hofgarten Würzburg erhielt.

Die moderne Schicht über der Ebene des angedeuteten Grabelandes besteht aus 13 amöbenförmigen Zierbeeten, die Professor Regine Keller spontan als "Fliehende Beete" bezeichnete, weil sie die Assoziation erwecken, als würden sie weg vom Museumsneubau hin zur historischen Orangerie als dem authentischen Erinnerungsort an die einstige Gartenkultur "fliehen". Diese Beete besitzen Einfassungen aus sandgestrahltem Metallband, das etwa 8 Zentimeter über die Geländeoberkante hinausragt und dessen oberer Rand aus Gründen der Verkehrssicherheit einmal gefalzt wurde. Außerdem wurde das Erdsubstrat jedes einzelnen Beetes leicht hügelartig aufgeschüttet und individuell ausgeformt, sodass der Eindruck von "Gemüse- und Blumenkörben" entsteht. Ihre Bepflanzung spiegelt die gesamte Bandbreite der reichen Gartenkultur des früheren Nutzgartens in all seinen Entwicklungsphasen wider: einjährige Frühjahrs- und Sommerblumen, Zwiebelpflanzen, Dahlien, Stauden, Gemüse, Kräuter und Rosen. Beim Gemüse und Wechselflor variiert das verwendete Sortiment selbstverständlich von Jahr zu Jahr.

Da die Firsthöhe des neuen Museumgebäudes nach Vorgabe der Bayerischen Schlösserverwaltung die Firsthöhe der Orangerie nicht überragen durfte, kam es im Vorfeld des Museums zu einer partiellen Absenkung des ursprünglichen, von West nach Ost leicht geneigten Geländes bis zu einem halben Meter. Der daraus resultierende Höhensprung im Bereich der Grenzlinie zwischen den angedeuteten Nutzungsbereichen "Grabeland" und "Obstquartier" wurde in Anlehnung an das einst hier vorhandene Beerenobst mit einer Hecke aus Ribes alpinum kaschiert, die wegen ihres ungünstigen Wuchses jedoch 2016 durch Cornus mas ersetzt werden musste.

Der Museumsneubau steht komplett innerhalb des vormaligen Obstquartiers des Küchengartens. Deshalb wurden im Umgriff des Gebäudes 35 hochstämmige Obstbäume gepflanzt, die das moderne Bauwerk an drei Seiten umspielen und es nach und nach eingrünen und damit zur angestrebten Einbindung in den historischen Garten beitragen werden.

Dabei wurde das originäre, durch die Flurkarte von 1862 überlieferte Pflanzraster zugrunde gelegt, wobei nicht alle sich daraus ergebenden Baumstandorte, insbesondere auf der Platzfläche nördlich des Museumsbaus, genutzt wurden. Diese bewusst sichtbar gelassenen Fehlstellen weisen letztlich auch auf die Brüche in der Genese der Anlage hin. Die Artenauswahl beschränkte sich 2009 auf das Apfel-Sortiment, das durch historische Inventare belegt ist, unter anderem durch den "Catalog über Sämmtliche Obstbäume im Herzogl. Garten zu Oeslau wie sie gegenwärtig bestehen, gefertigt am 1. Januar 1818".¹4 Zudem fanden überlieferte Besonderheiten Berücksichtigung; so wurde die Sorte "Renet de Angleter" (Reinette d'Angleterre, Englische Renette) - der "Leib Apfel" von Herzog Ernst I. - im Eingangsbereich des Museums gepflanzt.¹5 Aufgrund der schwierigen Standortbedingungen auf der Kiesfläche vor der nördlichen Glasfassade des Museums wurde wegen seiner Robustheit ausschließlich der einst um Bamberg und Nürnberg angebaute und letztlich weit über Franken hinaus verbreitete "Rote Eiserapfel" verwendet, eine aus dem 16. Jahrhundert stammende Sorte, die unter anderem auch den Namen "Paradiesapfel" trägt.¹6

Die nicht öffentlich zugänglichen, aber vom Besucherparkplatz und dem Eingangsbereich her einsehbaren südexponierten Erdanschüttungen an der Rückseite des Museumsgebäudes erhielten eine deutlich andersartige Bepflanzung. Hier kamen lediglich zwei den Standortbedingungen zwar entsprechende, aber nicht autochthone Gehölzarten zur Anpflanzung, zum einen flächendeckend Zwerglatschen (Pinus mugo var. pumilo) und zum anderen wenige Krummholzkiefern (Pinus mugo ssp. mughus), die in den konkaven Ecken der fensterlosen Fassade punktuelle Akzente setzen. Durch diese uniforme Bepflanzung mit ortsuntypischer Vegetation wurde dem Kontrast Rechnung getragen, der sich aus dem fremdartigen Charakter des modernen Glas-Stahl-Beton-Bauwerks und der noch heute angrenzenden Agrarlandschaft ergibt. Das Flachdach des rückseitigen Anbaus wurde durchgehend mit einer handelsüblichen Sedum-Mischung begrünt. Der Höhenunterschied zwischen Museum und Besucherparkplatz beziehungsweise Buswendeschleife ist durch Sichtbetonmauern und eine breite Treppe abgefangen; die zentrale Vorfläche im Zugangsbereich und die seitliche Behindertenrampe erhielten eine Befestigung mit Betonpflaster. Statt der zunächst vom Sponsor gewünschten Taxus-Hecke parallel zur Glasfassade des Museums wurde ein schlichter, als Bank dienender Kubus aus naturbelassenen Lärchenholzlatten eingefügt. Dagegen wurden die weiß lackierten Bänke im Bereich der Orangerie nach historischem Vorbild angefertigt.

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"Fliehende Beete" mit differenzierter Bepflanzung aus Gemüse, Stauden, Dahlien und einjährigen Sommerblumen im Vorfeld der historischen Orangerie, August 2011. Foto: Rainer Herzog
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Obstbäume im Eingangsbereich des "Europäischen Museums für modernes Glas", August 2010. Foto: Rainer Herzog

Denkmalpflegerische Bewertung

Angesichts der durch den Museumsneubau völlig veränderten Situation und eingedenk der zur Verfügung stehenden Pflegekapazitäten wurde von Anfang an auf eine Rekonstruktion des ehemaligen Küchengartens mit pflegeintensiven Gemüsekulturen verzichtet. Stattdessen galt es, relevante gestalterische und funktionelle Bestandteile in prinzipieller Übereinstimmung mit der Anlage des 19. Jahrhunderts wiederzugewinnen oder zumindest anzudeuten. Hierzu zählen in der Kernzone die ebene Fläche des ehemaligen Grabelandes mit seinem klaren Wegeraster, die prägnante Geländestufe in Form einer Rasenböschung sowie das fragmentarische Obstquartier. In den peripheren Bereichen beiderseits des zentralen "Rastergartens" wurde die auf die Umgestaltung von 1986 zurückgehende Struktur mit ihrem Wegenetz und Baumbestand nahezu unverändert beibehalten, um auch an diese Entwicklungsphase des Gartens zu erinnern. Zur didaktischen Vermittlung der realisierten Gesamtlösung vor dem Hintergrund der Geschichte des Rosenauer Küchengartens präsentierte die Gärtenabteilung der Bayerischen Schlösserverwaltung bei der Museumseröffnung im Oktober 2008 eine Dokumentation auf zwölf großformatigen Text-Bild-Tafeln, die noch heute in der Orangerie gezeigt werden.¹7

Auf der Grundlage der aktuellen gartendenkmalpflegerischen Methodik gelang es letztlich, ein ästhetisch reizvolles und von historischen und modernen Komponenten gleichermaßen geprägtes Konzept umzusetzen. 2014 führte der Gartenhistoriker Dr. Clemens Alexander Wimmer unter dem Begriff "Der angepasste Neuentwurf" aus: "Entwürfe, die gewisse Prinzipien der historischen Epoche aufnehmen, aber deutlich als Schöpfung der Gegenwart erkennbar sind, werden aus denkmalethischen Gründen zu Recht geschätzt"; als "gelungene Beispiele aus jüngster Zeit" nannte er unter anderem "die Anlagen neben der Orangerie Herrenhausen, die Blumenbeete am Muskauer Schloss und das Parterre im Coburger Küchengarten", das heißt die Freiflächen zwischen dem "Europäischen Museum für modernes Glas" und der historischen Orangerie im Schlosspark Rosenau.¹8

Anmerkungen

¹ Zur Genese des Küchengartens in der Rosenau siehe David, I. (2013): Die herzogliche Gärtnerei im Schlosspark Rosenau, in: Orangeriekultur im Herzogtum Sachsen-Gotha, Schriftenreihe des Arbeitskreis "Orangerien in Deutschland" (Hrsg.), Band 8, Petersberg, S. 162-171 sowie Herzog, R. (2013): Die Orangerie der Rosenau im 20. Jahrhundert, in: Orangeriekultur im Herzogtum Sachsen-Gotha, des Arbeitskreises "Orangerien in Deutschland" (Hrsg.), Band 8, Petersberg, S. 172-199. - Zu viktorianischen Küchengärten siehe insbesondere Brown, J. (1991): Kunst und Architektur englischer Gärten. Entwürfe aus der Sammlung des Royal Institute of British Architects von 1609 bis heute, Stuttgart, S. 97.

² Die nachfolgende Beschreibung des ursprünglichen Küchengartens in der Rosenau basiert auf der Flurkarte von 1862 sowie auf historischen Akten, Zeichnungen und Fotografien.

³ Die Luftaufnahme vom 8. April 1945 ist abgebildet in Herzog 2013 (wie Anm. 1), Abb. 1 auf S. 173.

4 Entsprechende Äußerungen von Staatsminister Faltlhauser über das private Stiftungswesen enthält der Artikel von Braunschmidt, Wolfgang: Glücksfall für Coburg und die Region. Otto Waldrich feiert in der Rosenau seinen 90. Geburtstag. Dort steht das Europäische Museum für modernes Glas, das auf seine Initiative und Förderung zurückgeht, in: Neue Presse Coburg vom 12. September 2013, S. 9.

5 C. H. (2013): Waldrich-Ehrung. Eine Büste für den Wohltäter, in: Coburger Tageblatt vom 12. September 2013, S. 16 (Feuilleton).

6 Pressemitteilung 58/2007 des Bayerischen Staatministeriums der Finanzen vom 22. März 2007. - Pressemitteilung der Bayerischen Verwaltung der staatl. Schlösser, Gärten und Seen vom 21. September 2007.

7 Neben der zeitnahen Berichterstattung in den regionalen Tageszeitungen kommt folgendem Artikel besondere Bedeutung zu: N. N.: Über die gläserne Treppe ins Obergeschoss. Neubau des Europäischen Museums für Modernes Glas im Park Rosenau bei Coburg wurde eröffnet, in: Bayerische Staatszeitung, Nr. 47 vom 21. November 2008, S. 15 (Neues Bauen in Bayern).

8 Projektleitung: Rainer Herzog unter Mitarbeit von Dr. Alfred Schelter und Kurt Grübl.

9 Wettbewerbsausschreibung unter www.lao.ar.tum.de/fileadmin/user_upload/schauraum/sommer_07/wb_rosenau/Wettbewerbsaufgabe_20.3.07.pdf. - Wettbewerbsergebnisse unter: www. lao.ar.tum.de/lehre/schauraum/projekte_200708/ideenwettbewerb-rosenau.

¹0 N. N.: Neugestaltung des Küchengartens im Schlosspark Rosenau, in: Garten + Landschaft 9/2007, S. 41.

¹¹ Federführung: Helmut Wiegel unter Mitarbeit von Andreas Rinneberg.

¹² Örtliche Koordination durch die Schloss- und Gartenverwaltung Coburg: Matthias Müller. - Organisation und Überwachung der Ausführung durch den Regiebetrieb: Steffen Schubert.

¹³ Durchführung der Grabung und Dokumentation der Befunde: Dieter Hittinger, Bamberg.

¹4 Staatsarchiv Coburg, Hofamt 144: "Catalog über Sämmtliche Obstbäume […]", unterzeichnet von den Hofgärtnern Möckel und Eulefeld.

¹5 Ebenda, fol. 65, Position Nr. 37: "Renet de Angleter" mit dem Vermerk "Herzogs Leib Apfel".

¹6 Zum zeitgenössischen Apfelsortiment siehe insbesondere Hinkert, W. (1836): Systematisch-geordnetes Handbuch der Pomologie, mit Inbegriff der in der königl. bayerischen Central-Obstbaumschule zu Weyhenstephan bei Freising aufgestellten und cultivirten, Kern- und Steinobstsorten, I. Band: Äpfel, München.

¹7 Inhaltliche und gestalterische Konzeption der Text-Bild-Tafeln: Isabel David.

¹8 Wimmer, C. A. (2014): Möglichkeiten und Grenzen adäquater Wiederherstellung von Pflanzungen in historischen Gärten, in: Historische Gärten im Klimawandel. Empfehlungen zur Bewahrung, Stiftung der Preußischen Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (Hrsg.), Leipzig, S. 222-227, hier: S. 224.

Autor

Leitender Gartendirektor i. R. Gärtenabteilung der Bayerischen Schlösserverwaltung München (bis 2012)

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