Der Mitwirkungsprozess "Deine Geest" in Hamburg

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Landschaftsplanung
Verlauf der Landschaftsachse Horner Geest im Hamburger Osten, Visualisierung: Bruun & Möllers. Foto: Matthias Friedel

Im Osten Hamburgs entsteht eine grüne Achse: Die Landschaftsachse Horner Geest. Sie wird auf neun Kilometern fünf Stadteile verbinden und wird schon jetzt "Hamburgs längster Park" genannt. Aber nicht nur die Länge dieser neuen grünen Ader macht dieses Projekt so besonders für die Hansestadt. Auch das Beteiligungsverfahren der Bürger an der Planung und Gestaltung ihres Parks ist einmalig. Zu Beginn stand das Versprechen, eine Million Euro und somit ein Fünftel des Projektbudgets für die Umsetzung von Bürgerprojekten bereit zu stellen. Der Mitwirkungsprozess "Deine Geest" übertraf alle Erwartungen und zeigte, welche Energie und Kreativität im Hamburger Osten zuhause ist. Viele hundert Bürger haben sich mit über 230 Ideen eingebracht, insgesamt fast 2500 Menschen haben in zwei Wahlrunden abgestimmt. Die Ergebnisse stehen nun fest: In einem kombinierten Bürger- und Juryvotum wurden zwölf Bürgerprojekte gewählt, die bis Ende 2019 umgesetzt werden.

Den entscheidenden Impuls hat die Aufnahme in das Förderprogramm des Bundes "Nationale Projekte des Städtebaus" 2015 gegeben. Mit einem Projektbudget von insgesamt fünf Millionen Euro (Förderanteil zwei Drittel) soll mit der Landschaftsachse Horner Geest ein sichtbarer Auftakt zur Umsetzung des Grünen Netzes Hamburg entstehen. Unter Integration der Ergebnisse des Bürgermitwirkungsprozesses, der hier im Fokus stehen soll, wird aktuell von der Bietergemeinschaft bgmr/minigram, Berlin ein übergeordnetes freiraumplanerisches Gesamtkonzept mit den Schwerpunkten Mobilitätsraum und StadtNatur entwickelt. Aus diesen Planungen werden bis Ende 2019 neben den zwölf Bürgerprojekten weitere Maßnahmen umgesetzt. Das Projekt wird unter der Federführung der Umweltbehörde in Kooperation mit dem Bezirksamt Hamburg-Mitte durchgeführt.

Die Landschaftsachse durchquert auf neun Kilometer Länge ein städtebaulich wie sozio-kulturell äußerst heterogenes Stadtgefüge bestehend aus den fünf Stadtteilen St. Georg, Borgfelde, Hamm, Horn und Billstedt. Etwa 100.000 Menschen leben in einer Entfernung von bis zu 500 Meter zur Landschaftsachse Horner Geest und können somit unmittelbar von einer Aufwertung profitieren. Fragen der Verteilungsgerechtigkeit und wie möglichst zahlreiche Menschen aus unterschiedlichen sozialen Milieus erreicht werden können, waren die zentralen Herausforderungen des Prozesses. Partizipation heißt hier Welten verstehen lernen, die verschiedener nicht sein könnten in einem Raum, der bisher nicht als Ganzes fühlbar ist und von vielen als "leer" wahrgenommen wird.

Die Landschaftsachse: Aktive Steuerung der Stadtentwicklung durch grüne Infrastruktur

Die Qualifizierung der Landschaftsachse Horner Geest ist Pilotvorhaben zur Umsetzung des "Grünen Netzes" (vgl. Stadt+Grün Heft 12/2015). Zentrale Elemente dieser gesamtstädtischen Freiraumstruktur sind die beiden Grünen Ringe und die Landschaftsachsen, die strahlenförmig von der Innenstadt bis in die Peripherie reichen. Sie orientieren sich weitgehend an naturräumlichen Gegebenheiten wie etwa an Flussläufen oder wie im Falle der Horner Geest am Relief - an der natürlichen Geestkante, die die höhergelegene Geest von der niedrigeren Marsch trennt und sich in Ost-West-Richtung durch Hamburg zieht.

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Werbeplakat „Deine Geest“ – Ideenaufruf. Gestaltung: urbanista.
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Ideenzelt in der Landschaftsachse.Foto: Isadora Tast

Die Landschaftsachse Horner Geest bietet zukünftig die Chance, auf einer Länge von über neun Kilometern eine durchgängige Grün-, Biotop-, Erlebnis- und Mobilitätsverbindung von der Innenstadt (Hauptbahnhof) bis in die freie Landschaft (Öjendorfer Park) zu realisieren. Die Landschaftsachse spielt neben ihrer verbindenden, stadtökologischen und klimatischen Funktion daher auch eine bedeutende Rolle als sozialer Interaktionsraum für die angrenzenden und teilweise dicht besiedelten Quartiere.

Gründe für die Auswahl dieser Landschaftsachse als Pilotvorhaben waren zum einen, dass die östlichen Stadtquartiere nach der HafenCity und dem Sprung über die Elbe mit IBA und igs 2013 neuer Schwerpunkt der Hamburger Stadtentwicklungspolitik werden. Angesichts der geplanten städtischen Verdichtung von bis zu 20.000 neuen Wohnungen im Hamburger Osten, spielt die Landschaftsachse Horner Geest eine zentrale Rolle als strategisches Instrument zur Steuerung einer integrierten Stadtentwicklung durch grüne Infrastruktur. Zum anderen stehen aktuell stadträumliche Veränderungen im unmittelbaren Bereich der Landschaftsachse an, durch die zusätzliche Synergieeffekte für das Erlebbarmachen der Landschaftsachse erzielt werden können.

Deine Geest - Der Prozess

Das Hamburger Planungsbüro urbanista wurde im April 2016 mit der Erarbeitung eines Kommunikationskonzeptes sowie der Durchführung des Mitwirkungsprozesses beauftragt. Zentrales Ziel war die Generierung von Bürgerprojekten, für deren Umsetzung eine Million Euro zur Verfügung stehen. Der Mitwirkungsprozess verlief über acht Monate in vier Phasen: Ideenphase, Voting-Phase, Co-Kreation und Jurierungsphase. Herzstück war ein co-kreativer Prozess, in dem Bürger gemeinsam mit Landschaftsarchitekten (Coaches) und weiteren Experten in drei Werkstätten die besten Projektideen weiterentwickelten.

Ideenphase - "Gib Deine Idee für die Million"

Für die Einreichung von Projektideen wurden Spielregeln definiert, die sehr niedrigschwellig waren, um möglichst viele Menschen einzubinden und vielfältige Projektideen zu generieren. Für die Ideensammlung wurden unterschiedliche Kanäle und Formate genutzt. Online konnten über ein interaktives Beteiligungstool Ideen eingegeben, verortet und kommentiert werden. Des Weiteren wurden "On-Tour" Sammelaktionen durchgeführt, bei der Formate der aufsuchenden Beteiligung und der vor-Ort Präsenz gewählt wurden. Das Projektteam war beispielsweise mit einem großen Ideenzelt an zwei unterschiedlichen Orten im Planungsraum präsent. Es war ein Happening, mit dem Ziel über das Projekt zu informieren und gleichzeitig gemeinsam Projektideen zu entwickeln. Parallele Aktionen wie ein Popup-Café, eine Heuballen-Sitz-Herstellung oder ein Musiker zogen auch zufällige Passanten an. An beiden Terminen waren jeweils etwa 200 Menschen zu Gast im Ideenzelt.

Darüber hinaus war das Büro urbanista auf zahlreichen weiteren Veranstaltungen wie etwa Wochenmärkten oder Stadtteilfesten vor Ort präsent. Parallel wurde das Projekt auch bei einzelnen Akteuren mit hoher "Multiplikatorwirkung" wie einer Buchhandlung, der Geschichtswerkstatt und Vereinen direkt beworben. Durch eine vom vhw (Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e. V., Berlin) durchgeführte Netzwerkanalyse konnten diese identifiziert und hinsichtlich ihrer Bedeutung und Vernetzung bewertet werden. Besonders wertvoll war bei den On-Tour Sammelaktionen, dass hier gemeinsam mit den interessierten Bürgern, die Grundsteine für Ideen entwickelt werden und das Projekt bekannt gemacht werden konnte.

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Abschlussforum der drei Werkstätten. Foto: Isadora Tast
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Co-kreativer Prozess: Arbeit in den Werkstätten. Foto: Isadora Tast

Während der elfwöchigen Sammelphase wurden insgesamt 343 Beiträge eingereicht, von denen 233 als valide Projektideen eingestuft wurden. Nicht berücksichtigte Ideen verstießen entweder gegen die Spielregeln (beispielsweise kommerzielle Interessen) oder sie betrafen allgemeine Hinweise, die direkt in das freiraumplanerische Gesamtkonzept übernommen werden sollten. Bemerkenswert war, dass es sich bei allen eingereichten Projektideen um konstruktive, positive Hinweise und kreative Ideen handelte, und die Online-Plattform nicht missbraucht wurde, um negative Stimmung gegen das Projekt oder die Stadtentwicklungspolitik insgesamt zu verbreiten. Mehr als die Hälfte der Ideen wurden online gesammelt.

Voting-Phase - "Gib Deine Stimme für die Million"

Alle 233 Projektideen wurden in einer Prozesszeitung, online sowie für eine begleitende Ausstellung im Stadtteilhaus Horner Freiheit aufbereitet. Während einer fünfwöchigen Wahlphase konnte über die besten 25 Projektideen durch ein Bürgervoting öffentlich abgestimmt werden. Es wurde über verschiedene Kommunikationskanäle geworben (beispielsweise Plakatierung, öffentliche Voting-Stationen in Bücherhallen, Ausstellung der Projektideen, Website, Präsenz auf Wochenmärkten). Dabei wurden insbesondere die über die Netzwerkanalyse identifizierten Akteure als Multiplikatoren eingebunden.

Vor allem aber die Aktion "Schafwanderung", die den Auftakt der Wahlphase im September 2016 markierte, erzeugte eine hohe öffentliche Aufmerksamkeit. Ein Schäfer zog mit seiner Schafherde über mehrere Tage durch die Landschaftsachse und machte "Wahlwerbung". Die Aktion war auch deshalb so erfolgreich, weil sich von dem überraschenden Anblick der Schafherde inmitten der Stadt unterschiedliche Bevölkerungsgruppen angesprochen fühlten.

Knapp 800 Menschen beteiligten sich an der Abstimmung zur Wahl der besten 25 Projekte. Über zwei Drittel haben online abgestimmt. Ein Großteil der Wähler hat ihre möglichen zehn Stimmen auf einen bunten Mix an Projekten verteilt. Das Ergebnis des Bürgervotings wurde zu 50 Prozent mit dem Voting einer Jury überlagert. Die 13-köpfige Jury bestand aus Vertretern des Zuwendungsgebers, der Verwaltung, politischen Vertretern und externen Fachleuten. Die Jury orientierte sich in ihrem Voting weitgehend am Bürgervoting und kürte 25 (fünf pro Stadtteil) der 233 Ideen als Kandidaten für die nächste Runde.

Co-kreative Entwicklung - "Schraube mit an den Ideen"

In drei öffentlichen Werkstätten wurden die gewählten TOP 25 Projektideen unter der Federführung von fünf Coaches/Landschaftsarchitekturbüros gemeinsam mit Bürgern und Experten weiterentwickelt. Ziel war es, die Ideen so zu konkretisieren, dass sie technisch, rechtlich und finanziell umsetzbar sind. Eine Besonderheit war die zweite Werkstatt, in der die Coaches im Rahmen unterschiedlicher Aktionen gemeinsam mit Bürgern mögliche Standorte und Dimensionierungen der geplanten Objekte direkt im Planungsraum ausgetestet haben. Beispielsweise wurde die mögliche Höhe und Sichtbarkeit eines Aussichtsturms über eine an Luftballons aufgehängte Kamera erprobt oder die Höhe der geplanten Freiluftbühne über gestapelte Getränkekisten ausgelotet. Die Reifungsprozesse von den Ideen und Wünschen hin zu den baubaren Projekten verliefen fast durchgehend positiv.

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Werbeplakat Aktion Schafwanderung – Aufruf zur Abstimmung. Gestaltung: urbanista.
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Kreative Weiterentwicklung der Projektideen in den Werkstätten Visualisierung: Stiftung Freizeit.

Insgesamt pendelten sich die Teilnehmerzahlen der Werkstätten bei jeweils 30-40 Personen ein. Gemessen an der Anzahl der eingereichten Ideen hätten diese höher ausfallen können. Bemerkenswert war allerdings, dass der überwiegende Teil der Personen kontinuierlich an allen drei Werkstätten teilnahm und wertvolle Beiträge leistete. Die Coaches konnten so eine Menge Ortswissen und lokale Expertise sichtbar in die Projekte übersetzen. Die Qualität der weiterentwickelten Projekte ist sehr hoch, nicht zuletzt, weil auch die Coaches untereinander im Wettbewerb um die besten Lösungen standen. Nach den drei Werkstätten wurden die weiterentwickelten 25 Bürgerprojekte im Dezember 2016 ins Rennen um die eine Million Euro geschickt.

Finale Jurierung - Welche der 25 Projekte bekommen die Million?

Zuerst waren wieder die Bürger gefragt: Fünf Wochen lang konnte online und an fünf Wahlstationen abgestimmt werden. Die TOP 25 Bürgerprojekte wurden in einer weiteren Prozesszeitung und für das Internet aufbereitet. Für die Online-Abstimmung wurde ein Tool programmiert, das ähnlich wie beim Shoppen im Netz funktionierte. Jeder Bürger konnte nun so viele Projekte wählen bis das Budget von einer Million Euro erreicht war. 1600 Menschen haben sich an dieser Wahl beteiligt. 80 Prozent haben online gewählt. Das Ergebnis des Bürgervotums war Grundlage für die Jurysitzung Ende Januar 2017. Die Stimmverteilung zeigt, dass die Bürger- und Juryeinschätzungen fast deckungsgleich sind. Zwölf Projekte haben es in die Förderung geschafft. Von der 14 Meter breiten "Geestschaukel" über den "Kletteroiden", einen großen Boulderfelsen, bis zur Fledermausliegewiese und einem zehn Meter hohen grün bewachsenen Aussichtsturm mit urban gardening Plattformen reicht die Bandbreite der Projekte, die sich entlang der neun Kilometer langen Landschaftsachse verteilen.

In den nächsten Wochen und Monaten beginnt nun die Feinplanung der Projekte, die bis 2019 umgesetzt werden sollen.

Deine Geest - Ein lernendes Projekt

Im Folgenden soll der Versuch einer Bewertung unternommen werden. Was waren die Herausforderungen, welche Bausteine haben zum Erfolg beigetragen, welche sind weniger gelungen, was ist übertragbar?

Entwicklung einer Prozessmarke: Mit dem Mitwirkungsprozess "Deine Geest" konnte eine Prozessmarke etabliert werden, die heute in der Öffentlichkeit präsent ist und den Planungsraum realer und konkreter werden lässt. Gelungen ist dies über die Wortbildmarke "Deine Geest", Botschaften mit aufforderndem Charakter und öffentlichkeitswirksame Formate.

Reichweite und Kommunikationskanäle: Der Erfolg eines solch komplexen Prozesses hängt auch von einem agilen Bespielen verschiedener Kommunikationskanäle ab. Für jede Phase wurden maßgeschneiderte Formate entwickelt, wie die aufsuchende Beteiligung und vor Ort Präsenz (Ideenzelte, Infostände auf Märkten, Besuch aktiver Gruppen und Netzwerke) oder öffentlichkeitswirksame Aktionen wie die Schafwanderung. Das Internet spielte auch aufgrund der Komplexität des Prozesses eine zentrale Rolle. Lesbarkeit, ansprechende Aufmachung und eigens programmierte Tools, die durch ihre spielerische Übersetzung zum Mitmachen aktivierten, überzeugten. Der Prozess hat dadurch eine Vielzahl an Menschen erreicht, aber bei Weitem nicht alle. Je nach Stadtraum unterscheiden sich hier die Teilnehmerzahlen. Insbesondere Migranten und Menschen aus prekären Milieus wurden im Prozess nur im Einzelfall sichtbar. Manipulations- oder Übernahmeversuche durch Lobbygruppen gab es nicht.

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Der "Kletteorit", ein Boulderfelsen, ist eines der zwölf Gewinnerprojekte. Entwurf: Stiftung Freizeit
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Die "Geestschaukel" ist eines der zwölf Gewinnerprojekte. Entwurf: Studio Urbane Landschaften – Sabine Rabe, Gerko Schröder, Malte Maaß
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Die Aktion Schafwanderung begeisterte unterschiedliche Bevölkerungsgruppen. Foto: Isadora Tast

Multiplikatoren: Um eine effektive lokale, räumliche Verankerung des Prozesses zu erzeugen, wurden intensiv Multiplikatoren aktiviert. Sie sollten den Prozess weitertragen und als Botschafter dienen. Sehr hilfreich bei der Identifikation dieser Akteure war eine professionelle Netzwerkanalyse. Ihre Aktivierung ist allerdings nur zum Teil und mit einem erheblichen Aufwand gelungen. Dies resultiert auch aus einer gewissen Beteiligungsmüdigkeit, die im gesamten Planungsraum spürbar war.

Ideenpool: Über das gewählte Verfahren konnte gleichzeitig auch ein Ideenpool generiert werden, der die aktuellen Bedarfe und Wünsche der Bevölkerung abbildet. Projekte, die es nicht in die Umsetzung geschafft haben, gehen nicht verloren. Sie fließen soweit möglich in das freiraumplanerische Gesamtkonzept der Landschaftsachse, aber auch in hamburgweite Planungen ein.

Co-kreative Stadtentwicklung: Die Entscheidung, eine Million Euro für Bürgerprojekte auszugeben, ist ein deutliches planungspolitisches Statement, das zudem mit der (teilweisen) Übertragung von Entscheidungsmacht (Bürgervoting) und Gestaltungsmöglichkeiten auf die Bürger verbunden war. Die Bürgerideen wurden in den Werkstätten gemeinsam mit Landschaftsarchitekten, Experten und Vertretern der Verwaltung weiterentwickelt. Das Alltagswissen der Menschen half dabei, die Bedarfe zu präzisieren, zu verorten und kreativ anzureichern. Fachwissen und Alltagswissen befruchteten sich und generierten in neugierigen und respektvollen Diskussionen Neues. Das Verfahren war ein Lernprozess für alle Beteiligten.

Konkurrenz und Wettbewerb: Das "Ideenrennen" um die eine Million Euro belebte den Mitwirkungsprozess. Die Ideengeber haben in ihrem Umfeld für ihre Ideen geworben und wirkten somit als Multiplikatoren für den Mitwirkungsprozess insgesamt. Die Coaches traten untereinander in einen Wettbewerb um die besten Projekte und waren hochmotiviert. Die Gefahr, "Verlierer" zu produzieren bestand, wurde aber nur in einem Fall sichtbar.

Komplexität: Das mehrstufige Verfahren mit über 200 Ideen, vielen Regeln und mehreren Phasen war kompliziert. Die hohen Teilnehmerzahlen der Voting-Phasen zeigen aber, dass dies gelingen kann. Zum Erfolg beigetragen hat sicherlich die grafisch ansprechende, gut lesbare und übersichtliche Darstellung aller Ideen in der Prozesszeitung und im Internet nach Themen und Stadtteilen. Dennoch überforderte die Anzahl der Ideen einige potenzielle Wähler. Umso wichtiger waren die durchgängig gut besuchten OnTour Stationen, auf denen Zusammenhänge und einzelne Aspekte direkt erklärt werden konnten.

Deine Geest - Verstetigung: Das Verfahren hat große Hoffnungen und Erwartungen geweckt. Im Umsetzungsprozess sind weiterhin Transparenz in Entscheidungsabläufen sowie Kreativität in der Ermöglichung von Projekten gefragt. Der weitere Projekterfolg hängt auch davon ab, inwieweit es gelingt, eine kreative Alltagskultur sowohl bei den Stadtbewohnern als auch im Verwaltungshandeln entstehen zu lassen und langfristig sich selbsttragende Strukturen zu etablieren. Durch den Prozess konnten zahlreiche potentielle "Kümmerer" für Bürgerprojekte generiert werden, die nun auch langfristig gebunden werden sollen. Das Engagement Dritter kann aber nicht die Verantwortlichkeiten der Stadt für die öffentliche Daseinsvorsorge ersetzen. Hier sind Vorbereitungen zu treffen, wie etwa die langfristige Begleitung des Projektes durch einen Freiraummanager, der das etablierte Netzwerk an Akteuren begleitet, weitere aktiviert, die Umsetzung weiterer Maßnahmen vorantreibt und Synergien zu anderen Projekten schafft. Außerdem gilt es, die Finanzierung des Pflegeaufwandes für die neu gestalteten Räume zu regeln. Neben Pflegekooperationen mit Dritten könnten hier erstmals Mittel eingesetzt werden, die über das in Hamburg neu geschaffene Instrument "NaturCent", ein aus der Grundsteuer finanzierter Anteil für die ökologische Pflege von Grünanlagen, zur Verfügung stehen.

Deine Geest: Ein planerischer Ausnahmezustand?

Zahlreiche Elemente des beschriebenen Verfahrens sind übertragbar auf die elf weiteren Landschaftsachsen in Hamburg. Insgesamt handelte es sich aber, wie Prof. Michael Koch, Mitglied des begleitenden Prozessbeirates, treffend beschrieb um einen "planerischen Ausnahmezustand" und damit um eine große Herausforderung für alle Beteiligten. Der Prozess war nur möglich durch ein besonderes Engagement jenseits der Planungsroutine und bedurfte besonderer finanzieller und personeller Ressourcen. Dies ist so nicht ohne weiteres wiederholbar.

Vertiefende Informationen und Materialien zum Download finden sich unter www.deinegeest.hamburg.

Dr. Cornelia Peters
Autorin

Behörde für Umwelt und Energie Hamburg

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