Ein Gartendenkmal der Moderne in Thüringen

Der Neue Friedhof in Mühlhausen

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Gartenarchitektur Friedhöfe
1 Entwurf für die Feierhalle mit Krematorium. Kolorierte Ansicht von Karl Theodor Huß, 1928. Abb.: Stadtarchiv Mühlhausen (StadtA Mühlhausen, 4357/8)
Gartenarchitektur Friedhöfe
2a Grabfeld, Entwurfszeichnung von Huß,1928. Abb.: Stadtarchiv Mühlhausen (StadtA Mühlhausen, 4357/8)

Der 1929 bis 35 gebaute Neue Friedhof in Mühlhausen ist eines der bedeutendsten Zeugnisse der Moderne in der Gartenarchitektur und einer funktionalen architektonischen Gartenkunst in Thüringen. Der Friedhof ist, einschließlich der Bauten und bildkünstlerischen Details seit 1995 nach §2 Abs. 2 und 4 des Thüringer Denkmalschutzgesetzes als Einzeldenkmal und "historische Garten- und Parkanlage" ausgewiesen. Er liegt im Süden der Stadt Mühlhausen, am Rand der Stadt, an der Eisenacher Landstraße.

Die Fläche des 1802 angelegten, heute innerstädtisch gelegenen alten Friedhofs, reichte Anfang der 1920er-Jahre nicht mehr für die schnell wachsende Mühlhäuser Stadtbevölkerung aus. Da keine Erweiterungsmöglichkeiten bestanden und, ein sehr wesentlicher Grund, um auch in Mühlhausen Feuerbestattungen zu ermöglichen, wurden vom Magistrat ab 1924 erste konkrete Überlegungen zur Neuanlage eines Friedhofs mit einem Krematorium entwickelt.

Mit der Planung wurde der Magistratsbaurat Karl Theodor Huß beauftragt. Huß war erst ein Jahr zuvor, 1927 aus Liegnitz, wo er bereits Regierungsbaumeister war, nach Mühlhausen gekommen. Er war aber frühzeitig in das Projekt mit eingebunden und wirkte bereits bei der Auswahl des Geländes mit¹. Relativ schnell entwickelte er erste Ideen für die Friedhofsanlage und das Krematorium, doch stieß die Realisierung des Projektes auf Hindernisse.

Als erhebliches Problem erwies sich, dass sich das Gelände noch nicht vollständig im Besitz der Stadt befand, sondern teilweise erst nach mühsamen Verhandlungen aufgekauft und, wie der Eigentümer eines zuvor auf dem projektierten Friedhofsgelände befindlichen Gärtnerei- und Baumschulbetriebs und die Kleingärtner einer Schrebergartenanlage noch entschädigt werden mussten.

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Gartenarchitektur Friedhöfe
2b Grabfeld, Entwurfszeichnung von Huß,1928. Abb.: Stadtarchiv Mühlhausen (StadtA Mühlhausen, 4357/8)
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2c Grabfeld heute. Foto: Baumann, Thüringisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie
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3 Wegkreuzung mit Schöpfbrunnen. Foto: Baumann, Thüringisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie
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4 Entlang der Hauptachse führt eine Allee mit den 2018 noch stehenden serbischen Fichten auf das Krematorium zu. Foto: Baumann, Thüringisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie

Das größte Hindernis war jedoch, wie sich aus den Akten² ergibt, dass mehrere der unmittelbar am Stadtrand gelegenen Grundstücke von Spekulanten in der Hoffnung auf Ausweisung als Bauland erworben worden waren, während die Stadt den Grundstückseigentümern nun lediglich die Preise für Garten- und Ackerland bezahlen wollte.

Entsprechend gering war das Entgegenkommen der Eigentümer beim Verkauf an die Stadt, so dass 1928 die Enteignung beim Preußischen Staatsministerium beantragt wurde. Durch diesen komplizierten Prozess des Bodenerwerbs kam das Gelände erst 1935 vollständig in den Besitz der Stadt.

Da jedoch der alte noch in Benutzung befindliche Friedhof inzwischen soweit belegt war, dass ab September 1928 keine weiteren Beerdigungen mehr stattfinden könnten, entschloss man sich bei der Realisierung in mehreren Bauabschnitten vorzugehen³. So wurde wegen der Dringlichkeit ab Anfang 1928 zunächst nur ein kleinerer erster Abschnitt, ein sogenannter Notfriedhof realisiert.

Im August 1928 war Baubeginn für die Friedhofsbauten, das Krematorium, Teile der Friedhofsmauer und die Eingangsgebäude. Bereits 1929 wurde dann auch eine erste größere Teilanlage des Friedhofs fertiggestellt und am 28. Oktober 1929 zusammen mit den fertiggestellten Bauten eingeweiht.

Erst 1935 konnte schließlich der Friedhof fertiggestellt werden. 1948 wurde der Friedhof bis auf die heutige Größe von etwa 10,6 Hektar erweitert4. Die Anlage entstand, wie oben dargestellt, nach Entwürfen des städtischen Baurates Karl Theodor Huß. Die baukünstlerischen Arbeiten und Ausstattungselemente, wie Brunnen und Skulpturen stammen von dem bedeutenden Mühlhäuser Bildhauer Walter Krause5.

Die gesamte Anlage ist mit ihren Bauten und Ausstattungselementen nach einheitlichen Gesichtspunkten konzipiert. Wie der Mühlhäuser Anzeiger schreibt "vereinten sich handwerkliches Geschick mit wertvoller künstlerischer Arbeit und gartenplanerischer Weitsicht zu vollendeter Harmonie" 6. So entstand ein Gesamtkunstwerk in der Architektursprache der 1920er-Jahre, das in dieser Geschlossenheit und dieser künstlerischen Qualität unter den Friedhöfen Thüringens herausragt.

Nach der Fertigstellung des ersten größeren Bauabschnittes und der Einweihung 1929 wurde der Friedhof im Mühlhäuser Anzeiger von 29. Oktober 1929 mit seinen Bauten als Zeugnis einer neuen Baukultur gewertet, in einer Stadt, in der in den Jahren zuvor "ein bedrückender Niedergang der Baukunst zu verzeichnen war". Mit dem Neuen Friedhof sei nun ein Zeichen gegen die derzeitige "Entseeltheit unserer Bauten" gesetzt worden. Signifikant hierfür ist die moderne sachliche und bei den Bauten expressionistische Formensprache.

Nicht nur bei den Bauten, auch bei der Gestaltung der Friedhofsflächen wollte sich Huß mit der sachlichen Formensprache und der architektonischen Gestaltung deutlich von den damals allgemein immer noch üblichen, wenig gestalteten, kommunalen Friedhöfen abheben.

Huß kritisierte in einem Artikel in der Mühlhäuser Zeitung 1928, wie viele neuere Friedhofsanlagen noch immer "stimmungslos und unbefriedigend" angelegt worden seien, "sei es durch die endlosen, schachbrettartig aufgeteilten Gräberfelder, sei es durch den Mangel an Anpflanzungen, durch die häufige und gegenseitige Beeinträchtigung der Grabdenkmäler bei ungeeigneter Wahl ihrer Materialien und vieles mehr"7.

Stattdessen müsse eine einheitlich gestaltete "gartenarchitektonische Anlage" geschaffen werden, worin mehrere Grabstätten jeweils "in einem Teilgarten" zusammengefasst werden müssten. Dabei müssen "im Interesse einer harmonischen Gesamtwirkung" die Grabstätten und Grabmale und die Bepflanzung aufeinander abgestimmt sein.

Die Entwurfszeichnungen zeigen wie streng formal die Grabfelder aufgebaut sein sollten: niedrige Heckeneinfassungen für die Grabflächen und dann abgestuft, mittelhohe und hohe Hecke und schließlich die Baumwände als architektonische Rahmung.

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5 Südliches Eingangsgebäude mit Blumenladen. Foto: Baumann, Thüringisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie
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6a Mauer mit spitzbogenartigem Durchbruch. Baumann, Thüringisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie
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6b Entwurf für die Gestaltung des Mauerdurchbruches, Transparentzeichnung von Huß, 1928. Abb.: Soweit nichts anderes angegeben, Stadtarchiv Mühlhausen (StadtA Mühlhausen, 4357/8)

Durch die von Huß gewählte architektonische Gestaltungform entstünden so mehrere "harmonisch durchgebildete" Einzelbereiche, die jedoch in ihrer Gesamtheit ein "geschlossenes Ganzes" bilden würden. Entsprechend ist sein Friedhofsentwurf streng geometrisch mit rechtwinklig geführten Achsen und Wegen, mit der Feierhalle und dem Krematorium als Mittelpunkt der Anlage, um den herum die von Alleen gerahmten Quartiere liegen. Die etwa 300 bis 400 Quadratmeter großen Grabfelder der geometrischen Friedhofsanlage werden wiederum von gleichmäßig hohen geschnittenen Hecken eingefasst und gegliedert, auch wenn die ursprünglich vorgesehene Vielzahl an Hecken deutlich gegenüber den Entwürfen reduziert worden ist. Insgesamt wurden gemäß Kalkulation Hecken mit einer Gesamtlänge von etwa 16.000 laufenden Metern gepflanzt8.

Tatsächlich wurde der Friedhof auch nach diesen Prinzipien realisiert. Die Grundstruktur der Anlage hat sich im Wesentlichen bis heute erhalten, auch wenn in den letzten Jahrzehnten fast ein Viertel der Fläche im Südwesten der Anlage entwidmet worden ist, um es als Gelände für den Betriebshof zu nutzen.

Die Besonderheiten liegen auch im Detail. Beispielsweise wurden die Wegkreuzungen gestalterisch besonders betont. Dort wurden Schöpfbrunnen aufgestellt, Baumgruppen oder Solitärbäume eingeordnet. Damit sollte, wie Huß schreibt, "durch markante Gestaltung einer Anzahl Blickpunkte in gärtnerischer und architektonischer Form auf dem Friedhof weitere charakteristische Führungspunkte geschaffen"9 werden.

Um die Orientierung auf dem Gelände weiter zu erleichtern wurden zudem die Hauptwege mit jeweils unterschiedlichen Baumarten bepflanzt, wie Schwarzkiefer, Rosskastanie, Fichte und Birke. Viele der heutigen Gehölze sind noch Originalbestand und die Wege heißen entsprechend Lindenplatz oder Kiefernweg.

Auch innerhalb der Grabfelder erfolgen die Baumpflanzungen nach einheitlichen Kriterien. Durch die Einordnung von Solitärbäumen sollte geschickt die Strenge der geometrischen Anlage gemildert und die Orientierung für die Besucher erleichtert werden.

Der geometrisch angelegte Teil des Friedhofs wird an drei Seiten von einem schmalen, parkartig angelegten Grüngürtel umschlossen, überwiegend aus Nadelgehölzen bestehend. In diesem wurden die Gräber nach den Prinzipien des Parkfriedhofs individuell arrangiert. Auch bestand bzw. bestehen bei der Auswahl und Gestaltung der Grabmale größere Freiheiten.

Die Bauten

Die Friedhofsbauten, unter anderem die Eingangsgebäude und das Krematorium zeigen eine expressionistische Architektursprache mit Fenstern und Türöffnungen in Form von Spitzbögen. Sockel, Treppenstufen und Bogengewände sowie Torpfosten sind aus Travertin gefertigt, während die Gebäude und Mauern aus verputztem und hell gestrichenem Ziegelmauerwerk bestehen. Spitzbögen finden sich bei allen Friedhofsbauten, auch in der umlaufenden Friedhofsmauer sind spitzbogenförmige Durchbrüche mit Schmuckgittern.

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7b Krematorium, Ansicht von Nordosten. Foto: Baumann, Thüringisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie
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7d Krematorium, Hauptansicht, von Westen. Foto: Baumann, Thüringisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie
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7a Krematorium, Entwurf Transparentzeichnung Huß 1928. Abb.: Soweit nichts anderes angegeben, Stadtarchiv Mühlhausen (StadtA Mühlhausen, 4357/8)
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7c Krematorium, Entwurf Transparentzeichnung Huß 1928. Abb.: Soweit nichts anderes angegeben, Stadtarchiv Mühlhausen (StadtA Mühlhausen, 4357/8)

Der Eingangsbereich des Friedhofs ist platzartig erweitert. Er empfängt den Besucher mit einem atriumartig aufgebauten Ensemble aus niedrigen, das heißt eingeschossigen Gebäuden mit Spitzbogenarkaden. In den Eingangsgebäuden waren ursprünglich Pförtnerraum, Verkaufsraum, Verwaltung, ein Unterkunftsraum für die Arbeiter, ein Geräteraum und die Wohnungen des Verwalters und des Friedhofswärters untergebracht.

Der gesamte Gebäudekomplex ist bis in die Details einheitlich gestaltet. Leitmotiv sind die expressionistischen Spitzbögen. Diese finden sich selbst in den schlichten Eingangstüren wieder.

Abgegrenzt wird die Anlage auf der Westseite, entlang der Eisenacher Straße, von einer eindrucksvoll gestalteten 135 Meter langen Friedhofsmauer. Diese schließt an das Eingangsgebäude an. Wegen des ansteigenden Geländes ist die auf Travertinsockel stehende 2,20 Meter hohe Mauer mehrfach versetzt, so dass mehrere abgegrenzte Teilbereiche entstehen. Die Mauer besteht aus Ziegelmauerwerk, ist verputzt und hat eine Abdeckung aus Muschelkalk. Die Mauersegmente sind mit sparsamen sachlichen Schmuckelementen versehen.

Eine Besonderheit dieser Friedhofsmauer sind sechs spitzbogenförmige Durchbrüche mit schmiedeeisernen Schmuckgittern. Diese Gitter mit floralen und geometrischen Schmuckelementen sind, ebenso wie die Zugänge und das Haupttor Kunstschmiedearbeiten, die nach den Entwürfen von Huß gefertigt wurden. Im Stadtarchiv Mühlhausen befinden sich noch sämtliche originalen Entwurfszeichnungen auf Transparentpapier.

Diese Durchsichten sollen eine Verbindung zwischen Friedhof und der davorliegenden Grünanlage herstellen. Abgeschlossen wird die Mauer an der Nordwestecke durch ein zur Straße hin offenes Pavillongebäude mit flachem Zeltdach über quadratischem Grundriss ohne Zugang zum Friedhofsgelände.

Vom Vorplatz aus führt der Hauptweg als große Allee von West nach Ost unmittelbar auf das Krematorium mit Feierhalle zu. Der Gebäudekomplex ist gleichzeitig Schnittpunkt für die beiden Hauptwegeachsen und weithin als baulicher Mittel- und Höhepunkt der gesamten Friedhofsanlage sichtbar.

Der 14 Meter hohe, 10 Meter breite und 19 Meter lange Zentralbau ist klar gegliedert, mit quadratischem Grundriss auf Quadersockel und einem Flachdach. Er besteht aus einer zweigeschossigen Kapelle mit spitzbogigen Fenstern, im Untergeschoss die Verbrennungsanlage, und eingeschossigen darum liegenden Funktionsbauten. Der Zugang erfolgt über breit angelegte Treppenanlagen. Die großen Wandflächen sind außen kaum oder nur zurückhaltend gegliedert, die Schmuckelemente werden sparsam verwendet. Wiederkehrende auffällige Elemente sind, wie auch bei der Mauer und bei den Bauten am Eingangsbereich, die expressionistisch wirkenden Spitzbögen, die hier zu Arkaden zusammengefasst wurden.

Der künstlerische Schmuck am Gebäude stammt von Krause. In enger Zusammenarbeit mit Huß ordnete er seine künstlerische Gestaltung dem Charakter der Architektur unter, so dass eine Einheit entsteht, und die Fassadengestaltung des Krematoriums einen kühlen sakralen Charakter aufweist.

Über dem Haupteingang befindet sich, ebenfalls von Krause geschaffen, ein Halbrelief. Es zeigt eine männliche stehende Figur mit segnendem Gestus. "Das Motiv des Stehenden mit erhobenen Armen und aufwärts gerichtetem Blick entlehnte Krause dem frühchristlichen Gebetsgestus. Darunter befindet sich Inschrift "Wenn auch die Hülle sich wandelt - wir leben"10 als Tröstung an die trauernden Hinterbliebenen. Auf dem Dach des Zentralbaus befindet sich ein 3 Meter hohes Kupferkreuz.

Im Innern des Zentralbaus liegt die 11 Meter hohe Feierhalle, mit bleigefassten Farbglasfenstern in zurückhaltenden warmen Farbtönen. Je drei Fenster befinden sich an der Süd- und Nordseite, und eines, mit Darstellung von Christus, in der Westwand. Den Altarraum schmückt ein 9 Meter hohes Mosaik. Für alle Mauersockel, Gewände und Treppen des Gebäudes wurde wiederum heimischer Travertin verwendet.

Der Mühlhäuser Bürgermeister Neumann würdigte den Bau bei der Einweihung 1929 als "Meisterwerk moderner geschmackvoller Baukunst. . . . Das Äußere ist ebenso wie das der Eingangsgebäude in lichten freundlichen Farben gehalten, im Innern überrascht eine zurückhaltende und doch stimmungsvolle Farbenkomposition, deren Wirkung durch reiche Bildhauerkunst an Inschriftentafeln und Reliefs, durch buntbemalte Fenster, durch die Verwendung von Mosaik im Altarraum, durch schöne schmiedeeiserne Arbeit um ein Bedeutendes erhöht wird"¹¹.

Mit diesem Bauwerk wolle man, wie er weiter betont, dem bisher zu beklagenden "bedrückenden Niedergang der Baukunst" in Mühlhausen ganz "bewusst etwas Neues entgegensetzen". Tatsächlich beeindruckt die gesamte Anlage mit einer einheitlichen Gestaltung und ihrer expressionistischen Architektursprache - und war in dem damals und noch mittelalterlich geprägten Mühlhausen wirklich ein Kontrast und etwas Besonderes, etwas Neues.

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8 Schmuckrelief über dem Haupteingang. Foto: Baumann, Thüringisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie
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9 Entwurfszeichnung für den Innenraum der Feierhalle. Transparentzeichnung Huß 1928. Abb.: Soweit nichts anderes angegeben, Stadtarchiv Mühlhausen (StadtA Mühlhausen, 4357/8)
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10 Schöpfbrunnen. Foto: Baumann, Thüringisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie
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11a Platz mit Eva-Brunnen, Entwurf Transparentzeichnung Huß 1928. Abb.: Soweit nichts anderes angegeben, Stadtarchiv Mühlhausen (StadtA Mühlhausen, 4357/8)
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11b Evabrunnen. Foto: Baumann, Thüringisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie

Besonders hervorzuheben sind auf dem Friedhof die Steinarbeiten. Insbesondere die Brunnen zeigen beispielhaft das handwerkliche Können bei der Steinbearbeitung.

So gibt es insgesamt neun Schöpfbrunnen. Sieben befinden sich auf den Wegkreuzungen. Fast alle Brunnen sind noch original. Sie sind aus einem Stück gefertigt und wurden aus ortsanstehendem Travertin gearbeitet. Sie sind jedoch alle unterschiedlich gestaltet. Später errichtete Brunnen, das heißt aus der Zeit von 1946 und 1991 sind aus mehreren Teilen zusammengesetzt.

Gestalterisch hervorgehoben ist der sogenannte Eva-Brunnen als Abschluss einer Hauptquerachse und im Schnittpunkt der gärtnerischen Anlage weithin sichtbar, eine Frauenfigur auf einer von zwei Treppenläufen begrenzten Mauer aus Sandsteinquadern, stehend, davor ein schlichtes steinernes Brunnenbecken. Sie ist die einzige freistehende Plastik des Friedhofs.

Bei der Figur handelt es sich um eine freistehende, überhöhte Frauengestalt von 2,30 Meter Höhe. Diese ist nach antikem Vorbild halb bekleidet und hält mit erhobenen Armen eine Schale, um Wasser aufzufangen. Der Entwurf für die Anlage stammt wiederum von Huß, die Figur ist eine Arbeit des Mühlhäuser Bildhauers Walter Krause.

Und dieser gestalterische Anspruch an Qualität und Einheitlichkeit galt selbstverständlich auch für die Gestaltung der Gräber und Grabsteine. Selbst hierfür hat Karl Theodor Huß Entwürfe gefertigt und gestalterische Vorgaben entwickelt.

So wurde für den Friedhof festgelegt, dass auf den Gräbern keine Bäume oder Sträucher gepflanzt werden dürfen und die Grabmale alle einem bestimmten gestalterischen Duktus unterliegen müssen.

Da die Stadt Mühlhausen diese Anlage über all die Jahrzehnte gepflegt und erhalten hat, ist der Friedhof als Zeugnis der 1920er-Jahre heute noch so weitgehend und authentisch erhalten.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Neue Friedhof in Mühlhausen gartenkünstlerisch die bedeutendste Friedhofsanlage des 20. Jahrhunderts in Thüringen und ein herausragendes Beispiel für den funktionalen Gestaltungsanspruch der 1920er-Jahre ist. Angesichts dieser außergewöhnlichen Gestaltung und vor allem angesichts der großartigen Architektur der Feierhalle mit dem Krematorium ist es überaus erstaunlich, dass die Anlage bis heute kaum bekannt ist.

Nicht einmal in der damaligen zeitgenössischen Fachliteratur, wie etwa der Deutschen Bauzeitung, der Baugilde, dem Baumeister oder der Gartenkunst und der Gartenschönheit, wurde diese Friedhofsanlage oder zumindest das Krematoriumsgebäude in irgendeiner Form erwähnt, geschweige denn gewürdigt oder beschrieben. Und auch der Architekt, der Stadtbaurat Karl Theodor Huß ist weitgehend unbekannt und findet weder in den Bauzeitschriften der 1920er und 1930er-Jahre, noch in heutigen wissenschaftlichen Abhandlungen eine Erwähnung. Er ist bis heute, selbst in seiner Heimatstadt Mühlhausen, weitgehend vergessen.


ANMERKUNGEN

¹ siehe Schreiben vom 28.9.1927 des OB der Stadt Mühlhausen an den Herrn Regierungsbaumeister Huß und AV vom 3.10.1927 (StadtA Mühlhausen, 4357/8-26 bis 46).

² StadtA Mühlhausen, 4357/8-26 bis 46.

³ Schreiben des Magistrats an das Preußische Staatsministerium 2.7.1928 (StadtA Mühlhausen, 4357/8-26 bis 46).

4 "Nach dem Kostenanschlage, der seinerzeit den städtischen Körperschaften vorgelegt und ihr Einverständnis gefunden hat, ist das Friedhofsprojekt mit einem Kostenaufwande von 683 500 M, genehmigt. Die Kosten verteilen sich wie folgt:

1. Kosten der kleinen Erstanlage (Notfriedhof) rund 29.000 M

2. Kosten der innerhalb 5 Jahren zu schaffenden ersten Teilanlage 545.000 M

3. Instandsetzung der Eisenacher Landstraße 50.000 M" (Vermerk des Stadtrates Sperhake vom 29.12.1928 (StadtA Mühlhausen, 4357/8-26 bis 46)

5 Zu Krause und seinem Werk vgl. Maut, Ingrid: Walter Krause ein Mühlhäuser Bildhauer. In: Mühlhäuser Beiträge 1983, S. 40-45; zum Neuen Friedhof vgl. auch Röbke, Dierk: Neuer Friedhof Mühlhausen. Denkmalpflegewerk. Mühlhausen 1999 (unveröffentlicht).

6 Mühlhäuser Anzeiger vom 29.10 1929, No. 254.

7 Huß, Karl-Theodor: Der neue Mühlhäuser Friedhof. In: Mühlhäuser Anzeiger vom 28.6.1928, No. 150.

8 Kosten und Positionen für die Friedhofsanlage. Schreiben des Magistrats vom 27.1.1928 (StadtA Mühlhausen, 4357/8-26 bis 46).

9 Huß, Karl-Theodor: Der neue Mühlhäuser Friedhof. In: Mühlhäuser Anzeiger vom 28.6.1928, No. 150.

10 Maut 1983, S. 42.

¹¹ Mühlhäuser Anzeiger vom 29.10.29, No. 254.

Dr.-Ing. Martin Baumann
Autor

Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie, Gartendenkmalpflege, Petersberg, Erfurt

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