Berliner Innenstadtpark mit Sport, Spiel und Wanderrouten

Der Park am Gleisdreieck - durch Übernutzung gefährdet

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Abb. 1: Das in der Kleingartenkolonie gelegene Container-Café Eule gilt als einer der beliebtesten Punkte im Park. Foto: Elisabeth Meyer-Renschhausen

In der Ferne grüßen die Türme des Potsdamer Platzes, rechts donnert blau ein Zug aus Budapest vorbei, links quietscht im Gebüsch die S-Bahn nach Teltow aus ihrem Tunnel und über grünem Rasen entschwindet in eleganter Kurve die U-Bahn in ihren hochgelegenen U-Bahnhof "Gleisdreieck": Willkommen im Park auf dem Gleisdreieck!

Der Bahnhof mit seinen in beachtlicher Höhe übereinandergestapelten Stationen zweier wichtiger Berliner U-Bahnlinien gilt zugleich als der Namensgeber des Parks auf dem Gleisdreieck. Dieser Park gilt mit seinen städtischen Panoramen neben und über dem Grün als neues Highlight Berlins. Er wird als auf Spiel und Sport abhebend angelegter Innenstadtpark besonders von Jungen geschätzt, aber auch generell von allen Altersgruppen gerne erwandert und "bespielt". Nicht wenige durchqueren ihn auf dem Weg zur Arbeit per Rad und freuen sich, dass ein Stückchen ihres Wegs Autolärm- und -abgasfrei verläuft. Kleinere "Wäldchen" und Baumgruppen umstehen große Spielwiesen und -Rasenflächen.

An den Rändern säumen vier große Spielplätze den Park. Dazu gibt es einen wild belassenen "Naturerfahrungsraum" als Tummelplatz für phantasievolle und eine weitere Kindertummelfläche in einem Wäldchen im Westpark am Rande des Potsdamer Güterbahnhofs (pog)/Eingang Kurfürstenstraße. Die männliche Jugend wird von der Skaterbahn am Fernbahndamm angezogen sowie von den danebengelegenen Ballspielplätzen. Dazu gibt es an den Parkeingängen mehrere Tischtennisplatten, die besonders auf der dicht bewohnten Westseite des Parks nahezu zu allen Tageszeiten besetzt sind.

Zu den Spielplätzen gehören drei Ausschankstätten, die auf ihrer Rückseite (als eine verdienstvolle Neuerung in derartigen Parks) behindertengerechte, wenn auch nicht nach Geschlechtern getrennte WCs beinhalten.¹ Attraktiv sind für Kinder zudem die merkwürdigen eigentlich langweilige Asphaltflächen am Gelände des Museums für Verkehr und Technik, die kleinen wie großen Kindern diverse Spiele ermöglichen, von ersten Radelversuchen bis zu Skaterübungen. An langen Sommernächsten versammeln sich hier Tangotänzer oder Posaunenbläser. Im schmalen Westpark ist unter dem U-Bahn-Viadukt der grüne Gummibelag mit Hüpfmöglichkeiten ein Treffpunkt vieler Eltern mit Kindern sowie der Jugendlichen, die sich an den Reckstangen erproben.

Große, der Sonne zugewandte Holzbanklandschaften ermöglichen das "Chillen" und ziehen im Sommer Sonnenanbeter mit ihren Getränken oder Gymnastikgruppen und Chöre an. Andere gucken nur den Boule-Spielern zu. Am südöstlichen Gebäudeende der ehemaligen Ladestraße bietet ein geräumiges Café mit Terrasse einen weiten Blick über die "Kreuzberger Wiese". Die für ihren Parkentwurf ausgezeichneten Landschaftsplaner sind besonders stolz auf die raumgreifenden Rasenflächen für den informellen Sport. Denn allgemein ist heute zu beobachten, dass ein guter Teil der Menschen den informellen Sport dem Vereinssport vorzieht. Joggen, Ballspiele, Federball oder sogar Tai Shi im Grünen passt besser zu modernen Arbeits- und Alltagszeiten.

Eine soziale Innovation ist der flächenmäßig vergleichsweise bescheidene Interkulturelle Gemeinschaftsgarten "Rosenduft" östlich der Wohnungsneubauten an der Yorckstraße. Mit seinen hoch wachsenden Heckenrosen, Prunkwinden, dicken Kürbissen und Rankbohnen-Gerüsten ist er im Sommer ein wahrer Augenschmaus für alle daran vorbei Spazierenden. Tagsüber kann man den insgesamt 40 Gärtnerinnen zusehen, oder sogar mit ihnen Kaffee trinken und schwatzen, denn der Garten steht allen Interessierten offen. Auf der Westseite des Parks sind die schmalen Pfade durch die immer offenstehende Kleingartenanlage "POG" das besondere Glück so mancher Hundehalter, gewähren doch so manche Gärtner Einblicke in ihre bunt duftende Pracht. Das dazugehörende Container-Café Eule gilt vielen Parkbesuchern als der ausgesprochene Lieblingsort im Park.


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Abb. 2: Die in den Park integrierte Kleingartenkolonie POG versorgt die Spaziergänger mit Blühendem. Foto: POG
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Abb. 3: Die große Kreuzberger Wiese ist für vielerlei Spiele oder Picknicks gut. Foto: Elisabeth Meyer-Renschhausen
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Abb. 4: Im Sommer Dschungelartig - Im sogenannten Flaschenhals südlich der Yorckstraße blieb die Spontanvegetation fast komplett erhalten. Foto: Elisabeth Meyer-Renschhausen
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Abb. 5: Im Ostpark versorgt der Gemeinschaftsgarten Rosenduft die Spaziergänger mit Rosenblüte und Pflanzenvielfalt.

Der erst vor zehn Jahren schrittweise eingeweihte Park von gerade einmal 26 Hektaren liegt mitten in Berlin unweit des Potsdamer Platzes zwischen den Stadtteilen Kreuzberg, Tiergarten und Schöneberg und besteht aus drei Teilen: nördlich der Yorckstraße mit einem größeren Teil östlich der Fernbahntrassen auf der Kreuzberger Seite und einem schmaleren westlichen Teil, der vor allem von Bewohnern des nördlichen Schöneberg und des südlichen Stadtteils "Tiergarten"² benutzt wird. Dazu kommt als dritter und kleinster Parkteil der südlich der Yorckstraße gelegene "Flaschenhalspark."

Das große Bahngelände lag ab Kriegsende brach und konnte so peu à peu ergrünen. Es erschienen die typischen Trümmerpflanzen wie Beifuß, Schafgabe, Königskerze oder Heckenrosen und bald dazu auch Birken, Ahorn oder Robinien oder Weichselkirschen. Benutzer der U-Bahn nach Kreuzberg und später auch der Linie 3 schwebten und schweben noch über dieses Brachgelände, ohne zu ahnen über welche wunderbare grüne Lunge sie fuhren und fahren. Fußgänger und Radfahrer erfreute im abgasschwangeren Yorckbrücken-Tunnel im Frühjahr die üppig über die Mauern blühenden Fliederbüsche.

Bei der Eröffnung des Parks 2011 wunderten sich fast alle Besucher, dass sie dieses so nahe gelegene Gelände inmitten ihrer alltäglichen Umwelt nie bewusst wahrgenommen hatten. Der letzte Teil ist seit 2014 zugängig und inzwischen über vier der ehedem 40 Yorckbrücken erreichbar. Eine fünfte soll noch einen westlich der Fernbahngleise gelegenen Fuß- und Radweg verbinden. Hier blieb zur Freude vieler Umweltaktivisten der ursprüngliche Spontanwuchs als Wäldchen nahezu komplett erhalten. Das Gelände kühlt daher im Sommer fast wie ein grüner Dschungel und wirkt größer als es eigentlich ist. Die liegen gebliebenen Schienen erinnern an die Geschichte des Geländes. Die drei spitz aufeinander zulaufenden Wege des Flaschenhalses münden unter der Monumenten-Brücke in einen Treppenaufgang samt Fahrradrampe und eröffnen für Stadtwanderer von hier aus weitere Grüngänge.³

Corona-Wanderer können sich von hier aus mit wenigen Schritten zum nahe gelegenen Viktoria-Park mit dem Schinkel-Denkmal auf dem Kreuzberg bewegen oder die südlich der Dudenstraße gelegenen Grünanlagen und Kleingärten der "Gartenstadt Neutempelhof" durchstreifen. Sie können am südlichen Ende der Kleingärten über den Alfred-Lion-Steg die Bahnanlagen überqueren und sich westlich der Bahnstränge in einem schmalen Grüngelände mit wiederum prächtigem Kinderspielplatz zurück nach Norden zum Gleisdreiecksgelände bewegen. Hier jedoch ist der Spazierweg kaum noch durchgängig grün. Denn auch hier, östlich der Bautzener Straße, konnte sich die Deutsche Bahn AG mit ihren Nachfolgern "Bahnverwertungs-Gesellschaften" respektive deren Aufkäufern gegenüber der Stadt Berlin noch einmal durchsetzen und das Gelände für Wohnbebauung verkaufen - trotz umfänglicher Bürgerproteste. Wie auch am Westrand des Parks an der Flottwellstraße wurde auch hier massiv, hoch und dicht gebaut.

Nach erneuter Überquerung der Yorkstraße und dem Passieren eines unschönen - meistens leer stehenden - riesigen Parkplatzes4 kommt man über Brachgelände in den sogenannten "Westpark". Hinter einer hässlichen Brachen steht man vor dem viel zu kleinen Hundeauslaufplatz, manche Anwohner fragen sich, warum man die südlich davon liegende Fläche nicht zumindest vorübergehend dazu nimmt? Westlich davon existiert ein großflächiger Beachvolleyballplatz auch nur so lange, bis die "Stammbahn" genannte erste Eisenbahnstrecke zwischen Potsdam und Berlin sowie die S 21 neu gebaut werden.5

Westlich davon erfreut abwechslungsbedürftige Spaziergänger ein schmaler Streifen sogenannte "Stadtwildnis". Dieser bei der Jugend wie auch Hundehaltern besonders beliebte Ort durfte seinen ursprünglichen Wildwuchs behalten, weil er bis zur Inanspruchnahme durch neue Bahngleise ohne parkpflegerische Maßnahmen bleibt. Westlich davon liegt auch die erst in letzter Minute in den Park eingegliederte Kleingartenanlage "Potsdamer Güterbahnhof" (kurz: POG).

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Abb. 6: Der enge Weg zwischen den beiden Parkteilen ist immer belebt. Foto: Elisabeth Meyer-Renschhausen
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Abb. 7: An der Skaterbahn dürfen Jugendliche selbstorganisiert die Wände mit ihrer Graffiti-Kunst besprühen – im Hintergrund das Renzo Piano Gebäude am Potsdamer Platz. Foto: Elisabeth Meyer-Renschhausen
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Abb. 8: Müttergruppen treffen sich zur gemeinsamen Gymnastik u. a. unter der Hochbahn U 2 im Westpark. Foto: Elisabeth Meyer-Renschhausen

Ab Frühjahr duftet hier bunte Vielfalt, die ein Stadtpark nicht liefern kann.6 Die Gartenanlage POG entstand nach 1945 allmählich7 und lange in Eigenregie ohne Brief und Siegel, bis es den damals allesamt bei der Bahn angestellten Gärtnern gelang, offiziell und verbrieft eine Kolonie der Eisenbahn-Landwirtschaft zu werden. Bis heute gehören 5 Prozent der bundesdeutschen Kleingartenanlagen zur "Bahn-Landwirtschaft", deren Ziel bei Gründung um 1910 war, schlecht verdienenden Bahnarbeitern und Schalterbeamten die Selbstversorgung zu ermöglichen.

Am Übergang von der Kolonie in den Westpark liegt zwischen zwei kleinen Wäldchen ein sogenannter "Marktplatz" der dank Container-Café in einer ehemaligen Parzelle zu einem der beliebtesten Orte des Parks geworden ist. Es wird von einer Mitgärtnerin betrieben, die selbst dafür backt.

Im Corona-Sommer 2020 und den nachfolgenden Wintermonaten 2021 zeigte sich, wie beliebt und auch nötig der neue Park auf dem Gleisdreieck ist. An sonnigen Sonn- und Feiertagen wälzten sich nachgerade ganze Besuchermassen über die breiten Parkwege. Sogar bei Regen sind die Spielplätze eigentlich nie ganz verwaist. Auf der Kreuzberger wie auch der Schöneberger großen Rasenfläche feiert in heißen Sommernächten die heimische samt der touristischen Jugend, auch dank diverser Hostels in der Nähe.8 Die jungen Menschen bringen Musikboxen, Bierkästen, Limonaden und Shisha-Pfeifen mit, breiten eine Decke aus und lassen es sich wohl sein, gelegentlich sogar noch nach Mitternacht - sehr zum Ärger der Anwohner der angrenzenden dichten Bebauung. Die westlich davon liegenden ehemaligen Sanierungsviertel sind mit überwiegend Geringverdienern ebenfalls dicht bevölkert.9

Hatten die ursprünglichen Bürgerinitiativen der Aktionsgemeinschaft Gleisdreieck noch die Rettung des wild gewachsenen Grüns, der Biodiversität, wie auch den Erhalt als Grünzug für alle und Klimaschneise gefordert, signalisieren neue Bürger-Forderungen die Übernutzung des Parks, vor allem des "Westparks," zumal dieser Westpark ohnehin nur ein schmaler Schlauch zwischen Landwehrkanal und Bau-Markt an der Yorckstraße ist. Sauberkeit, Sicherheit und Ordnung sind stadtweite Probleme erst recht in einem Park am Rande eines Drogendealer-Distrikts.

Hauptproblem: Der Westpark ist schon heute für die zahlreichen Anwohner deutlich zu klein. An Wochenenden quälen sich die Menschen dicht an dicht auf dem schmalen Weg vom Westpark zum schöneren Teil im Ostpark mit seinen schattigen Wäldchen. Aber dieser einzige Verbindungsweg ist ein so schmaler, so dass sich die Radfahrer - auf der Trasse des Radwegs zwischen Leipzig und Kopenhagen! - im Schritttempo nahezu zirkusreif durch die Fußgänger schlängeln müssen. Dieser enge Fuß- und Radweg gehört verrückterweise nicht zum Parkgelände, sondern wurde den Investoren einer sogenannten "urbanen Mitte" überlassen. Deren Plan ist, den Ostrand des schon zu klein gewordenen West-Parks mit 7 bis zu 90 Meter hohen Büro-Hochhäusern zusätzlich zu bebauen - was bedeuten würde, dass der Westpark in den Morgenstunden verschattet und der namensgebenden U-Bahnhof nicht mehr zu sehen wäre.

Die Bürgerinitiativen behielten mit manchen ihrer Hinweise recht. Sie haben schon sehr früh gesagt, dass man kein großes Parkhaus am Landwehrkanal braucht und tatsächlich stand es immer leer. 2019 wurde die zum Park orientierte Längshälfte 2019 zu Wohnungen umgebaut.

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Abb. 9: Der Interkulturelle Gemeinschaftsgarten Rosenduft ist der ganze Stolz der Stadt und zieht viele Besuchergruppen an. Foto: Elisabeth Meyer-Renschhausen
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Abb. 10: Der Park erlaubt Eltern ihre Kinder unbeaufsichtigt spielen gehen zu lassen und die Kinder entdecken überall Möglichkeiten. Foto: Elisabeth Meyer-Renschhausen

Die Regierung anerkennt heute, dass der Park Bürgerinitiativen zu verdanken ist. Die Planer der 1960er und 1970er wollten im Zuge ihrer Idee der "autogerechten Stadt" die 2 Kilometer lange Schnellstraße zwischen Steglitzer Kreisel und Schöneberg nach Norden10 verlängern. Aber auch damals suchten junge Eltern Abenteuerspielplätze und fanden sie entlang der so schön wild begrünten S-Bahntrassen. Die organisierten Bürger empfahlen der Stadt, die Autobahnplanung durch eine "Grüntangente" zu ersetzen. Denn Schöneberg und der Nachbarbezirk Kreuzberg sind die am geringsten mit Grünflächen versorgten Bezirke. Die durch die Hausbesetzer-Bewegung angeregte "Behutsame Stadterneuerung" machte es dann möglich:

Der Westberliner Senat beschloss, die Bundesgartenschau BUGA '95 auf dem Gleisdreieck über den Potsdamer Platz bis auf den Moabiter Werder stattfinden zu lassen.¹¹ Als Folge der Maueröffnung wurde die BUGA '95 im Jahr 1991 nach Cottbus weitergereicht. Die anwohnenden Bürger kritisierten, dass die Verwaltung des Reichsbahnvermögens Flächen unter anderem an Autowerkstätten verpachtete, ohne zu kontrollieren, wohin diese ihre Altöle laufen ließen. Sie entdeckten hinter der Wildnis des Straßenstrichs Kurfürstenstraße, die Kleingartenanlage POG. Und sie ermittelten, dass der Bezirk Kreuzberg im FNP die Gartenanlage dem Sport opfern wollte. Kleingärten abholzen und Zubau des Luftaustausches zwischen "Nelly-Sachs-Park" und Gleisdreieck in einem Bülowbogen mit einer damaligen Verkehrsbelastung mit 45.000 Autos pro Tag? Die Bürger-Initiative Nelly-Sachs-Park rief per Zeitung zur Straßenbesetzung auf und Tausende kamen! Im sonnigen Herbst 1991 wurde die Kreuzung Bülowstraße/Potsdamer Straße besetzt für: bessere Luft, weniger Lärm und mehr Grün.¹² Berlin war begeistert.¹³

Aber die heren Grünpläne Berlins wurden durch die 1994 privatisierte Deutsche Bahn unterlaufen.14 Verschiedene Bürgerinitiativen schlossen sich 1990 und 1997 erneut zusammen und versuchten, die Idee eines Grüngeländes auf dem nach der Baulogistik übrig gebliebenen Grün gegenüber den immer großspuriger werdenden Bauwünschen der Bahn zu verteidigen. Die Bahn wollte Teile ihrer Flächen als Baugelände verkaufen können, um an die Börse gehen zu können. Die Belange der Stadt Berlin interessierten sie nicht. Berlin als Kommune konnte sich gegenüber der Bahn als defacto immer noch Bundes-Behörde nicht durchsetzen. Nach jahrelangem, zähem Ringen kam es zu einem Kompromiss. Ein Drittel des Geländes wurde dem Neubauen geopfert, 27 Hektar sollte Park werden.

Im Mai 2005 war es dann endlich so weit: interessierten Bürgerinnen und Bürgern wurde ein erstes, 6000 Quadratmeter kleines Stück Land auf der Brache an der Möckernstraße auf der Höhe zwischen Wartenberg- und Obentrautstraße eingezäunt und übergeben. Die Bürger ließen sich vom Bezirksamt einige Kubikmeter Humuserde schenken und begannen das karge Trümmergelände zu bearbeiten: Zusammen mit dem Ökowerk Berlin legten sie mittels Eispickeln einen ersten kleinen Schaugarten und weitere Gemeinschaftsbeete an. Das Gartenbauamt schenkte eine ausrangierte Metallbank eines berühmten Architekten dazu, der Platz wurde zum ersten idyllischen Plätzchen für sämtliche Park-Besucher. Im nächsten Jahr kam eine Gruppe bosnischer Frauen dazu. Mit der anliegenden Jesus-Christus Kirchengemeinde wurden Künstler-Workshops und Kinderspielnachmittage eingerichtet. Die AG Gleisdreieck bekam die für die Geräte-Aufbewahrung nötigen Bauwagen gespendet und legte eine Homepage zum Gleisdreiecksgelände an. Ein erster runder Tisch wurde eingerichtet, um die Auseinandersetzungen zwischen Bürgern und Senatsverwaltung zu besänftigen und fruchtbarer zu machen.

Aber im Herbst 2007 wurden alle in mühevoller Kleinarbeit ausgetüftelten Pläne der Bürger*innen Makulatur, als die von der Wettbewerbsjury ausgezeichnete Landschaftsplanungsfirma erst einmal alles vorhandene Grün entfernen und die Gärten verschieben wollte. Viele engagierte Bürger*innen zogen sich für immer zurück. Heute finden sich für den aus zu zwei Drittel Anwohnervertreter*innen bestehenden Parkbeirat selten genügend Kandidat*innen. Später entstand ein neuer "runder Tisch" mit einem formellen Wahlverfahren, einige der Bürgervertreter*innen hielten zähe 75 Sitzungen der Projektbegleitenden Arbeitsgruppe über sieben Jahre durch. So konnten dann doch kleine Inseln Wildwuchs gerettet werden, wurde nicht alles eingeebnet, um den heute allzu großen Baumaschinen "Baufreiheit" zu schaffen.

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Abb. 11: Unter der Viadukt der U-Bahn zum Schlesischen Tor resp. der Warschauer Brücke locken grüne Gummimatten Eltern mit ihren Kleinkindern an – das dort gebaute Parkhaus stand, wie es die Bürgerinitiativen vorausgesehen hatten – immer leer und wurde nun zum Teil in Wohnraum verwandelt. Foto: Elisabeth Meyer-Renschhausen
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Abb. 12: Leider wird der durch die dichte neue Bebauung stark überfüllte Park am Gleisdreieck West weiterhin bebaut. Foto: Elisabeth Meyer-Renschhausen

2011 wurde der Ostpark am Gleisdreieck feierlich eingeweiht. Eine große Menschenmenge würdigte die Entstehung des neuen Grünauslaufs. Gelungen ist auch die räumliche und klimatische Einbeziehung des quasi in den Park eingelagerten Museum für (Verkehr und) Technik mit seinem großen Grünareal mit Windmühlen und Regenwasserbecken. Der arg asphaltlastige weiterführende Spazierweg über den Landwehrkanal versüßt der Baumkünstler Ben Wagin, der auf einer verwilderten Fläche aus gesammelten Objekten einen Skulpturen-Garten gestaltet hat.

Als 2013 auch der heute gefährdete Westpark eröffnet wurde, lobten bei den freundlichen Eröffnungsfeierlichkeiten die Bürgervertreter*innen, besonders dass es gelungen ist, die Kleingartenanlage in den Park zu integrieren.15 Vielleicht könnten die Nutznießer des Verkaufs von Neubauwohnungen mit Parkrandlage etwas zur Entlastung des Parks tun und der Stadt eine Brücke über den Landwehrkanal schenken? Würde nicht eine Fahrradrampe und notfalls auch nur ein einfacher Holztreppen-Steg zum Tilla Durieux Park nördlich des Landwehrkanals das Gleisdreieck etwas entlasten können?

Anmerkungen

¹ In einem Fall handelt es sich um einen danebenstehenden Container, der leider ständig Opfer von Vandalismus ist. Darunter leidet das nahegelegene Wäldchen, das zunehmend Opfer des entsprechenden "Sich-in-die-Büsche-schlagen" wird.

² Tiergarten bildet zusammen mit dem Wedding sowie dem alten Zentrum seit 2001 den Bezirk "Mitte".

³ Nr. 5 der "20 Hauptwege" - Wanderrouten für Fußgänger durch Berlin, ursprünglich einmal von einer Frauengruppe um Eva Maria Epple mit dem Fuß e. V. angestoßen - führen durch den Park auf dem Gleisdreieck.

4 Der zum Hellweg-Baumarkt gehörende Parkplatz, den auch Käufer des Biomarkts benutzen dürfen, die allerdings allergrößtenteils per Rad oder zu Fuß kommen, mit vor sich hin kümmernden Maulbeerbäumchen bepflanzt, steht weit über Dreiviertel der von der Verfasserin beobachteten Zeit leer.

5 Der Bau dieser neuen Bahnlinien hat keine Priorität, kann sich also noch Jahre hinziehen.

6 Bereits 1989/1990 hatten Umweltaktivisten der Bürger-Initiative Nelly-Sachs-Park gegen die Idee protestiert, die Kleingärten dem Vereinssport zu opfern. Nach einem längeren Diskussionsprozess eines RundenTischs mit dem Landessportbund - moderiert vom Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg 2012/2013 - wurde das für dieses Gelände vorgesehene Fußballfeld auf dem Baumarkt-Gebäudedach angelegt.

7 Die Sowjets hatten hier die ihnen als Reparation zustehenden Schienen demontiert und Eisenbahnarbeiter daraufhin per Schubkarren Erde angefahren.

8 Sogar das CVJM-Heim am Nollendorfplatz und die Jugendherberge am Landwehrkanal (resp. Kluckstr.) sind kaum einen Kilometer weit entfernt.

9 Das Corona-bedingte Schließen von Gaststätten, Clubs und Biergärten führte dazu, dass das "Fass überlief": Der Lärm und die Musik, wehte den Anrainern in die offenen Fenster, führte zu zunehmendem Unmut und schließlich Protest. Eine neue Bürgerinitiative entstand, deren wesentliche Anliegen das Eindämmen des Lärms, die Vermüllung, die Forderung von zusätzlichen Toiletten und selbstverständlich die Einhaltung der Parkordnung sind.

10 Zum Kurt-Schumacher-Platz und an die geplante Autobahn nach Hamburg, dafür wollte der Westberliner Senat der Reichsbahn ihr brachliegendes Bahngelände abkaufen.

¹¹ Genau auf den ehemaligen Bahnflächen vom Süd- und Flaschenhalsgelände, den beiden Flächen des Potsdamer- und der Anhalter-Güter-Bahnhöfen bis über den Potsdamer Platz zum Großen Tiergarten hin zum Moabiter Werder, heute mit Kanzleramt und "Bundeschlange", einem Wohngebäude für Bonner Beamte, bebaut.

¹² Gefordert wurde, auf die geplante westliche Randbebauung des Nelly-Sachs-Parks hin zur geplanten Autobahn Westtangente zu verzichten - zugunsten eines ungestörten Luftaustauschs auch für Hauptstraßenanrainer vgl. Taz-Archiv vom 23.9.1991. (https://taz.de/Buelowstrasse-wird-am-Freitag-blockiert/!1701482/, Zugriff 9.2.2021) Letzter Anlass war der Tod eines 9-jährigen Mädchens auf der Hamburger Stresemannstraße, was überall zu Anti-Verkehrs-Protesten führte.

¹³ Die Westtangente wurde zwar nicht gebaut, jedoch die Randbebauung des Nelly-Sachs-Parks mit einem sogenannten "Oefelein-Riegel", der den Autobahnlärm vom Nelly-Sachs-Park abhalten sollte. Bis heute haben die Wohnungen im Gebäude eine Dreifachverglasung.

14 Dieser sollte zum Hauptbahnhof werden, den die Bürgerinitiative Westtangente durch ein eigenes, dezentrales "Eisenbahnringkonzept 720" ersetzen wollte, da ein Zentralbahnhof den Autoverkehr anziehen und konzentrieren wird.

15 Vgl. gleisdreieck-blog.de/2013/05/31/von-der-westtangente-zur-gruentangente/

Dr. Elisabeth Meyer-Renschhausen
Autorin

Freie Journalistin, Berlin

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