Industriestandorte und Villengärten als großzügige Parkanlage

Der Paulinenpark in Apolda -

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Historische Parks und Gärten
Der Terrassengarten ist vor allem durch die charakteristischen Stützwände aus Stahl entlang der Wege geprägt. Foto: DANE Landschaftsarchitektur BDLA

Der Paulinenpark ist ein Teil der Landesgartenschau Apolda 2017. Das etwa drei Hektar große Areal befindet sich am nördlichen Rand des Stadtzentrums von Apolda. Dieser Teil der Landesgartenschau ist nicht eingefriedet und frei zugänglich.

Ende des Jahres 2014 hatte unser Büro im Ergebnis eines VOF-Verfahrens den Auftrag für die Leistungsphasen 6-8 für den Teil der Landesgartenschau erhalten. Der Entwurf und die Ausführungsplanung für die Parkanlage stammte vom Büro Lohaus und Carl aus Hannover. Im Laufe der Einarbeitung in das Projekt war schnell klar, dass die Ausführungsplanung nicht einfach 1 zu 1 übernommen und umgesetzt werden konnte. Einige Randbereiche der Anlage entfielen aus dem Bearbeitungsgebiet, andere Bereiche kamen hinzu, Wegebeziehungen und Anbindungen an die Umgebung änderten sich, der Zustand der vorhandenen Bausubstanz war in Teilen schlechter als angenommen, auch die laufenden Kosten für die Zeit nach der Landesgartenschau bekamen eine höhere Priorität als in der vorangegangenen Planungsphase. Alles Dinge, die im Planungsprozess eigentlich üblich sind, jedoch in diesem Falle aufgrund der Menge der Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Entwurf, dem feststehenden, ohnehin recht kleinen Budget, dem kurzen Zeitraum der Planungs- und Ausführungsphase sowie der Tatsache, dass unser Büro nicht der Autor des Entwurfs und der Ausführungsplanung war, enorme Herausforderungen darstellten. Hier galt es, den Entwurf anzupassen, in den neuen Bereichen die Gestaltung weiterzuführen, Ausführungsdetails zu vereinfachen, aber auch weniger wichtige Entwurfsideen ganz aufzugeben, um das vorgegebene Budget einhalten zu können.

Das Bearbeitungsgebiet umfasste mehrere Bereiche mit ganz unterschiedlicher Ausprägung. Dies war unter anderem ein terrassierter Hang eines ehemaligen Industriestandortes und eine weitere ehemalige Industriefläche am anderen Ende des Bearbeitungsgebietes. Dazwischen lagen mehrere große alte Villengärten, die von den Unternehmern, die meist in der Strickereiindustrie aktiv waren, in der Blütezeit der Stadt Apolda etwa zwischen 1850 und 1930 angelegt wurden. Diese Villengärten hatten ihre eigene Blütezeit längst hinter sich. Die Gärten waren durch Umnutzungen und mangelnde Pflege in einem Zustand, der den Charme der Gärten nur noch sehr schwer erkennen ließ. Jedoch befanden sich in den verschiedenen Gärten noch mehrere Pavillons, ein großes quadratisches Wasserbecken, eine kleine Grotte, alte Mauern und Stützmauern, Wege und Treppenanlagen, verschiedene großartig arrangierte Steingärten und viele alte Bäume, die von dem jeweils eigenen Geschmack, Gestaltungswillen und finanziellen Möglichkeiten der verschiedenen Gartenbesitzer zeugten.

Entwurf

Der Entwurf des Hannoveraner Büros sah die Zusammenfassung der einzelnen Villengärten zu einer großzügigen Parkanlage mit mehreren Verbindungswegen in die Umgebung vor. Für die im südwestlichen Bereich des Areals am Hang gelegene ehemalige Industriefläche gab es den Vorschlag für eine großzügige neue Terrassierung mit barrierefreier Erschließung und mehreren Stufenanlagen. Die mit rostendem Stahl verkleideten Stützmauern mit ständig wechselnder Richtung und Höhe war zusammen mit den dazu in Beziehung stehenden seitlich angeordneten Pflanzungen und den großzügigen Wiesenflächen eine prägende Entwurfsidee.

Der obere Abschluss dieses Parkbereiches wurde durch eine markante, über drei Meter hohe Natursteinmauer gebildet. Diese Mauer ist bereits Teil des dahinterliegenden Villengartens mit einem gusseiserenen Pavillon und aufwändiger Schattenbepflanzung. Zur Verbindung der vor und hinter der Mauer liegenden Parkbereiche wurde eine alte Tür wieder geöffnet und im Bereich des Pavillons ein neues Sichtfenster in die Mauer integriert. Die weiter nördlich gelegenen ehemaligen Villengärten sollten von Einfriedungen befreit und von sanft geschwungenen Wegen durchzogen werden. Das große formale Wasserbecken sollte zu einem auf dem Grund des nun leeren Wasserbeckens positionierten Spielplatz umgestaltet werden und für diesen eher ruhigen Bereich den gestalterischen Höhepunkt bilden. Im Norden der Anlage sollte mit dem Brunnenplatz an der Bahnhofsstraße eine repräsentative Eingangssituation geschaffen werden.

Umsetzung

Wie bereits erläutert, ergab sich aus verschiedenen Gründen ein erheblicher Änderungs- und Anpassungsbedarf, um sowohl den gestellten Anforderungen gerecht zu werden, als auch im Kostenrahmen zu bleiben. Für die im südwestlichen Teil gelegene Hangsituation hieß dies in der Umsetzung, dass ein Teil der Stützmauern und der Treppenanlagen entfallen ist und die Ausführungsdetails für die Stützmauern vereinfacht wurden. Die ursprüngliche Entwurfsidee ist jedoch auch in dieser vereinfachten Gestaltung gut erkennbar.

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Historische Parks und Gärten
Der Garten am Glockenstadtmuseum ist mit seinem gusseisernen Pavillon und seinen Staudenpflanzungen ein Ort der Ruhe. Foto: DANE Landschaftsarchitektur BDLA
Historische Parks und Gärten
Ein neues Sichtfenster in der Natursteinmauer verbindet zum Terrassengarten und schafft neue Blickbeziehungen in die Umgebung. Foto: DANE Landschaftsarchitektur BDLA

Für den hinter der Mauer gelegenen Gartenteil ergab sich durch notwendige Fällungen und Flächenerweiterungen, dass der geplante Schattengarten nicht mehr umsetzbar war. Dafür wurde mehr an die ursprüngliche Gartengestaltung angeknüpft und auch die Beziehung zum dahinter gelegenen Gebäude, welches derzeitig als GlockenStadtMuseum genutzt wird, aufgegriffen. Nun steht dem Museum ein größerer Freiraum in würdiger Rahmung für Sommerfeste und Ähnliches zur Verfügung. Die alten Gussglocken, die von der Geschichte der Glockenstadt Apolda zeugen, sind in die Gestaltung des Gartens einbezogen worden und machen neugierig auf das GlockenStadtMuseum. Auch bei den anderen ehemaligen Villengärten wurde darauf geachtet, dass die Gestaltungselemente, die die Eigenart der einzelnen Villengärten ausmachten, möglichst erhalten und wieder erlebbar gemacht werden konnten. So konnte zum Beispiel durch die Verschiebung der Parkgrenze ein weiterer Pavillon für die Besucher besser in Szene gesetzt werden. Ebenfalls durch die Verschiebung der Parkgrenze konnten vorhandene Wege in die Anlage einbezogen werden und auf nahezu parallel dazu geplante Wege verzichtet werden. Die für den größten der Villengärten charakteristischen Steingärten wurden von Aufwuchs befreit und wieder sichtbar gemacht. Der vorhandene beeindruckende Altbaumbestand wurde, soweit der Zustand der Bäume dies zuließ, erhalten. Die Wege wurden so angelegt, dass auf die ursprünglich geplanten einzelnen Stufen im Weg verzichtet werden konnte.

Die repräsentative Eingangssituation im Norden des Parks an der Bahnhofstraße wurde verkleinert, und auf die ursprünglich geplante Brunnenanlage verzichtet, jedoch ist auch mit dem deutlich verkleinerten Platz ein markantes Zeichen als Parkeingang an der Bahnhofstraße gesetzt worden.

Der gestalterische Höhepunkt des nördlichen Parkteils ist unbestritten, wie auch ursprünglich geplant, der neue Spielplatz. Beim Spielen auf der im ehemaligen Wasserbecken befindlichen Spielanlage kann man sich, egal, wie alt und wie groß man ist, wie Däumelinchen auf dem Seerosenblatt fühlen.

Bei aller Einheitlichkeit der Gestaltung und auch unter Beachtung der dauerhaften Pflegeleichtigkeit konnte ein Teil der Eigenart eines jeden Gartens erhalten werden. So ergibt sich für die Besucher der Parkanlage die Gelegenheit, immer weitere Details im Park zu entdecken und den Park in der jedem Nutzer eigenen Art zu genießen. Auf dem Gelände ehemaliger Industriebrachen und verwahrloster Villengärten ist eine neue großzügige Parkanlage entstanden, die die Spuren der Geschichte selbstbewusst in die Gestaltung einbezieht. Nahe am Stadtzentrum von Apolda ist mit dem Paulinenpark ein weicher Standortfaktor geschaffen worden, der in der Peripherie der Anlage die Entwicklungsmöglichkeiten für die Zukunft von Apolda stärkt.

Historische Parks und Gärten
Der Spielplatz entstand auf dem Grund eines ehemaligen Wasserbeckens. Die Seitenwände wurden mit einem blauen stoßdämpfenden Gummigranulat versehen und laden zum Klettern ein Foto: DANE Landschaftsarchitektur BDLA

Resümee

Bereits im Herbst des letzten Jahres wurde die Parkanlage an die Bevölkerung übergeben und erfreut sich bereits vor der Landesgartenschau regen Zuspruchs durch Nutzer aller Altersgruppen. Die Bevölkerung wurde auch während der Planungs- und Bauphase einbezogen und regelmäßig informiert.

Bei der Namenswahl für die neue Parkanlage konnten durch die Anwohner Vorschläge eingereicht werden. Der unter den zahlreichen Vorschlägen ausgewählte Name Paulinenpark geht auf Pauline Brandes zurück, die als Tochter von Franz Keiter, einem Mitinhaber einer Strickereifirma, 1850 in Apolda geboren wurde. Franz Keiter erwarb 1860 das Gebäude, in dem sich heute das GlockenStadtMuseum befindet, und das bis 1924 von Pauline bewohnt wurde.

Im Ringen um die bestmögliche Umsetzung der ursprünglichen Gestaltungsidee wurden zum Teil ungewöhnliche Ideen entwickelt und realisiert, ein nicht in der HOAI vorgesehener Aufwand, der sich für die Bewohner der Stadt Apolda und die Besucher der Landesgartenschau Apolda gelohnt hat.

Dipl.-Ing. Michael Dane
Autor

Landschaftsarchitekt

DANE Landschaftsarchitektur
Dipl.-Ing. Heiko Donath
Autor

DANE Landschaftsarchitektur BDLA

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