Rückführung eines industriell überzeichneten Areals in die historische Gestaltungsidee im Muskauer Park

Der Pücklersche Neißeuferweg

von:
Parks und Gärten
"Karte der Orangerie Häuser und des ganzen Etablissements zum Betriebe der Gärtnerey.", sogennanter "D Plan" mit Darstellung der östlich begrenzenden Gehölzstreifen, gezeichnet von Kalwitz, Andeutungen über Landschaftsgärtnerei, 1834. Karte D, SLUB Dresden, Zweigbibliothek Forstwesen.

Als letzter größerer "weißer Fleck" im zentralen Muskauer Schlosspark konnte der rund 300 Meter lange Pücklersche Neißeuferweg wieder dem historischen Parkgedanken zugeordnet werden. Dabei wurde die überlieferte Trennlinie zwischen Landschaftspark und Bewirtschaftungsflächen tradiert. Gleichzeitig sollte die Situation den sich wandelnden Nutzungsanforderungen gerecht werden.

Historische Situation und Entwicklung

Hermann Fürst von Pückler-Muskaus (1785-1871) Parkschöpfung im Neißetal ist ein markantes Beispiel für den Einbezug frühindustrieller Bewirtschaftungsformen in gestaltete Landschaftsideale. Neben dem Betrieb eines Bergwerks zur Alaun-Gewinnung1 am Rande des geschichtsträchtigen Badeparks und dessen romantisierender Inszenierung innerhalb des dortigen Kur- und Bäderwesens wurde auf der sich aufspannenden Fläche zwischen Lausitzer Neiße, der von Pückler abgeleiteten Hermannsneiße und der Schlosswiese ein Konglomerat aus Ökonomiegebäuden unterhalten, darunter die Schlossgärtnerei und eine durch Neißewasser gespeiste Papiermühle.

Der rasterförmig gegliederte, an Gebäuderiegeln ausgerichtete Wirtschaftsbereich umfasste mit dem Küchengarten vorwiegend Anzuchtflächen für Obst und Gemüse. In der Blumenschule wurden Saisonpflanzen herangezogen, die für den Park bestimmt waren. Erschlossen wurde das Areal durch einen parallel zur Neiße geführten Weg, der schon Ende der 1820er Jahre als wichtige Verbindung zwischen den Muskauer Pleasureground-Bereichen im Schlosspark und im Badepark diente. Bis auf mehrere Unterbrechungen durch die Abfolge pragmatisch angeordneter Zufahrten blieb der Uferbereich durch lang gestreckte Gehölzformationen weitestgehend von den zweckmäßig angelegten Wirtschaftsflächen abgeschirmt.

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Muskauer Papierfabrik am Neißeufer in südlicher Blickrichtung um 1910, Giebelseite des heutigen Sozialgebäudes 113 in der rechten Bildhälfte, Neg. Nr. FD 188155. Foto: Aufnahme: mi12848a13b, SLUB/Deutsche Fotothek Dresden.
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Industrieausdehnung auf dem Muskauer Gärtnerei- und Wirtschaftsgelände um 1920 (Postkarte). Sammlungsbestand der Stadt Bad Muskau.
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"Karte vom Park zu Muskau gezeichnet im Jahre 1847 durch Brotke" (bearbeiteter Ausschnitt). Sächsisches Landesamt für Denkmalpflege, Dresden.
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"Karte von dem fürstlichen Parke zu Muskau wie er jetzt theils ist, theils werden soll", sogenannter "B-Plan" (Ausschnitt), gez. von Kalwitz, Andeutungen über Landschaftsgärtnerei, 1834. Karte B.
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"Neissmühle" am späteren Standort des Wasserkraftwerks, Täubert, um 1850, kolorierte Lithographie. Sammlungsbestand der Stadt Bad Muskau.

Als frühes Plandokument zeigt der in den 1834 veröffentlichten "Andeutungen über Landschaftsgärtnerei" abgebildete so genannte "D-Plan", "Karte der Orangerie Häuser und des ganzen Etablissements zum Betriebe der Gärtnerey" als Ideengeber bereits diese gestalterische Absicht am östlichen Rand des Gärtnereigeländes zur Abschottung des Komposthofes, des "Herrschaftlichen Holzhofes" sowie des Bauhofes auf. Der 1847 von Brotke verfasste bestandsnahe Plan vergegenwärtigt dasselbe Prinzip, allerdings in weniger stilisierender Formgebung - dafür mit stärkerer Orientierung der Wirtschaftszufahrt in Richtung Neiße.

Das Auge des Betrachters wurde nach ästhetischen Gesichtspunkten durch locker eingestreute Baum- und Strauchkulissen wie beiläufig zum Fluss und seiner gegenüberliegenden Uferkante gelenkt. Beim Entlangschreiten der Zufahrt wurden Blicke in die Parklandschaft freigegeben, darunter auf Brückenbauwerke sowie den Südwestturm des Neuen Schlosses. Durch die bauliche Verdichtung in Form eines quer angelegten Wagenschuppens auf Höhe der Neißemühle konnte gemäß den Plandokumenten der eigentliche Eintritt in den Kernparkbereich erst nach Durchquerung der Engstelle erfolgen. Trotz dieser Barrierewirkung wird die landschaftliche Formensprache im Übergang dieser Bereiche konsequent fortgeführt - ganz anders, als es sich bei dem abgeschotteten architektonisch-funktional gehaltenen Gärtnereibereich verhält.

Auf seinen Englandreisen in den Jahren 1814/15 und von 1826 bis 1829 sollte Pückler den in der Regency-Epoche entstandenen Landschaftsgärten Humphry Reptons (1752-1818) begegnen, in denen dieser das eigens konzipierte "Zonierungsprinzip" eindrucksvoll umgesetzt hatte. Der Fürst nahm diesen Trend auf und projizierte die Unterteilung in Blumengarten, Pleasureground und Park als Bindeglied zur umgebenden Landschaft konsequent auf seine Muskauer Anlage. So wurden die Flächen der Schlossgärtnerei - im Gegensatz zu dem als Parkbereich eingestuften Neißeufer - explizit dem Pleasureground zugeteilt, wie es aus seinen "Andeutungen über Landschaftsgärtnerei" hervorgeht:

"Ich habe bei mir die Mittelstraße eingeschlagen, das heißt den pleasureground rund um das Schloss ausgedehnt, nicht wie es fast durchgängig in England Sitte ist, nur an die eine Seite desselben angelehnt, und innerhalb dessen zuerst die Blumengärten, mit einem Gewächshause, [...] dann in einiger Entfernung als besondere und wieder unter sich zusammenhängende Partie (immer aber noch im Bezirk des pleasureground) die Orangerie, den Wintergarten, Treibhäuser und Gemüsegärten angelegt [...]."2

Demzufolge verläuft die Grenze zwischen den beiden Parkzonen entlang des abschirmenden Gehölzstreifens.

Pückler beschreibt in seinen Andeutungen bei der ersten seiner drei zu Papier gebrachten Spazierfahrten den Vorzug vorrangig zweckmäßiger und durch das formale Grundmuster auch unter ästhetischen Aspekten zum Verweilen einladender Wirtschaftsflächen der Schlossgärtnerei, ausgestattet mit mehreren Fontänenbecken und einer Allee. Außerhalb dieses repräsentativen Bereichs reihen sich zur Neiße hin Lagerflächen aneinander, welche die Anordnung einer Sicht nehmenden Gehölzanordnung schlüssig erscheinen lassen:

"Man betritt nun die Treibhäuser [...], vor welchen sich eine mit Spaliermauern umfasste Abtheilung für die Blumenschule [...] und seitwärts der grosse Küchengarten [...] nebst dem Treibebeetraume [...], dem Gartenhof [...], der Wohnung des Garten-inspectors, und dem zweiten Orangeriehause [...] befinden [...] so wie [...] die verborgnen Plätze, wo Alles aufbewahrt wird, was, obgleich nützlich und nothwendig, doch dem Auge keinen angenehmen Anblick gewährt. Alle Schuppen, Remisen u.s.w. sind hier angebracht, und ausserdem noch ein grosser Raum [...] am Ende des Gartens, neben den Ställen der Gartenpferde, der allein für die Composthaufen bestimmt ist. Diese Einrichtung erlaubt es, den Gemüsegarten selbst stets reinlich und elegant zu halten, und seine Mauern zu sonnigen Spaziergängen zu benutzen. Nach der Besichtigung dieser Gegenstände verlässt man, kurz hinter dem Hause, den pleasureground [...]."3

Über die Herbeiführung dieser Ordnung als Teil des von ihm praktizierten Zonierungsprinzips, welches plangrafisch betrachtet im so genannten "D-Plan" in erster Linie durch zaunartige Einfriedungen um Pleasureground und Blumengärten erreicht wird, schweigt sich Pückler in seinen Andeutungen weitgehend aus. Die Blumengärten als der am prächtigsten gestaltete Teil dieses Dreiklanges lassen sich klar durch formale Elemente charakterisieren, ausstaffiert mit Saisonpflanzen und Stauden. Für den Bereich des Pleasuregrounds wurden entsprechend seiner aufwändigeren Anmutung vorwiegend blütenreiche Gehölze vorgesehen, die gemeinsam mit höheren Stauden arrangiert wurden. Dagegen war das Sortiment der parkartigen Zone - bestanden mit überwiegend einheimischen Gehölzen - deutlich zurückhaltender ausgelegt.

Hinsichtlich der Beschaffenheit der Zonierungsgrenzen deutet sich neben der beschriebenen Verortung mittels stringenter Trennlinien ein weiteres Gestaltungsmittel aus der Perspektive des Betrachters an: eine Vorankündigung durch symbolhaft eingesetzte Baumarten. Die Zugänge zum näheren Schlossumfeld werden etwa von Platanen angekündigt, die bereits von weither auf das zu Erwartende aufmerksam machen - gewissermaßen als Hinführung zum Ziel. Ähnliche Effekte werden beispielsweise an markanten Blickpunkten des Parks durch Silber-Pappeln in Kombination mit Steinbänken erreicht.

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Rasenstreifen als geführte und begehbare Blickachsen, hier: Sichtfenster der Industriekultur. Foto: Frank Schalaster, Stiftung "Fürst Pückler-Park Bad Muskau", Juli 2011
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Hubsteigeraufnahme des Uferbereichs in Blickrichtung Nord, Anordnung der Gehölzpartien entlang des Neißeuferwegs und des Heckenelements (Bildmitte) als funktionale Trennlinie von Wirtschaftsflächen und Landschaftspark. Foto: Frank Schalaster, Stiftung "Fürst Pückler-Park Bad Muskau", Juli 2011
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Blick über den Gewächshauskomplex auf das Außengelände der Muskauer Schlossgärtnerei, A. Roscher, Stiftung "Fürst-Pückler-Park Bad Muskau", Aug. 2007. Foto: Frank Schalaster, Stiftung "Fürst Pückler-Park Bad Muskau", Juli 2011

Die Muskauer Standesherrschaft wurde im Jahre 1883 aus dem zwischenzeitlichen Besitz des Prinzen Friedrich der Niederlande4 an die Familie des Grafen Traugott Heinrich von Arnim5 übergeben. Während die besagten Bergbauaktivitäten zur Alaungewinnung bereits vor Pücklers Zeiten im unweit gelegenen Bergpark einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor darstellten, hielt die Industrialisierung seitdem unmittelbar im Kernbereich des Parks ihren nachdrücklichen Einzug. Zu Gunsten des Neubaus der "Muskauer Holzstoff- und Pappenfabrik C. Schreck" (1883) sowie des Umbaus der Mühle zu einem Wasserkraftwerk und dem späteren Ausbau der Papierfabrik zum "VEB Schaltgerätewerk Muskau" (1948) musste der Großteil an Gärtnereiflächen aufgegeben bzw. auf ein höher gelegenes Plateau jenseits der Lausitzer Neiße verlagert werden.6

Mit der Erweiterung des Fabrikkomplexes durchbrach die zu Wirtschaftszwecken beanspruchte Fläche die bestehende Grenze zum Uferbereich der Neiße, dessen ästhetische Funktion damit verloren ging.

Zusätzlich wurden ab 1895 die Industrieanlagen an das Kleinbahnnetz der Standesherrschaft angebunden, was zu weiteren deutlichen Beeinträchtigungen in Flussnähe führte, sodass dieser Parkteil seinen gartenkulturellen Anspruch vollständig einbüßte. Obwohl die Schlossgärtnerei 1922/23 ebenfalls auf die andere Neißeseite verlagert wurde, konnten Teile des Außenbereichs weiterhin gewissermaßen als grüne Enklave bewirtschaftet werden.

Trotz der dargelegten Einschnitte wurde auf dem ehemaligen Gärtnereigelände immerhin dessen ökonomische Funktion beibehalten, wenngleich die Formen der Bewirtschaftung der jeweiligen Zeit angepasst wurden. Diese Prämisse sollte auch bei der Weiterentwicklung des Areals seine Gültigkeit behalten.

Geänderte Nutzeranforderungen im Zuge von Stiftungsgründung und Park-Marketing

Mit der Schließung und dem sukzessiven Rückbau des Muskauer Schaltgerätewerks seit den 1990er Jahren sowie der Bewirtschaftung der Parkanlage durch die 1993 gegründete Stiftung "Fürst-Pückler-Park Bad Muskau" sollte das ehemalige Betriebsgelände wieder stärker der Pücklerschen Gestaltungsidee zugeordnet werden. Mit Restmitteln aus dem Etat zum Wiederaufbau der grenzübergreifenden Doppelbrücke konnte ein erster Teil der Fabrikanlagen rückgebaut und somit eine Heranführung an die historische Situation eingeleitet werden. Die Wiederherstellung des gepflasterten Uferweges nach historischen Plänen erfolgte sukzessive ab dem Jahr 2004 und setzte den Rückbau weiterer Gebäudeteile und schließlich die vollständige Schleifung der Werkanlagen voraus. Diese für die weitere Entwicklung relevante Grundstruktur konnte auch anhand einzelner Altpflasterbefunde herbeigeführt und damit ein bedeutender Schritt zur Reintegration dieses verlorenen Ortes in den Park getan werden.

Als Auflage des zuständigen Landesamtes für Denkmalpflege wurde eine abschirmende Sichtschutzmauer an der früheren Gebäudegrenze zum überkommenen Wasserkraftwerk gezogen, das heute von einem privaten Betreiber profitorientiert bewirtschaftet und dementsprechend unterhalten wird. Eine industriegeschichtliche Wunde im Park konnte mit den Maßnahmen geschlossen und der Neißebereich damit wieder dem historischen Leitzustand zugesprochen werden.

Die durch umfassende Wiederherstellungsmaßnahmen und die Anerkennung als Unesco-Welterbe auf den Muskauer Park gelenkte Aufmerksamkeit verlangte in den Folgejahren eine Anpassung der Infrastruktur an die stetig steigenden Nutzungsanforderungen. Neben seiner ursprünglichen Funktion als Betriebszufahrt wird über den Uferweg der Strom an Parkbesuchern geführt, ob als Fußgänger oder mit dem Fahrrad unterwegs. Hinzu kommt der Verlauf des im Sommerhalbjahr stark frequentierten Oder-Neiße-Radweges über den Uferweg. Um die zeitgemäße Bewirtschaftung der Parkanlage gewährleisten zu können, wurden auf dem Areal des sich derzeit in denkmalgerechter und funktionaler Instandsetzung befindlichen Gärtnerei-bereichs der Technikhof zur Aufnahme des Regiebetriebs sowie ein Besucherparkplatz für die wachsenden Touristenzahlen eingerichtet, dessen Ausbau mit der Neustrukturierung der Flächen einhergeht. Zur gestalterischen Einbindung der neuen Nutzungsformen und gleichzeitigen Abgrenzung von der historischen Parkumgebung wurde in diesen Bereichen eine so genannte "technische" Gehölzauswahl getroffen, die sich bewusst von der damaligen Artenzusammensetzung abgrenzen soll.7 Bislang trennte zusätzlich eine Sichtschutzhecke die Parkplatzflächen von der Neißeumgebung ab und zeichnete gleichzeitig etwa die historisch-funktionale Trennlinie zwischen Wirtschaftsbereich und Neißeufer nach, was für eine erste Bewusstseinsschärfung zur Wiedereingliederung von Bedeutung war.

Entwicklung des Pücklerschen Ufer- und Wirtschaftsbereichs zur Anlaufstelle für Parkbesucher

Die Projektbetreuung zur Neustrukturierung des Neißeuferweges auf einer rund 1,5 Hektar großen Fläche oblag der stiftungseigenen Abteilung "Planung und Denkmalpflege" in Abstimmung mit der Geschäftsleitung der Stiftung, den Stiftungsgremien, dem Sächsischen Landesamt für Denkmalpflege und der Stadt Bad Muskau. Umgesetzt wurde das Vorhaben durch Kapazitäten des Regiebetriebs sowie - abhängig von Art und Umfang - durch Auftragsarbeiten von externen Firmen und insbesondere durch die Beteiligung von ABM-Kräften der ortsansässigen Muskauer Schule als Ausbildungsstätte.

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Entwurfsskizze zum Wellenverlauf des Heckenelements. Frank Schalaster, Juni 2010.
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Einbindung des Wasserkraftwerks durch geschwungen ausgeführte Sichtschutzmauern zur Abschirmung der Wehranlage, Juni 2010. Foto: Frank Schalaster, Stiftung "Fürst Pückler-Park Bad Muskau", Juli 2011
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Paravent – Baumriegel mit unterschiedlichen Pflanzabständen, "Abweichlern" und mitunter gruppenartigen Gehölzanordnungen. Foto: Frank Schalaster, Stiftung "Fürst Pückler-Park Bad Muskau", Juli 2011
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Gesamtkonzeption zum Pücklerschen Neißeuferweg unter Beibehaltung der ursprünglich funktionalen Trennung des Uferbereichs von den Wirtschaftsflächen, die durch "historisches" bzw. "technisches" Pflanzensortiment (gelbgrüne bzw. hellgrüne Gehölzstreifen) bestanden sind. Grafik: Frank Schalaster, Dez. 2010

Gehölzverwendung

Die Grundstrukturierung des Wirtschaftsbereichs orientiert sich an der funktionalen Flächenaufteilung, wie sie bereits dem bestandsnahen Plan Brotkes aus dem Jahr 1847 abzuleiten ist.

Unter dieser Prämisse werden den Bewirtschaftungsflächen heutige Nutzeranforderungen zugeteilt. Zur räumlich-funktionalen Separierung werden die historisch verzeichneten Gehölzstreifen wiederbelebt und dementsprechend an der Wegeführung orientiert.

Zugleich wird ihre ursprüngliche Funktion einer räumlichen Abschirmung des Wirtschaftsbereichs bei gleichzeitiger Blicklenkung in Richtung der Szenerie an der Neiße aufgegriffen.

Auch die sich durch die Abfolge an Zuwegungen ergebende Gliederung des Gehölzbestands ist an die historische Situation angelehnt. Ergänzend werden die Partien schollenartig aufgebrochen und von Rasenstreifen durchzogen, die beiläufig Blickbezüge auf Parkszenerien zulassen und dabei zum Durchqueren animieren.

Entlang der Bebauung, dem als modernen Vierseitenhof angelegten Technikkomplex und dem angrenzenden historischen Gebäude (heutiges Sozialgebäude "113"), werden in direkter Nachbarschaft zur Orangerie die Gehölzgruppen entsprechend der zunehmenden räumlichen Verdichtung maßstabsgerecht fortgeführt.

In dem Abschnitt eines früheren Gebäuderiegels zur Wagenunterbringung auf Höhe des historischen Mühlenstandortes (heutiges Wasserkraftwerk) verengt eine beidseitige Gehölzanordnung den Raum im Sinne der ursprünglichen Aufteilung.

In diesem geschichtlich nicht bis ins Detail nachvollziehbaren Bereich wird ein zu durchquerender Paravent in Form einer schräg angeordneten Baumreihe ergänzt, der in Tradition andernorts durch Pückler eingebrachter vegetabiler Raumkanten eine wie selbstverständlich erscheinende Akzentuierung erreicht.

Der aus parktypischen Baumarten8 bestandene Riegel durchkreuzt den Wegeverlauf und lässt die Situation - ähnlich wie zum Zeitpunkt des damaligen Gebäuderiegels - nach dem Durchschreiten wieder offener werden. Die unregelmäßige Anordnung der Baumexemplare ergibt sich dadurch, dass der Paravent von mehreren übergreifenden Sichtachsen geschnitten wird, darunter jenen Blickbezügen über die Senken des benachbarten Heckenkörpers hinweg. Zusätzlich vervollständigt sich mit der Baumergänzung der Raum bildende Strang zwischen dem Parkbaumbestand der Eingangssituation des Promenadenwegs und der Umpflanzung der Schlosswiese.

Bei der Gehölzanordnung werden gruppierte Exemplare gleicher Arten in unterschiedlichen Kombinationen und Ausdehnungen über eine längere Abfolge platziert. Die Gehölzpartien setzen sich aus einer kompakten Anzahl ausgewählter Arten zusammen.9 Weil zu den Strauchpflanzungen im Muskauer Park nur wenige Hinweise existieren, musste die Gehölzverwendung zu Pücklers Zeiten entsprechend gefolgert werden. Als Grundlage hierfür diente ein 1998 von Dr. C. A. Wimmer erarbeiteter Analogieschluss zum Gehölzsortiment zu Zeiten Pücklers, der auf die Artenzusammensetzung im Pleasureground Bezug nehmend als bedeutende Quelle herangezogen werden konnte.10 Aus den vorgelegten Listen wurden Arten bestimmt, die - anders als die für Pleasureground-Bepflanzungen standesgemäß auffälligen Blütengehölze - ein für den Randbereich schlichteres Erscheinungsbild aufweisen und stattdessen verstärkt durch ihre Blattform auf sich aufmerksam machen. Mit dem stärkeren Einbezug derartiger Zieraspekte kann den gewachsenen Ansprüchen im Besucherankunftsbereich Rechnung getragen werden. Um auf die ehemalige Ertragsbewirtschaftung aus der Zeit der industriellen Überzeichnung hinzuweisen, deren Streuobstbestände bis heute als Relikte bestehen, wird das Sortiment um Ziergehölze mit Obstcharakter, die ebenfalls dem historisch hergeleiteten Repertoire entstammen, ergänzt.11

Auf dem Wegabschnitt vom Eingangsbereich bis zum Pleasureground werden die Gehölze zunehmend stärker kombiniert: Sind anfänglich gruppenhafte Pflanzungen einer Sorte aufgeführt, an die unmittelbar die nächsten homogenen Gruppenpflanzungen anschließen, so werden auf dem Höhepunkt dieser Entwicklung Exemplare unterschiedlicher Sorten intensiv durchmischt. Da sich die Gehölzflächen zum Pleasureground hin stark verkleinern, wird hierdurch der Effekt der Spannungsanreicherung zusätzlich verstärkt. Insgesamt kommt die Gestaltung dem Anspruch einer Heranführung an die prachtvollere Partie des Pleasuregrounds im Schlossumfeld nach und nimmt sich gegenüber diesem Kernbereich gerade so weit zurück, dass die an den Eingangsbereich gerichteten Erwartungen gleichsam erfüllt werden.

Heckenelement

Seit dem Abriss des angrenzenden Fabrikkomplexes wird das Wasserkraftwerk durch die beiden erwähnten Sichtschutzmauern flankiert. Mit ihren wellenartigen Grund-rissen, deren Formensprache auch bei der Umfeldgestaltung (wie etwa bei der Anlage von Parktaschen) aufgenommen wurde, fassen die Mauerkörper den Kraftwerkbau auflockernd ein.

Durch den Rückbau eines sichthemmenden, übermannshohen Maschengeflechtzauns findet die Sichtschutzmauer am Wehr in einer Heckenformation ihre Fortsetzung, deren Wellenbewegung sich zunehmend abschwächt und schließlich zur Wirtschaftszufahrt parallel verlaufend aufgelöst wird - umgekehrt schwingt das Heckenelement zur Mauer auf.

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Gestaltung des Picknickplatzes aus Postamenten und Mühlsteinfragmenten. Foto: Frank Schalaster, Stiftung "Fürst Pückler-Park Bad Muskau", Juli 2011
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Besucherinformationspunkt als erste Anlaufstelle im Park. Foto: Frank Schalaster, Stiftung "Fürst Pückler-Park Bad Muskau", Juli 2011
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Geschwungener Heckenkörper mit integriertem Geländerelement. Foto: Frank Schalaster, Stiftung "Fürst Pückler-Park Bad Muskau", Juli 2011
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Hochwassersituation im Bereich des Neißeuferweges am 9. August 2010. Foto: E. Brucksch

Gleichzeitig wird der Wehrbereich abgeschirmt, sodass technische Aufbauten und Ansammlungen von Treibgut ausgeblendet werden. In den Grünkörper integriert ist ein schmiedeeiserner Zaun, der ausschließlich in den abgesenkten Bereichen in Erscheinung tritt und eine Absturz sichernde Funktion übernimmt.

Der angrenzenden Wasserfläche des Staubeckens wird durch die sichtbaren Segmente der Geländerkonstruktion ein Hauch von Promenadencharakter verliehen. Deren Sprossenabstände weiten sich nach oben hin im Sinne eines "invisible fence" zunehmend auf. Die Absenkungen im Heckenkörper sind Teil einer Inszenierung von Blickbezügen und Sichtachsen, die von verschiedenen Standorten Ausblicke auf kulturelle Verweise am Neißeufer liefern und neben Industriegeschichte und Obstanbau auch Parkszenerien einbeziehen.

Besucherinformationspunkt

Das Heckenelement ist Bestandteil einer Neukonzipierung der Eingangssituation und dient gleichzeitig der Besucherlenkung in den Kernparkbereich, die sich vom Besucherparkplatz ausgehend fortsetzt. Dabei werden die Parktouristen an einem Informations- und Sammelpunkt an der Schnittstelle zum Landschaftspark in Empfang genommen.

Die erste Anlaufstelle für Besuchergruppen wurde unter Verzicht auf standardmäßige Möblierung eingerichtet. Die Fläche ergibt sich durch eine parallel verlaufende Anordnung aus insgesamt zehn Betonelementen, die ebenfalls das bekannte Wellenmotiv verkörpern. In ihrem geschwungenen Höhenverlauf erreichen sie im Platzbereich Sitzhöhe. Hier wird der Blick des Parkbesuchers wie beiläufig auf die markante Sichtachse über die Neiße mit der Doppelbrücke hin zur Prinzenbrücke im polnischen Parkteil als Point de vue geführt.

Zur weiteren Besucherlenkung in Richtung Neiße wurde an jener Stelle eine Wegachse ergänzt, wo nach Brotke (1847) eine der Zufahrten als trichterförmige Aufweitung in den Neißeuferweg mündete. Im Gegensatz zu den landschaftlich geschwungenen und historisch abgeleiteten Weganbindungen des Wirtschaftsbereichs orientiert sich diese Ergänzung allerdings zum Schlosspark und wurde daher betont klar ausgeführt. Flankiert wird diese Verbindung durch zusätzliche Betonelemente, welche die dominierende Achse des Fußgängerwegs von der Orangerie parallel zu den Wirtschaftsgebäuden auflösen und ableiten. Die Betonkörper grenzen sich in ihrer modern-nüchternen Ausführung zwar von der historischen Formensprache ab, bei ihrer Materialität wurde allerdings Bezug zum Bestehenden erzeugt. Der Betonmischung wurde als Zuschlag Melauner Granit-Kies beigemengt, dasselbe regional abgebaute Gestein, welches auch als Wegedeckschicht Verwendung findet. Eine Säuerung der Betonoberfläche lässt den Naturstein zum Vorschein treten, sodass die Betonkörper wie beiläufig aus dem Wegebelag aufzutauchen scheinen. In ihrer wellenartigen Höhenformation leiten die im Grundriss parallelen Mauersegmente zum Hecken- und Mauerabschluss entlang der Neiße über. Durch seine dreidimensionale Bewegung in Grundriss und Ansicht korrespondiert das Heckenelement als vegetabiler und hierdurch belebter Körper sowohl mit der geschwungenen Sichtschutzmauer als auch mit den Wellen ziehenden Mauerelementen. Deren Charakteristika addieren sich hier in Wehrnähe zu einem dynamischen Element, das unmittelbar am Sohlabsturz aufschwingt.

Besucherparkplatz

Der vorhandene Besucherparkplatz wird aus Kapazitätsgründen unter Wahrung der Außengrenzen des Wirtschaftsbereichs um einen zusätzlichen Bauabschnitt ergänzt. Die bestehende Sichtschutzhecke soll sukzessive aufgelöst werden, sobald die Gehölzpflanzungen auf den Grüninseln ihre räumliche Wirkung übernommen haben. Auf dem erweiterten Parkplatz werden Baumpflanzungen vorgenommen, deren Zusammensetzung dem bisherigen Sortiment entspricht. Dabei werden die unterschiedlichen Baumarten zweckgebunden - um als Solitär auf den Parkplatz hinzuweisen, zur Betonung der Zugänge oder als Begleitpflanzung der Stellflächen - eingesetzt.12 Zusätzliche Baum- und Strauchgruppierungen dienen der Sichtnahme des Parkplatzbetriebs aus angrenzenden Partien des Muskauer Parks sowie entlang raumgreifender Sichtachsen, sodass in absehbarer Zeit auch von den parkenden Reisebussen keine visuelle Beeinträchtigung mehr ausgehen wird.

Picknickplatz

Unter Verwendung geborgener Fundstücke in Form von Mühlsteinfragmenten und Postamentsockeln, die als Relikte früherer Nutzungsschichten erhalten sind und zu Sitzgelegenheiten gruppiert werden, wird in dem Grünstreifen zwischen Besucherparkplatz und Neißemühlenweg ein Picknickplatz angelegt.

Die einst durch Wasserkraft angetriebenen Mühlsteine verweisen auf die Phase der Muskauer Papiererzeugung. Das Verweilen auf diesen Erinnerungsstücken wird zusätzlich vom Wasserrauschen der nahen Wehranlage untermalt, ihrem ursprünglichen Einsatzort. Mit den geborstenen Mühlsteinelementen wird in diesem Bereich gleichzeitig auf "Kulturbrüche" im Zuge früher stattgefundener Veränderungen im Park und die Rückgewinnung der historischen Situation aufmerksam gemacht. Im Zuge der stückweisen Auflösung der bestehenden Sichtschutzhecke werden zum Parkplatz hin weitere Strauchpflanzungen in "technischer" Artenkombination ergänzt, deren Charakter sich von der benachbarten "historischen" Gehölzaufstellung unterscheidet; dazwischen fügen sich die Fragmente aus Sandstein ein.

Hochwasserschutz

Auf einen weiteren Aspekt soll bei der Gestaltung hingewiesen werden, den es zu berücksichtigten galt: den Hochwasserschutz. Nach der erschreckenden Vergegenwärtigung der Wassergewalten im August 2010, die sich auch über den Uferweg erstreckten, musste in der Planungsphase darauf reagiert werden.

Durch den Einbau von Betonwinkelstützen am Technikhof und einen integrierten Hochwasserschutzwall kann der Wasserstrom in den Schlosspark bis über die schweren Ereignisse von 1981 und 2010 hinaus gestoppt werden. Ein zusätzlich vorgelagerter Schutzwall wird durch Überhöhung des Bodenniveaus innerhalb der Gehölzstreifen erreicht, deren ausgesparte Wegdurchlässe ohne großen Aufwand mit vorgehaltenen Sandsäcken verschlossen werden können.

Resümierend konnte bei der Neustrukturierung des Pücklerschen Neißeuferwegs eine Vielzahl historischer Spuren dieses bewegten Ortes einbezogen, mit aktuellen Anforderungen verbunden und mit einer eigenen Formensprache zu einem Ganzen verwoben werden, sodass dieser Parkbereich heute gleichermaßen Tradition und Moderne verkörpert.

Anmerkungen

1) Das aus der Tiefe geförderte alaunhaltige Erdreich wurde in aufwendigen Prozessen weiterverarbeitet, bis in einem Gradierwerk das Alaun auskristallisiert werden konnte, um schließlich nach weiterer Anreicherung im Gerber- und Färberhandwerk Verwendung zu finden.

2) Hermann Fürst von Pückler-Muskau: Andeutungen über Landschaftsgärtnerei verbunden mit der Beschreibung ihrer praktischen Anwendung in Muskau, (1834), Stuttgart 1977, S. 33.

3) Hermann Fürst von Pückler-Muskau: Andeutungen über Landschaftsgärtnerei verbunden mit der Beschreibung ihrer praktischen Anwendung in Muskau, (1834), Stuttgart 1977, S.103;

Anmerkung des Verfassers: In den zahlreichen Auslassungen befanden sich Ziffern zur Erläuterung des "D-Plans".

4) Prinz Friedrich der Niederlande (1797-1881) erwarb 1846 die Muskauer Standesherrschaft.

5) Mit Traugott Heinrich Graf v. Arnim (1839-1919), dessen Stiefsohn Adolf (1875-1931) und dem Enkel Hermann (1903-1997) befand sich Muskau bis 1945 über drei Generation im Besitz der Familie.

6) Der Pückler-Schüler Eduard Petzold (1815-1891) legte unter dem Prinzen der Niederlande in den südöstlichen Parkteilen zwischen 1857 und 1867 als Muskauer Garteninspektor ein unfangreiches Arboretum an und führte in direkter Nachbarschaft einen ausgedehnten Baumschulbetrieb.

7) Verwendete "technische" Arten: Bastard-Indigo (Amorpha fruticosa), Apfel-Dorn (Crataegus lavallei 'Carierii'), Schmalblättrige Ölweide (Eleagnus angustifolia), Stechpalme (Ilex aquifolium), Schwarz-Birke (Betula nigra) sowie Europäische Hopfenbuche (Ostrya carpinifolia) als Pendant zur historisch verwendeten Hainbuche. Bei einhergehenden, späteren Untersuchungen stellte sich jedoch heraus, dass sich Amorpha, Eleagnus und Ilex entgegen der bisherigen Annahmen mit dem gefolgerten historischen Sortiment decken.

8) Auswahl historisch verwendeter Baumarten: Hainbuche (Carpinus betulus), Stiel-Eiche (Quercus robur) und Winter-Linde (Tilia cordata).

9) Verwendete "historische" Sorten: Kupfer-Felsenbirne (Amelanchier lamarckii), Kahle Apfelbeere (Aronia arbutifolia), Sauerdorn (Berberis vulgaris), Knopfbusch (Cephalanthus occidentalis), Scheineller (Clethra alnifolia), Perückenstrauch (Cotinus coggygria), Stechpalme (Ilex aquifolium), Duftloser Pfeifenstrauch (Philadelphus inodorus var. grandiflorus), Scheinkerrie (Rhodotypos scandens), Bibernell-Rose (Rosa pimpinellifolia), Niedrige Fiederspiere (Sorbaria sorbifolia), Chinesischer Flieder (Syringa x chinensis).

10) Clemens Alexander Wimmer, Gutachten zur historischen Gehölzverwendung im Muskauer Park, Potsdam, 1998

11) Verwendete Sorten mit Obstcharakter: Echte Mispel (Mespilus germanica), Kirsch-Apfel (Malus sargentii 'Eskilstuna', nicht gelistet, ersetzt den krankheitsanfälligen, früher verwendeten Malus baccata) und Echte Mehlbeere (Sorbus aria).

12) Europäischer Zürgelbaum (Celtis australis) als Solitär für Eingänge, Schwarz-Birke (Betula nigra) an den Zugangsbereichen, Hopfenbuche (Ostrya carpinifolia) zur Bepflanzung und Beschattung der Stellplätze.

Autor

Technischer Sachbearbeiter für Planen und Projektkoordination am Geschäftsbereich Grün der Stadt Wolfsburg

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