Warum gute Freiraumversorgung im Kleinen anfängt

Der Quartierspark um die Ecke

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3 Zwischen Passanten und auf den Bänken sitzenden Besuchern auf dem Goetheplatz (Duisburg) ergeben sich öfters spontane Gespräche. Man kennt sich hier. Foto: Doris Gstach

Es ist ein sonniger Tag im Herbst. Feierabend. Sie wollen einen der vielleicht letzten warmen Tage im Jahr genießen, einfach ein bisschen draußen sein, auf der Bank sitzen, die Sonne ins Gesicht scheinen lassen und den Leuten zuschauen. Leider ist es schon bald Abend und der kleine Park im Quartier mit den schönen alten Bäumen ist recht weit weg. Das lohnt sich für heute nicht mehr.

Der Aufenthalt im Freiraum hängt maßgeblich vom Angebot ab. Optimalerweise befinden sich Freiräume verschiedenster Art und Größe fein verteilt über das gesamte Stadtgebiet. Kleinere Freiraumangebote sind um die Ecke, die großen bedienen größere Teile der Stadt oder alle Bewohner*innen gleichermaßen und dürfen entsprechend auch weiter entfernt sein. Um die großen gesamtstädtischen Angebote ist es oft gar nicht so schlecht bestellt. Die meisten Städte verfügen an der einen oder anderen Stelle über ausgedehnte Erholungsräume, große Parkanlagen, Stadtwälder oder Flussauen. Sie sind ein Schatz für jede Stadt. Wer Glück hat und in der Nähe wohnt, dem dienen diese Grünräume als Alltagsfreiräume. Menschen, die weiter weg wohnen, werden diese aus Zeitgründen nur gelegentlich aufsuchen, beispielsweise an den Wochenenden. Für die kurze alltägliche Auszeit im Grünen sind sie auf wohnungsnahe Angebote angewiesen. Auf dieser Ebene zeigen sich deutliche Unterschiede in der Verfügbarkeit. Die Versorgung mit öffentlichem Grün ist Teil der Umweltgerechtigkeit, die sich neben der Vermeidung und Verminderung der räumlichen Konzentration von gesundheitsrelevanten Umweltbelastungen auch durch Gewährung eines sozial gerechten Zugangs zu Umweltressourcen definiert (UBA 2015). Dazu zählt auch das Stadtgrün. Für alle Teile der Bevölkerung ausreichend grüne Infrastruktur im Sinne frei zugänglicher Grünräume verfügbar zu machen, muss im Sinne gleichwertiger Lebensbedingungen ein klares Ziel der Stadtentwicklungspolitik sein und bleiben. Will man in an diesem Teilaspekt der Umweltgerechtigkeit etwas ändern, sind insbesondere auf der untersten Versorgungsebene, im Bereich der wohnungsnahen Freiräume Verbesserungen nötig.

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1, 2 Die Aufenthaltsdauer in den Parks der schlechter versorgten Nachbarschaften ist deutlich höher als in den gut versorgten Nachbarschaften. Abbildung: Doris Gstach
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2 Abbildung: Doris Gstach

Wohnungsnahe Freiräume können nicht durchweg aus großzügigen Stadtparks bestehen, das würde dem Leitsatz der kompakten Stadt und dem Ziel der Nachhaltigkeit widersprechen. Es geht also um kleine Freiräume. Doch was heißt klein? Und wie klein ist groß genug? Seit über 100 Jahren wird versucht, darauf unter anderem in Form von Orientierungswerten eine Antwort zu geben. Eine frühe Protagonistin diesbezüglich war Gräfin Adelheid von Dohna-Poninska, die sich in ihrer Publikation "Die Großstädte in ihrer Wohnungsnoth und die Grundlagen einer durchgreifenden Abhilfe" (veröffentlicht 1874 unter dem Pseudonym 'Arminius') besonders für bessere Lebensbedingungen der 'arbeitenden Klasse' in der Stadt einsetzte und Freiräume als einen wesentlichen Beitrag zur 'sozialen Frage' verstand - das Wort Umweltgerechtigkeit war noch nicht geboren. 1915 veröffentlichte Martin Wagner, der spätere Stadtbaurat von Berlin, seine Dissertation 'Das sanitäre Grün der Städte. Ein Beitrag zur Freiflächentheorie', in der er ein schematisches Freiraumnetz mit entsprechenden Richtgrößen entwickelte. Die GALK (Deutsche Gartenamtsleiterkonferenz) stellte 1973 eine umfassende Liste an Orientierungsgrößen für verschiedene Freiraumtypen zusammen, insbesondere in Bezug auf Mindestgrößen und Einzugsbereiche, teilweise auch mit Quadratmeter-Empfehlungen pro Einwohner. Doch bei dem Thema Orientierungswerte scheiden sich bis heute die Geister. Zum einen wird über die anzusetzenden Werte debattiert, zum anderen über ihre Sinnhaftigkeit an sich. Dass die Verwendung von Versorgungsrichtwerten durchaus Wirkung zeigt und die Entstehung von Grünräumen befördert, darauf verweist eine aktuelle internationale Studie. Sie untersuchte die Freiraumentwicklung in 50 Städten in Europa, Kanada und den USA über die letzten 25 Jahre (BCNUEJ 2018: 39, 43).

Mit dem Weißbuch Stadtgrün (BMUB 2017) hat die Diskussion um Orientierungswerte für die Freiraumversorgung in Deutschland neuen Aufschwung erhalten. Es bekennt sich mit einem von zehn Handlungszielen klar zur Definition solcher Richtgrößen und fordert zur besseren Vergleichbarkeit deutschlandweit einheitliche Werte. Dazu gibt es auch erste Vorschläge. Eine vom BBSR (Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung) in Auftrag gegebene Studie zur Richtwertethematik stellt den Status Quo in verschiedenen deutschen Städten und im benachbarten Ausland dar und leitet daraus auch Aussagen für eine bundesweite Anwendung ab (BBSR 2018a). Für 'nahe Grünflächen' als kleinstem Baustein wird eine Mindestgröße von einem Hektar und ein Einzugsradius von 500 Meter empfohlen. Die BBSR-Studie ist mit ihrer Flächenempfehlung nicht allein. Auch andere, teilweise internationale Studien sprechen sich für mindestens 1 Hektar große Nachbarschaftsparks aus (Annerstedt van den Bosch et al. 2016; Grunewald et al. 2016, Stadt Duisburg 2012: 56f). Dafür werden verschiedene Gründe genannt. Unter anderem wird argumentiert, die gewünschte Multifunktionalität erfordere diese Mindestgröße. Kleinere Parks spielten außerdem nur eine Rolle für die kurzzeitige Erholung und hätten damit eine eher untergeordnete Versorgungsfunktion.

Doch eine kritische Sicht auf die genannten Werte und Argumente scheint angebracht. Zunächst ist festzustellen, dass verschiedene Städte in Deutschland weit kleinere Grünräume in ihren Richtwerten berücksichtigen. In Bremen etwa beginnt die Kategorie der Nachbarschaftsparks bei unter einem Hektar (Der Senator für Umwelt, Bau und Verkehr, Bremen 2016: 134). Leipzig nennt als kleinste Einheit wohnungsnahes öffentliches Grün mit einer Mindestgröße von 0,2 Hektar (Stadt Leipzig 2018). Nürnberg definiert für Nachbarschaftsparks gar eine Mindestgröße von nur 0,1 Hektar (bis 1,5 ha; Stadt Nürnberg 2014: 46).

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4 Obwohl sich auf dem Goetheplatz nur wenige Spielgeräte befinden (ein Spielplatz ist gleich um die Ecke), halten sich Kinder hier lange auf. Sie nutzen die Wege zum Radfahren und spielen auf den Rasenflächen. Auch der Kiosk am südwestlichen Rand des Platzes wird rege frequentiert und belebt den Platz. Abbildung: Doris Gstach
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5 Die langen Bänke am Rande des Jahnplatzes (Hannover) bieten Platz für die unterschiedlichsten Besuchergruppen und sind an schönen Tagen sehr stark frequentiert. Foto: Doris Gstach

Um die verschiedenen Alltagsfunktionen und eine häufige Frequentierung der kleinen Parkanlagen zu ermöglichen, ist auch ihre Entfernung zur Wohnung entscheidend. Während die aktuellen Empfehlungen der BBSR Studie einen Einzugsradius (Luftlinie) von 500 Meter definieren, benennen Bremen, Leipzig und Nürnberg 250 Meter Luftlinie als maximale Entfernung für diese Freiraumkategorie. Die GALK spricht sich in einer aktuellen Broschüre zum Grünflächenmanagement und basierend auf einer Zusammenschau verschiedener kommunaler Werte für eine Entfernung von 150 bis 500 Meter aus (GALK e. V. 2018: 4). In der Literatur werden 300 bis 400 Meter Fußwegeentfernung als Grenzwert benannt, oberhalb dessen die Nutzung relativ rasch abnimmt. Eine repräsentative Dänemark-weite Studie deutet in die gleiche Richtung. Sie zeigt, dass rund 80 Prozent der Menschen, die täglich einen Park nutzen, in einem Einzugsbereich von 300 Metern wohnen (Schipperijn et al. 2010: 132).

Empirische Befunde

Es zeigt sich also, dass verschiedene Städte Parkanlagen, die deutlich kleiner als 1 Hektar sind, in ihrer Freiraumversorgung berücksichtigen und dass sie, korrespondierend mit der geringeren Größe, auch geringere Einzugsradien definieren. Doch wie sieht es mit den genannten Argumenten für die Mindestgröße von einem Hektar aus? Sind kleinere Parks zu klein für eine multifunktionale Nutzung, werden sie nur kurzzeitig genutzt und spielen daher für die Versorgung nur eine untergeordnete Rolle? Dazu gibt es wenig empirische Befunde. Am Beispiel von vier Nachbarschaftsparks ging die Autorin daher der Frage nach, wie kleinere Parkanlagen tatsächlich genutzt werden und welche Rolle sie für die alltägliche Erholung der Menschen und das soziale Miteinander im Quartier spielen. Dazu wurden 157 Parknutzer*innen in vier Nachbarschaftsparks mit einer Größe von 0,6 bis 0,7 Hektar (Ottilienplatz/Duisburg, Goetheplatz/Duisburg, Jahnplatz/Hannover, Fasanenweg/Nürnberg) befragt und strukturierte Beobachtungen über insgesamt zwölf Stunden pro Park zu den Nutzungs- und Aneignungsmustern in den einzelnen Anlagen gemacht. Bereits ein Blick auf die Nutzungsfrequenz gibt einen ersten Hinweis, dass die kleinen Nachbarschaftsparks für viele Besucher eine wichtige Rolle in der Alltagserholung spielen. 60 Prozent der Befragten besuchen die Parkanlagen täglich oder mehrmals in der Woche. Für ihren Weg zum Park benötigen 45 Prozent weniger als fünf Minuten (das entspricht einer fußläufigen Entfernung von unter 300 m).

Zwar nutzen rund zwei Drittel der Besucher*innen den jeweiligen Park nur für einen kürzeren Aufenthalt von unter einer Stunde, aber immerhin 20 Prozent halten sich ein bis zwei Stunden vor Ort auf und 5 Prozent sogar über drei Stunden. Etwas differenzierter wird das Bild, wenn man berücksichtigt, inwieweit die Nutzer*innen Wahlmöglichkeiten zwischen verschiedenen öffentlichen Grünräumen in ihrer Nachbarschaft haben. Zwei der untersuchten Parkanlagen liegen in schlechter mit Freiräumen versorgten Quartieren und bieten keine anderen Parkanlagen im 300 Meter fußläufiger Entfernung um die untersuchten Grünräume. Wenig überraschend liegt die Aufenthaltsdauer in diesen beiden Parks (Goetheplatz/Duisburg, Jahnplatz/Hannover) deutlich höher. Hier bleiben 17 Prozent ein bis zwei Stunden und 22 Prozent über zwei Stunden im Park.

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6 Der dargestellte Einzugsbereich von 220 Meter entspricht einer fußläufigen Wegestrecke von etwa 300 Meter. Welche Wahlmöglichkeiten Bewohner*innen am Rande des direkten Einzugsbereichs haben (innerer Ring um den Park), zeigt der äußere Ring. Der Jahnplatz liegt in einem schlecht mit Freiräumen versorgten Quartier. Nur ein Spielplatz liegt im direkten Einzugsbereich. Bei der größeren Grünfläche im Nordwesten handelt es sich um einen Friedhof. Der Vahrenwalder Park ganz im Osten des Kartenausschnitts wird durch eine verkehrsreiche Straße vom Quartier um den Jahnplatz getrennt. Quelle: Eigene Darstellung auf Basis von open street map
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7 Die kleinen Parks werden sowohl für Ruhe und Entspannung als auch für verschiedene aktive Nutzungen besucht. Abbildung: Doris Gstach

Alle untersuchten Beispiele bieten mehrere Aufenthaltsbereiche mit Sitzmöglichkeiten sowie Ausstattungselemente für Kinderspiel und/oder Freizeitsport. Die Besucherzahl ist dabei in den schlechter versorgten Gebieten deutlich höher, was unter anderem die fehlenden Wahlmöglichkeiten widerspiegelt. Menschen, deren Wohnumfeld schlecht mit Freiräumen ausgestattet ist, sind außerdem häufig von sozio-ökonomischen Benachteiligungen betroffen (Kabisch, Haase 2014; Sousa Silva et al. 2018). Das zeigt sich auch bei den entsprechenden statistischen Kennzahlen für die Stadtteile der untersuchten Nachbarschaftsparks. Wohnungsnahe, frei zugängliche Freiraumangebote sind für diese Bevölkerungsgruppen noch wichtiger, da sie weniger Möglichkeiten und Mittel haben, weiter entfernte oder kostenpflichtige Freiraumangebote zu nutzen.

Bei der Frage nach dem Grund für den Besuch der betreffenden Parkanlage fällt auf, dass auch diese relativ kleinen Parkanlagen durchaus als Ort der Entspannung und Ruhe (26 %, 72 Nennungen) und des Naturerlebens (18 %, 51 Nennungen) wahrgenommen werden. Der von den untersuchten Parks am intensivsten mit verschiedenen Spiel- und Sportmöglichkeiten ausgestattete Jahnplatz in Hannover hat damit auch den vergleichsweise geringsten Grünanteil. Trotzdem nennen immerhin noch 14 Prozent der Befragten 'Natur genießen' als einen der Gründe für ihren Besuch. Insgesamt sind die weitgehend konfliktfrei nebeneinander ablaufenden Nutzungen ein Hinweis, dass die verschiedenen Bewegungs- und Aufenthaltsfunktionen, aktive Nutzung ebenso wie Rückzug und ruhige Erholung auch in kleineren Nachbarschaftsparks gut miteinander kombinierbar sind. Es ist weitgehend eine Frage der Gestaltung und Ausstattung, ob aus einem kleineren Stück Grün ein belebter Quartierstreffpunkt wird.

Gerade die übersichtliche Größe der Parks ist für das soziale Miteinander möglicherweise besonders förderlich. Denn es kommt nicht nur zu einer friedlichen Koexistenz, bemerkenswert viele Leute kommen auch in Kontakt miteinander. 34 Prozent der Befragten gaben an, dass sie häufig mit Parkbesuchern, die sie nicht kennen, ins Gespräch kommen, weitere 28 Prozent sagten, dass das zumindest manchmal passiere. Darüber hinaus kennen sich auch viele der Besucher*innen zumindest flüchtig. 65 Prozent treffen häufig zufällig Freunde und Bekannte im Park. Gerade für Kinder zeigen sich die Nachbarschaftsparks als wichtige soziale Orte. Sie nutzen die beobachteten Parks teils sehr intensiv und suchen diese über den Tag verteilt mehrfach auf. Es entstehen spontane Spielgruppen mit anderen Kindern. Einige der etwas größeren Kinder (etwa ab acht Jahren) kommen auch ohne Betreuungspersonen. Mitentscheidend dafür ist sicherlich, dass umliegende Straßen mit Ausnahme des Jahnplatzes in Hannover wenig verkehrsbelastet sind und entsprechend wenig Gefahrenpotentiale für die Kinder bieten.

Auch wenn die Definition einer Mindestgröße von Nachbarschaftsparks sicher nur annäherungsweise erfolgen kann, liegt sie jedenfalls deutlich unter einem Hektar. Einen Hinweis auf eine mögliche Untergrenze für multifunktionale Grünräume liefert eine skandinavische Studie, die die Nutzungsstrukturen von sogenannten Pocketparks mit einer Größe von unter 0,3 Hektar untersucht hat (Nordh, Østby 2013). Die empirische Studie kommt zum Ergebnis, dass solche Freiräume tendenziell nur mehr eine monofunktionale Ausrichtung im Sinne einer aktiven oder passiven ruhigen Nutzung zulassen. Aufgrund ihrer Kleinheit, so die Autorinnen, seien sie tendenziell auch stärker von visuellen und akustischen Beeinträchtigungen betroffen und damit in ihrem Erholungswert eingeschränkt.

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8 Der Ottilienplatz (Duisburg) ist eine kleine Grünoase im Quartier. Ein Ballspielbereich lockt vor allem Kinder und Jugendliche an. Foto: Doris Gstach
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9 Der Ottilienpark liegt in einem gut mit Freiräumen versorgten Quartier. Besonders die Bewohner*innen im Norden und Westen haben die Wahl – sie können auch einen Grünzug oder den Goerdelerpark fußläufig rasch erreichen. Quelle: Eigene Darstellung auf Basis von open street map

Zusammenfassend werden auf Basis dieser verschiedenen Befunde für multifunktional nutzbare Nachbarschaftsparks als Orientierungswerte eine Mindestgröße von 0,3 Hektar bis 0,5 Hektar und ein maximaler Einzugsbereich von 200 bis 300 Meter (ca. drei bis fünf Gehminuten) empfohlen. Doch selbst wenn für diesen kleinsten, aber entscheidenden Baustein der Freiraumversorgung schon weniger als 1 Hektar ausreichend ist, zeigen sich in der Praxis Lücken.

Die Krux mit der Umsetzung

Es ist klar, dass das Erfüllen der genannten Versorgungsrichtwerte insbesondere in dichten und unterversorgten Bestandsquartieren eine große Herausforderung ist. Die Handlungsspielräume in Form zusätzlich verfügbarer Flächen im Bestand sind mangels Brachflächen manchmal schlichtweg nicht gegeben. Doch so wichtig eine Qualifizierung des Bestands, die Verbesserung der Erreichbarkeit und zeitlich gestaffelte Nutzungen (z. B. die öffentliche Nutzung von Schulsportflächen) sind: Fehlende Quantität lässt sich nur bis zu einem gewissen Grad durch Qualität kompensieren. Umso mehr gilt das vor dem Hintergrund individualisierter und ausdifferenzierter Freiraumansprüche. Wie das nachbarschaftliche Grün letztendlich entwickelt wird, ob in Koproduktion von Stadt und Bürgerschaft oder als klassisch kommunales Angebot und wie das Nutzungsspektrum genau aussehen soll, muss mit und in den einzelnen Nachbarschaften geklärt werden. Entscheidend ist, dass eine entsprechende Fläche dafür überhaupt vorhanden ist beziehungsweise vorgehalten wird. Aber werden dafür wirklich alle Möglichkeiten ausgeschöpft? Ein Gradmesser mag das im Nachgang zum Weißbuch Stadtgrün aufgelegte Bundesförderprogramm Zukunft Stadtgrün sein, das unter anderem auch die Neuschaffung von Grünraum finanziell unterstützt. Der im Dezember 2018 veröffentlichte Statusbericht zum Förderprogramm zeigt, dass sich gerade einmal 6 Prozent der geförderten Maßnahmen auf die Neuschaffung beziehen, obwohl über 80 Prozent davon im Stadtkern oder in innenstadtnahen Lagen verortet werden (BBSR 2018b: 21, 26), wo Versorgungsmängel in der Hauptsache auftreten. Dass eine adäquate Freiraumversorgung auf Quartiersebene noch nicht den nötigen Stellenwert in der Stadtentwicklungspolitik hat, zeigt sich vielleicht noch deutlicher in städtebaulichen Neubauprojekten, bei denen Renditeüberlegungen den Freiraumanteil allzu oft bereits in der Planungsphase schrumpfen lassen. Das dürfte für kleine, wenig prestigeträchtige Nachbarschaftsparks, wie sie hier propagiert werden, noch mehr gelten als für die Anlage großer Parks, die durch ihren großen Einzugsbereich flexibler verortbar sind und im Stadtmarketing eine gewichtige Rolle spielen.

Von zentraler Bedeutung, ob Parks der hier diskutierten Größenordnung überhaupt Bestandteil von Freiraumanalysen, Quartiersentwicklungskonzepten und Verhandlungen mit Investoren sind, ist nicht zuletzt die Definition adäquater Orientierungswerte. Diverse Städte haben dies bereits getan. In einem weiteren, entscheidenden Schritt müsste dann aber auch dafür gesorgt werden, dass diese durchgesetzt werden, in Bestandsquartieren ebenso wie in Neubauquartieren, auch gegen wirtschaftliche Verwertungsinteressen. Das als verbindliches Ziel zu formulieren, wäre ein ernstzunehmender Schritt in Richtung Umweltgerechtigkeit.

Quellen

Annerstedt van den Bosch, M.; Mudu, P.; Uscila, V.; Barrdahl, M.; Kulinkina, A.; Staatsen, B. (2016): Development of an urban green space indicator and the public health rationale. In: Scandinavian Journal of Public Health (44), S. 159-167.

Arminius (1874): Die Großstädte in ihrer Wohnungsnoth und die Grundlagen einer durchgreifenden Abhilfe. Leipzig: Duncker & Humblot.

BBSR - Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (Hg.) (2018a): Handlungsziele für Stadtgrün und deren empirische Evidenz. Indikatoren, Kenn- und Orientierungswerte.

BBSR - Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (Hg.) (2018b): Bundestransferstelle Zukunft Stadtgrün. Erster Statusbericht zum Städtebauförderungsprogramm.

BMUB - Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (Hg.) (2017): Weißbuch Stadtgrün. Grün in der Stadt - Für eine lebenswerte Zukunft.

BCNUEJ - Barcelona Lab for Urban Environmental Justice and Sustainability (2018): Green Trajectories. Municipal policy trends and strategies for greening in Europe, Canada and United States (1990-2016).

Der Senator für Umwelt, Bau und Verkehr, Bremen (2016): Landschaftsprogramm Bremen 2015. Teil Stadtgemeinde Bremen. Textband. Ziele, Maßnahmen und Begründung.

GALK - Ständige Konferenz der Gartenbauamtsleiter beim Deutschen Städtetag (1973): Richtzahlen für die Planung von Grünflächen, 15. Konferenz, Arbeitsgruppe Bedarfszahlen, Mai 1973.

GALK e. V. - Deutsche Gartenamtsleiterkonferenz (2018): Grünflächenmanagement. Planen, bauen, bewirtschaften - Grünflächen effizient und effektiv steuern.

Grunewald, K.; Richter, B.; Meinel, G.; Herlod, H.; Syrbe, R.-U. (2016): Vorschlag bundesweiter Indikatoren zur Erreichbarkeit öffentlicher Grünflächen. Bewertung der Ökosystemleistung "Erholung in der Stadt". In: Natur und Landschaftsplanung 48 (7), S. 218-226.

Kabisch, N.; Haase, D. (2014): Green justice or just green? Provision of urban green spaces in Berlin, Germany. In: Landscape and Urban Planning 122, S. 129-139.

Nordh, H.; Østby, K. (2013): Pocket parks for people - A study of park design and use. In: Urban Forestry & Urban Greening 12 (1), S. 12-17.

Schipperijn, J.; Ekholm, O.; Stigsdotter, U. K.; Toftager, M.; Bentsen, P.; Kamper-Jørgensen, F.; Randrup, T. B. (2010): Factors influencing the use of green space: Results from a Danish national representative survey. In: Landscape and Urban Planning (95), S. 130-137.

Sousa Silva, C. de; Viegas, I.; Panagopoulos, T.; Bell, S. (2018): Environmental Justice in Accessibility to Green Infrastructure in Two European Cities. In: land 7(137), S. 1-23.

Stadt Duisburg (2012): Grünordnungs- und Freiraumentwicklungskonzept Duisburg. Band II: Zielkonzepte Teilräume.

Stadt Leipzig (2018): Integriertes Stadtentwicklungskonzept 'Leipzig 2030', Fachkonzept Freiraum und Umwelt.

Stadt Nürnberg (2014): Masterplan Freiraum. Leitbild "Kompaktes Grünes Nürnberg 2030". Gesamtstädtisches Freiraumkonzept.

UBA - Umweltbundesamt (Hg.) (2015): Umweltgerechtigkeit im städtischen Raum - Entwicklung von praxistauglichen Strategien und Maßnahmen zur Minderung sozial ungleich verteilter Umweltbelastungen.

Wagner, M. (1915/2000): Das sanitäre Grün der Städte. Ein Beitrag zur Freiflächentheorie. Reprint 1915. Berlin: Heymann.

Prof. Dr.-Ing. Doris Gstach
Autorin

FH Erfurt, Fachgebiet Freiraumplanung und Landschaftsplanung

Fachhochschule Erfurt

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