Anbau hat sich durch Klimawandel verändert, Teil II

Die Gemeine Fichte ist Baum des Jahres 2017

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Bäume
Zweistämmige Fichte, Vorarlberg (23.01.2014). Foto: Renate Scheer

Die Fichte wächst im Reinbestand, aber auch gemischt mit anderen Nadel- oder Laubbäumen vor allem im Nadelwaldgürtel der montanen und subalpinen Höhenstufe. Natürliche Fichten- und Fichtenmischwälder sind in Mitteleuropa unter verschiedenen Bedingungen zu finden. Je nach Temperatur-, Nährstoff- und Feuchtigkeitsverhältnissen zeigen sie eine andere Ausprägung; wobei die einzelnen Ausbildungen sich weniger durch eine bestimmte Zusammensetzung charakteristischer Arten als durch unterschiedliche Mengenanteile unterscheiden. Von Skandinavien bis in das Balkangebirge werden rund 50 verschiedene Fichtenwaldgesellschaften beschrieben (Zoller, 1981).

Die Alpen gelten als das Mannigfaltigkeitszentrum der mitteleuropäischen Fichtenwaldgesellschaften. Fichten besiedeln die untere subalpine Stufe der Karpaten und Alpen, mit Ausnahme der schon mehr ozeanischen nordwestlichen und südlichen Randketten, des Weiteren die hochmontane Region der Mittelgebirge östlich der Linie Harz-Frankenwald. Ferner wachsen sie in der montanen Stufe der inneren Alpentäler, deren Klima für Buche und Tanne zu kontinental ist.

Bei den montanen Fichtenwäldern der zentral- und zwischenalpinen Trockentäler (CH) lässt das kontinentale Klima im Alpeninnern nur die Fichte zu, die hier auf Kalk- wie auf Urgesteinsböden gedeiht. Ein Beispiel für einen solchen trockenen montanen Fichtenwald ist der Perlgras-Fichtenwald (Melico-Piceetum), der neben dem namengebenden Melica nutans Knautia dipsacifolia (Wald-Knautie), Carex alba (Weiße Segge) enthält. In den extrem trockenen Tälern des Engadins wird dieser Wald mitunter so licht, dass sich Lärchen und Waldkiefern beimischen.

Werden die Gebirgsteile niederschlagsreicher, wie etwa in den Rheintälern oder im westlichen Wallis, entwickeln sich auf basenreicheren Böden Labkraut-Fichtenwälder (Piceetum montanum galietosum) mit Galium rotundifolium (Rundblättriges Labkraut) und einer Reihe weiterer krautiger Arten, die auch in Tannen- und Laubmischwäldern auftreten.

Auch bei den subalpinen Fichtenwäldern gibt es eine feuchtere (Piceetum subalpinum myrtilletosum, Heidelbeer-Fichtenwald) und eine trockenere Subassoziation (Piceetum subalpinum vaccinietosum, Preiselbeer-Fichtenwald). In beiden Gesellschaften treten Heidelbeere, Preiselbeere, Sauerklee und Wolliges Reitgras (Calamagrostis villosa) auf.

Vereinzelt noch erhaltene Urwälder lassen ahnen, wie einst die großen undurchdringlichen Fichtenwälder aussahen. Eines der schönsten Beispiele ist der neun Hektar große Urwald Scatlè in Graubünden (Breil/Brigels), der auf einer unzugänglichen steilen Bergsturzhalde wächst. Seit 1910 steht dieses Reservat unter Schutz. Pollenanalytische Untersuchungen wiesen den Urwaldcharakter bis in das 13. Jahrhundert nach. Wegen der ungünstigen Geländeverhältnisse erfolgte seit Menschengedenken keine Nutzung (Schmidt-Vogt, 1991).

Bei dieser relativ artenarmen Waldgesellschaft handelt es sich um ein Piceetum subalpinum myrtilletosum auf Rohhumus. Der Wald besteht aus reiner Fichte mit einigen Ebereschen als Pioniergehölzen. Auf dem recht armen Boden wird die Fichte 300 bis 650 Jahre alt. Alle Entwicklungsstufen sind vertreten und nehmen je nach Höhenlage (1580-2015 m) folgende Zeitspannen ein:

Jugendphase: 80 bis 130 Jahre, Optimalphase: 200 bis 260, meist einschichtig und relativ dicht, Altersphase: 100 bis 160 und die Zerfallsphase: 50 bis 100 Jahre. Die Verjüngung erfolgt vielfach als "Kadaververjüngung", das heißt, die Fichte keimt auf ihren eigenen vermodernden Baumleichen, weshalb sie später in Reihen und "auf Stelzen" steht (Ellenberg & Leuschner, 2010).

Die mitunter etwas romantischen Vorstellungen über Urwälder entsprechen nicht immer der Realität; so gleicht der Fichtenwald in seiner Reifephase im Aufbau sehr stark dem gleichaltrigen Fichtenreinbestand des Wirtschaftswaldes am Ende der Umtriebszeit. Dies hängt damit zusammen, dass das Höhenwachstum sich mit zunehmendem Alter verlangsamt und mit 150 bis 200 Jahren zum Abschluss kommt. Dieses Alter bedeutet aber nicht das Lebensende der Fichte. Selbst bei einer Altersdifferenzierung von 150-200 Jahren entsteht somit vor dem Absterben der ältesten Bäume ein einschichtiges Kronendach (Schmidt-Vogt, 1991).

In den Nordalpen und im deutschen Alpenvorland mischen sich Fichten in die Tannenwaldgesellschaften. Für saure Böden sind zwei Ausbildungen charakteristisch: der artenarme Preiselbeer-Fichten-Tannenwald (Vaccinium-Abietum) auf sehr nährstoffarmen Böden in submontan-montaner Höhenlage sowie der schon mehr ozeanisch geprägte Hainsimsen-Fichten-Tannenwald (Luzulo-Abietum) im montan-hochmontanen Bereich, der im Thüringer Wald seinen nordwestlichsten Vorposten hat (Ellenberg & Leuschner, 2010).

Die vielleicht ältesten und größten Fichten Deutschlands stehen bei Hohegeiß, einem Ortsteil von Braunlage im Harz. Die 350 bis 400 Jahre alten Bäume mit über 50 Meter Höhe und Stammdurchmessern von 100 bis 150 Zentimetern wurden Ende des 18. Jahrhunderts erstmalig erwähnt. Seit 1989 ist das als "Dicke Tannen" bezeichnete 4,2 Hektar große Gebiet als Naturdenkmal ausgewiesen. Dass ein Teil der Bäume bis heute überdauert hat - von 119 Fichten (1893) sind noch etwa 20 gesunde Exemplare erhalten - liegt vor allem an der Unzugänglichkeit der engen Wolfsbachschlucht: Nicht nur der Zugang zu den "Riesen" war schwierig -, auch an einen Abtransport des Holzes war nicht zu denken (Lüttgau, schriftl. 30.03.2017)

Standortansprüche

Als Baumart höherer Lagen bevorzugt die Fichte kühles, niederschlagreiches Klima mit mindestens 40 Millimeter Niederschlag im Monat während der Vegetationsperiode. Warm-trockenes Klima wird schlecht vertragen. Gegen Frost ist sie unempfindlich.

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Hinsichtlich der Nährstoffe stellt die Fichte keine hohen Ansprüche, sie wächst auf sauren wie alkalischen Böden, reagiert aber empfindlich auf Kalk im Oberboden (Neigung zu Rotfäule). Ideal sind frische Lehmböden, da diese eine gute Wasserspeicherfähigkeit haben und gut durchwurzelbar sind; Tonböden sind auf Grund ihrer Schwere und Dichte nicht geeignet.

Hinsichtlich der Wasserversorgung ist für das Gedeihen der Fichte vor allem die Regelmäßigkeit des Wasserangebotes entscheidend. Längere Dürreperioden wie zum Beispiel im Sommer 2015 führen zu erheblichem Trockenstress und erhöhen die Anfälligkeit gegenüber Borkenkäferbefall.

Die Fichte gehört zu den Halbschatten-Baumarten, die natürliche Verjüngung erfolgt unter dem Schirm des Altbestandes, sofern dieser nicht zu dicht ist und ausreichend Licht für die jungen Fichten durchlässt (Stöger, schriftl. 28.03.17).

Forstgeschichte

Die Geschichte der Fichtenausbreitung durch den Menschen geht mit der Geschichte der Siedlungsbewegung und der damit verbundenen Rodungen einher: Die ersten Schläge beschränkten sich auf die Waldränder. Seit 800 n. Chr., verstärkt seit 1100 drang man auch in bislang unberührte Waldbezirke ein. Dabei konzentrierten sich die Rodungen zunächst auf Laubholzgebiete, die meist auf fruchtbareren Böden stockten sowie auf die tieferen Lagen. Mit dem Erfordernis weitere Räume zu erschließen, wurden auch Nadelwaldstandorte und höhere Lagen einbezogen. Die verbliebenen ortsnahen Wälder unterlagen einer vielfältigen Nutzung: Brennholz, Streu, Waldweide, wodurch aufgelichtete Bestände, teils völlig baumfreie Flächen entstanden. Diese Situation begünstigte die Fichte, die sich aus ökologischen Nischen heraus ansamen konnte und häufig die einzige wertvolle Baumart neben den Weichhölzern darstellte. Diese Ausweitung des natürlichen Fichtenareals wird als "spätmittelalterlicher Fichtenvorstoß" bezeichnet.

Neben dieser "eigenständigen" Ausbreitung gab es "unterstützende" Maßnahmen: 1423 wurde im Stadtwald Frankfurt am Main die erste urkundlich belegte Fichtensaat durchgeführt, erfahrene Tannensäer aus Nürnberg waren dafür angereist.¹ Es folgten einige weitere Ansaaten, zum Beispiel 1568 am Kloster Ochsenhausen (Oberschwaben), doch zunächst blieb diese Form der Bestandserweiterung die Ausnahme: zu hoch waren die Kosten und zu unerfahren das Forstpersonal.

Bevölkerungswachstum sowie der Anstieg der industriellen Produktion zogen weiteren Holzbedarf nach sich, der von den verwüsteten Wäldern nicht mehr gedeckt werden konnte - das Verhältnis zum Wald musste sich ändern: nur eine geregelte Forstwirtschaft mit einer Steigerung der "Erträge" konnte die vielfältigen Ansprüche erfüllen. So entschied man sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, den Nadelholzanbau - und damit war in der Regel Fichtenanbau gemeint - "energisch" zu fördern, da nach damaliger Ansicht auf den heruntergekommenen Böden nichts anderes mehr wuchs. Der Fichtenanbau geriet zum Dogma.

Eine Verlagerung des Schwergewichtes der Holznutzung in Richtung Nutzholzgewinnung (statt Brennholz) führte zu einer weiteren Bevorzugung des Nadelholzes. Über 90 Prozent aller um 1900 mit Fichten bestandenen Flächen waren im 19. Jahrhundert neu begründet worden. Dies erfolgte zunächst in den Gebieten, in denen die Fichte auch natürlich vorkommt, daneben aber bereits auch in Bereichen, die ursprünglich fichtenfrei waren. Eine weitere Zunahme des Bestandes erfolgte durch die Umwandlung der noch recht weit verbreiteten Mittel- und Niederwälder in Hochwälder, wobei man die Mittelwälder häufig hoch wachsen ließ und sie nur mit Fichten unterbaute, die Niederwälder hingegen je nach Lage in Fichten- oder Kiefernmonokulturen verwandelte.

Die Fichtenreinkulturen blieben nicht folgenlos: Gegen Ende des 18. Jahrhunderts fielen im Harz 2 bis 2,5 Millionen Festmeter Fichte Borkenkäfern und Stürmen zum Opfer. Erste Stimmen warnten vor der reinen Fichtenholzwirtschaft, doch blieben sie über viele Jahrzehnte ungehört, der Fichtenanbau nahm zunächst weiter zu.

Nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte die Wiederaufforstung der dezimierten Waldbestände zunächst ebenfalls überwiegend mit Nadelholz. So ist die Altersstruktur des Waldes teilweise noch heute durch diese zeitgleiche Pflanzung geprägt. 1961 waren 42,7 Prozent der gesamten Holzbodenfläche der Bundesrepublik mit Fichten bestanden, die Schwerpunkte lagen in Bayern (53 Prozent) und Baden-Württemberg (54 Prozent), aber auch außerhalb ihres natürlichen Areals bildeten sie vielfach über ein Drittel des Baumbestandes, etwa in Nordrhein-Westfalen 45 Prozent oder in Schleswig-Holstein 37 Prozent (Schmidt-Vogt, 1987).

Nach den Sturmkatastrophen in den 1990er und folgenden Jahren, bei denen großflächig Fichtenwälder verwüstet wurden - allein in Nordrhein-Westfalen fielen Kyrill im Januar 2007 rund 16 Millionen Festmeter, fast alles Fichte, zum Opfer -, begann man mit der Umwandlung nicht standortgerechter Fichtenreinbestände in stabilere und naturnähere Mischbestände oder Laubwälder. Zwischen 2002 und 2012 nahm der Anteil der Laubbäume um sieben Prozent zu, gleichzeitig verringerte sich die Fichtenfläche um acht Prozent. In Nordrhein-Westfalen zeigt sich dieser Wandel besonders deutlich: Im Jungwald bis vier Meter Höhe beträgt der Fichtenanteil 15 Prozent, der Buchenanteil 44 Prozent.

Nach Angaben der dritten Bundeswaldinventur (2011/12) sind 32 Prozent der Fläche Deutschlands mit Wald bestanden. Der Anteil der Fichte an der Waldfläche beträgt 26 Prozent, Kiefer 23 Prozent, Buche 16 Prozent und Eiche elf Prozent. Die fichtenreichsten Länder sind Bayern (42 %), Thüringen (38 %), Sachsen (34 %), Baden-Württemberg (34 %) und Nordrhein-Westfalen (29 %) (Bundeswaldinventur, 2016).

In Bayern sind 42 Prozent der Fichtenbestände Reinbestände, der Waldumbau in Richtung artenreicher Mischwälder wird auch für diese Flächen angestrebt. Nicht standortgerechte Bestände werden bereits seit einer Reihe von Jahren in Mischwälder umgewandelt, auch Privatwaldbesitzer werden durch Beratung und Förderung dazu motiviert. Die Verjüngung der Bestände erfolgt zu knapp 90 Prozent als Naturverjüngung.

In Thüringen gibt es eine Reihe von Flächen, auf denen ausschließlich Fichten stehen, so zum Beispiel im Thüringer Wald, dort sind 90 bis 95 Prozent der Waldgebiete Fichtenreinbestände. Hier liegt neben dem thüringisch-fränkischen Schiefergebirge, das ähnliche Zahlen aufweist, der Schwerpunkt für den Waldumbau. Als "Partner" wurden Buche, aber auch die in Thüringen heimische Weiß-Tanne ausgewählt. Letztere, die auf einigen Flächen schon wächst, bietet mit ihrem tiefen Wurzelwerk eine gute Ergänzung zur Fichte und fördert die Stabilisierung des Bestandes. Ferner schließt sie die durch den verringerten Fichtenanbau entstehende Lücke im Nadelholzangebot.

In den Kammregionen des Thüringer Waldes (> 800 m Höhe) tritt die Eberesche als Begleitbaum hinzu, doch auch hier soll die Weiß-Tanne erprobt werden. Auf diese Kammregionen richtet sich der Blick der Forstwirtschaft besonders. In den 1940er- und 1950er-Jahren hatte es hier umfangreiche Sturm- und Borkenkäferschäden gegeben, die riesige Kahlflächen zurückließen. Aufgepflanzt wurde mit Saatgut, das zur Verfügung stand, aber für die Höhenlagen nicht immer geeignet war. Seit Jahrzehnten wird in diesen Arealen der Bestand mit der sogenannten Schlossberg-Fichte, einer einheimischen, an Hochlagen angepassten schmalkronigen Fichte umgewandelt.

Im Hinblick auf den Klimawandel wurden für ganz Thüringen die Anbaumöglichkeiten für die Fichte geprüft. Ostthüringen, die wärmste und trockenste Region mit bereits heute hohem Borkenkäferbefall wird ein weiterer Schwerpunkt des Fichtenumbaus sein. Auch hier entschied man sich für einen Wechsel zu Buche und Weiß-Tanne, wobei letztere neben der Pflanzung auch immer stärker ausgesät wird (Profft, mdl. 28.03.2017).

Die Fichte war in den vergangenen Jahrzehnten mit 52 Prozent überproportional am Holzaufkommen beteiligt, eine weitere Reduzierung des Fichtenanteils, die je nach Standort ökologisch erwünscht ist, hat demnach auch Auswirkungen auf die Holzwirtschaft.

Wie geht es der Fichte?

Anhand zweier Bundesländer - Bayern und Thüringen - soll der Zustand der Fichte beschrieben werden. Auf das "Waldsterben" der 1980er Jahre wird hier nicht eingegangen, darüber informieren zahlreiche Fachbeiträge etwa in der "Allgemeinen Forstzeitschrift" (1983/84), und auch in "Stadt und Grün" wurde in dem Artikel zur Weiß-Tanne (Juli 2004) darüber berichtet.

Zwar konnten die immensen Belastungen durch Schwefeldioxydverbindungen durch Entschwefelungsanlagen reduziert werden, doch liegen die Stickstoffeinträge nach wie vor auf hohem Niveau. 2014/15 wurden in Thüringen die kritischen Belastungsgrenzen des Waldes an allen Wald- und Hauptmessstationen überschritten (Waldzustandsbericht 2016). Auch in Bayern müssten an zwei Dritteln der Waldklimastationen die Einträge um 10-60 Prozent sinken, um langfristig schädigende Einflüsse zu vermeiden; die Einträge liegen im Schnitt bei 14 bis 15 Kilogramm pro Hektar und Jahr (Waldbericht 2015).

Die Stickoxideinträge können infolge einer Versauerung des Bodens zu einem Mangel an Nährelementen führen. Magnesiummangel ist mit die am weitesten verbreitete Ernährungsstörung bei Fichten, sie führt zu Gelbspitzigkeit und letztlich Nadelverlusten; Magnesiummangel schränkt das Wachstum der Feinwurzeln ein und behindert die Entwicklung der Mykorrhiza (Ellenberg & Leuschner, 2010).

Das Überangebot an Stickstoff wirkt sich aber auch unmittelbar auf die Pflanzen aus: Die Frosthärte der Nadeln verringert sich, ferner wird weniger Stützgewebe produziert, wodurch sich die Dichte und Stabilität des Holzes vermindert, sodass Kronen bei Sturm leichter brechen. Infolge von Nährstoffauswaschung und Versauerung beschränkt sich die Durchwurzelung zunehmend auf die oberen Bodenschichten, in denen Nährstoffe aus der Streuauflage sowie Einträge aus der Luft zur Verfügung stehen, was dazu führt, dass die Standfestigkeit der Bäume abnimmt (Umweltbundesamt, 2011).

Neben diesen Belastungen beeinflussen zunehmend Witterungsextreme den Zustand und das Wachstum der Bäume. Auf Trockenheit und überdurchschnittliche Temperaturen reagiert jede Baumart spezifisch. Auffallend ist jedoch die Häufung starker Blüte- und Fruktifikationsjahre bei allen Baumarten, die als Sicherungsmaßnahme zum Fortbestand der jeweiligen Art verstanden werden muss.

Thüringen

Die bei der Fichte in Thüringen seit 2004 um das Dreifache gestiegene Blüh- und Fruktifikationsrate und die zunehmenden Nadelverluste sind ein Zeichen für sich verändernde Bedingungen. Der Klimawandel lässt sich nicht mehr übersehen: Seit 1961 hat sich in Thüringen die Jahresmitteltemperatur im Durchschnitt um 1,0 Grad Celsius erhöht, die Anzahl heißer Tage (T max. > 30 °C) hat sich verdoppelt. Die Erhöhung der Durchschnittstemperatur, aber auch der Anstieg von Extremereignissen wie anhaltende Hitzeperioden und Stürme erschweren der Fichte das Leben. Die Jahresniederschlagsmenge blieb zwar weitestgehend unverändert, auffallend ist jedoch die Abnahme zu Beginn der Vegetationszeit, insbesondere im April. Im Gegensatz dazu hat sich die Niederschlagsmenge im Juli um 30 Prozent erhöht. Allerdings handelt es sich hierbei häufig um Starkregen, die vielfach oberflächlich abfließen und dem Wald kaum zur Verfügung stehen.

Der Anteil der deutlich geschädigten Fichten ist in Thüringen von 2010 bis 2016 von 22 auf 30 Prozent gestiegen, im gleichen Zeitraum ist der Anteil gesunder Bäume von 40 auf 28 Prozent gesunken. Der Verlust an Nadelmasse ist weiter angestiegen und lag mit 21 Prozent auf dem höchsten Niveau seit 1997. Jüngere und ältere Fichten sind gleichermaßen betroffen. Der Anteil gesunder jüngerer Fichten beträgt derzeit nur noch 50 Prozent. (Waldzustandsbericht 2016, Forstliches Umweltmonitoring in Thüringen; www.thueringen.de/mam/th9/tmblv/wald/wzb2016/broschure_internet.pdf )

Bayern

Auch für Bayern ist die Fichte die wichtigste Baumart, mit rund 42 Prozent ist sie im Wald vertreten. 2015 lag der Anteil der Fichten ohne erkennbare Schäden mit 37,7 Prozent erfreulicherweise etwas höher als 2014; jedoch deutlich unter dem Ergebnis von 2012, als 50 Prozent der Fichten keine Schadmerkmale aufwiesen. Der Anteil der deutlich geschädigten Bäume stieg von 2014 zu 2015 um 1,7 Prozent auf 21 Prozent (Waldbericht 2015, Bayerische Forstverwaltung; www.stmelf.bayern.de/mam/cms01/wald/waldschutz/dateien/waldbericht_2015_web.pdf ).

Bäume müssen über ihre gesamte Lebensdauer die Bedingungen des Standortes ertragen. Mit dem Klimawandel ist die Baumartenwahl noch schwieriger geworden; denn die Bäume müssen sowohl mit den jetzt herrschenden als auch mit den künftigen Bedingungen zurechtkommen. Um hier eine bessere Grundlage zu schaffen, hat die Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft für die Bayerische Forstverwaltung ein digitales Standortinformationssystem (BaSIS) entwickelt. Auf Grundlage einer breiten Datenbasis wie Geologie, Relief, Bodenart, Basenausstattung, Wasserhaushalt, Lufthaushalt, Klimadaten erfolgt eine Abschätzung des Anbaurisikos für bislang 21 Baumarten. Seit 2013 wird BaSIS in der Praxis angewandt (Taeger & Kölling, 2016).

Resümee

Mit der Fichte wurde eine Baumart gewählt, die Emotionen weckt. Unverzichtbar für den Forst und die Holzwirtschaft - der "Brotbaum" in vielen Regionen - stellt sie für andere geradezu den "Unbaum" dar. Doch die Fehler, die in der Vergangenheit fraglos gemacht wurden, dürfen nicht dem Baum angelastet werden. Über diesem Streit wird zu häufig die Majestät der Fichte, wie sie sich besonders in den Gebirgswäldern zeigt, aus den Augen verloren. Sie beschreibt der Forstmann Heinrich von Salisch 1911 in seiner "Forstästhetik": "Zum Charakter des Erhabenen wachsen Fichtenbestände heran, wenn gewaltige Säulen die hochragenden Kronen dem Himmel nahebringen." (zitiert in Schmidt-Vogt, 1986, S. 334)

Literatur

Anmerkung

¹ Im Nürnberger Reichswald war bereits 1368 auf vielen hundert Morgen Kiefer ausgesät worden. Dieser Reichswald ist der älteste Kunstforst und die dort arbeitenden Forstleute besaßen somit einen Erfahrungsvorsprung.

Literatur

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Schriftliche und mündliche Auskünfte März 2017

Lüttgau, M., Revierförster Hohegeiß, Niedersächsisches Forstamt Lauterberg.

Profft, I., Dipl.-Forstwirt, Forstliches Forschungs- und Kompetenzzentrum Gotha.

Stöger, W., Forstrat, Bayer. Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft, Abteilung Waldbau und Bergwald.

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