Zur Restaurierung eines barocken Gartendenkmals

Die Residenzlandschaft Friedrichstal in Detmold

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Gartengestaltung
Der achteckige Muschelbrunnen aus dem Lustgarten Friedrichstal ziert heute den Detmolder Schlossgarten. Fotos: Anne Steinmeister, 2015

Die Garten- und Vorstadtanlage Friedrichstal vor den Toren der ehemaligen Residenzstadt Detmold, die Anfang des 18. Jahrhunderts entstand, stellt ein einzigartiges städtebauliches und gartenkulturelles Ensemble in Ostwestfalen dar. Unter dem Namen "Parklandschaft Friedrichstal"1 wurde die barocke Garten- und Wasseranlage nach umfassender Restaurierung 2009 neu eröffnet. Mittelpunkt der Anlage ist der fast zwei Kilometer lange Friedrichstaler Kanal, der zwischen 1701 und 1704 gebaut wurde und seit 1988 unter Denkmalschutz steht. Der früher schiffbare Kanal stellte ursprünglich eine Verbindung zwischen der Residenz und dem Lustgarten Friedrichstal her, der sich am Hang des Büchenberges auf dem Gelände des heutigen LWL-Freilichtmuseums befand.

Die Initiative zum Bau des barocken Garten-ensembles Friedrichstal ging von Friedrich Adolph Graf zur Lippe (1667-1718) aus, der gleich nach seinem Regierungsantritt 1697 eine rege Bautätigkeit entfaltete. Da er die Fürstenwürde anstrebte, wollte er seine Residenz zu einer standesgemäßen großzügigen Barockanlage ausbauen.2Dafür bot aber die enge Residenzstadt, die noch von einer mittelalterlichen Fortifikation umgeben war, keine Möglichkeiten. Deshalb entstand der Plan, in die Umgebung auszuweichen und südlich der Stadt im Tal der Berlebecke eine vielseitige Residenz- und Gartenlandschaft zu schaffen. Ein solches Vorhaben mutet für die Residenz eines Kleinstaates wie Lippe unverhältnismäßig aufwendig an. Doch entstanden überall in Europa, selbst in kleineren Territorien, ab Ende des 17. Jahrhunderts Lust- und Landsitze nach dem Vorbild Versailles'. Graf Friedrich Adolph, der mehrfach die Versailler Gartenfeste besucht hatte, beschloss, das Landgut Pöppinghausen zu einem entsprechenden Lustsitz auszubauen, um dort die Voraussetzungen für Gartenfeste und andere höfische Lustbarkeiten zu schaffen.3

Diese geplante Maßnahme war mit einer Stadterweiterung verbunden, denn am Friedrichstaler Kanal sollte auch eine Vorstadt entstehen. Aus einer Karte um 17254 ergibt sich, dass zur Anlage Friedrichstal nicht nur der Lustgarten, sondern das ganze Gelände oberhalb des Kanals gehörte. Heute umfasst die "Parklandschaft Friedrichstal" die gesamte Wasserstraße vom Schloss- und Wallgraben über den eigentlichen Friedrichstaler Kanal mit den umgebenden Grünanlagen.

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Plan der Barockanlage Friedrichstal, um1700 (Ausschnitt). Landesarchiv NRW – Abteilung Ostwestfalen-Lippe (LAV NRW OWL D 73 Tit. 4 Nr. 5.217).

Bau des Friedrichstaler Kanals (1701-1704)

Kernstück der Anlage ist der Kanal mit dem aufwendigen Schleusensystem, das als ältestes Westfalens gilt. Der Kanal war nicht nur als Achse und Wasserstraße des Gartenensembles gedacht, sondern sollte auch zur Entwässerung der sumpfigen Landschaft vor dem südlichen Stadttor, dem Hornschen Tor, beitragen. Durch die Kultivierung der unwegsamen Landschaft sollten die Reisewege ausgebaut und die Voraussetzungen für die geplante Stadterweiterung geschaffen werden. Wer die Bauplanung und -leitung des gesamten Projektes innehatte, kann nicht mit Sicherheit beantwortet werden. Es gibt zwar einen Plan von Friedrichstal mit Kanal, der um 1700 datiert wird, aber nicht signiert ist. Es besteht die Vermutung, dass der kunstinteressierte Friedrich Adolph selbst einen großen Anteil an der Planung hatte, denn auf seiner vierjährigen Kavalierstour durch Europa hatte er viele berühmte Barockgärten mit Wasserkünsten und Kanälen kennengelernt. So könnten ihn die Parkanlagen von Versailles, Chantilly oder Het Loo ebenso inspiriert haben wie der Terrassengarten der Villa d'Este in Tivoli mit den berühmten Wasserspielen. Moderne Kanäle kannte Friedrich Adolph vor allem aus der holländischen Heimat seiner Mutter. Hier aus der Provinz Utrecht brachte er einen Spezialisten, den Kanalbauer Hindrick Kock, nach Detmold mit. Dieser konstruierte den Kanal und dazu drei Schiffe: ein kleines und großes Gesellschaftsschiff, das "Gondel" genannt wurde, und ein Transportschiff, das getreidelt wurde.

Moderne Kanäle kannte Friedrich Adolph vor allem aus der holländischen Heimat seiner Mutter. Hier aus der Provinz Utrecht brachte er einen Spezialisten, den Kanalbauer Hindrick Kock, nach Detmold mit.
Dieser konstruierte den Kanal und dazu drei Schiffe: ein kleines und großes Gesellschaftsschiff, das „Gondel“ genannt wurde, und ein Transportschiff, das getreidelt wurde. Die Anlegestelle der Schiffe befand sich an der Eingangsbrücke zum Schloss, wo die höfische Gesellschaft zu ihrer Lustfahrt nach Friedrichstal aufbrach. Wegen des starken Gefälles zwischen dem Schlossgraben und dem Tal der Berlebecke von zwölf Metern mussten drei Schleusen angelegt werden – die erste an der Stelle des ehemaligen Bruchtors, wo der tiefer gelegene Wallgraben begann.5 Für die Durchfahrt der Schiffe baute man eine Zugbrücke, von der eine Treppe in die Altstadt hinunter führte. Der Wallgraben wurde für die Schifffahrt auf etwa acht Meter verbreitert und von Futtermauern eingefasst. Kurz vor dem ehemaligen Hornschen Tor weitete sich der Wallgraben, bevor dann die Gondeln eine zweite Zugbrücke, über die der Weg nach Hiddesen führte, passierten. An dieser Stelle, am heutigen Willy-Brandt- Platz, beginnt nun der eigentliche Friedrichstaler Kanal, der ab hier in südwestlicher Richtung bis zur so genannten Inselwiese verläuft. Auf der Höhe des heutigen Palaisgartens befand sich die zweite Schleuse, die später in einen Wasserfall umgestaltet wurde. Hier mussten die Boote eine Höhendifferenz von drei Metern überwinden.
In einem leichten Bogen verläuft der Kanal weiter bis zur heutigen Oberen Mühle. Dort wurde ein Damm aufgeschüttet, mit dem die Berlebecke zu einem See aufgestaut wurde, um den Wasserstand des Kanals zu regulieren. In den Damm hinein baute Hindrick Kock die dritte Schleuse ein, die einen Höhenunterschied von fast vier Metern ausgleichen musste. Diese Schleuse ist noch in großen Teilen erhalten; 2004 wurde die barocke Schleusenkammer vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe als „Denkmal des Monats“6 ausgezeichnet.
Nach Einstellung der Kanalschifffahrt wurde 1752 auf der Höhe des Damms eine Wassermühle, die Obere Mühle, gebaut, die den Gefälleunterschied in der Schleusenkammer zum Antrieb von Wasserrädern nutzte. Außerdem wurde eine Stauwehranlage aus zehn Sandsteinpfeilern errichtet, in der verstellbare Holztafeln den Wasserdurchfluss bis heute regulieren. Aus der Berlebecke wird hier Wasser zur Speisung des Kanals abgezweigt, während der Fluss weiter als „Knochenbach“ in nordwestlicher Richtung durch die Stadt fließt und in die Werre mündet.
Ursprünglich weitete sich der Kanal hinter der letzten Schleuse und umfloss eine kreisförmige Insel, die so genannte Geflügelinsel, bevor er in einer Bucht endete. Um das Inselrondell herum führte der
Kanal weiter zu einer zweiten Insel, der Landungsinsel, die gegenüber der Grotte, dem heutigen Mausoleum, lag. Von hier ging es über eine Brücke zu Fuß oder mit Kutschen in den Lustgarten hinein. Der Gartenplan um 1700 zeigt eine rechteckige Insel, darauf eine quadratische Anlage mit vier Ecktürmen. Daraus wird vielfach der Schluss gezogen, dass hier ein größeres Lustschloss mit vier Pavillons gebaut wurde. Belegt ist aber nur, dass zwischen 1701 bis 1704 vier Türme an den Ecken der Insel errichtet wurden, woraus die zeitgenössische Bezeichnung „Vier-Türme- Insel“ resultiert. Es ist zu vermuten, dass es sich eher um eine Schlosskulisse als um ein massives Lustschloss handelte.7 Denkbar ist, dass es auf der Insel, die laut Plan gar keinen Platz für ein größeres Schloss bot, ein Feuerwerksschlösschen gab, von dessen Türmen bei Gartenfesten Feuerwerke veranstaltet wurden.

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Beginn des Friedrichstaler Kanals am ehemaligen Hornschen Tor (heute: Willy-Brandt-Platz).
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Der Wasserfall am Palaisgarten lässt noch das starke Gefälle der ehemaligen Schleuse erkennen. Im Hintergrund das Turbinenhaus aus dem19. Jahrhundert.
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Die barocke Stauwehranlage an der Oberen Mühle. An dieser Schleuse wird das Wasser aus der Berlebecke in den Kanal geleitet.

Entstehung der Neustadt (1705–1720)

Ab 1705 wurden zu beiden Seiten des Kanals gärtnerisch ausgeschmückte Anlagen mit Hecken und Alleen aus Linden und Walnussbäumen angelegt. Auf der Westseite, die erst im 19. Jahrhundert mit Villen im klassizistischen Stil bebaut wurde, säumt eine doppelte Allee die breite Promenade, die parallel zum Kanal verläuft. Auf der gegenüberliegenden Seite wurde eine einfache Allee gepflanzt, an der ab 1707 die Häuserzeile der Neustadt entstand – eine Reihenhausbebauung mit zehn Häusern in einheitlich barockem Stil. Auch wenn diese Häuser eigentlich Wohnraum für die Detmolder Bürger schaffen sollten, wurden sie doch durchweg von höheren Hofbeamten der Detmolder Residenz bewohnt. Dadurch war garantiert, dass bei den höfischen Gondelfahrten mit hohen Besuchern ein standesgemäßes Publikum den Weg säumte.
Als Abschluss der Neustadt wurde zwischen 1706 und 1718 Haus Favorite gebaut.8 Das Sommerschlösschen war eine persönliche Schenkung Friedrich Adolphs an seine zweite Gemahlin, Gräfin Amalie von Solms, und sollte wie der ummauerte Garten ein rein privater Rückzugsort für die gräfliche Familie sein. Nach dem Tod Friedrich Adolphs (1718) diente das Schloss, das im 19. Jahrhundert umgebaut und in „Neues Palais“9 umbenannt wurde, der Gräfin als Witwensitz. Zusammen mit Haus Favorite schenkte Friedrich Adolph seiner Gemahlin 1709 den „Neuen Krug“, der kurz hinter dem Schlösschen lag. Beide Häuser gehörten nicht zur Anlage Friedrichstal und wurden aus einem eigenen Fonds finanziert. Aufgrund der Brau- und Schankberechtigung stellte der Krug eine gute Einnahmequelle dar und diente Gräfin Amalie zur Finanzierung von Haus Favorite. Als das Branntweinhaus, das in Detmold eine Monopolstellung hatte, immer mehr Gäste anzog, wurde 1715/16 ein Lusthaus angebaut, das sich zum beliebten Ausflugslokal der Detmolder Bürger entwickelte.

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Die Promenade am Kanal mit doppelreihiger Allee, an der rechts die Villen aus dem 19. Jahrhundert liegen. Links führt eine Brücke zur Häuserzeile der barocken Neustadt.
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Das Mausoleum im neogotischen Stil. An beiden Seiten sind noch Reste der Friedrichstaler Grotte mit Nischen erhalten.
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Der sanierte Wallgraben mit Neuanpflanzung von Linden und attraktivem Sitzplatz am Wasser.
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Der neue Fischpass neben dem Knochenbach.

Gestaltung der Residenzlandschaft im 18. und 19. Jahrhundert

Nach Fertigstellung des Kanals wurde zwischen 1704 und 1718 der barocke Lustgarten angelegt. Das Gartenensemble bestand aus einem dreistufigen Terrassengarten, einem Fasanengarten, der „Herrschaftlichen Wiese“10 und umgebenden Wäldchen. Der Hauptgarten, der geometrisch gegliederte Terrassengarten, erstreckte sich vom Tal aus in drei Stufen am Westhang des Büchenberges bis zur Alten Orangerie, dem so genannten „Krummen Haus“, hin. Diese Orangerie in halbrunder Form hatte Gräfin Amalie bereits 1695/96 für den Landsitz Pöppinghausen bauen lassen. Friedrich Adolph ließ nun seitlich der mittleren Terrasse eine zweite Orangerie, einen schlichten rechteckigen Bau, errichten, vor dem ein Orangerieparterre angelegt wurde. Die prachtvollere Alte Orangerie wurde danach als Lusthaus genutzt.
Im Mittelpunkt des Gartens standen die Wasserspiele. Sie wurden aus einem Teich hinter dem Krummen Haus, dem Krötenteich, gespeist. Hier wurde das Quellwasser des Büchenberges gesammelt und über Holz- und Zinnrohre in den Garten geleitet. Auf der obersten Terrasse befand sich ein Fontänenbrunnen, von dem sich das Wasser in Kaskaden auf die mittlere Terrasse und von da in einen Teich auf der untersten Ebene ergoss. Auch in der Grotte, die 1705 in die unterste Terrasse hineingebaut wurde, gab es Wasserspiele. Wie die Thetisgrotte in Versailles war die Friedrichstaler Grotte mit Marmor, Stuck und Muschelschalen verziert und besaß drei Nischen, aus denen Wasserkaskaden sprudelten. Um die Grotte, die den Eingang zum Garten bildete, führten beidseitig breite Rampen in den Garten hoch.

Obwohl die Unterhaltung des Lustgartens und des Kanals sehr kostspielig war, führte der Sohn Friedrich Adolphs, Simon Henrich (1649–1734), nach dessen Tod (1718) die aufwendige Hofhaltung fort. Bei einem der Friedrichstaler Gartenfeste im Oktober 1729 fing die Neue Orangerie durch einen brennenden Tannenzweig Feuer und brannte bis auf die Grundmauern nieder. Mit der Zerstörung der Orangerie begann der Verfall des barocken Lustgartens. Graf Simon August (1727–1782) ließ 1748 die aufwendige Schifffahrt einstellen und verfügte den Abriss der vier Türme der Landungsinsel.
1774 wurden der See oberhalb der Oberen Mühle zugeschüttet und an Stelle der künstlichen Inseln eine Wiese, die Inselwiese, angelegt. Simon August ließ dann den Lustgarten im englischen Stil umgestalten. Nach seinem Tod 1782 wurde der Garten nicht mehr gepflegt und verfiel endgültig.
Da im 19. Jahrhundert nur noch Überreste des Lustgartens vorhanden waren, wurden große Teile der Gartenanlage planiert. Der noch erhaltene Muschelbrunnen wurde im neu gestalteten Schlossgarten der Residenz11 aufgestellt. Während die Alte Orangerie als einziges Gebäude im barocken Stil bis heute erhalten blieb, wurde die stark verfallene Grotte 1855/56 zu einem Mausoleum
in neugotischem Stil umgebaut. Das Augenmerk richtete sich nun auf den Garten beim Neuen Palais, der vergrößert und im englischen Stil umgestaltet wurde.
Bei der Umwandlung zum Landschaftsgarten wurde auch die Wasserkunst erneuert,die zum größten Teil aus dem FriedrichstalerKanal gespeist wurde.12 Für die Wasserspiele wurde 1855 ein achteckiges Turbinenhaus kurz hinter dem Neuen Palais gebaut. Wie das Palais, so erfuhr auch der „Neue Krug“, der 1852 verkauft wurde, umfassende Veränderungen und Erweiterungen. 1893 wurde eine Bierhalle in Holzbauweise angebaut – eine Wandelhalle mit offenem, hölzernem Vorbau, die 1898 zur Grundlage des heutigen Sommertheaters wurden.


Restaurierung der Garten- und Wasserlandschaft (2007–2014)

Von 1997 bis 1998 wurden vom Westfälischen Amt für Denkmalpflege auf dem Gelände unterhalb des Krummen Hauses archäologische Grabungen durchgeführt, um die Struktur des Barockgartens aufzudecken.
Dabei wurden Teile der Terrassen mit den Stützmauern und der Rampen, die seitlich um die Grotte herumführen, freigelegt. Auf der rechten Seite des Mausoleums sind noch Mauerreste der Grotte mit drei Nischen vorhanden. Die Alte Orangerie liegt auf dem Gelände des Freilichtmuseums, das zwischen 1966 und 1971 entstand, und wird dort als Verwaltungsgebäude genutzt. Leider ist die ehemalige Blickachse zwischen dem jetzigen Mausoleum und dem Krummen Haus nicht rekonstruierbar, da sie durch das Infozentrum des Museums verbaut ist. 2006 beschloss der Detmolder Stadtrat, die Garten- und Wasserlandschaft Friedrichstal umfassend zu restaurieren und dem historischen Erscheinungsbild wieder anzugleichen.
Wegen der Überbauung und aus finanziellen Gründen war es nicht möglich, den barocken Terrassengarten zu rekonstruieren. Auch sprachen Gründe des Naturschutzes dagegen, die Inselwiese wieder zu einem See mit zwei Inseln umzugestalten. Realisierbar war dagegen die Rekonstruktion der Wasserstraßen vom Residenzschloss bis zur Inselwiese. Bei der Bestandsaufnahme zur „Parklandschaft Friedrichstal“, wie das Projekt benannt wurde, wurde sichtbar, dass die prägenden Elemente der Residenz – das Schloss, der Schloss- und Wallgraben, der Friedrichstaler Kanal, die Alleen der Neustadt, das Neue Palais und das Mausoleum – als komplexe historische Stadtachse nicht mehr wahrgenommen wurden. Deshalb wurde ein Konzept erstellt, dessen Ziel es war, „die räumlichen und funktionalen Zusammenhänge im Bereich der Parklandschaft zu entwickeln, aufzuwerten und wiederherzustellen.“13 Dabei sollte das Element Wasser gestärkt werden. So konzentrierten sich die Restaurierungsmaßnahmen, die vom Ministerium für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert wurden, vor allem auf die Sanierung der Wasserstraßen mit den Promenaden und Alleen.
In einem ersten Bauabschnitt (2007–2009) wurden der Kanal und die Alleen der Neustadt restauriert. Der Kanal wurde entschlammt und die Uferböschungen wurden stabilisiert. Die Promenade zwischen der doppelreihigen Allee wurde teilweise gepflastert und erhielt einen neuen Belag sowie Begrenzungen aus Naturstein-Einfassungen. Als zusätzliche Abgrenzung der Rasenflächen wurde ein Knieholm nach historischen Vorbildern errichtet. Am Kanal wie auch am Schlossgraben wurden attraktive Aussichtsplätze und Terrassen geschaffen, um die Erlebbarkeit des Wassers zu steigern.
In einem zweiten Bauabschnitt (2009–2014) wurde der innerstädtische Bereich am Wallgraben vom Bruchberg bis zum Willy-Brandt-Platz saniert. Die Ufer wurden neu befestigt und ein Großteil der Stauden und Sträucher, die den Wassergraben überwucherten, wurden entfernt. Die fehlenden Bäume der Wallpromenade wurden durch Linden ersetzt. Der Schwerpunkt der Sanierungsarbeiten lag im Bereich der Oberen Mühle, wo am Ende der Allee ein neuer Teich angelegt wurde, aus dem sedimentfreies Wasser aus der Berlebecke in den Kanal geleitet wird: Das vorgeklärte Wasser fließt nun vom Teich durch eine Rohrleitung zur Mühle, durch das Mühlengebäude hindurch und dann in den Friedrichstaler Kanal. Eine weitere Wasserbaumaßnahme war die Herstellung der ökologischen Durchgängigkeit durch den Bau eines Fischpasses. Dieser soll Fischen und Kleinorganismen im Rahmen der Fischwanderung die Möglichkeit geben, Hindernisse wie Stauwehre oder Wasserfälle zu überwinden. Anfang 2009 ließ die private Detmolder Vereinigung der Freunde der Residenz sechs Informationstafeln entlang des Kanals mit dem Thema „Parklandschaft Friedrichstal“ aufstellen, die ein Leitsystem durch die Friedrichstaler Residenzlandschaft bilden. Unter dem Motto „Vom Schloss bis zum Lustschloss“ führen sie den heutigen Besucher den Weg entlang, den die höfische Gesellschaft im 18. Jahrhundert per Gondel oder Kutsche nahm, wobei der Weg heute an der Inselwiese endet.14 Auch wenn wesentliche Elemente der barocken Gartenanlage nicht wiederhergestellt wurden, so ist doch mit der umfassenden Sanierung der Wasserstraßen vom Residenzschloss bis zur Inselwiese die historische Achse der ehemaligen Residenzlandschaft erfolgreich wiederhergestellt worden. Der Grünzug entlang des Friedrichstaler Kanals, der die dicht bebaute Innenstadt mit den waldreichen Vororten im Süden verbindet, stellt heute eine attraktive Flaniermeile für die Detmolder Bevölkerung dar.

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Neugestaltung der Inselwiese – mit Bezug zur höfischen Bootsfahrt im 18. Jahrhundert.

In der Neustadt wird mit der barocken Häuserzeile und den Villen des 19. Jahrhunderts, die sich am Kanal und an den schattigen Alleen entlang ziehen, ein stimmungsvolles Stadtbild vermittelt. Zwei Brücken
über den Kanal führen zum Palaisgarten und zum Sommertheater am Neuen Krug, die im Gegensatz zur ursprünglichen Anlage Friedrichstal zur heutigen „Parklandschaft Friedrichstal“ gehören. Der
Fachwerkbau des Sommertheaters, der noch vollständig erhalten ist, wird nach umfassender Renovierung seit 2003 wieder als Spielort genutzt.15 Statt des fehlenden Friedrichstaler Lustgartens kann man den Palaisgarten besuchen – einen malerischen Landschaftspark von etwa acht Hektar mit wertvollem altem Baumbestand und vielseitigen Wasserkünsten. Am Ende des Kanals bietet die Obere Mühle mit großer Terrasse und idyllischer
Lage an der Inselwiese ein attraktives Ausflugsziel und einen Ausgangspunkt für weitere Spaziergänge an der Berlebecke oder durch das Gelände des Freilichtmuseums.
Ein besonderer Anziehungspunkt ist hier der neue Teich mit den dahinter liegenden Feuchtwiesen. Eine Stufenanlage führt zum Strand hinunter, an dem drei stilisierte Boote liegen, die anschaulich auf die ursprünglich an der Landungsinsel endende Gondelfahrt der Hofgesellschaft im 18. Jahrhundert erinnern.


ANMERKUNGEN


1 Parklandschaft Friedrichstal. 300 Jahre Lippische Gartenkunst (Stadt Detmold, Kreis Lippe), in: LWLAmt für Landschafts- und Baukultur in Westfalen (Hg.), Alte Gärten in neuem Glanz. Zehn Jahre „Neue ´Alte´ Gärten“ in Ostwestfalen-Lippe“, Münster 2009, S. 88–95.

2 Salesch, Martin: Der Barockgarten in Friedrichstal, die Detmolder Vorstadt und der Fürstentitel, in: Lippische Mitteilungen (LM) 68/1999, S. 105–118.

3 Ausführlich dazu: Steinmeister, Anne, Die Barockarchitektur des Lustgartens Detmold-Friedrichsthal als Form höfischer Repräsentation im frühen 18. Jahrhundert. Magisterarbeit (unveröffentlicht), Bielefeld 2005.

4 Erste Karte des Hiddeser Forstes von C. J. Feige, um 1725. –Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abt. Ostwestfalen-Lippe: LAV NRW OWL, Dt 73, Tit. 1, Nr. 10.

5 Die Mauersteine der Schleuse sind heute noch zu erkennen. – Vgl. Abb. 5 bei: Ruppert, Andreas, Der Friedrichstaler Kanal in Detmold [Lippische Kulturlandschaften, H. 14], hg. vom Lippischen Heimatbund, Detmold 2009, S. 6.

6 Die Wände aus behauenen Steinblöcken, in denen die drehbaren Schleusentore angebracht waren, sind noch gut erhalten. 2003 wurde die Schleusenkammermit finanzieller Unterstützung des LWL restauriert. – Landschaftsverband Westfalen- Lippe, Denkmal des Monats Februar 2004: Ehemalige Schleusenkammer des Friedrichtaler Kanals in der Stadt Detmold, Neustadt 31.–
www.lwl.org/LWL/Kultur/WAfD/Denkmal_des_Monats/archiv_Denkmal_des_Monats.

7 Für eine Schlosskulisse spricht, dass – wie sich auf Grund archäologischer Ausgrabungen herausgestellt hat – die Türme nicht massiv waren, sondern aus Holzkonstruktionen mit Schieferdächern und Glasfenstern bestanden. Steinmeister, Anne: 2005, S. 57 f.

8 Peters, Gerhard: Ausführlich zum Haus Favorite; Das Fürstliche Palais in Detmold. Architektur und Geschichte 1700 bis 1950; [Sonderveröffentlichung des Naturwissenschaftlichen und Historischen Vereins für das Land Lippe, Bd. 34], Detmold 1984, S. 42 ff.

9 Zwischen 1847–1856 wurde das dreiflügelige Sommerschloss aufgestockt und klassizistisch umgestaltet. Seit 1918 ist das Neue Palais im Besitz des Landes Lippe und erfuhr verschiedene Nutzungen, u. a. als Landesmuseum bis 1953,
bevor es dann Sitz der Nordwestdeutschen Musikakademie (heute: Hochschule für Musik Detmold) wurde. Peters, Gerhard: 1984, S. 148 ff., S. 223 ff.

10 So: Karte um 1725 (siehe Fußnote 4).

11 Um 1800 wurden der Graben vor der Hauptfassade des Residenzschlosses zugeschüttet und eines der vier Rondelle abgerissen. Der ehemalige Exerzierplatz vor dem Schloss wurde dann ab den 1830er-Jahren zu einem Park im englischen Stil umgestaltet. Meier, Burkhard: Lippische Residenzen. Schlösser und Burgen zwischen Teutoburger Wald und Weser, hg. vom Lippischen Heimatbund, Detmold 1998, S. 37 f.

12 Peters, Gerhard: Zur Gestaltung des Palaisgartens, 1984, S. 177 ff.

13 Parklandschaft Friedrichstal (wie Fußnote 1), S. 92

14 Leider ist dadurch der Bezug zum ehemaligen Lustgarten, der sich auf dem Gelände des heutigen Freilichtmuseums befand, nicht mehr sichtbar. Auch fehlen an dieser Stelle Angaben zur genauen Lage der beiden Inseln, besonders zur Vier- Türme-Insel, die weiter entfernt gegenüber dem heutigen Mausoleum lag.

15 Das Gebäude, das zeitweilig vom Abriss bedroht war, wurde erst aufgrund massiver Bürgerproteste 1995 unter Denkmalschutz gestellt. 1999 begann die „Initiative Detmolder Sommertheater“ mit der Renovierung. Stiewe, Heinrich: Detmolder Sommertheater [Lippische Kulturlandschaften, H. 3], hg. vom Lippischen Heimatbund, Detmold 2006.

Dr. Anne Steinmeister
Autorin

Historikerin

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