Natur wird inklusiv und in einem gesellschaftlichen Prozess gestaltet

Die Stadt der Zukunft ist grün

von:
Landschaftsarchitektur
1 Entwurfsschema für belastbare Städte der Zukunft. Abbildung: NOHNIK Architektur und Landschaften

Das Verhältnis zwischen Mensch und Natur ist flüssig, dynamisch. Lange wurde die Natur als gefährlich und fürchterlich betrachtet. Die Wildnis wurde ausgeschlossen von unserem Leben. Aber schrittweise haben wir die Natur kultiviert und der Garten gilt als Metapher für die gezähmte Natur. Eine gepflegte Wildnis - diese Form der Natur lassen wir in unser Leben.

Aber im Laufe der Zeit haben wir die Natur wieder zunehmend für uns entdeckt. In den vergangenen Jahrhunderten und Jahrzehnten haben wir die Natur mehr und mehr industrialisiert. Lange nahmen wir an, dass technische Lösungen und Neuerungen immer das beste Antwort waren auf die Herausforderungen unserer modernen Zeit und die Natur war kaum noch ein Ort der Inspiration. Wie sieht unser Verhältnis zur Natur in Zukunft aus? Und auf welche Weise wird Natur in unsere Städte integriert?

Es ist klar, dass wir uns der Natur wieder mehr annähern müssen. Notwendig macht das die notwendige Bewerkstelligung des Klimawandels, aber auch eine Energiewende, beispielsweise könnte uns das Stärken der Biodiversität selbst demütig machen gegenüber der Natur. Welche Lösungen für diese Aufgaben haben wir und wie werden wir sie lösen? Wie gestalten wir die Stadt der Zukunft? Das entscheiden wir nicht allein als Architekt*innen, sondern wir müssen uns auch nach unserer gesellschaftlichen Position fragen lassen.

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2 Entwurf für einen Wasserreinigungspark auf dem Dach eines Parkhauses. Abbildung: NOHNIK Architektur und Landschaften
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3 Ein zugänglicher öffentlicher Raum mit lokaler städtischer Landwirtschaft in der Stadt Groningen. Abbildung: NOHNIK Architektur und Landschaften

Gestalten im sozialen Kontext einer Stadt

Gewöhnlicherweise denkt man, dass Landschaftsarchitekt*innen Entwürfe für unbebaute Flächen herstellen. Garten, Städte, Freiräume, Parks, Straßen - auf jeden Fall keine Gebäude. Aber wir müssen immer häufiger festellen, dass das eigentlich ein sehr oberflächlicher Ansatzpunkt ist. Eine etwas mehr poetische Definition der Landschaftsarchitektur wäre, dass wir als Designer das Verhältnis zwischen Mensch und Natur gestalten. Und das machen wir auf stets variierender Weise. Diese ist das Fundament bei der Gestaltung der Stadt der Zukunft.

Ähnlich dem Verhältnis von Mensch und Natur ist auch die gesellschaftliche Position der Designer dynamisch. Allerdings ist das so in den Niederlanden. Meistens war der Architekt wirklich ein "Gott", der über alles wie ein Direktor und Besitzer in einem Projekt allein entscheidet. Und jeder Beteiligte, jeder Mitarbeiter, sogar die Kunden sollten den Anweisungen Folge leisten. Aber die heutige Tendenz ist, dass Architekt*innen mehr und mehr Zeichner*innen und Organisator*innen eines Projektes werden. Dies ist darin begründet, dass gegenwärtige Projekte meist Teil einer gesellschaftlichen Diskussion sind. Jeder Anwohner kann seine Meinung äußern, und manchmal auch Entscheidungen über den Entwurf und das Projekt treffen und ist so selbst ein bisschen Designer oder Projekt Manager geworden. Also, wer ist nun der Spezialist? Und was machen wir, wenn auch noch die Politiker die Meinung der Beteiligten wichtiger finden als unsere Entwurfskenntnis? Architektur ist eine soziale und gesellschaftliche Angelegenheit geworden und wird in der Mitte der Gesellschaft ausgeübt und gemacht.

Als Designer sollten wir uns daran gewöhnen. Es fehlt jedoch oft an sozialen und Managementkompetenzen, um mit diesen Tendenzen umzugehen. Die Design-Ausbildung konzentriert sich meist auf die eigentlichen Designfähigkeiten und weniger auf den sozialen Prozess des Gestaltens selbst. Dies führt oft zu unbefriedigenden und chaotischen Designprozessen, bei denen die Teilnehmer*innen oft das Gefühl haben, dass ihre Stimmen nicht gehört werden und ihre Ideen und Anforderungen nicht ausreichend in das Design integriert und von diesem berücksichtigt werden. Um darauf besser vorbereitet zu sein, sollte sowohl in der Designausbildung als auch in der Praxis auf soziale Fähigkeiten und Dynamik geachtet werden. Denn diese sozialen Tendenzen werden sich weiter entwickeln und ausweiten.

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4 Gestaltung der Natur inklusive Hochhaus in Den Haag. Abbildung: NOHNIK Architektur und Landschaften
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5 Grün und Architektur kommen zusammen. Abbildung: NOHNIK Architektur und Landschaften

Entwürfe inmitten einer weltumspannende Gesellschaft

Die moderne Gesellschaft ist Komplexer und weltumspannend geworden. Wir leben in einer Gesellschaft, in der wir immer dichter miteinander vernetzt sind. Eine Internet-Gesellschaft basiert auf Informationsaustausch und auf miteinander verbundenen digitalen Systemen. Das interessante ist, dass dieses System es möglich macht, dass jeder über komplexe Fakten und wissenschaftliche Erkenntnisse verfügen kann. Dies beeinflusst auch Design und Entwurf.

Einige Beispiele: Es ist schon seit Jahren möglich, eigene Nike Schuhe oder Ikea Küchen online zu entwerfen und bestellen. In den letzten Jahren ist es sogar ganz einfach geworden, online ein Entwurf für ein Haus oder Garten zusammenzustellen, herunterzuladen, an einen Bauunternehmer zu geben und sofort zu bauen, sieht man sich zum Beispiel das online 3D Warehouse von Sketchup an.

Angesichts dieser Entwicklungen kann man sich fragen, sind nicht mehr nur die Architekten die Designer, sondern ist jeder Designer geworden? Wird das Leben dank Internet immer einfacher? Und ist es dann immer noch selbstverständlich, dass unser Fachgebiet für viele relevant ist? Was sollen wir in dieser digitalen Gesellschaft mit "Design on demand" als Architekten noch machen? Welche Bedeutung hat unsere Disziplin dann noch, wenn man einfach einen Entwurf herunterladen kann und das auch noch billiger ist, als Architekt*innen zu beauftragen oder einzustellen?

Individualisierung versus Allgemeinwohl

Individualisierung ist ein Trend, der fest mit dieser Internetgesellschaft verbunden ist. Das damit verbundene Risiko liegt darin, dass bei der Gestaltung der Stadt der Zukunft Entscheidungen und Entwürfe immer mehr auf individuellen Interessen oder den Interessen einer kleinen Gruppe von Menschen beruhen, die sich am besten Gehör verschaffen kann. Bei der Gestaltung der Stadt geht es aber nicht darum, alle individuellen Ansprüche zu befriedigen. Es ist schlicht und einfach unmöglich, die individuellen Wünsche und Sehnsüchte eines jeden Einzelnen in einen kohärenten Entwurf einzubeziehen. Ein praktikablerer Ansatz ist es dagegen, einen Entwurf im allgemeinen und gemeinsamen Interesse einer (lokalen) Gemeinschaft anzufertigen. Und dies könnte sogar der einzig gangbare Weg sein.

Durch die Globalisierung haben wir viele unserer eigenen Naturressourcen verbraucht. Unser ökologischer Fußabdruck überschreitet weit die europäischen Grenzen und entzieht sich unserer Kontrolle. Die Weltbevölkerung könnte bis 2050 neun Milliarden Menschen übersteigen - selbstverständlich mit Auswirkungen auf die Umwelt. Es sind globale Megatrends, die die sozialen, technologischen, wirtschaftlichen, politischen und auch umweltpolitischen Dimensionen erfassen. Zu den wesentlichen Entwicklungen gehören die Verstädterung und der Klimawandel. Gleichzeitig müssen wir unseren ökologischen Fußabdruck verkleinern.

Diese großen Herausforderungen, diese "Fahrt ins Ungewisse" birgt neue Risiken, eröffnet aber auch große Chancen. Chancen für uns als Designer*innen und für unser Fachgebiet, dauerhaft relevant zu bleiben und eine neue Qualität in unserer Lebenswelt zu schaffen.

Eines der größten Risiken ist etwa, dass die Energiewende und die nachhaltige Erzeugung von Energie mit Solarpanelen und Windturbinen zur Generalisierung unsere Landschaften führt und zu einem Verlust lokaler Identität. Für Aufgaben wie diese ist es essenziell, Sichtweisen und Kreativitätspotenziale von Designern einzusetzen und damit Lösungen und Entwürfe zu entwickeln, welche spezifisch für lokale Identitäten und Landschaften sind. Nur auf diese Weise können wir existierende Qualitäten und die Vielfalt unserer Umgebung in der Zukunft sichern.

Aber wenn diese Trends größte räumliche Herausforderungen für uns werden, bedeutet das dann, dass wir als Architekt*innen von immer mehr Dingen selbstverständlich Kenntnis haben müssen? Etwa Kenntnisse über Klima, Energie, Ökologie? Und brauchen wir diese Kenntnisse unabdingbar, damit wir für unsere Kunden nur hochwertige Entwürfe entwickeln können? Dann sind wir keine räumlichen Spezialisten mehr, sondern dann wird unsere spezifische Kenntnis generalisiert.

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6 Beispiel einer grüneren und besser zugänglichen Stadt mit Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit, Fußgänger und lokale Gemeinschaften, Stadt Weert. Abbildung: NOHNIK Architektur und Landschaften
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7 Unser Verhältnis zur Natur hat sich im Laufe der Jahrhunderte verändert. Abbildung: NOHNIK Architektur und Landschaften

Das Risiko der Generalisierung unserer Kenntnisse bedeutet häufig eben nicht, dass jemand wirklich komplexe Kenntnisse hat, sondern oft nur, dass jemand oberflächlich Bescheid weiß und nur behauptet diese Kenntnisse zu besitzen. Lasst uns als Designer nicht dazu bewegen, alles wissen zu wollen. Lasst uns vielmehr dazu bewegen, mehr und intensiver mit anderen Disziplinen zusammenzuarbeiten. Mit Ökologen, Soziologen, Künstlern und anderen Wissenschaftler*innen. Diese Partnerschaft ist essentiell um spezifische Kenntnisse und Wissenschaft für unser Fach zu erschließen, einzusetzen und für eine gut durchdachte und attraktive Planung, für eine Stadt der Zukunft zu verwenden.

Aber darüber hinaus sollten wir uns vor allem den Menschen öffnen, die die Städte tatsächlich bewohnen. Um die Stadt der Zukunft gestalten zu können, ist es entscheidend, das lokale Wissen und die Kreativität der Stadtbewohner zu nutzen, um lokal verwurzelte und standortspezifische Pläne zu erstellen. Entwürfe, die die lokalen Charakteristika eines Ortes unterstützen und nicht generisch sind. Und Entwürfe, die, indem sie von lokalem Wissen und Menschen unterstützt werden, natürlich auf der Unterstützung der Menschen basieren, die die eigentlichen Endnutzer des Ortes sind.

In diesem Zusammenhang ist die Designdisziplin relevanter denn je. Wir werden die großen Herausforderungen, wie bereits erwähnt, in kohärenten und integralen Designlösungen angehen, von denen die Stadt als Ganzes profitieren wird. Als ein städtischer Raum, in dem gemeinsame Interessen über die Individualität gestellt werden.

Phantasie ist der Schlüssel für eine vielversprechende Zukunft

Einige der wichtigsten Qualitäten der Designer ist, dass sie in hohem Maße fähig sind, sich die Zukunft, die Fahrt ins Ungewisse, vorzustellen und darzustellen. Sie sind dafür ausgebildet, Lösungen für die großen Trends zu entwickeln und damit simultan ersichtlich zu machen, was diese Lösungen für unsere tägliche Lebenswelt bedeutet und was Einfluss darauf nimmt.

Planer*innen sind Spezialisten bei der metaphorische Erklärung der Zukunft. Sie entwickeln vorstellbare Zukunftsvisionen. Und abgesehen davon, ob diese dargestellte Visionen wirklich Realität werden, ist die Diskussion über diese Bilder der Zukunft schon sehr wertvoll. Die Fahrt ins Ungewisse ist nicht nur beängstigend oder unheimlich, die Fahrt ist auch eine Verlockung. Ein Versprechen, dass Architekten mit einzigartigen Entwürfen eine neue räumliche Qualitäten realisieren können. Dass Klimawandel und Energiewende zwar unsere Landschaft ändern werden, aber auch, dass neue Landschaften mit neuen Qualitäten entstehen.

In einer Welt, in der die Bevölkerung zunimmt, Klima sich ändert, unsere natürlichen Ressourcen verbraucht werden und unsere Städte größer und hektischer werden, sollen Architekt*innen Unterschiedliches dazu beitragen, Städte der Zukunft zu formen. Die Komplexität der Aufgaben mit ihren räumlichen Herausforderungen erfordert den Einsatz von Spezialisten, die sowohl die Belange der Allgemeinheit als auch das Einzelinteresse bedenken kann. Dies sind Spezialisten, deren Arbeit man nicht einfach aus dem Internet herunterladen kann.

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8 Entwurf für ein Gemeinde-Gewächshaus in der Stadt. Abbildung: NOHNIK Architektur und Landschaften

Stadt der Zukunft

Unsere Aufgabe ist es, Städte für jede und jeden zu entwerfen, in denen die Einwohner zugängliche, grüne, kühle Freiräume genießen, welche Inklusivität, Solidarität und soziale Kohäsion stimulieren. Städte und Landschaften, die unsere Gesundheit fördern, Lebensmittel produzieren, Verschmutzungen in der Luft filtern und die Umwelt reinigen. Um diese Zielen zu erreichen, bietet die Natur mit selbstregulierenden Kreisläufen noch immer die beste Inspiration.

Trotz vieler guter Initiativen zur Begrünung unserer Städte und einiger sehr vielversprechender Stadterneuerungen sind unsere derzeitigen Städte im ökologischen Sinne häufig immer noch "Wüsten". Sowohl Gebäude als auch Straßen könnten viel grüner gestaltet werden. Die Einbeziehung neuer Grünflächen in den Straßen - von Gräsern über Stauden bis hin zu Bäumen und von oberflächenbedeckendem Grün bis hin zu vertikalem Grün, bringt neue Facetten an Freude und Erfahrung in die Stadt und unterstützt die biologische Vielfalt und das Mikroklima. Und es ist weithin belegt, dass mehr Grün in der Stadt die Klimaanpassung und die Umweltgesundheit unterstützen. Aber die Umgestaltung nur eines oder mehrerer Gebäude oder Straßen ist nicht ausreichend. Die Vorbereitung unserer Städte auf künftige Herausforderungen erfordert einen radikalen und grundlegenden Wandel, der das gesamte städtische Gefüge einer Stadt umfasst.

Aber können wir dann nicht beides haben? Sowohl eine grüne Stadt als auch eine Stadt, in der wir unser Auto noch vor unserem Haus oder Büro parken können? Wir haben lange versucht, diese Interessen zu verbinden, und es gibt viele erfolgreiche Beispiele, in denen dies den Designern gelungen ist. Aber vergessen wir nicht, dass die Verfügbarkeit von Raum zumeist ein limitierender Faktor ist. Sowohl in räumlicher als auch in finanzieller Hinsicht. Wir können nicht immer alle Funktionen und Interessen in einem einzigen Raum unterbringen. Schon gar nicht, wenn man bedenkt, dass die Zahl der Menschen in den Städten immer noch steigt und die Verfügbarkeit von Raum in Zukunft ein noch anspruchsvollerer Faktor sein wird.

Dies erfordert mutige Entscheidungen und Wahlmöglichkeiten. Aber darüber hinaus erfordert es vor allem politischen Mut. Mut, sich für miteinander verbundene Netzwerke großer Straßenparks statt für Staus zu entscheiden, sich für kühle und üppige öffentliche Räume statt für dampfend heiße Backstein- und Glasfassaden zu entscheiden. Als Gesellschaft sollten wir uns fragen, was die wichtigsten und gemeinsam geteilten Interessen bei der Gestaltung zukünftiger Städte sind. Sind es die wirtschaftlichen Motive und der Komfort, den wir seit Jahrzehnten gewohnt sind, wenn wir unser Auto dort parken, wo wir hin wollen, und wenn wir auf überfüllten Autobahnen durch die Herzen unserer Städte fahren? Oder ist es zuerst unsere Gesundheit, die durch die Einbeziehung von Landschaft und Grün in den Städten gefördert werden könnte und dadurch einen wirtschaftlichen Faktor darstellt, da sie die Kosten für die Gesundheitsversorgung senkt und das öffentliche Wohlbefinden verbessert und unterstützt?

Wie können Planern*innen diese Aufgaben bewältigen, eine Stadt der Zukunft zu gestalten - eine Aufgabe mit vielfältigen Anforderungen. Wir müssen sensibel auf neue Tendenzen reagieren und offen sein gegenüber der sozialen und gesellschaftlichen Dynamik. Der Entwurf nimmt als metaphorische Erklärung Zukunft vorweg. Er zeigt, dass wir kompetent sind, komplexe Herausforderungen anzunehmen, um eine neue verlockende Freiraumqualität in Städten und Landschaften zu schaffen.

 Jorrit Noordhuizen
Autor

NOHNIK architecture & landscapes

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