Zugang zum Wasser – Freiraumgestaltung schafft neue Identität

Die Umgestaltung des Hafens in Offenbach

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Frankfurt Freiraumplanung
Inselspitze: Ein Park entsteht mit Blick auf den Main und die Skyline von Frankfurt. Visualisierung: OPG

Der Blick über den Main auf die Frankfurter Skyline ist einzigartig, und die derzeit noch brachliegende so genannte Inselspitze wird in wenigen Jahren Abschluss und Highlight der Entwicklung am Hafen Offenbach werden. Im restlichen ehemaligen Industriehafen ist über viele Jahre eine spannende Mixtur aus fertiggestellten Freiflächen, Parks und Plätzen und vielfältigen Zwischennutzungen für temporär nichtgenutzte Flächen entstanden. Dieses Geflecht macht es möglich auf Entwicklungen zu reagieren und dem hohen Fokus der städtischen Entwicklungsgesellschaft, der Mainviertel Offenbach GmbH & Co. KG (OPG), auf die öffentlichen Freiflächen gerecht zu werden.

Seit 1900 industriell genutzt, vor allem für das Umschlagen von Öl, Gas und Kohle, verlor der Binnenhafen in den 1990er-Jahren seine wirtschaftliche Bedeutung. Eine lange Geschichte der Konzeptfindung begann. 2004 wurde die städtebauliche Basis durch einen Entwurf von Ortner & Ortner geschaffen. Ein Mix aus Wohnen, Büro und Arbeiten, war schon damals die Grundlage der Planung. In einem langwierigen Verfahren konnte schließlich 2008 Baurecht erlangt werden, aber das Projekt hatte nach wie vor mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen und war zu dieser Zeit kaum zu vermarkten, niemand wollte den ersten Schritt auf die Insel machen. Kaum vorstellbar, wenn man bedenkt, dass diese einzigartige Wasserlage am Rand der Offenbacher Innenstadt nur fünf Kilometer vom Zentrum Frankfurts entfernt liegt.

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Historischer Kohlekran: Das Relikt aus der alten Hafennutzung ist bis heute in Betrieb. Foto: Stadt Offenbach
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Lageplan Hafen Offenbach: Vielfältige Orte in einem zusammenhängenden Gefüge. Abb.: Ramboll Studio Dreiseitl

Als wir 2007 in das Projekt einstiegen, um ein Freiraum- und Regenwasserkonzept zu entwickeln, hatten wir schnell das Bedürfnis, das allgegenwärtige Wasser noch viel stärker im Städtebau sichtbar zu machen. Wir öffneten den bisher geplanten, introvertierten zentralen Dreiecksplatz zum Wasser und schufen die großzügige Hafentreppe. Der Hafenplatz wurde über beide Zufahrtsstraßen gezogen und verband nun mit seinem Wellenmuster Main und Binnenmain. Jeder, der die Halbinsel zukünftig betritt, soll dies auch wahrnehmen. Diese Änderungen waren dramatisch und erforderten eine Änderung des gerade mühsam errungenen Bebauungsplanes. Glücklicherweise standen Auftraggeber und Politik von Anfang an hinter diesem Konzept und so konnten diese Ideen in Baurecht gegossen werden.

Von Anfang an war die Entwicklung einer eigenen Freiraumidentität ein zentrales Anliegen und Vorgabe der Entwicklungsgesellschaft. Öffentlich zugängliche und möglichst vielfältige Freiräume sollten das Gebiet durchweben und nutzbare Angebote an die Bewohner und auch ein weiteres Einzugsgebiet anbieten. Gestalterisch sind Hafenplatz und Hafentreppe das Herz des Gebietes. Uns war wichtig, auf der einen Seite großzügige Freiräume zu kreieren, auf der anderen Seite sollten aber keine unmaßstäblichen und kaum zu nutzende Großflächen entstehen. Eine Bespielung des Platzes von den Rändern her bot sich an. Diese ergibt sich von selbst durch die Arkaden des Nahversorgungszentrums im Süden und die davor gesetzte Baumreihe mit Bänken.

Im Norden sind zum einen die Restaurants mit Außengastronomie und den davor gelegenen Wasserspielen entstanden, die den Platz mit spritzendem Wasser, aber auch mit Klang beleben, denn die Auffangschalen fangen an zu schwingen, wenn der Wasserstrahl sie trifft. Nach Westen, Richtung Frankfurt öffnet sich der Platz zur Hafentreppe, der offensichtlichsten Geste der Wasserorientierung. Sie wird sehr gut angenommen und dient im Alltag als entspannter Treffpunkt, als Sonnenplatz für die Mittagspause, oder auch schon mal als Plattform für ein Yoga-Event. Die "grüne Insel" mit den weißen Birken spendet an heißen Sommertagen Schatten und bietet einen tollen Blick über den Binnenmain. Es gab immer auch die Idee der Eventnutzung mit einer Bühne auf dem Wasser und den Treppen als Zuschauertribüne. Wenn sich der Stadtteil noch mehr belebt, wird man sehen, ob dieses Konzept aufgeht.

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Hafenplatz: Ein Wasserspiel inszeniert das Wasser auch jenseits des Hafenbeckens. Foto: Alex Habermehl
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Funktionsvielfalt: Die Hafentreppe lädt zu unterschiedlichsten Nutzungen ein. Foto: Bernd Georg
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Zwischennutzung: Urban Gardening schafft Identität durch soziale Netzwerke. Foto: Ramboll Studio Dreiseitl

Die sogenannten Sichtachsen, mittlerweile Molenpark getauft, sind ein weiteres starkes Element des Freiraumkonzeptes und der Anbindung an das Nordend. In Verlängerung von aus der Innenstadt ankommenden Straßen ziehen sich diese Linien als Freiräume über das Hafengelände sowohl auf der sogenannten Feststoffseite (Landseite), als auch über die Halbinsel. Grundidee war, bereits den Main zu sehen, wenn man sich dem Hafengelände nähert. Da ein Absenken der Straße zum Main nicht realisiert werden konnte, sollte man zumindest eine Ahnung vom Main bekommen. Der Obere Molenpark wurde als einer der ersten grünen Finger fertiggestellt und wächst langsam ein. Er wird stark angenommen und als lockerer Treffpunkt oder wohnungsnahe Grünfläche genutzt. Das sich hier entwickelnde Grün tut gut im Zusammenhang mit der langen Entwicklungszeit und dem anfänglichen Fokus auf Hafentreppe und Platz. In unseren Projekten ist uns immer auch wichtig, Funktion und natürliche Prozesse zu integrieren und zu zeigen. Die Filterbecken, welche das Straßenwasser der Inselstraße reinigen und zurückhalten, sind Beleg dafür.

Großes Augenmerk war generell auf die Anbindung des Nordends gelegt worden. In einem bisher am Rand der Innenstadt gelegenes Wohngebiet - mit hohem Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund und wirtschaftlich wenig Spielraum - entsteht nun in unmittelbarer Nachbarschaft ein komplett neuer Stadtteil. Die Sorgen sind verständlich, dass Mieten steigen und über die Zeit eine Verdrängung der jetzigen Bewohner stattfinden könnte. Aber es gibt auch Chancen: neue Arbeitsplätze werden entstehen, zusätzliche Infrastrukturen wie der Nahversorgungsmarkt oder Erholungsflächen und, besonders wichtig zum Thema Vernetzung von alt und neu, die 2016 fertiggestellte neue Hafenschule. Diese wurde bewusst auf der Landseite, der Feststoffseite, platziert, um im Alltag Kontakt zwischen den ansässigen und neuen Bewohnern zu ermöglichen.

Generell war und ist die soziale Integration des neuen Stadtteils für die Entwicklungsgesellschaft ein äußerst wichtiges Thema. Aus unserer Sicht gibt es wenige Projekte, in denen dieses Thema so konsequent im Fokus steht. Bestehenden Institutionen wie dem Hafen 2, einer Café- und Veranstaltungsgastronomie, oder dem Ruderclub wurde mit viel Unterstützung und frühzeitiger Einbindung eine Umsiedlung innerhalb des Gebietes ermöglicht.

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Spielplatz Gutschepark: Kinder modellieren Klettergriffe in einem Workshop. Foto: Ramboll Studio Dreiseitl

Dadurch entstanden früh Ankerpunkte, welche dem neuen Stadtteil Charakter und Identität geben. Studenten der Hochschule für Gestaltung und anderen Kunstschaffenden wurde in der Ölhalle oder der Kressmann-Halle die Möglichkeit gegeben, diese, solange die Flächen nicht gebraucht werden, herzurichten und Ausstellungen zu organisieren. Zusätzlich fanden und finden viele Info- und Beteiligungsverfahren statt. Eine besonders spannende Zwischennutzung ist die Bereitstellung einer ca. zwei Hektar großen Fläche als "Urbane Gärten" für die Bevölkerung. Diese mutige Aktion wurde und ist ein Riesenerfolg. Es wurde von der Offenbacher Projektentwicklungsgesellschaft (OPG) lediglich die Fläche und Pflanzerde zur Verfügung gestellt und grundlegende Bedingung war, keine festinstallierten Bauwerke zu erstellen. Innerhalb kürzester Zeit wurden Behältnisse und Pflanzen von der Bevölkerung mitgebracht und Gemüse, Kräuter und Blumen angebaut und eine lebendige und wachsende soziale Skulptur auf Zeit entstand.

Ein Beteiligungsverfahren war auch im Zusammenhang mit der Planung des neuen Spielplatzes Pflicht. Wir haben dazu Kinder der Grundschule eingeladen, Motive in Ton zu erarbeiten, die später zu Klettergriffen für einen Boulderhügel gegossen werden. Wir wollten etwas schaffen, was die Kinder dauerhaft mit diesem Ort verbindet. Nebenbei auch ein wichtiges Element, um Zerstörungen vorzubeugen. Der Spielplatz ist derzeit im Bau und voraussichtlich ab März 2018 bespielbar. Er ist in drei Bereiche aufgeteilt, in denen für verschiedene Altersgruppen das Erspielen der rauen Hafenvergangenheit durch die Materialität ermöglicht wird. Ein Wasserspielbereich, eine Rutschhügellandschaft für intensive Bewegung und ein Kletter- und Schaukelparadies. Viele Sitz- und Aufenthaltsmöglichkeiten sollen Eltern und Begleitpersonen einbinden.

Die Hafenvergangenheit spürbar zu machen, war für uns in allen Teilprojekten ein wichtiges Entwurfselement. Neben dem Erhalt des riesigen alten blauen Krans, der mit viel Aufwand zugänglich und erlebbar gemacht wurde, spielt im Freiraum die Materialität eine zentrale Rolle. Schlagworte waren rau, robust, langlebig, übersetzt in gebaute Realität bedeutet das Natur-Großsteinpflaster, rostendes Metall an Wänden und bei Geländern, Beton, auf dessen Oberfläche das Naturkorn freigestrahlt wurde und (Guss-)Asphalt. Ebenso die etwa acht Meter hohen Leuchten auf Platz und Treppe sind speziell entwickelte Objekte auf Basis eines massiven und rostenden H-Trägers mit LED-Technik bestückt.

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Hafentreppe: Durch den Ortsbezug zu Landschaft und Wasser wird Identität geschaffen. Foto: Alex Habermehl
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Oberer Molenpark: Retentionsmulden inszenieren die Reinigung von Straßenwasser. Foto: Heidenreich
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Bootspromenade: Auf Höhe des Wasserspiegels entstehen neue Perspektiven. Foto: Heidenreich

Auch die Bootspromenade entlang der Südseite der Hafeninsel greift stark das Thema der Rauigkeit des früheren Hafens auf. Die Böschung wurde mit vorhandenem Großsteinpflaster befestigt, die Betonplatten auf die Ufermauer aufgelegt und in Abständen mit Holzflächen und Bänken unterbrochen, das Geländer ist aus massivem Stahl gefertigt. Diese wichtige Verbindung vom Hafenplatz zur Inselspitze und zwischen den Molenparks ist Teil des Fußwegenetzes. Man kann auch entlang der Inselstraße über die Insel spazieren, oder auf der Nordseite einen schattigen und ruhigen Weg wählen. Für uns ist diese Unterschiedlichkeit und Wahlmöglichkeit ein wichtiges Gestaltungskriterium, um einen lebenswerten Freiraum zu schaffen und die Bewohner mit ihrem Umfeld emotional zu verbinden.

Ein besonderes Highlight und wichtiges grünes Pendant zum Hafenplatz und der Hafentreppe wird der Park auf der Inselspitze werden. Er befindet sich derzeit in der Entwurfsplanung und erste Bauarbeiten könnten schon 2018 beginnen. Auch dieser Park wird sukzessive entwickelt, weil Rücksicht auf das benachbarte KAP Projekt, ein neues Quartier an der Inselspitze mit gewerblicher Nutzung, genommen werden muss. Die Planungen auf Grundlage eines Wettbewerbsverfahrens für die neuen Gebäude mit Hotel, modernen Coworking Büros, klassischen Büros, sowie Restaurants und Fitnessstudio sind bereits im Gange. Die endgültige Fertigstellung des Inselparks soll deshalb erst nach weitgehendem Abschluss der Bauarbeiten dieses Projektes erfolgen. Erdmodellierungen und einzelne Teilbereiche können aber schon kurzfristig ausgeführt werden. Auch hier ist die bauliche Entwicklung Teil des "Erlebniskonzeptes" der Hafenentwicklung. Wo irgend möglich werden Flächen zugänglich gemacht und sei es auch nur temporär.

Als weitsichtig und konsequent kann man zudem nur die Entscheidung bewundern, dieses Filetstück der städtebaulichen Entwicklung nicht zu bebauen, sondern für die Allgemeinheit zu erhalten. Hier, jenseits eines Kulminationspunktes der Bebauung, beginnen die Wege und Straßen zu schwingen und lösen sich zur vorderen Inselspitze hin praktisch ganz auf. Fokus unseres Konzeptes für den Park ist grün, grün, grün. Die großzügige Rasenrampe über der Parkgarage windet sich in den Park hinein und schafft eine intensive Verwebung von Architektur und Landschaft. Es entsteht eine dynamische Skulptur, die großzügig in Ihrer Grundform, aber vielfältig in der Schaffung von unterschiedlichen Atmosphären ist. Wir greifen das Thema der Dünenlandschaft auf, die sehr vielfältig bewegt Sonnenbereiche, Schattenzonen, introvertierte oder extrovertierte Bereiche schafft, Aussichtspunkte oder Entspannungstälchen generiert. Die Nordseite soll stark begrünt und mit Bäumen überstanden sein, auch große Bereiche der Hochflächen sollen viel Grünvolume erhalten. Auf der Südseite ist ein Einschnitt zum Binnenmain hin geplant, in welchem eine Naturzone und wenn möglich ein Regenwasserfiltrationsbiotop entstehen soll. Eine direkte ökologische Verbindung zum Main ist angedacht. Oberhalb dieses Biotops verläuft der Boulevard, der es in Verlängerung der Inselstraße ermöglicht, bis zum geplanten kleinen Café oder der Freitreppe daneben zu flanieren. Links und rechts vom Boulevard geht man an blühenden Wiesen, Picknickbereichen, Rasenspielfeldern und Spielpunkten vorbei. Die eigentliche Inselspitze, ein etwa 30 Meter langes, schmales Dreieck, bleibt frei und ist mit Sand verfüllt. Hier, am Zusammenfluss von Binnenmain und Main, weitet sich die Wasserfläche zu einem See und man fühlt sich umgeben von Wasser. Das Beobachten von Schiffen oder der Blick zur Frankfurter Innenstadt wird an dieser Stelle zum Erlebnis. Hoffentlich entsteht hier einer dieser besonderen Orte, die am Ende Heimat bedeuten.

Daten und Fakten:

Auftraggeber: Mainviertel Offenbach GmbH & Co. KG, Offenbach
Freiraumplanung, Überarbeitung Städtebaukonzept, Regenwasser-Management: Ramboll Studio Dreiseitl, Überlingen
Technische Planung, Infrastruktur und Verkehrsplanung: Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft mbH, Frankfurt/Main
Altlasten Sanierungskonzept: CDM AG, Offenbach
Raumplanung/B-Plan: FIRU, Kaiserslautern
Lichtplanung: Studio DL, Hildesheim
Städtebaukonzept: Ortner + Ortner
Gesamtfläche: ca. 256.000 m² und ca. 60.000 m² Wasserfläche
Nettobauland: ca. 126.000 m² (1. BA: ca. 38 500 m²)
Promenaden, Plätze, Wege: ca. 27.000 m² (1. BA: ca. 4400 m²)
Parkanlagen, Grünflächen: ca. 26.000 m²
Bauzeit: 2009 bis 2020
Baukosten Freianlagen: 2,5 Mio. netto
Auszeichnung: German Design Award 2018, Winner in der Kategorie Urban Space and Infrastructure

Dipl.-Ing. Gerhard Hauber
Autor

Ramboll Studio Dreiseitl GmbH

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