Magdeburg, Breiter Weg-Nordabschnitt

Ein Fußgängerbereich der frühen Stunde

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Landschaftsarchitektur
Planzungen und Kelchbrunnen auf der Karl-Marx-Straße, ohne Jahr. Quelle: Archivbild Stadtplanungsamt Magdeburg

Der Nordabschnitt Breiter Weg (vormals Karl-Marx-Straße) in Magdeburg gehört zu den ersten Fußgängerbereichen, die nach 1945 in der DDR entworfen und gebaut wurden.

Die starke Zerstörung der Innenstadt Magdeburgs im Zweiten Weltkrieg machte eine den historischen Stadtgrundriss negierende stadtplanerische Überformung möglich, wobei sich die nun verwendeten "Flächenzuschnitte, Gebäudeformen und Freiraumtypen"¹ zu neuen städtebaulichen Strukturen zusammenfügten. Dies spiegelt sich auch bei der Konzeption und Ausführung des Breiten Weges wider. Das Projekt des "Büros für Stadtplanung und Entwurf Magdeburg" sah beidseitig des Straßenraumes siebengeschossige Zeilenbauten in Plattenbauweise mit vorgelagerten zweigeschossigen Flachbauten für Verkaufs- und Gastronomieeinrichtungen vor, wobei die westliche Seite durch drei aufgeständerte Pavillonbauten rhythmisch gegliedert wurde. Die Architektur der Ostseite rahmte in den Planungen zunächst noch die Ruine der Katharinenkirche. Aus einem Dokument vom Büro des Stadtarchitekten beim Rat der Stadt Magdeburg aus dem Jahr 1965 geht jedoch der "Abbruch der Türme der ehemaligen Katharinenkirche" sowie die Errichtung eines "16-geschossigen Wohnhochhauses" hervor, womit eine "einheitliche Gestaltung erreicht"² werden sollte.

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Landschaftsarchitektur
Karl-Marx-Straße [Breiter Weg], Postkarte, 1970er-Jahre. Foto: Biscan, Privatbesitz
Landschaftsarchitektur
Der von Fritz Kühn gestaltete Kugelbrunnen bildet den Auftakt zum Fußgängerbereich, ohne Jahr. Quelle: Archivbild Stadtplanungsamt Magdeburg

Ende der 1950er-Jahre zunächst als Verkehrsstraße angedacht, hatte "die "Arbeitsgruppe Stadtzentrum" bereits am 4. 8. 61 den Nordabschnitt der Karl-Marx-Straße als großzügigen Fußgängerbereich"³ festgelegt. Trotz der massiven Einwände aus der Bevölkerung, "die befürchtete, dass der Nord-Süd-Verkehr von den üblichen Straßen im Stadtzentrum nicht bewältigt werden kann"4, erfolgte die Umsetzung - allerdings verbunden mit einem gleichzeitigen Ausbau der umliegenden Straßen zu einem tragfähigen Verkehrsnetz. Für den Fußgängerbereich waren "Grünflächen, Wasserbecken, Springbrunnen und Plastiken [geplant], so dass dem Bürger ungestört durch den Kraftverkehr, die Möglichkeit des Einkaufens, Promenierens und Erholens gegeben"5 war. Lediglich die Straßenbahn führte durch die breite Fußgängerpromenade hindurch.

Den Planungsverantwortlichen war es höchst wichtig, einen gestalterisch qualitativ hochwertigen Bereich zu entwickeln, dessen künstlerische Durchbildung an vorderster Stelle stand. So "wurde im Einvernehmen mit dem Stadtarchitekten und dem Kulturreferenten der Stadt [...] mit dieser Arbeit der Nationalpreisträger Fritz Kühn betraut."6 Kühn, damals bereits ein angesehener Künstler, der über die Ländergrenzen hinweg arbeitete, wurde 1964 in einem mehrseitigen Zeitschriftenartikel der "Deutschen Architektur"7 den Architekten als vielseitiger und abstrakt arbeitender Künstler vorgestellt. Von seinem Engagement für Magdeburg erhoffte man sich "eine Arbeit von hohem künstlerischen Rang [...], die einen Maßstab für die weitere Gestaltung des Stadtzentrums setzen wird.8 Sein Beitrag für den Breiten Weg umfasste drei Brunnen, Sitzmöglichkeiten und Absperrgitter für die Straßenbahntrasse. Kühn schrieb, seine Arbeit sei "im Zusammenhang mit dem gestaltenden Team der Städteplaner, Architekten, Gartengestalter und der Gesellschaft zu verstehen."9 Der von Kühn entworfene Kugelbrunnen stellte am Nordeingang zum Straßenraum den Auftakt zum Fußgängerbereich dar. Der zweite Brunnen umfasste drei Becken die mit Kelchen versehen waren, aus denen das Wasser kunstvoll auf die Wasserfläche lief.

Landschaftsarchitektur
Hochbeete und die von Fitz Kühn gestalteten Bänke luden die Passanten zum Verweilen ein. 1970er-Jahre. Foto: Brösel, Stadtplanungsamt Magdeburg

Für die Landschaftsarchitektur dieses Bereiches zeichneten Herbert Mocker und G. Kristott verantwortlich. Der Bodenbelag bestand aus dunklen Plattenstreifen, die im Rastersystem verlegt, in Kombination mit hellen Platten ein zeitgenössisches Gestaltungsmittel aufnahmen. Die mit Fertigteilen eingefassten und mit Stauden sowie Sträuchern bepflanzten Hochbeete, ferner die dazwischen aufgestellten Bänke ergänzten die stark geometrisch gehaltene Gestaltungslinie.

Auf die Pflanzung von Großbäumen wurde zunächst weitestgehend verzichtet, was damals in der Fachwelt auf Kritik stieß.

Die Gestaltung des Fußgängerbereiches Breiter Weg stellte Anfang der 1960er-Jahre eines der ersten Beispiele dar, bei denen die Planer sich mit einer neuen umfassenden Planungsaufgabe konfrontiert sahen. Mit den verschiedenen Möglichkeiten aus Frei-flächengestaltung und Kunst gestaltete man diesen groß dimensionierten Bereich zu einem modernen Aufenthaltsort für die Passanten.

Zwischen 2000 und 2005 musste man auf Grund der Überalterung der Materialien und der Pflanzungen sowie der mittlerweile veränderten Anforderungen an den öffentlichen Raum den Fußgängerbereich umfassend sanieren. Die wichtigen Anliegen, sowohl alle Gebäudezugänge barrierefrei zu erschließen als auch eine Allee in die Gestaltung zu integrieren, konnten umgesetzt werden. Im Zuge dessen wurden ebenso die Brunnen restauriert. Dies übernahm Achim Kühn, der Sohn Fritz Kühns, in seiner in Berlin gelegenen Werkstatt. Die technisch überarbeiteten und optisch aufgewerteten Wasserspiele wurden anschließend in den modernisierten Fußgängerbereich, nun in runde Becken, wieder in die Freiflächengestaltung eingefügt.


Literatur

1) LH Magdeburg/Stadtplanungsamt Magdeburg: Städtebau in Magdeburg 1945-90, Planungen und Dokumente, 1998, S. 6.

2) Stadtarchiv Magdeburg, Rep. 41 Rat der Stadt Magdeburg/Büro des Stadtarchitekten, Signatur 809, ohne Jahr, Blatt 1.

3) Stadtarchiv Magdeburg, Rep. 41 Rat der Stadt Magdeburg, Büro des Stadtarchitekten Signatur 2460, 1960-1963, Blatt 46.

4) Ebd., Blatt 3.

5) Ebd.

6) Stadtarchiv Magdeburg, Rep. 41 Rat der Stadt Magdeburg, Büro des Stadtarchitekten Signatur 2460

1960-1963; Projektierung der Außenanlagen Karl-Marx-Straße/Nordabschnitt in Magdeburg.

7) Deutsche Architektur 5/1964, S. 293-301.

8) Stadtarchiv Magdeburg, Rep. 41 Rat der Stadt Magdeburg, Büro des Stadtarchitekten Signatur 2460, 1960-1963; Projektierung der Außenanlagen Karl-Marx-Straße/ Nordabschnitt in Magdeburg.

9)Private Unterlagen Fritz Kühn, Archiv Fritz Kühn Gesellschaft.

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