Ein Konzept zur ökologischen Flächenoptimierung

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Biodiversität
Teilmahd neben der Straße: Wegränder und Straßensäume sind typische Eh-da-Flächen. Foto: Christoph Künast

Zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen den Rückgang der biologischen Vielfalt. Umso wichtiger ist es auch für Städte und Kommunen, sich Gedanken darüber zu machen, wie bereits bestehende Flächen ökologisch optimiert und aufgewertet werden können. Eine vorbildliche Idee hierzu ist das sogenannte "Eh da-Flächen"-Konzept, das sich für mehr Artenvielfalt stark macht und sich ganz besonders für den Erhalt der Wildbiene einsetzt. Um die Biodiversität zu erhöhen, gibt es eine Vielzahl an Maßnahmen. Eine davon kann das Eh-da-Flächen-Konzept sein, in dessen Rahmen Managementmaßnahmen zur Flächenaufwertung hinsichtlich der adäquaten Erhaltung oder Schaffung diverser Lebensräume für Insekten, unter anderem Wildbienen, zusammengetragen und aufeinander abgestimmt wurden.


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Fotos, soweit nicht anders angegeben: Christine Schonschek
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Das Eh da-Projekt hat sich vor allem auch dem Erhalt der Wildbienen verschrieben.
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Um den Nützlingen nicht nur Nahrung sondern auch Unterschlupf zu bieten, kann die Errichtung von Insektenhotels sinnvoll sein.
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Alternativ eignen sich auch Elemente wie diese, die den Wildbienen kombinierte Lebensräume anbieten: unten Brut- und oben Sammelhabitat.

Einen Beitrag können dabei Insektenhotels leisten, aber auch Holzlagerstätten, liegen gelassenes Alt- und Totholz sowie Lesesteinhaufen und Trockenmauern sind wichtige Lebensräume für Flora und Fauna. Der Grundgedanke ist es, vorhandene Flächen zu nutzen, um dem Verlust der Biodiversität entgegenzuwirken. Das gilt auch dann, wenn es sich dabei um kleinräumige Flächen handelt. Denn auch diese können vielen Pflanzen und Tieren Nahrung und Heimat bieten. Auf das Greening angerechnet werden können Eh-da-Flächen bisher zwar noch nicht. Trotzdem ist die gute Nachricht: Es sind ökologische Flächen on top der geförderten Ökologischen Vorrangflächen, also ausdrücklich keine Kompensation.

Die Ausgangslage

Ins Leben gerufen wurde das Eh-da-Projekt von der Initiative "Innovation und Naturhaushalt" (ehemals FNL, nun Forum Moderne Landwirtschaft) mit einer wissenschaftlichen Potenzialstudie. Das war im Jahr 2012. Ziel des Projektes ist es, in der Öffentlichkeit das Bewusstsein zu stärken: Landwirtschaft und Naturhaushalt stehen nicht im Widerspruch zueinander, sondern brauchen sich gegenseitig. "Die Motivation für unser Eh-da-Projekt ist es, den Blick auf die gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu lenken, damit das Thema Biodiversität nicht mehr 'nur' auf einer Schulter liegt", erläutert Dr. Matthias Trapp von der RLP AgroScience GmbH die Hintergründe. Er zieht zudem ein positives Fazit: "Es war zu Beginn dieses Projektes gar nicht abzusehen, dass wir damit so viel Erfolg haben werden. Inzwischen sind wir an einem Punkt angelangt, wo wir dringend weitere Fördermöglichkeiten für interessierte Kommunen auftun müssen."

Was dazu gehört und was nicht

Der Name dieses Konzeptes zur Flächenoptimierung wurde bewusst ganz salopp formuliert. Er bedeutet, es geht um Flächen, die ohnehin schon da sind. Warum also sollen diese Eh da-Flächen, die ohne erkennbare wirtschaftliche Bedeutung sind, nicht zur Förderung der Artenvielfalt genutzt werden? Dazu gehören Flächen, die sich über große Distanzen hinweg erstrecken ebenso wie kompakte, ungenutzte Bereiche. Zu den ersteren zählen wegbegleitende Flächen wie etwa Straßenböschungen und Wegränder. Diese erstrecken sich nicht selten über viele Kilometer hinweg entlang von Orts-, Kreis-, Landes- und Bundesstraßen. Auch wenn sie recht schmal sind, ergibt sich aufgrund der Länge doch eine verhältnismäßig große zusammenhängende Fläche. Durch nektarreiche Blüten werden damit Habitate für viele Klein- und Kleinstlebewesen geschaffen.
Im Gegensatz zu den Straßenböschungen sind Verkehrsinseln eher flächig. Vor allem größere Verkehrsinseln sind dadurch besser vor den Auswirkungen durch den Straßenverkehr und vor Emissionen geschützt. Beispielsweise kann sich die Natur an Autobahnkreuzen weitestgehend ungestört entwickeln. So dass dort oft eine reichhaltige Flora und Fauna anzutreffen ist.
Ebenfalls unter die Eh-da-Flächen gezählt werden Bahn- und Hochwasserdämme, Deiche sowie kommunale Grünflächen und Zwickel. Aber nicht alle Flächen, die nicht genutzt werden, fallen unter die Definition der Eh-da-Flächen. Unter anderem werden nach der reinen Lehre der Potenzialstudie nicht dazu gezählt: landwirtschaftliche Nutzflächen, Wald, private Gärten, Flächen in Städten sowie Ausgleichsflächen, Naturschutzgebiete, Naturdenkmäler und Nationalparks.
http://www.eh-da-flaechen.de/

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Spalten und Trockenmauern sind wichtige Lebensräume für allerlei Kleintiere.
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Sich ergebende Vorteile

Zwar sind Eh-da-Flächen in der Regel kleinräumig, aber in der Gesamtheit betrachtet, können sie dann doch einen nennenswerten Flächenanteil einnehmen. Zusammengenommen lässt sich das mit drei bis fünf Prozent der Gesamtfläche des deutschen Landschaftsraumes beziffern. Sinnvoll ist die Aufwertung von Eh-da-Flächen aber nicht nur im Sinne des Naturschutzes - also des Erhalts der Artenvielfalt. Auch ergeben sich daraus andere Vorteile wie die sogenannten ökologischen Dienstleistungen, die durch die dort lebende Flora und Fauna erbracht werden können. Ganz konkret sind das neben der Blütenbestäubung auch die Förderung von Nützlingen, mit deren Hilfe Schädlinge in Schach gehalten werden können, der Schutz des Bodens vor Erosion sowie der Erhalt des regionaltypischen Landschaftsbildes.

Geeignete Flächen finden:analog oder digital?

Bevor eine Gemeinde oder Kommune sich an einem solchen Projekt der ökologischen Flächenoptimierung beteiligt, steht selbstverständlich erst einmal die Frage im Raum: Haben wir überhaupt solche Eh-da-Flächen? Und wenn ja, wie können wir diese ausfindig machen und auch organisieren, um etwa adäquate Pflegekonzepte zu erstellen?
Als Grundlage dafür muss entsprechendes Kartenmaterial zu Rate gezogen werden. Für die Nutzung und Erstellung solcher Flächenpläne kann sowohl auf das klassische gedruckte als auch auf digital verfügbares Material zurückgegriffen werden. Die letztere Variante bietet unter anderem eine große Hilfe bei der Fernerkundung. Manche internetgestützte Dienste lassen sich zum Teil auch offline verwenden. Ohne EDV - also analog - können Liegenschaftskataster und Flächennutzungspläne zum Auffinden der fraglichen Flächen verwendet werden. Aber auch topografische Karten (TOP-Karten), am besten im Maßstab von 1:25.000, sind für die Ermittlung und Planung von Eh-da-Flächen geeignet.
Vielfältiger arbeiten lässt es sich mittels EDV und Internet. Das fängt bei digitalem Kartenmaterial an, das offen im Internet zur Verfügung steht, und geht hin bis zu professionellen Lösungen, wie etwa den geografischen Informationssystemen (GIS). Eine Vorauswahl potenzieller Eh-da-Flächen lässt sich mit Online-Kartendiensten von jedem internetfähigen Rechner aus vornehmen. Möglich ist das beispielsweise über die freie digitale Weltkarte OpenStreetMap. Diese interaktive Karte kann über den Link www.openstreetmap.org geöffnet werden. Allerdings fehlen dort im Moment in der Online-Version Luftbilder. Von daher bieten sich für die Suche via Internet noch eher andere Internet-Dienste an, wie zum Beispiel Bing Maps (https://www.bing.com/maps/), ArcGIS online (https://www.arcgis.com/home/webmap/viewer.html) oder Google Earth (https://earth.google.de). Natürlich müssen die darin eingezeichneten potenziellen Flächen erst noch der zuständigen Prüfungsstelle in den Kommunen vorgelegt werden, bevor sie überhaupt in die Planungen integriert werden können. Das ist erforderlich, um im Vorfeld die Eigentumsverhältnisse, die Katastergrenzen sowie die Möglichkeit einer Aufwertung feststellen zu können.
Die digitalen Verfahren bieten viele Vorteile im Gegensatz zu den analogen Möglichkeiten: Mit den digitalen Lösungen lassen sich Ergebnisse schneller mit anderen teilen. Darüber hinaus bieten die internetbasierten Verfahren einen besseren Überblick über die benachbarten Flächen. Das heißt, Vernetzungen mit anderen Habitaten lassen sich leichter berücksichtigen und es können über die Flächenmaße direkt Hochrechnungen durchgeführt werden, etwa um die Kosten für benötigtes Saatgut und andere Pflegemaßnahmen zu ermitteln. Hinzu kommt noch, dass Kartenportale im Internet auch gleich noch Routenfunktionen anbieten. Darütber können ohne weiteren Aufwand die Anfahrtsbeschreibungen für eine Vor-Ort-Begehung ausgegeben werden.
http://www.eh-da-flaechen.de/

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Die WebMap gibt Informationen zur Eh-da-Gemeinde Bornheim. Foto: IfA, RLP Agroscience
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Übersichtskarte der geplanten Maßnahmenflächen in Bornheim. Foto: IfA, RLP Agroscience

Die Projektphasen

Ein Eh-da-Flächen-Projekt sollte über mehrere Jahre verlaufen, um Flora und Fauna ausreichend Zeit für ihre Entwicklung zu geben. Um einen reibungslosen Projektverlauf zu gewährleisten, arbeiten in der Regel verschiedene Institutionen sowie engagierte Personen zusammen. Am Anfang steht erst einmal die Vorbereitungsphase. Da sich an der Umsetzung eines Eh-da-Projektes immer mehrere Personen oder Institutionen beteiligen, findet bereits die erste Phase im Team statt.
Im zweiten Schritt steht die Planungsphase an. In diese werden alle Beteiligten eingebunden. Zu den potenziellen Interessenten für ein Eh da-Projekt gehören unter anderem Bürgermeister, Gemeinderäte,Behörden, Naturschutzverbände sowie Landespflegeorganisationen und engagierte Bürger. In der Planungsphase wird eine Vorauswahl der Flächen vorgenommen. Ein Team aus Entscheidungsträgern und Experten wird gebildet. Geklärt werden dann auch im Rahmen der Flächenanalyse die Besitzverhältnisse, ebenso die Finanzierung.
Bei Flächenbegehungen können ökologische Schutzziele definiert und es kann geprüft werden, ob die Flächen für die Maßnahmen überhaupt geeignet sind. Im Rahmen der Maßnahmenplanung werden folgende Kriterien festgelegt: Projektbeginn, Laufzeit, Flächenbedarf, Kosten, Expertisen sowie die Beteiligung von Experten und Partnern (als potenzielle Sponsoren).
In der Umsetzungsphase werden die geplanten Maßnahmen durchgeführt, dokumentiert, der Erfolg kontrolliert sowie die Maßnahme selbst kommuniziert. Letzteres - also eine gute Presse- und Öffentlichkeitsarbeit - ist besonders wichtig, denn Eh-da-Projekte sind zwar für alle sichtbar, aber keinesfalls selbsterklärend. Vielen Außenstehenden ist nicht klar, dass sich vorherige Grün- oder Rasenflächen ganz bewusst in kräuterreiche Wiesen verwandelt haben. Wenn das Projekt nicht erläutert wird, entsteht leider oft der Eindruck, die Fläche würde nicht gepflegt oder sehe unordentlich aus. Solche Bedenken lassen sich aber mit einer adäquaten Projektbeschreibung, am besten mit ausführlichen Infotafeln direkt vor Ort, aus dem Weg räumen.

Eine Kostenfrage

Oft steht ganz am Anfang die Frage nach den Kosten. Mit Recht, denn ökologische Aufwertungsmaßnahmen können teuer sein. Ein Eh da-Projekt lässt sich aber auch mit begrenzten Mitteln erfolgreich durchführen.Voraussetzung dafür ist natürlich eine gute Vorbereitung und Planung. Wenn die richtigen Partner an Bord sind, können die Aufwendungen für das Projekt durchaus überschaubar sein. So wäre es beispielsweise möglich, für bestimmte Pflegemaßnahmen, wie zum Beispiel die Mahd, ehrenamtliche Gemeindehelfer, Schulen, Vereine oder andere Freiwillige zu gewinnen. Sie sind oft sogar zusätzlich wertvolle Multiplikatoren für das Projekt.
Darüber hinaus können und sollten für Eh-da-Projekte durchaus auch verschiedene Optionen der finanziellen Förderung in Betracht gezogen werden. Welche das sind, hängt entscheidend von den ausgewählten Flächen und vom Bundesland ab. Im Siedlungsbereich wäre etwa die Teilnahme an einem Wettbewerb zur nachhaltigen Gestaltung von Freiflächen denkbar. Aber auch örtliche Sponsoren können gewonnen werden, wenn sie als Projektförderer genannt werden.
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Drei typische Beispiele für Eh-da-Flächen. Fotos: IfA, RLP Agroscience
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Bornheimer Bürgermeister Prof. Dr. Karl Keilen und Staatsministerin Ulrike Höfken mit Dr. Christoph Amberger vom Forum Moderne Landwirtschaft bei der Enthüllung des neuen Ortschilds mit dem Hinweis auf die erste "Eh-da-Gemeinde Deutschlands". Foto: Forum ML

Gelungene Umsetzungsbeispiele

Ein gutes Beispiel, wie in der Fläche mehr Naturschutz stattfinden kann, ist in Bornheim in der Pfalz zu finden. Dieser Ort wurde Anfang September 2015 als "Erste Eh-da-Gemeinde Deutschlands" gewürdigt. Die rheinland-pfälzische Staatsministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten, Ulrike Höfken, enthüllte dazu ein augenfälliges neues Ortsschild für Bornheim mit dem Hinweis "Erste Eh-da-Gemeinde Deutschlands". Erfreut darüber zeigte sich der Bornheimer Bürgermeister Prof. Dr. Karl Keilen, der maßgeblich an der Realisierung des Projektes beteiligt war. Alle, die an dem Projekt beteiligt waren, konnten in den vergangenen Monaten viele wertvolle Erfahrungen sammeln. Wichtige Erkenntnisse daraus sind: Die ökologische Aufwertung der Eh-da-Flächen lässt sich gut in die bisherigen Pflegemaßnahmen integrieren. Außerdem fallen keine nennenswerten Zusatzkosten an.
Keilen möchte auch andere Kommunalvertreter dazu motivieren, dem Beispiel von Bornheim zu folgen: "Wir sehen heute, wie wertvoll kommunale Straßen- und Wegböschungen und Grünflächen durch gezieltes Flächenmanagement für Wildbienen und viele andere Insekten und Kleintiere werden können. Jede weitere Gemeinde, die mitmacht, ist ein Gewinn für die Artenvielfalt." Von dieser Begeisterung anstecken ließ sich die rund 25 Kilometer entfernte Gemeinde Haßloch. Im Oktober 2015 ist dort das neue Modellprojekt an den Start gegangen. Weitere Informationen zur Eh da-Gemeinde Bornheim gibt es in der "Story Map", die über diesen Link aufgerufen werden kann: www.tinyurl.com/ehda-bornheim.

Biodiversität im Lehrplan

Viele Kultusministerien haben das Thema "Biodiversität" in die Lehrpläne mit aufgenommen. Von daher können sich Lehrkräfte im Rahmen des Unterrichts mit der Thematik Eh da-Flächen nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch auseinandersetzen. Etwa indem vor jeder Schule ungenutzte Grünflächen mit Blühmischungen in "bunte Wiesen" umgestaltet werden und damit Bienen, Schmetterlingen und Vögeln Nahrung und Unterschlupf geboten wird. Lehrmaterialien wie Unterrichtsbausteine werden dazu vom information.medien.agrar e. V. zur Verfügung gestellt. Darüber kann beispielsweise auch der erste Einstieg in den Schulgarten gemeistert werden.
www.eh-da-flaechen.de

 Christine Schonschek
Autorin

Freie Fachjournalistin - Mitglied im Deutschen Fachjournalistenverband (DFJV)

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