Die Nachnutzung des Flughafens Tegel schließt Stadt und Landschaft zusammen

Ein Terminal dockt an

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Aufnahme von 1972. Quelle: gmp Architekten
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Wettbewerbsentwurf von 1965. Quelle: gmp Architekten

Als ein Planer aus Helsinki über Entwürfen für die Nachnutzung von "Tegel TXL" brütete, kam seine kleine Tochter herein und fragte: "Für wen planst Du, wer wird das nutzen?" Da musste er erst einmal abschalten. Die Anekdote, auf der sechsten Standortkonferenz zu Tegel zum Besten gegeben, trifft ein Dilemma. Die Nachfrage nach künftigen Gewerbegrundstücken ist auf niedrigstem Niveau zum Erliegen gekommen, weil die Termine gepurzelt sind. Die Bewertung dieser von Investorendruck befreiten Situation durch die Planer in der Senatsverwaltung fällt ambivalent aus. Ist es von Vorteil, dass ein Verfahren "akademisch rein" durchgeführt werden kann und Berlin mit dem Masterplan schon im Vorfeld eine freiwillige Selbstbindung eingeht, oder ist nicht vielmehr ein "Kraftschluss" mit Investoren, wie an der Heidestraße nahe dem Hauptbahnhof praktiziert, der Weg zum Erfolg?

Das Verfahren ist maßgeschneidert exklusiv für diesen Standort. Das heißt erstens, mit den Erschließungsrastern eine flexible Bebauung zu ermöglichen. Zweitens wurden die sechs Planer- und Architektenteams¹), die eingeladen waren, um Entwürfe als Grundlage eines Masterplans zu fertigen, der üblichen Wettbewerbssituation enthoben. Kooperation war angesagt. Die Entwürfe hatten verschiedene Schwerpunkte, sei es die landschaftliche Gestaltung oder die Herausarbeitung als Industriestandort. In mehreren Werkstätten ab 2009 wurden die einzelnen Entwürfe neu akzentuiert, zu Strukturplänen abstrahiert und anschließend zum Muster eines Masterplanes zusammengefügt. Klassische Instrumentarien wie Flächennutzungsplan und Landschaftsprogramm wurden parallel abgearbeitet, aber Reiner Nagel, Leiter der Abteilung Stadt- und Freiraumplanung beim Senat, betont die Integration informeller Strukturen im ergebnisoffenen Verfahren. Ein iteratives Vorgehen ist bei Großverfahren heute obsolet. Die folgenden Schritte - und Akteure - müssen jeweils mitgedacht werden, und nichts kann als abgeschlossen gelten. Der Planungsdialog bezog und bezieht auf mehreren "Standortkonferenzen" die Öffentlichkeit ein. Der Masterplan konnte und kann auf Voten aus der Stadtgesellschaft reagieren. Ein Vorbild kann Reiner Nagel doch benennen: die Hamburger Hafencity, wo er zuvor planerisch tätig war.

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Der Flughafen heute. Quelle: Luftbild 24890009, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt
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Der Masterplan, Stand Ende November 2012. Quelle: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt/Abt. I

Aus Sechs mal Sechs mach Eins

Im Mittelpunkt steht eine unantastbare Ikone: das Hexagon des Terminals. Genau genommen sind es zwei. Das zweite identische Terminal wurde nie gebaut, aber beide geben dem Plangebiet die großmaßstäbliche Geometrie vor. In den Umrissen sieht es aus, als wären drei Segmente aus einem Sechseck ausgeschnitten, eine Trapezform, die den gesamten bisherigen Planungsprozess einer Nachfolgenutzung formbestimmend überdauert hat. Zum Flugfeld hin weitet sich das Trapez zur Offenlandschaft um die Landebahnen und zum Wald. Der Flugplatz war ursprünglich Teil der Jungfernheide, die heute noch einen grünen Rahmen abgibt, und wurde später militärischer Übungsplatz. Im Süden verengt sich das Trapez und entlässt ein System von Zufahrtsstraßen, die sich mit der Autobahn verknäulen. Daraus ergeben sich zwei neue Aufgaben: Das Flughafengebiet, das sich bis jetzt wie ein Riegel in den Nordwesten Berlins schiebt, soll nach seiner Entwidmung einen Übergang zwischen städtischer Dichte und landschaftlicher Weite darstellen, und zum anderen ist auf dem Gelände selbst - wie sich Peter Zlonicky ausdrückt - Neues aus den übrig gebliebenen Spolien zu entwickeln.

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Entwurf von Gerkan, Marg und Partner. Quelle: gmp Architekten
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Ein grüner Korridor und ein Radwegenetz verbinden die Tegeler Heide mit dem neuen Stadtteil. Quelle: Agence Ter.de
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Entwurf eines einheitlichen Strukturkonzepts. Quelle: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt
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Entwurf von agence ter. Quelle: Agence Ter.de
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Das Landschaftskonzept, in einer eigenen Werkstatt erstellt von Seebauer/Wefers und Partner. Quelle: Seebauer/Wefers und Partner
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Grün breitete sich in den Werkstattphasen unter der Hochstraße aus. Quelle: Machleidt GmbH mit sinai und GRI

Der Entwurf von Gerkan, Marg und Partner (gmp) ist am engsten an die vorhandenen Strukturen und das Terminal angelehnt, dieses "Denkmal der Architektur". Kein Wunder, war doch der Flughafen (1965ff.) ihr Gesellenstück. Das flächige Terminal hat sowohl einen landschaftlichen als auch einen surrealen Charakter, erläuterte Nicolas Pomränke von der Berliner Vertretung an Hand älterer Fotos. Von ihm aus strahlen Achsen in alle Richtungen aus, gedacht oder real wie etwa der grüne Korridor, der zum Flughafensee im Forst führt. Diese Schneise ist so breit wie ein Segment des Terminals. Das geplante "Andocken" von neuen Gebäuden verstehen gmp ganz wörtlich, indem sie die Fluggastbrücken dafür benutzen möchten. Im Verdichtungsbereich um das Terminal liegen mäandrierende Gebäude, die Forschungseinrichtungen aufnehmen sollen. Noch weiter verdichtet sind spiegelbildliche Bauflächen aus Rücken-an-Rücken-Gebäuden entlang der Schenkel des Trapezes. Nördlich des um das Terminal zentrierten Bereiches verläuft in Ost/West-Richtung ein grünes Band, welches das annähernd zwischen den Landebahnen vorgesehene Industrieband aus großflächigen Bauten vom Kerngebiet abrücken soll. Die Zufahrt im Süden soll einschließlich des Tunnels aufgewertet werden. Der Entwurf wird dem Standortprofil gerecht: Forschung und Entwicklung im und am Terminal, in welches die Berliner Beuth Hochschule 15 Prozent ihrer Kapazität auslagern möchte, Raum für Start-ups und an der Peripherie Industrie, denn die ganze Wertschöpfungskette soll abgedeckt werden. "Urban Technology" soll zum Markenzeichen Tegels werden, und die Betonung liegt etwas abstrakt auf Energieerzeugung und -verwendung in der schnell wachsenden "Smart City". Die Entscheidung für die Fachhochschule nimmt Meinhard v. Gerkan geschmeidig auf. Man habe im Grunde schon damals eine Universität entworfen.

Der Entwurf von Machleidt+Partner, sinai und GRI gewinnt die Fläche der Stadt zurück. Sie schaffen einen neuen kompakten Stadtteil und legen dabei auf die Entinselung der bisherigen Flughafenlage wert, indem sie diese vermittels eines "sensitiven grünen Saums" behutsam an die Umgebung anbinden und nach Norden hin durch mehrere Achsen zur Landschaft öffnen. Vom Terminal ausgehend teilen sie Entwicklungsfelder in einen harten und einen weichen Kern und ein Gewerbeband entlang der Start- und Landebahnen ein. Die Entwicklung kann in Phasen erfolgen. Benjamin Wille von Machleidt+Partner betont, dass das Thema Wohnen auf der Agenda nach vorne rückt. Die östlich und nordöstlich gelegenen versprengten Wohngebiete sollen durch Qualifizierung und ergänzende Gewerbenutzung dem neuen Stadtteil eingefügt werden. Von modular entwicklungsfähigen Gewerbegebieten geht auch "agence ter" aus, interpretiert jedoch die Nachnutzung von einer landschaftlichen Gestaltung her. Die Planer inszenieren die Spannung aus Wald und Weite und entwickeln die Heide dem Offenlandschaft in das Kerngebiet hinein. Ein großer grüner Korridor zieht sich in der mit "Lichtung in der Stadt" überschriebenen Entwurf von Norden bis zum Terminal und östlich um dieses herum, um sich dort zu einem Campuspark auszuweiten. Der Landschaftsraum unterläuft an diesem Ort spielerisch die Hochstraße. Die nördliche Landebahn wird zur Freizeitpiste.

Die Entwürfe, zu denen sich noch die von West 8 und MVRDV (verstärkt durch Topotek1), beide aus Rotterdam sowie die von /jbbug Landschaftsarchitekten gesellen, sind hier vom Ende her betrachtet, denn sie wurden im dialogischen Werkstattverfahren einander angenähert. Zu Beginn war jeder Gruppe ein anderes Szenario zur Aufgabe gestellt. Das Büro bekam die "wild card": Es sollte quer zu den übrigen Aufgaben denken. Im weiteren Verlauf wurde die Verbindlichkeit durch die Novellierung des Flächennutzungsplans erhöht; Bebauungsdichten, naturschutzfachliche Bestimmungen, klimatische Bedingungen usw. waren neu zu beachten, und ein Standortprofil zum "Forschungs- und Industriepark Zukunftstechnologie im Landschaftsraum Jungfernheide" setzte Orientierungspunkte. Der große Schritt zum Masterplan wurde jedoch mit einem kleinen Schritt zurück eingeleitet. Aus jedem der sechs Entwürfe wurde ein Abstraktum destilliert, bis sie gleichsam übereinander gelegt werden konnten, um ein gemeinsames Strukturkonzept zu formulieren. Dies war der Rahmen für die weitere strategische Planung.

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Die Strukturpläne aus den Entwürfen der einzelnen Teams von oben nach unten: gmp Architekten von Gerkan, Marg und Partner Machleidt + Partner, sinai, GRI agence ter Landschaftsarchitekten MRDV / Topotek1 CITYFORSTER, urbane gestalt, Transsolar West 8 Quelle: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt

Stadtheide für "Urban Tech"

Der Dreiklang aus Wald, Wasser und Offenlandschaft gab der gesondert durchgeführten "Werkstatt Landschaft" die inhaltliche Anregung. Die Werkstatt erarbeitete 2010/11 auf Grundlage eines Landschaftsprogramms das Label "Tegeler Stadtheide" für die künftige Gestaltung des Freiraums, der etwa die Hälfte des 460 Hektar großen Areals umfasst. Kleine Patches von Heide im Norden und Westen sind auszudehnen, damit das befestigte Gelände sich zur Landschaft öffnen kann. Elemente jener Stadtheide könnten sich vice versa als "Grüntaschen" in das großflächige Ost/West-Gewerbeband hineinziehen, um sich in den Freiflächen der Baugebiete widerzuspiegeln. Die Qualitäten des Landschaftsraums werden in die Baufelder integriert. Landschaftsentwicklung heißt im nördlichen und westlichen Teil Vernetzung mit dem Gewerbegebiet. In die Landschaft, die von Fahrrad- und Fußwegen durchzogen ist, werden "Impulsgeber" verstreut, Attraktionspunkte, um die Weite intensiver zu erfahren. Das kann ein Informationszentrum sein oder ein Schafhof, denn Überlegungen zur Mahd durch Beweidung sind in das Pflegekonzept einbezogen. Auch dieses Landschaftskonzept lässt Entwicklungen auf Zeit zu. Impulsgeber können aber auch Aussichtspunkte sein, die einen Bezug zu den Kubaturen des ehemaligen Flughafens ermöglichen, etwa dem Tower, der stehen bleiben soll und die Sichtachsen weiter in die Stadt führt. Entlang der nördlichen Landebahn ist als Übergangszone ein "Aktivband" für Sport und Erholung vorgesehen. Ein Grünzug stößt zum östlichen Kurt-Schumacher-Damm vor. Der Flughafen stellte auch eine Barriere in Ost/West-Richtung dar. In Zukunft sind Grünverbindungen von Reinickendorf zur Havellandschaft gestärkt.

Die Werkstatt Landschaft wurde vom Büro Seebauer Wefers und Partner geleitet. Anfangs stand die Moderatorenrolle im Vordergrund. Alle Akteure wurden geladen und die Anforderungsprofile zusammengetragen. Daraus wurde das Landschaftskonzept erstellt. Es lief wie das Werkstattverfahren der sechs Teams im Kleinen ab, setzte jedoch etwas später ein. Der ideelle und planerische Vorlauf isolierte die Arbeit an jenem Konzept gewissermaßen vom Gesamtverfahren ab, so dass nur noch die "verbleibende" Landschaft zur Disposition für gestalterische Überlegungen stand. Auf der anderen Seite waren die Vorstellungen zu den städtebaulichen Strukturen noch nicht ausgefeilt genug, um dem Landschaftskonzept genügend Anhaltspunkte für Nutzungstypologien zu geben. Die Ursache dieses Problems liegt wie bekannt in den realen Rahmenbedingungen. Aber Martin Seebauer zeigt sich zufrieden. Ein Austausch mit den Akteuren des größeren Werkstattverfahrens fand statt. Das Landschaftskonzept griff am ehesten Impulse auf, die vom Büro agence ter kamen. Und wenn im Masterplan die Ideen der "Sechs" kondensiert worden sind, wurde das Landschaftskonzept noch einmal wie ein Layer darüber gelegt und findet sich in seinen Grundzügen dort wieder. Dank dieses Konzeptes kehrt das neue Forschungs-, Technologie- und Industriezentrum nicht der Landschaft den Rücken zu, sondern verzahnt sich mit ihr, während im Süden der waldgeprägte Saum am Kanal eine Einfassung ergibt, die auch eine Eingangssituation darstellt.

Die wichtigsten Elemente, die Eingang in den Masterplan fanden, sind bereits genannt. Der Plan wahrt die Grundrissstruktur des Flughafens und weist eine große Bandbreite an Baugebieten unterschiedlicher Parzellierung aus, die am Terminal verdichtet sind. Dieses ist der Nukleus allen Handelns. Durch einen grünen Korridor, der am Terminal aufgeweitet wird, ist der Campuscharakter unterstrichen. Das Industrieband, dem Verlauf der Landebahnen folgend, ist durchlässig zur Heidelandschaft, die neue Erholungsflächen bietet. Der aus dem Masterplan ausgegliederte Verkehrsplan weist überörtliche Fahrradwege aus, von denen einer den Anschluss nach Westen, zum Tegeler See, halten soll. Neue Erschließungsmöglichkeiten vor allem aus Südosten werden aufgezeigt, und die vorhandene zentrale südliche Zufahrt wird als gebietsprägende Adresse herausgearbeitet. gmp ist hier bereits mit dem Vorschlag zweier flankierender Torhäuser vorgeprescht. Das Manko eines fehlenden U-Bahnanschlusses soll ausgeglichen werden. Das Wohngebiet am Kurt-Schumacher-Damm wird städtebaulich mit dem Flughafengelände verbunden. Dieser Bereich ist planerisch noch nicht so intensiv behandelt, da ein Autobahnzubringer als Barriere wirkt.

Kein TXL für ein U vormachen

Der Masterplan ist Work in progress, bis er voraussichtlich im Frühjahr als Beschlussvorlage und Grundlage für Bebauungspläne eingebracht werden kann. Eine textliche Fassung muss noch erstellt werden. In einer jüngeren graphischen Version "überspringt" das Wohngebiet im Osten den Autobahnzubringer, Desiderata einer Zukunft vorwegnehmend, die mit steigendem Wohnungsbedarf bereits begonnen hat. Als neuer graphischer Effekt sind im Masterplan auch Bezüge zum südlich verlaufenden Hohenzollernkanal hinzugekommen, die realiter durch Kleingärten unterbunden sind. Was immer sich am und auf - oder auch mit - dem Wasser abspielen könnte, soll aber nicht die Kante zur Stadt verwässern.

Das Büro West 8, das ursprünglich den Auftrag hatte, das Planungsgebiet für sportliche Großereignisse zu qualifizieren, hatte bei insgesamt landschaftlicher Gestaltung großflächige Gewässer vom Kanal aus nach Norden abgezweigt. Aber Großevents sind in Berlin eher Flops, und im Verlauf der Werkstätten beschied man sich mit der Konzentration auf das Vorhandene und der Frage, womit es wirtschaftlich zu füllen sei. Die Insellage des ehemaligen Flughafens ist nach Auffassung von Reiner Nagel nicht zu negieren. Die Fugen zur Stadt sollten sichtbar gemacht, aber zugleich die Konnektivität erhöht werden.Das Vorhandene ist in seiner bisherigen wirtschaftlichen Ausbeute spärlich. Etwa 60 Anfragen von Unternehmen liegen vor, bei stagnierender Tendenz. Das muss kein Anlass zu Häme sein, nötigt vielmehr Respekt ab gegenüber der sorgfältigen Vorbereitung einer städtebaulichen und landschaftlichen Entwicklung. Stutzig macht jedoch ein Nebensatz in den Informationen von "Tegel Projekt": Etwa ein Drittel der Anfragen ist "profilkonform". Hier könnte sich eine Schere öffnen, wenn das Planungsrecht Konturen gewinnt, ohne dass die Betroffenen gefragt wurden. Mangels Masse können die Bedarfe z. Zt. kaum berücksichtigt werden. Konflikte, die sich jetzt bereits abzeichnen - etwa zum Wasserschutzgebiet - könnten sich später aufschaukeln.

Hinter den jeweils aktuellen Planungsstand von Tegel TXL ist ein großes X zu setzen, nicht anders als beim Großflughafen. Eine Lösung sieht die Senatsverwaltung darin, beim Grundstückskaufvertrag anzusetzen. Öffentliches Interesse könne an dieser Stelle mit privatrechtlichen Instrumenten umgesetzt werden. Das sei wirksamer als städtebauliche Verträge. Allerdings setzt es auch voraus, dass sich zwischen der Verwaltung und den Projektentwicklern, die für Vermarktung und Vertrieb zuständig sind, keine Konkurrenzsituation entwickelt. Selbst wenn Tegel Projekt/WISTA eine landeseigene Gesellschaft ist, wurden bei vergleichbaren Objekten, etwa dem Tempelhofer Feld, schlechte Erfahrungen gemacht. Dagegen scheint es zwischen dem Bund, dem zwei Drittel des Geländes gehören, und dem Land Berlin keine Schwierigkeiten zu geben, mit Ausnahme vielleicht eines Restbestandes des militärischen Teils des Flughafens.

Der Vertreter der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben sieht Tegel als Konversionsfläche an einem sehr guten Standort. Mit dem Markenzeichen "Urban Tech Republic" spielt Tegel Projekt auf die zunehmende Verstädterung der Welt an, die neue Anforderungen an die Verwendung und den Ressourcenverbrauch von Energie und Werkstoffen sowie an die Mobilität stelle. Ob sich jedoch aus bloßen Statistiken des weltweiten Wachstums der Stadtbevölkerung optimistische Prognosen für den Standort Tegel ableiten lassen, ist zweifelhaft.

Das Städtewachstum geht mit einer zunehmenden sozialräumlichen Segregation einher, einfacher: einer Spaltung in arm und reich. Auch in Berlin. Und Ressourcen, die einer wachsenden Armutsschicht fehlen, lassen sich nicht einsparen. Die Projektentwickler nennen abenteuerliche Zahlen von in Tegel entstehenden Arbeitsplätzen. Dies vor dem Hintergrund, dass auch einmal Solar-Industrie für Tegel angedacht war. Darüber wird der Mantel des Schweigens gebreitet. Stattdessen wird ein Werbefilm²) gezeigt, der in seiner schwer erträglichen Penetranz eher auf eine schlechte Realität unter der Oberfläche schließen lässt. Sinnvoller wäre es, sich dieser Realität zu stellen. Bazon Brock weist darauf hin, dass jeder Berlinbesucher, der über Tegel anreist, "auf den Trümmern des Reichssicherheitshauptamtes und der Geheimen Staatspolizei, also auf den Ruinen und Fragmenten des Prinz-Albrecht-Palais (...) landet."³) In Zeiten des Kahlschlags der Erinnerung wurden die Trümmer als Unterfutter des Flugplatzes verwendet. Die Entsiegelung wird eine Gedächtnislandschaft hervorbringen, als Unterfutter eines industriellen Glückseligkeitsstrebens.

Die studentischen Beiträge zum Schinkel-Wettbewerb 2013 werden das Potenzial des Flughafens weiter ausloten. Die Auslobung orientiert sich einerseits am beschriebenen Landschaftskonzept und vollzieht andererseits den Schwenk zum Wohnungsbau bei gemischter Nutzung. Die Entwicklung von Standorten solcher Größenordnung kann nach Gerhard W. Steindorf von Tempelhof Projekt durchaus 20 Jahre in Anspruch nehmen.4) Wodurch dieser Raum sich letztlich beleben wird, bleibt im Augenblick offen. Fest steht: TXL ist, ohne in Suburbia zu liegen, eine ideale Zwischenstadtlandschaft.

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Der Campuspark nach Vorstellungen von agence ter. Quelle: Agence Ter.de
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Landschaft entwickeln im Bestand. Foto: Bernd Machatzki




ANMERKUNGEN

Ich danke meinen Gesprächspartnern Isabel Köhne, Birgit König, Reiner Nagel, Nicolas Pomränke und Martin Seebauer.

¹) Die Gruppe aus Helsinki nahm inoffiziell teil.

²) Siehe unter www.berlintxl.de/berlin-txl/

³) Siehe Bazon Brock: Wörlitz als Modell für das Gedächtnis-theater des 20. Jahrhunderts, in: Ders., Bildersturm und stramme Haltung, Texte 1968 bis 1996, Dresden 2002, S. 202.

4) Vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung (Hrsg.): Zukunftsraum Flughafen Tegel. Der Werkstattprozess, Berlin 2011, S. 68.

Dr. Bernhard Wiens
Autor

Beuth Hochschule

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