„Interessierte durch den Park mit all seinen Sehenswürdigkeiten führen …“

Eine kurze Geschichte der Gartenreise

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Gartentourismus Parks und Gärten
Wahrscheinlich der meistbesuchte Schlosspark der Welt: Versailles. Foto: Christian Hlavac 2012

Cornwall - Zum Cream Tea unter Palmen" oder "Galicien - Gärten und Parks am Pilgerweg" lauten konkrete Gartenreiseangebote im deutschsprachigen Raum. Dass spezielle Gartenthemenreisen boomen, ist - trotz fehlender Forschung - evident. Aber seit wann lässt sich ein Gartentourismus überhaupt in Europa nachweisen?

Vorweg hilft eine Begriffsdefinition: Unter Gartentourismus versteht sich im folgenden Tourismus, dessen geographische oder thematische Ziele Gärten oder Parks sind, unabhängig von der Entstehungszeit der Garten- und Parkanlage und unabhängig davon, ob die Anlage im öffentlichen oder privaten Besitz steht. Die Bandbreite reicht daher vom Quadratkilometer großen Park von Versailles bis zum kleinen Privatgarten, der zum Beispiel im Zuge der "Offenen Pforte" besucht werden kann. Sinnvollerweise wird eine Gartenreise nur dann diesen Namen verdienen, wenn hauptsächlich der Besuch von alten, historischen und neuen, modernen Gärten und Parks auf dem Programm steht. Obwohl eher die Pauschalreisen von Reiseveranstaltern von mengenmäßiger Relevanz sind, ist jener Anteil an Personen, die individuell auf eigene Faust eine Reise mit dem Schwerpunkt "Garten" unternehmen, nicht zu unterschätzen. Valide Daten dazu sind jedoch mehr als Mangelware.

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Gartentourismus Parks und Gärten
Gartenbesucher einst: Garten und Haus des Landschreibers Hockge bei Wien, 1725. Foto: Christian Hlavac
Gartentourismus Parks und Gärten
Der Mitte des 18. Jahrhunderts entstandene Landschaftsgarten Stourhead (England) war bald eine Attraktion. Foto: Christian Hlavac 2005

Die ersten Gartenbesucher

Ab dem 16. Jahrhundert wurden in Europa junge Adelige auf die sogenannte Kavalierstour geschickt. Eine solche Reise - als Verbindung von ritterlichen und akademischen Traditionen - dauerte meist länger als ein Jahr und ermöglichte es den Adeligen, das Gastgeberland näher kennenzulernen. Ende des 17. Jahrhunderts finden wir erstmals Bildungsreisen, die dem Kennenlernen der "antiken" Länder Italien und Griechenland dienten. Die 1697 erstmals als solches bezeichnete "Grand Tour" des jungen Mannes aus vornehmem Hause - die Bildungsreise an fremde Höfe und zu den antiken Kunstwerken im Süden Europas - war bald obligater Bestandteil des aristokratischen Erziehungsprogrammes. Sie führte ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auch nach England, und hier unter anderem zu den neuen Landschaftsgärten. Der aufgeklärte Fürst Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (1740-1817) unternahm, meist mit seinem Baumeister und Freund Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff, zwischen 1763 und 1785 zahlreiche lange Reisen ins Ausland: nach Belgien, in die Niederlande und die Schweiz, nach Frankreich, Österreich, Schottland, viermal nach England und im Rahmen der Grand Tour dreimal nach Italien. Die Gartenanlagen, die der Fürst auf seiner Grand Tour durch Italien ab Oktober 1765 in Begleitung von zwölf Personen besuchte, kennen wir durch das Reisejournal seines Kammerherrn. Die Liste könnte auch heute noch ein "Best of"-Angebot eines Gartenreiseveranstalters sein: Giusti (Verona), Caserta (bei Neapel), Villa d´Este (Tivoli), Villa Farnese (Caprarola), Boboli-Gärten (Florenz) und die Gärten der Isola Bella (Lago Maggiore). Des Fürsten erste Reise 1763/64 nach England galt ausdrücklich auch dem Interesse an Bauwerken, Parks und dem Gartenbau. Auf dieser Reise besichtigte er laut den Reisenotizen von Erdmannsdorff unter anderem die barocken Herrenhäuser Gärten in Hannover, die barocken Brühlschen Gärten bei Bonn, den Garten von Sorgvliet in Holland, die Parks von Greenwich und Hampton Court sowie die Landschaftsgärten von Stowe, Claremont, Blenheim, Chatsworth und Rousham in England.

Auch ein weiterer deutscher Fürst, der für die europäische Gartenkunst bedeutend ist, Hermann Fürst von Pückler-Muskau (1785-1871), begab sich auf Reisen. Seine Ziele waren England, Wales, Irland, Frankreich, Holland und Deutschland. Wie seine Aufzeichnungen belegen, interessierte ihn dabei auch die Anlegung von Park- und Gartenanlagen unter verschiedenen klimatischen und geologischen Bedingungen.

Die Reise durch die Gärten Englands, die "English Garden Tour", war seit Mitte des 18. Jahrhunderts eine Institution im britischen Königreich. Es wurde für Adelige und zunehmend auch für Bürgerliche Mode, von Garten zu Garten zu reisen, um selbst zu sehen und zu erleben, was die neuen Anlagen zu bieten hatten. Die Gartenbesitzer richteten sich mit Unterkünften in eigens errichteten Logierhäusern und eigenen kleinen Pferdefuhrwerken auf die Gäste ein. So wurde im Jahre 1756 im Castle Howard (Yorkshire) ein eigener Seitenflügel als Logierraum für Gartentouristen geschaffen. Um die Privatheit zu schützen und den Andrang an Besuchern zu kanalisieren, kannte zum Beispiel der Garten von Rousham (Oxfordshire) seit Anbeginn einen separaten Eingang und Besuchstage, ebenso wie Stourhead (Wiltshire) bereits in den 1740er-Jahren für Besucher zugänglich war. Auch in den Anlagen von Stowe, Blenheim und Stourhead kannte man öffentliche Besuchstage.

Eine weitere geographische Verlagerung im sogenannten Proto-Gartentourismus (Urte Stobbe), dem Vorläufer unseres heutigen Gartentourismus mit deutlich höheren Besucherzahlen, erfolgte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts: Die Reise des Fürsten von Anhalt-Dessau zu den englischen Landschaftsgärten hat mit dem Landschaftsgarten Wörlitz (Sachsen-Anhalt) als bauliches Ergebnis ein neues Reiseziel hervorgebracht. Die neuen Landschaftsgärten in Mitteleuropa konnten die Reise in das Mutterland des Landschaftsgartens obsolet machen: Die Kopien ersetzten die Originale.

Gartentourismus Parks und Gärten
Elektrofahrzeuge für Besucher im Park von Vaux-le-Vicomte (Frankreich). Foto: Christian Hlavac 2012
Gartentourismus Parks und Gärten
Erinnerungstafel zum Besuch von Kaiser Joseph II. in Ermenonville (Frankreich). Foto: Christian Hlavac 2012
Gartentourismus Parks und Gärten
Seit der Renaissance Ziel von Reisenden: der Garten der Villa d´Este in Tivoli (Italien). Foto: Christian Hlavac 2013

Der heute wohl berühmteste "garden tourist" war wohl Johann Wolfgang von Goethe, der zahlreiche Garten- und Parkanlagen besuchte und darüber in Briefen und Aufzeichnungen berichtete. So war er seit 1776 regelmäßiger Besucher im Gartenreich Dessau-Wörlitz. Inzwischen ist Goethes Hausgarten am Frauenplatz, welcher seit 1886 den Besuchern offen steht, selbst zum Pilgerziel von Gartentouristen geworden.

Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass im Interesse des jeweiligen Gartenbesitzers bereits im 18. Jahrhundert eine beachtliche Zahl von Gärtnern eine berufliche Bildungsreise nach England unternahm. Bekannte Beispiele sind der spätere Kasseler Hofgärtner Daniel August Schwartzkopf und Friedrich Ludwig von Sckell. Auch sie brachten die neue Mode in der Gartenkunst, den Landschaftsgarten, nach Kontinentaleuropa.

Die ersten Gartenführer

Das Wissen über die Eigenheiten der "großen Reise" und die berühmten Gärten beschränkte sich nicht nur auf die literarischen Zeugnisse berühmter Dichter. So erschienen in enger Folge Reiseführer als notwendige Ausrüstung für "grand tourists". Gegenstand des ersten englischen Gartenführers war der Landschaftsgarten in Stowe, der 1732 erstmals gedruckt wurde. Er wurde regelmäßig aktualisiert und nachgedruckt. Im Jahr 1788 erschien der erste Führer durch die Gartenanlagen von Wörlitz, einem der ersten "englischen Landschaftsgärten" in Kontinentaleuropa.

Zuvor hatte schon der Sonnenkönig Ludwig XIV. (1638-1715) eine Art Gebrauchsanweisung für den Park von Versailles eigenhändig aufgeschrieben oder auf seine Initiative hin verfassen lassen. Die Schrift "Manière de montrer les jardins de Versailles" ("Art und Weise wie die Gärten von Versailles zu besuchen und zu betrachten sind") wurde zwischen 1689 und 1705 mehrfach aufgelegt. Diese zu seinen Lebzeiten nie veröffentlichten Texte geben einen idealen Weg vor, der es möglich machte, alle ab 1664 errichteten Perspektiven, Brunnen und Boskette zu erleben. Den zeitgenössischen Quellen ist zu entnehmen, dass täglich bis zu zweitausend Personen Versailles besuchten. Die Gärten standen jedermann offen, der entsprechend gekleidet war. So berichtet ein Reiseführer von 1718: "Der Parc oder der Garten zu Versailles steht Tag und Nacht offen/und können hier ohne Unterschied alle Menschen/arm und reich/jung und alt/vornehm und gering herein gehen/und sich divertieren."

Neben den einzelnen gedruckten Gartenführern machten auch die zahlreichen Europareisenden beziehungsweise Verfasser von lokalen Reiseführern durch ihre Veröffentlichungen Ende des 18. Jahrhunderts und am Beginn des 19. Jahrhunderts europäische Garten- und Parkanlagen der gebildeten Öffentlichkeit bekannt.

Mit der im deutschsprachigen Raum Ende des 18. Jahrhunderts einsetzenden Welle an topographischen Beschreibungen von "Gegenden" nahm die Bekanntheit zahlreicher privater Gartenanlagen deutlich zu. So gehören beispielsweise die zahlreichen Schriften von Franz de Paula Gaheis für den Wiener Raum zu dieser Form von Literaturgattung. Wir können davon ausgehen, dass diese "Reiseführer" zu einem vermehrten Besuch führten. Es ist jene Umbruchszeit, in der einerseits noch Reisende mit ähnlichem sozialen Status als Gäste des Hauses freien Zugang zum Garten hatten, andererseits auch Fremde (Touristen) ihr Interesse an einer Gartenbesichtigung (mit oder ohne Führer) bekundeten.

Gartentourismus Parks und Gärten
Inschrift am Freundschaftstempel im Lütetsburger Schlosspark (Deutschland). Foto: Christian Hlavac 2011
Gartentourismus Parks und Gärten
„Pflichtprogramm“ für Barcelona-Besucher: Parc Güell. Foto: Christian Hlavac 2011
Gartentourismus Parks und Gärten
Besuchermassen im Schlosspark Schönbrunn. Foto: Christian Hlavac 2009

Wer wurde eingelassen?

Urte Stobbe hat zu Recht die Kavaliersreise und die Grand Tour als Proto-Gartentourismus bezeichnet. Bei diesen Reisen war die Besichtigung von Gärten ein Ziel von vielen und die soziale Stellung des Reisenden ausschlaggebend für die Zugänglichkeit. An zahlreichen Beispielen - für Wien lässt sich dies unter anderem beim Augarten und beim Prater zeigen - wird deutlich, dass der Zutritt vor allem am Aussehen wie der Kleidung und dem Auftreten der Personen festzumachen war: Nach dem Motto "Kleider machen Leute" wurden alle Personen gleich welchen Ranges eingelassen, solange sie "geziemend" gekleidet waren. In der Sekundärliteratur bisher kaum beachtete Berichte zeigen uns einerseits, dass zum Beispiel der als kaiserliches Jagdrevier genutzte Prater bereits vor der von Kaiser Joseph II. angeordneten "Öffnung für Jedermann" (1766) zahlreichen Personen offen stand. Nicht nur der Hofadel, die Minister und die Hofbeamten, sondern auch Personen anderer Schichten und ausländische Reisende wurden eingelassen. Andererseits gibt es um 1800 zahlreiche Anlagen, die nur gemeinsam mit einem Gärtner besichtigt werden konnten: Hier galt es, den Privatraum der Eigentümer zu respektieren und mögliche Schäden durch einheimische wie fremde Besucher zu vermeiden. In vielen nachweisbaren Fällen war Reisenden, die nicht dem Adel angehörten, in Kontinentaleuropa bis ins 19. Jahrhundert der Zutritt zu großen privaten Gärten untersagt. Nur entsprechende Empfehlungsschreiben oder Beziehungen vor Ort ermöglichten dann den Eintritt. Die soziale Differenzierung im 18. Jahrhundert lässt sich am Beispiel des "Instruction und Verhaltungs Reglement 1753" für den Gärtner des Hundisburger Schlossgartens zeigen. Ein Punkt regelte die Zugänglichkeit nach sozialer Herkunft und die Verhaltensregeln: "Denen Frembden und Persohnen vom Stande und Condition so etwa unsern Garten besehen und sich darin Recreation machen, hat er mit aller Höfflichkeit zu begegnen, ihnen was sie zusehen verlangen zu zeigen, keines weges aber allerley schlechte Leute und verdächtige Persohnen oder liederliches Gesindel auff den Garten zulaßen noch weniger zu hausen und zu herbergen […]."

Die Motive der Eigentümer für die Öffnung ihrer Anlagen waren sehr unterschiedlich: Fürst Franz von Anhalt-Dessau sah in der Öffnung seines Schlosses und seiner Gärten mit Ausnahme der Privatanlage seiner Frau (Luisium) eine Möglichkeit der Volksbildung und handelte im Sinne der Aufklärung. Im Schlosspark von Laxenburg bei Wien, der Sommerresidenz des österreichischen Kaisers Franz I., war hingegen die Idee der Verherrlichung habsburgischer Herrschaft als Leitgedanke bestimmend. So erstaunt es nicht, dass der Laxenburger Park ab 1799 vom Publikum allgemein besucht werden konnte. Bedienstete standen bereit, Interessierte und Schaulustige durch den Park mit all seinen Sehenswürdigkeiten zu führen und bei Bedarf auch die Gartengebäude zu öffnen. In einem eigenen Verzeichnis wurden die Namen jener Fremden, welche im Juni, Juli oder August den Laxenburger Garten besichtigten, festgehalten. Der Besuch war jedoch "nur distinquierten und reinlichen Leuten gestattet davon ausgenommen war alles mutwillige Gesindel." Generell gilt jedoch, dass trotz zahlreicher zeitgenössischer Beschreibungen über Besucher von Gärten in den seltensten Fällen klar ist, wer mit "jedermann" und was mit "reinlich" oder "standesgemäß" gemeint ist.

Führungen und Gebote

In vielen privaten großen Gärten und Parks standen am Ende des 18. Jahrhunderts den selten in Gruppen reisenden Besuchern obligatorisch oder fakultativ vom Besitzer beigestellte Personen als Führer zur Verfügung. Fidelis, der den einst von Johann Philipp Graf Cobenzl (1741-1810) nahe Wien angelegten Landschaftsgarten besuchte, schreibt 1827 zu diesem Thema: "Der Garten ist ein Gebirgs-Park um das schöne Schloß herum, der sich aber über Berg und Thal und über Klüfte hinüber erstreckt. Um uns auf einem solchen Terrain, wo verschlungene Wege überall hinführen und nirgend hin zeigen, nicht oft vergeblich zu ermüden, müssen wir beym Traiteur einen Führer nehmen." Um den "eigentlichen Park", die "höhere Gegend des Gartens", die von einem Zaun umgeben war, zu besehen, brauchte man einen Schlüssel, wie der Topograph Gaheis im Jahre 1798 vermerkte: "Um ihn [den Park] in seiner weiten Ausdehnung zu durchwandern, muß man sich von dem Gärtner den Schlüssel zu den Aus- und Eingängen verschaffen. Wer sich nicht in dieser unabsehbaren Nacht von Bäumen und Thälern verirren will, der thut wohl, sich einen Begleiter vom Schlosse mitzunehmen, welches geringe Schwierigkeit hat."

Dass der relativ einfache Zugang für nicht geladene Gäste nicht nur positive Seiten hatte, zeigen folgende Beispiele: Im 1788 in Paris veröffentlichten "Spaziergang oder Wegweiser durch die Gärten von Ermenonville" heißt es: "Herr von Gerardin ließ früher jedem die Freiheit, auf die Pappelninsel zu gehen. Bald jedoch missbrauchte man diese, um Scheußlichkeiten auf das Grab [von Jean-Jacques Rosseau] zu schreiben; man hat sogar versucht, die Skulpturen zu beschädigen. Von da an untersagte er den Fremdenführern, auf die Insel zu gehen." Goethe lässt in seinem Roman "Die Wahlverwandtschaften" einen Lord, zu Besuch in den deutschen Landen, klagen: "Wer genießt jetzt meine Gebäude, meinen Park, meine Gärten? Nicht ich, nicht einmal die Meinigen: fremde Gäste; Neugierige, unruhige Reisende." Der Gartenschriftsteller und Gartenbesitzer Charles-Joseph de Ligne schreibt in seinem Werk "Coup d´oeil sur Beloeil" (deutsche Ausgabe 1799), dass beide Teile seines Schlossparks von Beloeil (Belgien) "für Jedermann offen" stehen. "Um aber ruhig für mich zu seyn, habe ich im erstern zwei, und im andern drei Gärten unterm Schlüssel." Ähnlich verhielt es sich beispielsweise beim Park Schönbusch in Aschaffenburg (Bayern). Bis auf einen kleinen Privatgarten war der Park des Kurfürsten und Erzbischofs Friedrich Carl Joseph von Erthal (1719-1802) ab 1783 öffentlich zugänglich. Eine eigens aufgestellte Parkwache hatte dafür zu sorgen, dass nicht durch "ruhestörendes Berauschen" oder durch "Ausschweifungen beiderlei Geschlechtspersonen" die Sittlichkeit gestört würde. Und am Eingang zum "Paradiesgärtchen" in Neuwaldegg bei Wien war seit Anfang des 19. Jahrhunderts eine Tafel mit folgender Inschrift befestigt: "Wenn diese ländliche Anlage dem Publicum einige Unterhaltung gewähren und es daher die Eröffnung derselben nicht anders als eine Gefälligkeit ansehen kann, so erbittet man sich nur die Einzige dagegen, daß das, was hier zum Genusse Aller gepflanzt ist, vor den Anfällen lüsterner muthwilliger Hände sicher sei, daß die Rasenplätze unbetreten bleiben mögen und daß die Wände der Hütten nicht mehr durch trockene Namensverzeichnisse und seichte oder wohl gar Anstand und Sitte verletzende Aufschriften jedem Vorübergehenden den unglücklichen Geschmack des Schreibers verrathen."

Gartentourismus Parks und Gärten
Cover des ersten Katalogs von „Laade Gartenreisen“ 1995. Foto: Laade Gartenreisen
Gartentourismus Parks und Gärten
Hinweisschild und Absperrung im Schlossgarten von Brühl (Deutschland). Foto: Christian Hlavac 2011
Gartentourismus Parks und Gärten
Cover des ersten Katalogs von „Seick Gartenreisen“ 1998. Foto: Seick Gartenreisen

Der österreichische Obersthofmeister Ferdinand Fürst von Trauttmansdorff ließ 1808 für den kaiserlichen Schlosspark Schönbrunn verlautbaren: "Um für die Zukunft zu verhindern, daß der k. k. Hofgarten zu Schönbrunn nicht durch schlecht gekleidetes, und noch schlechter gesittetes Gesindel entehret, und von Lasttragenden zum Durchgang, benützt werde", sollen Warnungstafeln aufgestellt werden. Darauf solle vermerkt werden, dass "auf allerhöchsten Befehl der Eintritt nur anständig gekleideten Personen, welche keine Packete und dergl. tragen, gestattet ist". Es ist "verbothen, die Rasenplätze und Bosquets zu betreten, Taback zu rauchen, große Hunde mit sich zu führen, Bäume, Spaliere, oder Blumenbeete zu beschädigen, und der Gartenwache, welcher hierüber die strengsten Befehle ertheilt sind, entgegen zu handeln." Zugleich dürfe die Burgwache keine "Lastwägen und Karren mit Dünger, Holz, u. d. gl., oder lärmende Trunkenbolde passieren" lassen.

Themenreisen "Garten"

Unabhängig von der Tatsache, dass sich die Sprache bei Parkordnungen deutlich gewandelt hat, haben sich die Beschwerden über einheimische und fremde Besucher über die Jahrhunderte kaum verändert. Einzig die Anzahl der Gäste ist in den allermeisten Fällen deutlich gestiegen: Im Zuge des Wirtschaftswunders nach dem Zweiten Weltkrieg und dem folgenden Aufbruch breiter Gesellschaftsschichten in den Urlaub - samt Wiederaufkommen der Kultur- und Bildungsreise - gewannen Garten- und Parkanlagen an touristischer Bedeutung. Die Hauptziele haben sich nicht wesentlich geändert: das Sonnenreich von Ludwig XIV. in Versailles, das "preußische Arkadien" Friedrichs des Großen, die Renaissancegärten rund um Florenz und Rom, das kaiserliche Sommerschloss Schönbrunn in Wien, die Wörlitzer Anlagen und die Landschaftsgärten in England. Besucherzahlen in einer Bandbreite von mehreren 100.000 bis Millionen Besuchern pro Jahr, zum Beispiel der Belvedere-Garten in Wien mit rund 2,8 Millionen Besucher, zeigen das Interesse, aber auch die Gefahr einer Zerstörung durch touristische Nutzung. So wissen wir nicht, wie Fürst Franz von Anhalt-Dessau - zu seinen Zeiten war wahrscheinlich noch eine halbwegs überschaubare Besuchermenge in seinen Anlagen unterwegs - auf den heutigen jährlichen Besucherandrang von rund einer Million Besuchern in Wörlitz reagieren würde.

Heute wird Gartentourismus am ehesten mit Pauschalreisen in Verbindung gebracht. Dies sind Reisen, bei welchen ein Reiseveranstalter eine Gesamtheit von Reiseleistungen zu einem Gesamtpreis und im eigenen Namen anbietet. Erste "Garten-Pauschalreisen" gab es bereits Anfang des 20. Jahrhunderts: Es lassen sich zahlreiche diesbezügliche Bildungsreisen von Gärtnervereinigungen ins Ausland nachweisen. So reiste beispielsweise ein Gruppe Schönbrunner Gärtner 1912 von Wien zu einer Gartenausstellung in London. Diese Fachreisen wurden jedoch noch intern ohne externen Vermittler organisiert. Reiseveranstalter, die für Laien eigene "special interest"-Reisen zum Thema Gärten anbieten, lassen sich im deutschsprachigen Raum hingegen erst in den frühen 1990er-Jahren im Zuge des Booms von Themenreisen wie Weinreisen nachweisen. Als Phänomen sind Gartenreisespezialisten daher relativ jung. Im Unterschied zum 18. und 19. Jahrhundert werden kaum noch Einzelpersonen oder Kleinstgruppen von betriebseigenem Fachpersonal, wie Gärtnern, durch die jeweilige Gartenanlage geführt: Heute geleiten in den meisten Fällen Fremdenführer, Reiseleiter oder eigens geschulte Angestellte große Reisegruppen von bis zu 50 Personen durch öffentliche oder große private Gärten und Parks.

Demokratisierung der Gartenkultur im 20. Jahrhundert

Die Idee der "Offenen Gartenpforten" ist einfach: Gartenbesitzer gestatten an bestimmten Tagen im Jahr interessierten Besucherinnen und Besuchern einen Blick in ihre grünen, privaten Paradiese. In Deutschland ist die "Offene Gartenpforte" seit nunmehr 20 Jahren nicht mehr wegzudenken. Die zahlreichen lokalen und regionalen Initiativen sind von unten her entstanden, (s. a. Stadt+Grün 06-2016, S. 40). Der Wunsch von Gartenbesitzern, gemeinsam mit anderen Menschen ihre Gärten für Interessierte zu öffnen, war und ist Motor fast aller Initiativen. Der Ansporn für die Besucher ist Neugier: Das Betreten privater Gärten ist ein Ausflug in sonst versperrtes Terrain, wo sich Privates verbirgt. Zudem besteht die Gelegenheit, mit anderen Gartenbegeisterten ins Gespräch zu kommen und zu "fachsimpeln". Und dies taten bereits die "Grand Tourists" vor 250 Jahren.

"Offene Gartenpforten" zeigen die Demokratisierung der Gartenkultur im 20. Jahrhundert auf: Vereinfacht ausgedrückt war Gartenkultur lange Zeit dem Erb- und Geldadel sowie dem Großbürgertum vorbehalten. Auch wenn seit der Renaissance viele Anlagen offen zugänglich waren wie etwa das Beispiel der Villa Borghese, waren gewisse Gesellschaftsschichten aus Standes- und finanziellen Gründen vom Besuch ausgeschlossen. Durch die im 20. Jahrhundert erstmals breite Möglichkeit, private Gärten besichtigen zu können, darf man das 20. Jahrhundert pointiert formuliert als "Jahrhundert der privaten Garten-Entdeckungen" bezeichnen.

Quellen/Literatur

Antz, Christian, Christian Hlavac (2006) (Hg.): Vorwärts in´s Paradies. Gartentourismus in Europa. Profil Verlag. München.

Brilli, Attilio (1997): Als Reisen eine Kunst war. Vom Beginn des modernen Tourismus: Die "Grand Tour". Verlag Klaus Wagenbach. Berlin.

Stobbe, Urte (2011): Wie die Besucher in die Parks kamen. Öffnungs- und Zutrittspraktiken im Proto-Gartentourismus. In: Die Gartenkunst, Heft 2/2011, S. 249-272.

Dr.- Ing. Christian Hlavac
Autor

Gartenhistoriker und Gartentouristiker am Zentrum für Garten, Landschaft und Tourismus, Wien

Zentrum für Garten, Landschaft und Tourismus

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