Nachhaltige Stadtentwicklung zur Landesgartenschau Schwäbisch-Gmünd

Eine Mündung für Gmünd

von:
Landesgartenschauen und Grünprojekte
Josefsbach nach Erhöhung der Bachsole. Fotos, soweit nichts anderes angegeben, Hanns Joosten

Mit der Fertigstellung der Landesgartenschau hat Schwäbisch Gmünd einen nachhaltigen Stadtumbauprozess abgeschlossen, der dauerhafte Veränderungen zur Folge hat. Neugewonnene Freianlagen werten den historische Stadtkern nicht nur auf, sondern rüsten die mittelalterliche Stauferstadt auch für die Zukunft. Die Mündung des Josefsbachs in die Rems markiert nun das Zentrum neuer Parkanlagen und wird zum Symbol für ein neues Gmünd.

Noch bis November letzten Jahres führte die B 29 von Stuttgart Richtung Aalen mitten durch die Stadt, so dass sich 35.000 Fahrzeuge täglich auf vier Spuren zwischen Bahnhof und Altstadt durchzwängten. Der Bahnhof war so von der Altstadt vollständig abgeschnitten und die für Gmünd namensgebende Flussmündung unter einer vierspurigen Verkehrsbrücke versteckt.

Bereits 1998 wurde in einem städtebaulichen Wettbewerb der Grundstein für die weitere Entwicklung der Stadt gelegt. Das aus diesem Wettbewerb hervorgegangene Gamundia-Konzept sah eine Verschwenkung der Locher Straße in einen fast rechten Winkel und die neue Straßenführung unmittelbar längs des Bahnhofs vor. Hierdurch und durch die damit einhergehende Verlegung der Brücke wurde die Mündung freigestellt und konnte zur Mitte eines neuen Parks werden.

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Das Ergebnis dieses Konzeptes war die Basis für den 2007 ausgelobten Wettbewerb zur Landesgartenschau Schwäbisch Gmünd 2014. Der nach einer Überarbeitung ausgewählte Entwurf von A24 Landschaft führt das Gamundia-Konzept weiter. Die neue bauliche Fassung des Bahnhofsvorplatzes stellt nun die Verbindung zur Altstadt her und bildet gleichzeitig einen effektiven Lärmschutz zum Park hinaus.

Der Zusammenfluss von Josefsbach und Rems wird zum Bindeglied der Gmünder Freiräume. Zwischen Bahnhof und Altstadt gelegen treffen hier alter Stadtgarten, Stadtgartenerweiterung Remspark, Josefsbach und die Übergänge zur Altstadt aufeinander und fügen sich zu einer neuen großzügigen Parkeinheit zusammen. Im Vordergrund der Parkgestaltung steht die Erlebbarkeit der Mündung und der Stadtgewässer.

Vom Bahnhof in die Altstadt - der neue Gmünder Boulevard

Wo früher der Durchgangsverkehr dominierte, bestimmt heute ein von Ginkgo Bäumen gesäumter Boulevard das Stadtentree von Schwäbisch Gmünd. Flankiert wird der Boulevard von mehreren lang gestreckten Baukörpern mit überwiegender Büronutzung. Dank eines großen bürgerschaftlichen Engagements konnte als Pedant zum Bahnhofsgebäude die schon zum Abriss bestimmte ehemalige Reichspost in Teilen erhalten werden, für die mit der Hochschule für Gestaltung ein attraktiver Nutzer gefunden werden konnte. Der markante historische Baukörper bildet einen wohltuenden Kontrast zu den funktionalen Fassaden der Neubauten.

Durch die Verlegung der Straße rückt der Bahnhof aus seiner bisher zurückgesetzten Lage in die erste Reihe. Die zeitlose, moderne Gestaltung des Bahnhofsplatzes gibt dem historischen Gebäude einen angemessenen Vorplatz. Das zurückhaltende Belagsmuster aus beigen Betonplatten in variierenden Streifen harmoniert mit der Sandsteinfassade des Bahnhofsgebäudes. Fünf lange Holzbänke gliedern als einzige Elemente den Platz. Die Verlängerung der Bahnunterführung erschließt die Gleise und verbindet darüber hinaus den Bahnhofplatz mit dem Gleispark auf der anderen Bahnseite.

Einen visuellen Bezugspunkt des Gmünder Boulevards markiert der weithin sichtbare goldene Kubus des Forums Gold und Silber. Als städtebauliches Gelenk leitet das Ausstellungsgebäude des Edelmetallverbandes e.V. in die Altstadt der Stauferstadt über.

Die Josen-Vorstadt aus dem 14. Jahrhundert war eine der ersten Stadterweiterungen des mittelalterlichen Stadtkerns, den die Ledergasse in ganzer Länge durchzieht. Im Mittelalter waren hier vermutlich, wie der Name nahe legt, Handwerksbetriebe zur Lederherstellung und -verarbeitung angesiedelt. Die Nähe zur Rems und die Führung eines ehemaligen Wasserlaufs in der Ledergasse unterstützen die Vermutung, dass hier Gewerke mit hohem Wasserbedarf angesiedelt waren. Die Ledergasse wurde 1977 mit dem Bau des Hortengebäudes zu einer der Haupteinkaufsstraßen Gmünds. Der Baukörper von Horten veränderte die Ledergasse grundlegend: die ehemals enge Gasse wurde aufgelöst und die Ledergasse von der Mündung des Josefsbachs in die Rems getrennt.

Mit den im Entwurf von A24 Landschaft formulierten städtebaulichen Vorgaben konnte das Hortenareal nach dem Rückbau des ehemaligen Kaufhauses, das bereits mehrere Jahre leer stand, neu geordnet werden. Die Ledergasse wurde zur Mündung geöffnet und die ehemalige Gasse wurde durch den dem Einkaufszentrum "Rems-Galerie" vorgelagert Baukörper wieder erlebbar.

Die neue Gestaltung der Ledergasse greift historische Elemente auf. Zum Beispiel wird der Verlauf des ehemaligen Wasserlaufs in der Ledergasse durch den Bogen des "Bächle" zitiert, das als flacher Wasserlauf im Natursteinpflaster ausgebildet ist und von einer langen Bank aus Granitblöcken mit einer durchgehenden Holzauflage begleitet wird. Da eine hydraulische Verbindung zu den natürlichen Gewässern heute nicht mehr möglich war, ist das Wasser im Bächle ein geschlossener, über Pumpen bewegter Kreislauf. Mit einer geringen Tiefe von nur zehn Zentimetern kann es im Winter abgelassen und zur Platzfläche werden. Mit dem Bächle ist in der Einkaufsstraße Ledergasse ein beliebter Aufenthaltsbereich für Jung und Alt entstanden.

Ein Hain aus Prunus sagentii bildet nun ein räumliches Pedant zum abgesprengten Baukörper des Einkaufszentrums und gliedert die Ledergasse in den Platz mit Bächle und dem zentralem Busumsteigebereich, ZOB, in Gmünd. Die durchgängige Verwendung des Granitpflasters zieht die unterschiedlichen Funktionsbereiche der Ledergasse zu einer Einheit zusammen. Zum Marktplatz des mittelalterlichen Stadtkerns leitet aus der Ledergasse ein kleiner Platz vor dem Waisenhaustor über.

Wasser in der Stadt

Schon der Name Schwäbisch Gmünd unterstreicht die hohe historische Bedeutung des Wassers für die Stadt. Die Lage an der Mündung war für die Stadt strategisch wichtig, Rems und Josefsbach bildeten große Teile der Stadtbefestigung. So war der Josefsbach ursprünglich ein einen Kilometer langer Befestigungsgraben, der vom Waldstetter Bach gespeist wurde. Lange Zeit waren die Stadtbäche jedoch im Stadtbild unsichtbar, bis zu acht Meter tief eingeschnitten und mit dichtem Gehölzaufwuchs verdeckt.

Nach einem vom Ingenieurbüro BGS aus Darmstadt ausgearbeitetem Konzept wurden im Zuge der grundlegenden Erneuerung und Umgestaltung die Stadtbäche zunächst um mehrere Meter angehoben. Dies wurde durch die Schleifung des Remswehrs oberhalb der Mündung ermöglicht. Statt einem jähen Absturz von vier Metern wird die Höhendifferenz in zwei rauen Rampen mit jeweils zwei Meter Höhendifferenz abgebaut. Der Rückbau des Wehrs ermöglichte, dass die Gewässersohle der Rems im Mündungsbereich zwei Meter angehoben werden konnte. Entlang des Josefsbachs setzt sich die Sohlerhöhung fort. Mit Auffüllungen bis zu vier Metern konnte der tiefe Einschnitt des Bachs deutlich gemindert werden.

Die Sohlerhöhung der Gewässer war die Voraussetzung für die Neugestaltung der Ufer. Die ursprünglich sehr steilen Ufer konnten abgeflacht - und damit die Gewässer wieder zugänglich werden.

Im Mündungsbereich treffen verschiedenste gestaltete Freiräume aufeinander. Jeder dieser Freiräume öffnet sich zum Wasser, so setzen steinerne Treppen die Ledergasse bis ans Wasser fort. Der Remsstrand führt ebenfalls vom Remspark direkt ans Wasser. Vor der Stadtgartenerweiterung bietet ein Balkon auf halber Höhe einen besonderen Blick auf die Mündung. Die Bastionen der Brückenköpfe wiederum bieten einen Überblick von oben. Rings um die Mündung entsteht ein abwechslungsreiches Spiel unterschiedlicher Beziehungen und Perspektiven zum Wasser, mal unten und dicht dran, mal hoch und fern.

Eine wesentliche Veränderung und Neuerung besteht darin, dass der bisher unzugängliche Josefsbachs durch die Höherlegung wieder zugänglich wurde, so dass entlang des dichten mittelalterlichen Stadtkerns eine grüne Promenade entstanden ist, das bedeutet eine deutliche Aufwertung des mit Grün unterversorgten Stadtkerns und damit eine Attraktivierung des Zentrums als Wohnstandort.

Durch die Höherlegung des Josefbachs konnten zwar die steilen Ufer abgeflacht werden, geblieben ist jedoch der gerade Verlauf in einem monotonen Trapezprofil. Die Bewegung des Uferwegs bricht die räumliche Strenge des Grabens. Immer wieder schneidet der Weg sich in die Böschung ein und variiert das Grabenprofil. Spannende Raumsequenzen entstehen, die durch die bewusste Blickführung des leicht bewegten Wegs verstärkt werden. Der bisher unzugängliche Graben ist zum Erlebnisraum geworden.

Alter Stadtgarten

Als mittelalterliche Stauferstadt reicht Schwäbisch Gmünds Geschichte weit zurück. Diese geschichtlichen Zeugnisse sind in der Stadt omnipräsent. So ist die Stadtbefestigung in Teilen noch gut erhalten. Entlang des Josefsbachs zeigt sie sich als frisch sanierte Stadtmauer.

Ein Kleinod aus jüngerer Vergangenheit ist der alte Stadtgarten mit dem Rokoko-schlösschen. Dieser wurde zunächst als Barockgarten von Georg Franz Stahl Edler von Pfeilhalden als Bürgermeister Gmünds 1779 in Auftrag gegeben und im 19. Jahrhundert vom Fabrikanten Gustav Hauber als Stadtgarten weiterentwickelt. Vom ehemaligen Barockgarten ist bis auf die zentrale Mittelachse jedoch nichts mehr sichtbar.

Im Rahmen der Neugestaltung wurde der heutige Charakter des Stadtgartens mit seinen großzügigen Rasenflächen und dem alten Baumbestand grundsätzlich erhalten und darüber hinaus alte Strukturen wieder hervorgehoben, so dass heute flirrende Blütenstreifen den ehemaligen barocken Gartengrundriss nachzeichnen und die Zusammengehörigkeit von Schlösschen und Garten wieder erlebbar machen.

Der geometrische Gartengrundriss aus einem Plan von 1800 diente als Grundlage für diese neue Schicht im Park, die mit einer modernen Gestaltung den ehemaligen barocken Garten zitiert und mit der Überlagerung der beiden Zeitebenen einen spannungsvollen Zweiklang erzeugt.

Die Wiederherstellung des zentralen Wegekreuzes des Stadtgartens einerseits und andererseits das Fontainebecken vor dem Rokokoschlösschen sind weitere Verweise auf den barocken Ursprung. Der Stadtgarten wurde bewusst als Garten gestaltet. Nach außen ist er von einer historischen Zaunanlage größtenteils umschlossen, nach innen bilden Sandsteinmauer und zurückhaltende Staudenpflanzungen einen ruhigen Rahmen für den Garten.

Generationsübergreifendes Spielangebot

Mit der Neugestaltung an dem Josefsbach und dem Remspark sind in unmittelbarer Nähe des Stadtkerns großzügige, neue Freiflächen entstanden. Entlang des Josefsbachs zieht sich nun ein Spielband von der Josefsanlage bis zur Mündung sowie über die Bahn hinweg bis in den Gleispark. Das breite generationsübergreifende Spielangebot macht ihre hohe Attraktivität aus und stärkt den gesamten Stadtkern als Wohnstandort in der Konkurrenz zu den Umlandgemeinden.

Ein skulpturales Holzspielelement macht in der Anlage den Auftakt. Hier steht Klettern im Vordergrund. Eine Seilbrücke verbindet die Josefsanlage über den Josefsbach hinweg. Auf der andern Bachseite folgt der Spielplatz am Schillersteg, ein Wasserspielplatz für Kleinkinder mit Wasserdüsen, Matschbereich und Betonrelief.

Ein besonderes Highlight stellt die Netzvilla dar. Die Netzvilla ist ein Spielgerät mit dem Erscheinungsbild einer mehrgeschossigen Villa, die sich in das einzigartige gründerzeitliche Villenband von Schwäbisch Gmünd einfügt. Sie ist haushoch und bietet als vollständig umschlossene Kletterstruktur im Außenbereich einen erlebnisreichen Spielraum bis in eine Höhe von fast acht Metern ohne weitere notwendige Sicherungen. Unter Verwendung neuartiger flexibler Netze werden zweidimensionale, bekletterbare Netze durch trichterförmige Öffnungen und Durchstiege zusammen geführt. Es entsteht eine bisher so noch nicht mögliche dreidimensionale Struktur, für die die Verwendung neu entwickelter Netze mit einer rautenförmigen Masche vom Raumnetzhersteller Corocord Voraussetzung ist. Aufgrund ihrer höheren Flexibilität lassen sich erstmals die an sich starren Seilnetze dreidimensional im Raum dehnen und spannen. Bewegungsstationen für Senioren ergänzen das generationsübergreifende Angebot. Sie sind entlang der Promenade auf einem kleinen Platz im Villenband angeordnet, somit prominent platziert, aber nicht auf dem Präsentierteller.

Der Jugendspielbereich im Gleispark schließt das Spielband ab. Das Spiel- und Freizeitangebot umfasst hier ein Beachvolleyballfeld, Bewegungsspielangebote wie eine große Drehscheibe, einen Slacklineparkour und Trampoline sowie für verschiedene Ballsportarten eine Funbox mit EPDM-Belag sowie ein Kleinspielfeld mit Kunstrasen. Die Sportfelder sind eingebettet in einen Belag aus Asphalt. So ist auf dem gesamten Sportpark ungerichtete und freie Bewegung für Inline-Skater oder BMX-Fahrer möglich.

Die ehemaligen Lager- und Verwaltungsgebäude des Güterbahnhofes werden außerdem ergänzt durch einen Neubau von Henn Architekten. Dieser wird als Gmünder Wissenswerkstatt Eule genutzt, in der Kinder und Jugendliche Experimente durchführen und Erfahrungen in der Metall- und Holzbearbeitung sowie der Elektro- und Steuerungstechnik sammeln können.

25 Meter lange Skulpturen aus Beton und Holz mit verschiedenen Ebenen zum Sitzen und Liegen gliedern die Spielfelder. Sie können als Tribüne, als Treffpunkt oder zum Sonnenbaden genutzt werden. In die Skulpturen integrierte Bäume bieten schattige Aufenthaltsbereiche. Drei Trinkbrunnen versorgen die Spiel- und Sporttreibenden mit Wasser.

Jetzt verschwindet der Besucher im Tunnel, wenn er über die B 29 aus Stuttgart nach Schwäbisch Gmünd kommt. Einerseits ist das schade, weil man nun die Verwandlung Gmünds durch die Landesgartenschau 2014 verpasst, andererseits aber ist die Verlegung der B 29 in den Tunnel die Voraussetzung für diesen tiefgreifenden Stadtumbau.

Projektdaten

  • Büro: A24 Landschaft Landschaftsarchitektur GmbH
  • Bauherr: Landesgartenschau Schwäbisch Gmünd 2014 GmbH
  • Planungszeitraum: 2007-2014
  • Bauzeitraum: 2011-2014
  • Bausumme: 13 Millionen Euro
  • Größe des Areals: 14,6 Hektar
  • Größe der Einzelareale:
  • Bahnhofsplatz: 5000 Quadratmeter
  • Ledergasse: 12 500 Quadratmeter
  • Stadtgarten: 3 Hektar
  • Gleispark (Sportspielbereich): 8000 Quadratmeter
  • Uferweg am Josefsbach: ca. 1 Kilometer
  • Anzahl der Kinderspielplätze: 5 (davon vier am Josefsbach und einer im Gleispark)
  • Größe der Staudenpflanzungen: 8300 Quadratmeter
  • Planungspartner:
  • Wasserbau: BGS Wasser Brandt Gerdes Sitzmann Wasserwirtschaft GmbH
  • Tragwerksplaner: Köhler und Graupner Bauingenieurgesellschaft mbH
  • Baugrundgutachter: Geotechnik Aalen
  • Springbrunnentechnik Stadtgarten: Dipl.-Ing. Wolfgang Schrötter Ingenieurbüro
  • Wassertechnik Ledergasse: Ingenieurgesellschaft Hetzel mbH & Co.KG
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