Vor 250 Jahren begann die Regulierung des Wiener Glacis

"Einer der angenehmsten Spazierplätze um die Stadt"

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Kaiser Joseph II. (1741-1790) ließ ab 1770 das über die Jahrhunderte immer wieder verbreiterte Glacis vor der ummauerten Haupt- und Residenzstadt Wien "regulieren", wie dies damals genannt wurde. Zuerst erfolgte das Anlegen von Straßen und Wegen, dann die Anlegung von Alleen und Rasenflächen. Es verblüfft dabei die Tatsache, dass trotz mehrmaliger Anweisungen die Arbeiten zum Teil noch in den 1780er-Jahren im Detail diskutiert, aber nicht ausgeführt wurden.

Das Glacis wächst

Im Juli 1632 erinnerte Kaiser Ferdinand II. mittels eines gedruckten Patentes (Abb. 2) an seine bereits 1620 erstmals erlassene Anordnung an alle geistlichen und weltlichen Herren, welche gemauerte Häuser und Gärten vor der ummauerten Stadt besaßen, dass diese bis auf 300 Schritt (rund 225 m) vor dem Stadtgraben "zu besserer Sicherheit der Statt hinweck gebrochen werden sollen". Neubauten brauchten die Bewilligung des Hofkriegsrates. Der Hintergrund dieser Anordnung(en) war ein einfacher: Es sollte vermieden werden, dass sich ein Feind leicht der Stadt annähern kann und einen Unterschlupf findet. Andererseits diente die freie Fläche vor der Stadtmauer den Verteidigern als Schussfeld. Sicher spielten die bei der Belagerung Wiens durch ein Osmanisches Heer im Jahr 1529 gewonnenen Erfahrungen eine Rolle bei der Wiederholung der Anordnung. Wie auch Beispiele anderer mitteleuropäischer Städte zeigen, wurden die Verbote, die Flächen rund um die Befestigung zu bebauen, nicht immer befolgt. Unabhängig davon musste aufgrund der laufend größer werdenden Reichweite der Geschosse die bereits im 16. Jahrhundert bestehende Bauverbotszone und somit das Glacis im Laufe der Jahrhunderte immer wieder verbreitert werden.

Kaiser Leopold I. gab nach der zweiten Belagerung Wiens durch ein Osmanisches Heer (1683) den Auftrag, das Glacis wieder instand zu setzen: Er befahl die Abräumung der Gebäude und Mauern sowie das Entfernen von Hecken, Bäumen und dergleichen in den Gärten in einer Breite von 600 Schritt (rund 450 m). Danach mussten die vorhandenen Hügel abgetragen, die tiefen Keller und Gewölbe angefüllt sowie das Gelände eingeebnet werden. Mehrere Zeitzeugen bestätigen die seit damals existierende Breite des Glacis: Die englische Schriftstellerin Mary Wortley Montagu (1689-1762) hielt fest, dass die "rings zwischen der Stadt und den Vorstädten laufende Esplanade (Glacis) allein über 600 Schritte breit und ganz unverbaut ist." Fürst Hermann von Pückler-Muskau berichtete in einem seiner publizierten Reisetagebücher von seinem Aufenthalt in Wien im Jänner 1807: "Das sogenannte Glacis, ein rund um die Stadt gehender Platz von 600 Schritt Breite [. . . ] trennt die Stadt von den Vorstädten."

Komplett leer, wie dies so manche Karte der Stadt Wien aus dem 18. Jahrhundert suggeriert, war die Sperrzone nie, denn vor allem am Rand des Glacis befanden sich einige der wichtigsten Märkte Wiens: der Heumarkt für die Nutz- und Reittiere, der Getreidemarkt, der Holzmarkt, ein Obst- und Gemüsemarkt sowie der Tandelmarkt (Flohmarkt). Spätestens ab 1782 wurde jedes Jahr Anfang September ein Pferdemarkt auf dem Glacis zwischen dem Kärntner- und dem Stubentor abgehalten. Aber auch Gewerbebetriebe nutzten die Fläche für Arbeiten, die man im Inneren ihrer Werkstätten aus Sicherheitsgründen nicht ausführen konnte. Zusätzlich wurde 1783 am Glacis unmittelbar vor der Hofburg der Exerzier- und Paradeplatz für das Militär angelegt, den man später auf das Josefstädter Glacis verlegte.

Das Glacis war damals eine breite Zone freien Geländes um die Stadt, welches jenen Funktionen diente, denen in der Enge der Stadt und der Vorstädte kein Raum zur Verfügung stand. Zusätzlich wurde die Freifläche, wie einige zeitgenössische Ansichten zeigen, auch als Spielplatz für Kinder und als Auslaufzone für Hunde genutzt. So lässt sich die These aufstellen, dass spätestens ab Mitte des 18. Jahrhunderts die zivile Nutzung des Glacis eine größere Bedeutung als die militärische hatte. Dies hing auch mit der Erkenntnis zusammen, dass die Stadtbefestigungen in Europas Städten einem Angriff nicht mehr standhalten konnten. Auffallend ist in Wien, dass es bis in die 1760er-Jahre auf dem Glacis keine befestigten Wege zwischen den Stadttoren und den Vorstädten gab; nur "Trampelpfade" existierten - sie sind beispielsweise auf einer Karte von Werner Arnold Steinhausen aus dem Jahr 1710 (Kopie aus 1847) (Abb. 5) und dem sogenannten Schernding-Plan aus 1741 deutlich zu erkennen; das Glacis wurde damals von Fuhrwerken, Reitern und Fußgehern willkürlich durchkreuzt.

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Die Regulierung des Glacis

Im Jahr 1802 schrieb der Wiener Schriftsteller Johann Pezzl: "Das Glacis oder die Esplanade um die Stadt war ehedem ein wüster, wilder Platz, voll Schutt, Sumpf und Morast, ohne bestimmte Wege weder für die Fußgänger, noch für die Fuhrwerke. Kaiser Joseph II. ließ den ganzen Platz reinigen, ließ Chausseen für die Wagen, und eigene breite, bequeme Wege für die Fußgänger anlegen, und dieselben im Jahre 1781 auch mit Baum-Alleen bepflanzen; somit ist das Glacis nun in der schönen Jahreszeit zu einem der angenehmsten Spazierplätze um die Stadt geworden." Hier wird in zwei Sätzen zusammengefasst, was innerhalb von 15 Jahren am Glacis geschah. Dass die "Verschönerung" länger dauerte als geplant, lag unter anderem im Kompetenzwirrwarr der damaligen Zeit und in der Streitfrage begründet, wer die anfallenden Kosten übernimmt.

In einem Bericht der Wirtschaftskommission der Stadt Wien an die "Kais. Königl. zu Regulirung des Stadtwiennerischen Wirthschafftsweesens allergnädigst aufgestelte Hofcommission" von Ende 1770 bezog man sich auf ein Dekret vom Oktober zur Besämung des Glacis auf Kosten der Stadt Wien und die bereits im Jänner vom Kaiser angeordnete und inzwischen erfolgte Anlegung einer Chaussée - also einer ausgebauten Landstraße - rund um die Stadt sowie von Verbindungswegen zu den einzelnen Stadttoren. Nach dem Willen Kaiser Josephs II. sollte das Areal zwischen dem "für das zu Fuß gehende Publicum ausgezeichneten Fußweg und der Chaussée" mit "Samen oder anderen Grasarten" besät werden.

Zu diesem Zweck musste das zwischen dem Burg- und Kärntnertor befindliche Erdreich umgeackert werden. Im November 1770 wurde von einem Gärtner eine erste Probe gemacht; jedoch scheiterte der Versuch an der Witterung trotz des Einsatzes eines mit vier Pferden bespannten Pfluges. Der nochmalige Versuch bei besserem Wetter einige Tage später verlief etwas positiver. Trotzdem wurde festgehalten, dass der größte Teil des Erdreiches wegen allzu großer Mengen vorhandener "Ziegeltrümmer und anderer Steine" fast nicht mit dem Pflugeisen umgerissen werden konnte. Fazit der zwei Sachverständigen vor Ort: Die Umackerung an jenen Orten, wo der Grund steinig und reich an Schotter ist, könne erst im Frühjahr bei aufgeweichtem Erdreich vorgenommen werden. Betreffend der Art und Weise, wie die Besämung durchzuführen sei, habe man mit dem bürgerlichen Gärtner und Samenhändler Johann Paul Brenner Rücksprache gehalten. Laut des von diesem verfertigten Gutachtens solle das Erdreich, wo es möglich ist, noch heuer umgeackert und zugleich auf dieses umgeackerte Erdreich der "Unrath von der Stadtsäuberung" auf dem Glacis abgeladen werden. Dies werde "das Wachsthum des Saamens ungemein befördern": Der Kehricht der Stadt sollte somit als Dünger dienen!

Kurios wirkt aus heutiger Sicht die im Bericht aufgestellte Frage, wie die neugesetzten Schranken (Holzgeländer) als Begrenzung zwischen den Straßen und Fußsteigen zu streichen sind: gelb und schwarz nach der Art der kaiserlich-königlichen Wegdirektion oder in den weiß-roten Stadtfarben. Da die Stadt diese Begrenzungen auf eigene Kosten hatte setzen lassen (müssen), bestand die Stadtverwaltung auf die Farben weiß und rot. Interessant ist auch eine Maßnahme, die noch heute angewandt wird, auch wenn sie sich meist auf Fahrradfahrer bezieht: Der Fußweg vom Burg- zum Kärntnertor - "für das zu Fuß gehende Publikum fördersamst ausgezeichnet" - sollte laut Anordnung sowohl am Eingang als auch am Ausgang jeweils mittig mit einem "Rädl zu Verhinderung des Durchreutens" versehen werden.

Welche Probleme bei der Nutzung des Glacis als Verkehrsfläche für Personen und für den Warentransport auftraten, zeigt ein Vorschlag eines einfachen Landesregierungsbeamten. Dieser schlug vor, die Hauptstraßen vom Schotten- bis zum Kärntnertor zu den Vorstädten zur Sommerzeit zu bespritzen, um sowohl für die "fahrenden als gehende Personen den Staub abzuwenden"; zweitens das Glacis vom Schotten- bis zum Burgtor in Äcker einzuteilen und diese mit "Körnl" (Getreide) zu bebauen. Der Bürgermeister und der Rat der Stadt Wien sprachen sich Ende 1776 gegen diesen Vorschlag aus. Verwiesen wird dabei explizit auf die "zur Gemächlichkeit des Publici errichteten Fußwege [. . . ] und die derzeit begrünten Plätze [. . . ]". Wenn dort Getreide angebaut werden sollte, "würde der dem Publico durch die Begrünung um die Stadt verschaft anständige Spaziergang von selbst wider eingestellt seyn, und aufhören."

Man erinnerte auch daran, dass die Anlegung der Chaussée, die Errichtung der Fußwege und die grasartige Begrünung der zwischen der Stadt und den Vorstädten befindlichen Flächen wiederholt ausdrücklich anbefohlen wurde, und die Umsetzung der Maßnahmen bisher eine Summe von 24.000 Gulden gekostet hätte. Gleichzeitig wird in diesem Bericht von den Schwierigkeiten berichtet, Wiesen auf dem Glacis anzulegen, wie vom Kaiser befohlen. Die Ursache für die Unmöglichkeit des Anbaues von Klee oder anderen grasartigen Samen war der am Glacis befindliche "Stadtschutt" und Unrat im Erdreich. Wie Proben gezeigt hatten, war es unmöglich, mit Pflügen Furchen zu machen. Daher könne kein Getreide auf diesem Untergrund angebaut werden. Dieses brauche ein "feucht, fett und speckigtes" und nicht ein "trocknes, hitzig oder schotterigtes Erdreich". Überdies werden Teile des Areals vom Militär zum Exerzieren verwendet beziehungsweise von Herrschaften zum Abrichten von Pferden genutzt. Fazit des Bürgermeisters und des Rats der Stadt Wien: Auch wenn der Vorschlag "wohl gemeint" sei und "alles eine gute und eine schlechte Seite habe", müsse der "allgemeine Nutzen des Publici" bedacht werden - daher werde der Vorschlag eines Kornanbaus abgelehnt.

Alleen am Glacis

Das Glacis war lange Zeit eine offene Landschaft ohne nennenswerten Baumbewuchs. Es gab keinen Schutz vor Hitze und Trockenheit, vor Wind und Regen. Je nach Wetterlage war das Areal entweder staubig oder schlammig, was jene Menschen beeinträchtigte, die das Glacis täglich durchquerten, etwa wenn sie in der Vorstadt wohnten und in der Stadt arbeiteten.

In einem Amtsbericht des Bürgermeisters und des Rats der Stadt Wien vom April 1781 über die Anpflanzung von Bäumen an Straßen und Fußsteigen am Glacis an die zuständige Niederösterreichische Landesregierung wird darauf verwiesen, dass man alleine für die Strecke vom Burgtor gegen die Laimgrube 2650 Bäume benötige. Bei der Wahl der Baumart setzte man zuerst auf "wilde Kastanien" (Rosskastanien), "da solche auf jeden Grunde leicht fortkommen, eine schöne Krone machen, und lang grün bleiben." Die Kosten schätzte man auf 10 600 Gulden, wobei die Nachsetzung verdorrter Bäume und die Begießungs- und Pflegekosten noch extra zu berechnen seien.

Die Stadtverantwortlichen erinnerten die Landesregierung daran, dass die Bepflanzung der Chausséen von der kaiserlich-königlichen Wegdirektion übernommen werden muss und dass die Anlegungskosten der Chausséen mehr als drei Mal teuer ausfallen werden als geplant. Abschließend teilte der Bürgermeister und der Rat der Stadt Wien die Meinung des Stadt Ober- und Unterkämmerers, dass die Benutzung des Glacis mit Kuchelgärten nicht von der erhofften Wirkung sein werden, da der Grund sehr steinig und schlecht ist und auch die Chaussée stets mit Staub erfüllt ist, dass "man sich von selben ohnehin kein Fortkomen versprechen könnte."

Obwohl schon länger über die Anlegung von Alleen am Glacis diskutiert wurde, überreichte erst im Mai 1781 Johann Paul Brenner, bürgerlicher Gärtner und Samenhändler, dem Wiener Stadtrat einen Kostenvoranschlag betreffend der Anpflanzung von Bäumen an den Straßen und Fußsteigen des Glacis (Abb. 6). Interessant ist, woher Brenner die fünf Zoll (rund 13 cm) dicken Linden beziehungsweise Rusten (Ulmen) nehmen will: aus dem Wald. Dort sollten sie ausgegraben und auf das Glacis geführt werden. Vor Ort wird laut Brenner ein jeder Baum an einer Lärchenstange mittels eines Ringes aus Eschenholz befestigt.

Damit der Baum "von allen Schaden der Leuthe, und Viech befreyet seyn", wird dieser durch einen hölzernen Laden umgeben. Brenner besorgt laut dem Kostenvoranschlag überdies das Begießen eines jeden Baumes durch die ersten drei Jahre. In Summe kostet ein jeder Baum 4 Gulden und 38 Kreuzer. Der Kostenvoranschlag zeigt, dass sich die Schutzmaßnahmen bei und nach einer Baumsetzung in den letzten 250 Jahren kaum verändert haben: Bäume werden gegen Fraß durch Tiere und Beschädigung durch Fahrzeuge "ummantelt" und zur Standfestigkeit in jungen Jahren an Pflöcken befestigt. Auch die Anwuchspflege in den ersten Jahren am neuen Standort der Bäume ist bereits vorgesehen.

Pflege der Alleebäume

Brenner wies in seinem Schreiben darauf hin, dass zwar an vielen Orten in einem kleinen Graben ein Wasser vorbeilaufe, jedoch dieses Wasser oft ein "unreines, stockendes, faules Wasser ist", welches teilweise durch Waschlauge und Urin verunreinigt sei, wodurch der junge Baum zur Fäulnis neige und absterbe; so muss man zur "Begießung derley jungen Bäume nothwendigerweis ein frisches, und reines Wasser herzuführen lassen." Nach Beauftragung durch die Stadt würde er gleich mit der Auswerfung der Gräben beginnen und sich um die nötigen Bäume aus den Wäldern umsehen. Falls ein Baum verdorrt beziehungsweise abstirbt, verlange er keine Bezahlung; er stehe Bürge für alle Bäume bis in das dritte Jahr. Am Schluss bittet er, einen "tauglichen Ort zur Pflanz Schule für 100 Bäume zu bestimmen". Der Grund: Wenn ein Baum eingehen sollte, könne man diesen sogleich mit einem "gleichförmigen frischen" ersetzen, "ohne sich gezwungen zusehen allemal erst in den Wald zu gehen". Brenner schließt seinen Kostenvoranschlag mit dem Hinweis auf seine durch viele Reisen erlangten vortrefflichen Kenntnisse "in der Pflanzkunst" und seine praktischen Fähigkeiten.

In einem weiteren Amtsbericht des Bürgermeisters und des Rats der Stadt Wien an die Niederösterreichische Landesregierung über die Bepflanzung der Chaussée und der Fußsteige auf dem Glacis mit Bäumen vom August 1781 wird deutlich, dass die Landesregierung die zu hoch angesetzten Kosten für die Baumpflanzungen kritisierte. Demnach könnten durch eine Ausschreibung unter Baumlieferanten die Kosten auf die Hälfte gedrückt werden. Der Bürgermeister und der Rat der Stadt Wien verweisen jedoch auf die vom Gärtner Brenner beigebrachte Erklärung, dass ein Linden- oder Rustenbaum auf 4 Gulden 38 Kreuzer und ein Kastanienbaum auf 3 Gulden 40 Kreuzer zu stehen komme. In Summe würden 7333 Gulden ohne Bewässerung der Bäume anfallen. Kritisch äußerte man sich zu einer allfälligen Ausschreibung, die keinen Erfolg bringen würde. Noch einmal verweist man auf die hohen Kosten bei der Bepflanzung der Chausséen - und so hofft man, dass die kaiserlich-königliche Wegdirektion die anfallenden Kosten übernimmt, auch wenn die Grundobrigkeit über die Glacisgründe auf Seiten des Stadtmagistrats lag.

Pflasterung der Chaussée

Im Oktober 1781 wurde den Stadtverantwortlichen mitgeteilt, dass Joseph II. die Chaussée vom Schotten- bis zum Stubentor und die von den Stadttoren gerade dahin führenden vier Wege mittig in einer Breite von drei Klafter (rund 5,7 m) mit Steinen pflastern will, "wodurch sie sich vielleicht länger erhalten, sehr viel Staub ersparet, und bey der massen Witterung die schweren Wägen leichter würden fort kommen können." Die Kosten würden nach diesem Wunsch laut einem im November 1781 erstellten Kostenvoranschlag von zwei bürgerlichen Pflastermeistern bei 32 356 Gulden liegen. Der Bürgermeister und der Rat der Stadt Wien bevorzugten jedoch eine Breite von fünf Klafter (rund 9,5 m), da sich die Wägen bei "übler Witterung" meistens auf dem gepflasterten Weg treffen würden. Demnach beliefen sich die Kosten auf 50.000 Gulden.

Da Joseph II. meinte, die Fußsteige seien für Fußgänger gemacht, welche am meisten des Schattens bedürfen, sollten keine Bäume auf der Chaussée gepflanzt werden, sondern entlang der Fußsteige. Bei der Baumsetzung solle man auf "gute Erde in den Löchern" achten; am besten wäre ein ganzer Graben längs einer jeden Baumreihe, welche man mit guter Erde füllt. "Vier Klafter breit müssten die Alleen sowohl auf den Fußsteigen als rings um den bedeckten Weg herum gesetzt werden, und die Bäume drei Klafter auseinander." Zu diesen Arbeiten könnten Arrestanten eingesetzt werden. Sollten Minengänge "ein oder anderes Hinderniß in Weege legen", so pflanze man die Bäume versetzt. Da es unmöglich erschien, die Arbeiten in einem Jahr durchzuführen, wurde empfohlen, die Arbeiten auf zwei Herbste und zwei Frühjahre zu verteilen.

Spaziergang

Das Glacis wurde von den Wienern bald auch als Erholungsgebiet genutzt. Die von Bäumen beschatteten Wege dienten nun der bürgerlichen Gesellschaft zum Spazieren und Promenieren. Bereits 1776 wurden Laternen an den Hauptwegen aufgestellt; sie sind im 1778 als Druck erschienenen Vogelschauplan Wiens von Joseph Daniel Huber deutlich zu erkennen (Abb. 7).

Wann und welche Baumarten auf dem Glacis tatsächlich gepflanzt wurden, lässt sich aufgrund der Aktenlage nicht genau klären. Jedenfalls sind die Alleen bereits auf einem Grundrissplan der Stadt von Maximilian Grimm aus 1783 zu sehen. In der Sekundärliteratur werden - ohne Angabe von Primärquellen - Rosskastanien, Robinien, Pappeln und Linden als am Glacis gepflanzte Baumarten genannt.

Verbauung

Vor 250 Jahren wurde unter der österreichischen Erzherzogin Maria Theresia und ihrem Sohn und Mitregenten Joseph (seit 1765 Kaiser des Heiligen Römischen Reiches) begonnen, das über die Jahrhunderte immer wieder verbreitete Glacis vor der ummauerten Stadt Wien zu "verschönern"; zuerst mit der Anlegung von Straßen und Wegen, dann mit der Anlegung von Alleen und Rasenflächen. Das Glacis, das bereits in den Jahrhunderten davor als Multifunktionsfläche diente, wurde unter Joseph II. nicht nur verkehrstechnisch erschlossen, sondern auch als Frei- und Grünfläche aufgewertet; von diesen Maßnahmen profitierte man bis zur Schleifung der Stadtbefestigung in den 1850er-Jahren und der daran anschließenden Errichtung der Ringstraße (Abb. 10). Mit der unter Kaiser Franz Josef 1857 angeordneten Stadterweiterung wurden die Freiflächen des Glacis innerhalb von rund 35 Jahren fast komplett mit öffentlichen Gebäuden, Palais und privaten Wohnbauten verbaut. Nur wenige Grünanlagen, wie der Stadtpark, den man anstelle des sogenannten Wasserglacis errichtete, erinnern heute indirekt an die einstige multifunktionale Freifläche.

Das Glacis in Wien kann man als einen frühen Frei- beziehungsweise Grünraum bezeichnen, der weder gestaltet noch bewusst geplant und der für die damalige "Allgemeinheit" geöffnet war, ohne dass es spezielle Einschränkungen für eine bestimmte Nutzergruppe gab. Erst das Anlegen eines Exerzier- und Paradeplatzes und von Fußsteigen und einer Chaussée in den 1770er- und 1780er-Jahren lenkten die Nutzer und schränkten indirekt ihre Bewegungsfreiheit ein. Zusammenfassend kann man Jochen Martz zustimmen: Die Flächen des Glacis sind in gewisser Weise Vorläufer öffentlicher Grünsysteme.

Quellen

Akten im Österreichischen Staatsarchiv und im Wiener Stadt- und Landesarchiv sowie zeitgenössische Ausgaben des Wienerisches Diariums beziehungsweise der Wiener Zeitung.


Literatur

Fischer, Friedrich: Die Grünflächenpolitik Wiens bis zum Ende des 1. Weltkrieges. Ein Beitrag zur Erhellung der Erholungsproblematik in historisch gewachsenen Städten. Dissertation an der Technischen Hochschule Wien. Wien 1969.

Ma, Klaralinda, Psarakis, Brigitta: ". . . ein ungeheuer herrlicher Garten . . . ". Wien aus Sicht ausländischer Besucher vom 15. bis zum 19. Jahrhundert. Ausstellungskatalog. Wien 1990.

Martz, Jochen: Zur Genese und Entwicklung der Bauaufgabe öffentlicher Park in Deutschland. In: Die Gartenkunst, Heft 1/2015, S. 77-94.

Masanz, Michaela, Nagl, Martina: Ringstraßenallee. Von der Freiheit zur Ordnung vor den Toren Wiens. Wien 1996.

Mollik, Kurt, Reining, Hermann, Wurzer, Rudolf: Planung und Verwirklichung der Wiener Ringstraßenzone, Reihe "Die Wiener Ringstraße. Bilder einer Epoche", Band 3. Wiesbaden 1980.

Sonnlechner, Christoph, Tauber, Hannes: Von der Gstätten zum Stadtpark. Zur Nutzung der Flächen vor den Wiener Stadttoren vom 16. bis zum 19. Jahrhundert. Ausstellungskatalog. Wien 2010.

Dr.- Ing. Christian Hlavac
Autor

Gartenhistoriker und Gartentouristiker am Zentrum für Garten, Landschaft und Tourismus, Wien

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