Neues Entrée für die Memminger Altstadt

Elsbethenareal und Schrannenplatz

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Stadtentwicklung
Platanen und Sitzobjekte im Elsbethenhof. Foto: club L94 Landschaftsarchitekten GmbH, Fotoatelier2 Holtschneider & Peetz

Die durch das späte Mittelalter geformte Memminger Altstadt weist ein ausgesprochen geschlossenes räumliches Stadtbild auf. Das Raumerleben in der als Ensemble denkmalgeschützten Altstadt ist geprägt vom Wechsel zwischen schmalen Gassen, Stadtadern und intimen Innenhöfen einerseits, sowie der Abfolge sich aufweitender, platzartiger Räume andererseits. Das Elsbethenareal und der Schrannenplatz bilden das Entrée respektive den Abschluss in einer Abfolge von verschiedenartigen Plätzen in der Memminger Altstadt. Zusammen mit dem neu umgebauten Weinmarkt und dem historischen Marktplatz am Rathaus entwickelt sich eine zentrale merkantile Achse, in der sich ein Großteil des geschäftlichen und touristischen Lebens abspielt. Im Gegensatz zu diesem sehr belebten Teil der Stadt steht das ruhige Umfeld des Stadtbaches. Dieses steht vor allem zum jährlichen Fischertag im Zentrum des Interesses.

Die Neugestaltung dieses Areals greift den Reiz des Wechselspiels zwischen dem offenen Schrannenplatz und der intimeren Situation der Höfe und des Stadtbachumfeldes auf und vermittelt zwischen diesen auf moderne und zeitgemäße Art. Das Elsbethenareal und der Schrannenplatz wurden an die Fußgängerzone angeschlossen und sind als Attraktoren für die Entwicklung der südlichen Innenstadt von hoher Bedeutung.

Elsbethenareal

Das Elsbethenareal generiert aus Theater und Geschäftsgebäuden einen eigenständigen Baustein innerhalb der südlichen Innenstadt von Memmingen. Umschlossen von Bestandsgebäuden und der neuen Architektur liegen der Elsbethen- und der Theaterhof. Der heutige Elsbethenhof geht auf den Hof des Nonnenklosters des Augustiner-Eremitenordens aus dem 13. Jahrhundert zurück und war seit dem 16. Jahrhundert nach Schließung des Klosters als Schulhof der Mittelpunkt des jugendlichen Lebens der städtischen Elsbethenschule.

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Übersichtsplan Memmingen, ohne Maßstab. Plan: club L94 Landschafts-architekten GmbH
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Elsbethenhof. Foto: club L94 Landschaftsarchitekten GmbH, Fotoatelier2 Holtschneider & Peetz

Erst vor etwa 10 Jahren verlor er durch die Verlagerung der Schule seine Bedeutung als ortsprägender Stadtraum. Wie schon zu den Zeiten, in denen er von Nonnen und später von Schulkindern als schützender Ort vor dem Trubel des Alltags genutzt wurde, soll er auch in Zukunft zu einem Ort der Verlangsamung und Kontemplation werden.

Auf Grundlage dieser Ansprüche werden die Höfe für verschiedenste kulturelle und gastronomische Nutzungen offen gehalten. Gleichzeitig werden die besonderen Qualitäten der bestehenden Platanen im Elsbethenhof genutzt, um Sitzobjekte darunter zu gruppieren. Zwei Sitzkränze aus weißem Sichtbeton legen sich um die Stämme der Bäume. Die asymmetrischen Aussparungen für die Bäume und die scheinbar schwebende Optik verleihen den Sitzobjekten den Charakter des Besonderen.

In seiner Materialität setzen sich die Höfe bewusst vom Schrannenplatz und der anschließenden Fußgängerzone ab. Ein Kleinsteinpflaster aus Naturstein in ungerichtet verlegtem Verband unterstreicht den historischen Bezug der Höfe und unterstützt die Idee eines intimeren, introvertierten Stadtraumes. Das Beleuchtungskonzept in den Höfen wurde subtil und stimmungsvoll umgesetzt. Die Platanen werden mit Bodenleuchten von unten her angestrahlt und inszeniert. Bei den ihnen zugeordneten Sitzobjekten wird mit indirektem Licht gearbeitet. Schirmleuchten ergänzen die Außengastronomie und erzeugen mit ihrem warmen Licht eine wohnliche, behagliche Atmosphäre.

Schrannenplatz

Namensgebend für den Schrannenplatz waren drei Getreidespeicher, die den heutigen Raum des Platzes dominierten. Die mittlere Schranne lag am nördlichen Platzrand, eine kleinere am südöstlichen Platzrand in Verlängerung des Stadtbaches und die größte Schranne inmitten des Platzes zwischen den zwei offenen Stadtbachseiten. Vor seiner Umgestaltung wurde der Schrannenplatz überwiegend als Parkplatz genutzt und hatte keinerlei Aufenthaltsqualität. Zudem erfuhr der Fischerbrunnen in dieser Umgebung nicht die Geltung, die ihm für den Fischertag und die Stadt Memmingen zusteht.

Vor diesem Hintergrund wurde der Schrannenplatz als moderner und einzigartiger Stadtplatz in der Memminger Altstadt konzipiert. Prägende Elemente wie der Stadtbach und der namensgebende Bezug zum ehemaligen Schrannengebäude wurden ebenso berücksichtigt wie die identifikationsstiftende neue Architektur des Elsbethenareals. Neben seiner gesamtstädtischen Funktion als südlicher Abschluss der Einkaufslagen wird der Platz als multifunktionaler Raum begriffen, dessen Nutzung nicht präfiguriert ist. Vielmehr lebt er in gastronomischer, gewerblicher und sozialer Weise von der Inanspruchnahme seiner Ränder. Dies gilt auch für den ankommenden Stadtbach, der im Westen und im Südosten des Schrannenplatzes zusammen mit Bäumen und Sitzgelegenheiten eine stimmungsvolle Einheit bildet.

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Situation vor dem Umbau. Foto: Stadt Memmingen
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Schrannenplatz. Foto: club L94 Landschaftsarchitekten GmbH, Fotoatelier2 Holtschneider & Peetz
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Wasserspiel "Stadtbachspur". Foto: club L94 Landschaftsarchitekten GmbH, Fotoatelier2 Holtschneider & Peetz

In seiner Materialität setzt sich das Plattenformat von 80 Zentimetern mal 40 Zentimetern auf dem Schrannenplatz vom kleinteiligeren Belag der Höfe und des Stadtbachumfeldes ab. Der Ausbau mit einheitlichen Natursteinplatten in leicht nuancierten Farbtönen unterstreicht die großzügige und ruhige Wirkung des Platzes und gibt eine adäquate Antwort auf die heterogenen Gebäudekanten des Schrannenplatzes.

Zentrales Element ist die Stadtbachspur und die zugeordnete Schrannenintarsie. Die Stadtbachspur fügt sich als einzigartiges landschaftsarchitektonisches Element in das Gefüge des Schrannenplatzes ein, ohne ihn zu dominieren. Der Stadtbach wurde an dieser Stelle nicht wie sonst in Memmingen üblich geöffnet, sondern bewusst für den Besucher und Betrachter indirekt erlebbar gemacht. Der Wasserfluss des Baches ist hier nicht explizit sichtbar, sondern wird als Teil der Spur inszeniert und vor allem akustisch spürbar gemacht. Die Stadtbachspur besteht aus einer Reihe von rechteckigen Öffnungen, die mit Metallrosten, Sitzelementen und einem Wasserbecken belegt sind. Durch eine spezielle Lochstanzung wurde das Bild von schwimmenden Forellen auf die Rostabdeckungen gebracht. Diese "Forellenroste" wiederholen sich als Auflage der Sitzelemente und als Bodenplatte für das Wasserbecken. Zentraler Bestandteil der Stadtbachspur sind die Wasserspiele, welche aus Fontänen und Wasserstrahlen bestehen. Auch hier steht die Stadtbach-Forelle in assoziativer Weise Pate - die Wasserstrahlen, die von Rost zu Rost "springen", erinnern an springende Fische. Gespeist werden die Wasserspiele durch Stadtbachwasser, welches mechanisch gefiltert und bei Bedarf durch Trinkwasser ergänzt wird. Das Zusammenspiel von Licht und Wasser ist elementarer Bestandteil des Erlebniswertes der Stadtbachspur. So heben von Licht hervorgerufene Reflexionen des Bachwassers und eine Illuminierung der Fontänen dieses Element auch bei Dunkelheit und in kälteren Jahreszeiten hervor.

Bei Bedarf kann das Wasserspiel abgestellt werden. Auf der bodenbündigen Fläche steht so ausreichend Raum für Bühne und Besucher im Rahmen größerer Veranstaltungen zur Verfügung.

Die Stadtbachspur liegt umgeben von der Schrannenintarsie. Ein schmales in den Plattenbelag eingelassenes Metallband kennzeichnet den ehemaligen Standort des größten der drei ehemaligen Schrannengebäude. Historische Informationen über die Schranne und die südliche Altstadt Memmingens sind in dieses Band eingestanzt.

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Stadtbachspur in Abendstimmung. Foto: club L94 Landschaftsarchitekten GmbH, Fotoatelier2 Holtschneider & Peetz
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Rostabdeckung mit Forellenmuster. Foto: club L94 Landschaftsarchitekten GmbH, Fotoatelier2 Holtschneider & Peetz
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Stufen zum Stadtbach. Foto: club L94 Landschaftsarchitekten GmbH, Fotoatelier2 Holtschneider & Peetz

Der Standort des Fischerbrunnens wurde in südwestlicher Richtung verschoben und nimmt nun direkten Bezug auf den Gasthof "Zum Goldenen Löwen" - das Haus der Stifterfamilie.

Die Bäume werden thematisch dem Stadtbach zugeordnet und umspielen den Schrannenplatz an dessen südlicher Kante. So werden die belebten Ränder des Platzes zusätzlich mit einer atmosphärischen Vegetation überstellt. Der Schnurbaum - Sophora japonica - weist eine lichte und filigrane Kronenstruktur auf, durch welche die umliegenden Fassaden gefiltert sichtbar bleiben. Durch die hohe Standorttoleranz wird diese Baumart den gewünschten Ansprüchen gerecht.

Für die Sitzobjekte auf und um den Schrannenplatz ist eine Produktfamilie entwickelt worden, die sich in ihrer Formsprache auf die Behältnisse für die Gerbertätigkeit, welche im Mittelalter in Memmingen von großer wirtschaftlicher Bedeutung waren, bezieht. Sie bringen einen hölzernen Aspekt auf den Platz. Dabei befinden sich lineare Bankelemente vor den Geschäftshäusern, Einzelsitzobjekte sowie Rundbänke unter den Bäumen.

Im Südosten des Platzes wurde mit einer Stufenanlage am Stadtbach ein funktionales und atmosphärisches Thema geschaffen, welches mit den Bäumen und Sitzmöglichkeiten korrespondiert. Fünf Stufen überwinden den Höhenunterschied und ermöglichen dem Nutzer, auf ein Niveau kurz über der Wasserkante zu gelangen, um den Lauf des Wassers und die Forellen am Rande des Baches beobachten zu können. Entlang des Baches in südlicher Richtung verschleifen die Stufen in einer Rampe, die das Fenster zum Bach auch barrierefrei erschließt.

Fahrradständer sind in Form von Flachstahlbügeln in Vierer- oder Achtergruppen rund um den Schrannenplatz so positioniert, dass sie in gewissen Bereichen auch die Funktion von Pollern übernehmen. Das Beleuchtungskonzept für den Schrannenplatz sieht neben straßenbegleitenden Lichtstelen und Mastleuchten auf dem Schrannenplatz eine Akzentbeleuchtung der Schnurbäume sowie eine spezifische Illuminierung der Stadtbachspur vor. Während sich die Lichtstelen ästhetisch zurückhaltender in das Straßenbild einfügen, dienen die Mastleuchten dazu, auf dem Schrannenplatz optische Akzente zu setzen. Auch in ihrer Höhe von etwa zwölf Metern reagieren sie auf die neu entstehenden Geschäftshäuser.

Projektdaten

Ort: Memmingen (D)
Planungszeitraum:
2008-2010
Größe:
ca. 5000 m²
Bausumme:
ca. 2 400.000 Euro
Bauherr:
Siebendächer Baugenossenschaft e. G., Lindentorstraße 7, 87700 Memmingen mit Hochbauamt Stadt Memmingen, Schlossergasse 1, 87700 Memmingen
Planung:
Landschaftsarchitekt: club L94 Landschaftsarchitekten GmbH, Zechenstraße 11, 51103 Köln
Architekt:
d.n.a trint+kreuder, Auenweg 173, 51063 Köln

Beteiligte Firmen:
Bauleitung Freianlagen und Straßenbau:
Dipl.-Ing. Maximilian Lippert (Ingenieurbüro), Lindenbadstraße 14, 87700 Memmingen
Tiefbau:
SKS Bau GmbH & Co. KG, Brielhofstraße, 88213 Ravensburg
Stahlbau:
Kunstschmiede Übele, Einöde 21, 87700 Memmingen
Wassertechnik:
Artesia Springbrunnentechnik und Anlagenbau GmbH, Imkerweg 30a, 32832 Augustdorf
Pflanzung:
Kutter Pflanzen GmbH, Buxacher Straße 105, 87700 Memmingen
Fotograf:
Fotoatelier2 Holtschneider & Peetz, Peter-Lemmer-Weg 5a, Nebengebäude, 53797 Lohmar

Burkhard Wegener, Frank Flor, Jörg Homann und Götz Klose
Prof. Dipl. Ing. Burkhard Wegener
Autor

Mitglied der Geschäftsführung bei der club L94 Landschaftsarchitekten Gmbh, zudem ist er Honorarprofessor im Fachbereich Architektur der Hochschule Bochum, Fach: Garten- und Freiraumplanung

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Landschaftsarchitekt AKNW

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Landschaftsarchitekt AKNW

Dipl. Ing. (FH) Götz Klose
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Landschaftsarchitekt, Mitglied der Geschäftsführung bei club L94 Landschaftsarchitekten

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