Verkehrssicherungspflicht

Entzug der Verfügungsgewalt über ein Grundstück

Verkehrsicherungspflicht Recht und Normen
…und ihm nur noch eine rein formale Rechtsposition im Sinne einer vermögensrechtlichen Zuordnung – hier das Rechtsgut des Eigentums – verbleibt. Foto: Manuel Krüger-Krusche, CC BY-SA 3.0

Mit Urteil vom 13.11.2017, Az.: VI ZR 395/16 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass Verkehrssicherungspflichten für den Eigentümer eines Grundstücks dann nicht bestehen, wenn ihm die tatsächliche Verfügungsgewalt über das Grundstück gegen oder ohne seinen Willen entzogen wird und ihm nur noch eine rein formale Rechtsposition im Sinne einer vermögensrechtlichen Zuordnung - hier das Rechtsgut des Eigentums - verbleibt.

Dem Fall lag der Sachverhalt zugrunde, dass der Kläger sein Auto auf dem Grundstück des Beklagten geparkt hatte. Von einem Baum, der auf dem Grundstück stand, fiel ein Ast auf das Auto und beschädigte die Karosserie.

Bereits zuvor war jedoch dem Beklagten der Besitz an dem Grundstück entzogen worden und die Bundesrepublik Deutschland war gemäß § 18 f FStrG in dem Besitz des Grundstücks eingewiesen worden.

Der Kläger argumentierte, ungeachtet dessen hafte der Beklagte für den Ersatz der Reparaturkosten. Dieser Klage wurde zunächst vom Landgericht stattgegeben, die Berufungsinstanz wies die Klage jedoch ab. Die dagegen eingelegte Revision zum Bundesgerichtshof war erfolglos.

Der Bundesgerichtshof stellte klar, dass für einen Anspruch aufgrund einer Verkehrssicherungspflichtverletzung eine solche Verkehrssicherungspflicht zunächst bestehen muss. Demnach muss grundsätzlich derjenige, der die Verfügungsgewalt über ein Grundstück ausübt, dafür sorgen, dass von dort stehenden Bäumen keine Gefahr für die Rechtsgüter anderer - zum Beispiel für auf öffentlichen Verkehrsflächen oder benachbarten Privatgrundstücken parkende Fahrzeuge - ausgeht.

In Wiederholung seiner bisherigen Rechtsprechung präzisierte er diese Anforderungen dahingehend, dass der Baumbestand in angemessenen Zeitabständen zum Beispiel auf Krankheitsbefall oder Äste, die herunterfallen könnten, zu überwachen ist.

Soweit jedoch eine Gefahrenquelle dem Einfluss des ursprünglichen Verkehrssicherungspflichtigen ganz entzogen werde, ergebe sich eine neue Zuständigkeitsverteilung. Für die haftungsrechtliche Zurechnung komme es vor allem darauf an, wer in der Lage sei, die zur Gefahrenabwehr erforderlichen Maßnahmen effektiv zu treffen.

Davon ausgehend, hält der Bundesgerichtshof primär den Inhaber der tatsächlichen Verfügungsgewalt für verkehrssicherungspflichtig. Werde, wie in dem vorliegenden Fall, die tatsächliche Verfügungsgewalt über eine Gefahrenquelle gegen oder ohne den Willen des ursprünglich Verkehrssicherungspflichtigen entzogen und verbleibe diesem nur eine formale Rechtsposition im Sinne einer vermögensrechtlichen Zuordnung (Eigentum), so reiche dies für die Begründung einer deliktischen Haftung nicht aus. Davon sei der Fall zu unterscheiden, dass sich der Verkehrssicherungspflichtige freiwillig seine Einwirkungsmöglichkeiten auf die Gefahrenquelle entledige.

Hier fand eine vorzeitige Besitzanweisung der Bundesrepublik Deutschland in das Grundstück des Beklagten statt, denn dieses wurde für eine Fernstraßenbaumaßnahme benötigt. Deshalb wurde dem Beklagten der Besitz an dem Grundstück entzogen und dem Träger der Straßenbaulast übertragen. Dem Beklagten wurde mit anderen Worten durch eine hoheitliche Maßnahme die Sachherrschaft und damit die Einwirkungsmöglichkeit auf das Grundstück entzogen und gleichzeitig die diesbezügliche Verkehrssicherungspflicht der in den Besitz eingewiesenen Bundesrepublik Deutschland übertragen.

Der Beklagte hätte die Bundesrepublik Deutschland auch nicht hinsichtlich der Erfüllung ihrer Verkehrssicherungspflichten überwachen müssen, denn dazu hätten ihm neben der tatsächlichen Verpflichtung auch die rechtlichen Einwirkungsmöglichkeiten gefehlt.

Das Urteil zeigt, dass zwischen Fällen der freiwilligen Aufgabe des Besitzes etwa durch Vertrag und damit einhergehender Übertragung der Verkehrssicherungspflichten und unfreiwilligem Besitzverlust durch Hoheitsakt zu unterscheiden ist. Bei ersterem verbleiben dem ursprünglichen Besitzer bei wirksamer Übertragung der Verkehrssicherungspflicht gegebenenfalls dennoch Überwachungspflichten. Bei letzterem, wie etwa der Anordnung der Zwangsverwaltung über eine Sache oder der Widmung zum Gemeingebrauch, ist dies nicht der Fall.

Dr. Normen Crass, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht,SMNG Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

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