Inventarisierung von Grünflächen der 1950er- und 1960er-Jahre

Erfassen - gegen das Vergessen

von:
Gartendenkmalpflege
Gartendenkmalpflege
Beispiel einer Erfassungs-/und Inventarisierungskartei für historische Gärten - hier die Anlage des Schlosses Oberhausen -, nach deren Prinzip auch eine Erfassung von Gärten und Parks der50er-/60er-Jahre vorgenommen werden kann.

"Bei uns gibt es keine historischen Gärten und Parks aus diesem Zeitraum". Nur zu oft kann man diese, wenn auch nicht repräsentative Äußerung - auch von Mitarbeitern der Grünflächenämter - hören. Es stimmt nachdenklich, wenn Berufskollegen, diese Aussage treffen. Die Denkmalpflege bemüht sich zwar, Garten- und Baudenkmäler vergangener Epochen zu erfassen und einige auch zu erhalten oder wieder herzustellen. Dagegen sind bis heute von den zuständigen Ämtern und Behörden bis auf wenige Ausnahmen fast keine Anstrengungen unternommen worden, die wichtigen Zeitzeugen der 1950er- und 1960er-Jahre zu katalogisieren und zu konservieren. Es ist somit nicht bekannt, wie viele gartenhistorisch wertvolle Anlagen, heute überhaupt aus dieser Zeit noch existieren.

Obwohl die "Charta der historischen Gärten", genannt "Charta von Florenz"¹, aus dem Jahre 1981 den "Trägern politischer Verantwortung" ein Interesse für historische Gärten und Parks abfordert, beschränkt sich die Gartendenkmalpflege in Deutschland auf einige wenige Vorzeigeobjekte und kann daher als Stiefkind der Verwaltungen und der Öffentlichkeit angesehen werden.

Diese Tatsache hat den GALK-Arbeitskreis "Kommunale Gartendenkmalpflege" veranlasst, den Wert dieser kommunalen Grünflächen mehr ins Bewusstsein zu rücken. Ziel ist es, sie nicht nur unter Erholungs- und städtebaulichen Aspekten zu betrachten, sondern auch den Zeugniswert der Anlagen für die Entwurfs- und Planungskultur sowie den ihnen eigenen gartenkulturellen Wert zu erkennen und herauszuarbeiten.

Diese Grünanlagen, in den Anfangsjahren der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik aus dem Schwung und Aufbauwillen der Nachkriegszeit entstanden, sind ein Spiegelbild des Zeitgeistes jener Jahre. Ebenso spiegeln sie den gesellschaftlichen Stellenwert wieder, den Garten- und Parkanlagen - und damit nicht zuletzt auch Gartenämter in dieser Zeit hatten. Viele dieser Anlagen wurden in späteren Jahren, insbesondere in den 1970er- und 1980er-Jahren, bereits wieder überformt, verändert, "modernisiert". Erst in letzter Zeit wird man sich zunehmend der Qualitäten dieser Anlagen wieder bewusst: ihr spielerischer, experimentierfreudiger Umgang mit neuem Material wie Stahlrohr, Eternit und Glas, Kombinationen aus Natur- und Betonstein. Das Wissen darüber ist jedoch recht dürftig.

Als ersten Schritt gegen das Vergessen hat der Arbeitskreis zum 50-jährigen GALK-Jubiläum eine Umfrage nach den Gartenamtsleitern durchgeführt, die seit 1945 oder seit Gründung der GALK 1958 in den beteiligten Gartenämtern tätig waren. Und ergänzend um Nennung von Anlagen aus der Zeit gebeten. Mit dem oben beschriebenen "Erfolg". Da die Kenntnis über das Vorhandensein aber der erste Schritt gegen ein Vergessen ist, will der Arbeitskreis eine Bestandserfassung der Anlagen aus der angesprochenen Epoche initiieren und gemeinsam mit den Mitgliedskörperschaften der GALK erarbeiten und durchführen.

Die derzeitige Praxis der Erfassung von historischen Gärten und Parkanlagen in Deutschland stützt sich auf verschiedene methodische Ansätze, die in Bezug auf den erforderlichen Aufwand und die Aussagekraft erhebliche Unterschiede aufweisen.

Erfassungsmethoden

Listenmäßige Erfassung

Alle Freiraumtypen werden flächendeckend mit Ort, Anschrift und Art des Objektes in Listen verzeichnet. Eine bau- und stilgeschichtliche Kurzbeschreibung ergänzt die Angaben.

Der für die Erfassung je Objekt erforderliche Aufwand ist relativ gering. Die Listen geben nur eine grobe Übersicht über die möglicherweise zu schützende historische Substanz, ermöglichen aber eine schnelle flächendeckende Bestandsaufnahme aller Anlagen². Ein Beispiel für die Erfassung in Listen ist die Veröffentlichung des Deutschen Heimatbundes "Erfassung der historischen Garten- und Parkanlagen in der Bundesrepublik Deutschland" zu nennen.

Kurzinventar

Im Vergleich zur Erfassung in Listen stützen sich Kurzinventare auf eine ausführlichere wissenschaftliche Bearbeitung der historischen Substanz. Sie erhalten eine kurze Beschreibung der Objekte, zum Teil mit Skizzen, verzichten jedoch auf eine wissenschaftliche Dokumentation. Kurzinventare stellen knapp und übersichtlich eine "Überbrückung" bis zur Erstellung von Inventaren dar³.

Inventar

Die wissenschaftlich dokumentierende Methode, auch topologische Methode genannt, entspricht den "klassischen" Kunst- und Baudenkmalinventaren. Sie umfasst eine wissenschaftliche Beschreibung des Objektes unter Berücksichtigung seiner historischen Entwicklung bis zur Gegenwart dar und verweist zudem auf Bildquellen, Archivalien und Literatur. Dabei wird auch der Bezug der Gartenanlage zum Gebäude und zur Umgebung berücksichtigt4. Diese Methode stellt in der Gartendenkmalpflege das Optimum der Erfassung dar.

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Das Erfassungssystem

Bei der Bestandsaufnahme der historischen Gärten und Parks der 1950er- und 1960er-Jahre kann das beim Regionalverband Ruhr gemeinsam mit der Fachhochschule Weihenstephan und der ehemaligen Universität - Gesamthochschule Essen gemeinsam erarbeitete und abgestimmte System zur Erfassung der historischen Gärten und Parks im Ruhrgebiet verwendet werden5. Diese Bestandserfassung entspricht der beschriebenen klassischen Kunst- und Baudenkmalinventarisierung.

Die Erfassungskartei

Der "Kopfteil" eines jeden Karteiblattes enthält Angaben zu den Punkten:

  • Objektbezeichnung
  • Freiraumtyp nach dem Schlüsselsystem für Freiraumtypen6
  • Kommune/Ortsteil
  • Straße
  • Eigentümer

Unter dem Punkt "Lage/Topografie" kann ein Ausschnitt aus der Deutschen Grundkarte im Maßstab 1: 5000 oder eine Verkleinerung im Maßstab 1: 10.000 eingefügt werden, in dem die Abgrenzung des Objektes markiert ist.

Unter "Aufnahme" werden der Name der Bearbeiterin/des Bearbeiters und das Aufnahmedatum eingefügt.

Unter "Objektgeschichte" werden in wenigen, kurzen, knappen Sätzen die geschichtliche Entwicklung der erfassten Anlage und der Zusammenhang mit der historischen Entwicklung eventuell vorhandener Gebäude aufgezeigt.

Der Punkt "Realisierung" enthält, soweit es Hinweise gibt, das Entstehungsjahr, die an der Realisierung des Objektes beteiligten Bauherrn und die Mitwirkung von Architekten, Gartenarchitekten, Künstlern und Handwerkern.

Unter "Rechtschutz" werden stichwortartig die Aussagen der Denkmalliste, des Landschaftsplanes und/oder weiterer verbindlicher Planungen und/oder Verordnungen zusammengefasst.

Im Abschnitt "Bemerkungen" werden Hinweise auf Erstellung von Parkpflegewerken oder Entwicklungskonzepten und mögliche Erweiterungen zum Schutz des Objektes gegeben.

Das Kapitel "Quellen, Literatur" enthält eine Auflistung, der bei der Erfassungsarbeit verwendeten Literatur, mündlichen Quellen, Archive und sonstigen Fundorte, die über Material zur jeweiligen Anlage bergen. Darüber hinaus werden die Archive benannt, in denen weiteres Material über das erfasste Objekt zu erwarten ist, die aber im Rahmen der Erfassungsarbeiten nicht aufgesucht werden konnten.

Eine ausführliche Beschreibung, welche die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der Garten- und Parkanlage, ihren heutigen Zustand sowie eine Beurteilung oder Bewertung umfasst, befindet sich im Abschnitt "Anlagenbeschreibung".

Eine Sammlung historischen und aktuellen Text-, Plan- und Bildmaterials im Abschnitt "Anlagen zur Kartei" komplettiert die Gesamtdokumentation.

Schlussbemerkung

Viele der Grünanlagen aus den 1950er- und 1960er-Jahren sind in Deutschland allein dadurch gefährdet, dass sie entweder unbekannt sind und/oder als nicht wertvoll eingeschätzt werden. Die Abnahme der historischen Freiräume aus dieser Zeitepoche ist nicht nur durch Inanspruchnahme von Grund und Boden und durch Versäumnisse und Fehler beim Umgang mit diesen Anlagen gekennzeichnet, sondern auch durch zunehmende Rigorosität bei der Durchsetzung konkurrierender Nutzungsansprüche und ökonomischer Interessen, öffentliches Desinteresse und fachliche Geringschätzung und Inkompetenz hervorgerufen worden.

Um dieser Entwicklung entgegenzusteuern muss eine Bestandserfassung, wie sie der GALK Arbeitskreis "Kommunale Gartendenkmalpflege" initiiert als erster Schritt zu einer wirksamen, nachhaltigen Gartendenkmalpflege durchgeführt werden.

Es ist vorgesehen, die Erfassungsformulare und die Liste der Freiraumtypen nach Erika Schmidt auf der Webseite der GALK, Arbeitskreis Kommunale Gartendenkmalpflege, als Download zu veröffent-lichen.


Literatur

1) Charta der Historischen Gärten, genannt "Charta von Florenz" in: Das Gartenamt 35, Juli 1986, S. 413-415.

2) Nehring, Dorothee: Erfassen und Inventarisieren historischer Gärten und Freiräume in: Hennebo, Dieter (Hg.): Gartendenkmalpflege, Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 1985, S. 106-119, hier S. 107.

3) Vgl. ebd.

4) Vgl. ebd.

5) Vgl. Gaida, Wolfgang: Erfassung und Maßnahmen zum Schutz und Erhalt kulturell wertvoller Garten- und Parkanlagen im Ruhrgebiet, in: Westfälisches Amt für Landschafts- und Baukultur, Beiträge zur Landschafts- und Baukultur in Westfalen-Lippe, Heft 4 (Hg.): 1. Symposium zur Gartenkunst in Westfalen-Lippe in Bad Driburg am 5. Juli 2002, S. 37-50.

Muschiol, Ulrich: Erfassung historischer Garten- und Parkanlagen in der Stadt Hagen und im Ennepe-Ruhr-Kreis, Iserlohn, 1994, S. 1.

6)Schmidt, Erika: Stadtparks im Ruhrgebiet als "Denkmäler", in: Kommunalverband Ruhrgebiet/Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftspflege e. V. (Hg.): Fachtagung Historische Freiräume und Denkmalpflege 8./9. Oktober 1980, Essen 1981, S. 101-130, hier S. 121.

Dipl. Ing. Wolfgang Gaida
Autor

Landespflege - Ehemals beim Regionalverband Ruhr (RVR) als Leiter RVR-Besucherzentrum Emscher Landschaftspark in Oberhausen tätig

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