Im Freiraum spielen

Erkundungen zwischen Gewöhnlichkeit und Experiment

Gartengestaltung und Grünflächengestaltung
Spielen im Freiraum findet nicht nur in dafür ausgewiesenen Räumen statt. Spielen ist vielmehr eine bestimmte Art der Bewegung im Freiraum, die sich zwischen gewöhnlichen und experimentellen Bewegungen aufspannt. Foto: Juliane Ketzer

Es ist sinnvoll sich damit zu beschäftigen, wie Kinder im Freiraum spielen. Gleiches gilt für sportliche Aktivitäten von Jugendlichen, Senioren oder anderen Bevölkerungsteilen.¹) Allerdings stellt sich die Frage, ob dabei auch hinreichend das Spielen im Freiraum bedacht wird, das außerhalb von Spiel- oder Sportbereichen stattfindet. Osnabrücker Studierende aus dem Bereich Landschaftsarchitektur sind dieser Frage - in Kooperation mit dem Landschaftsarchitekturbüro Vogt Landschaft - im Rahmen einer Kurzexkursion in Berlin im Juni 2013 nachgegangen.²)

Die Frage allgemeiner und als These formuliert: Bestimmte leibliche Bewegungen im Freiraum, die sich - so könnte man abstrahieren - zwischen gewöhnlichen und experimentellen Bewegungen aufspannen, werden beim Entwerfen von Freiräumen nur in einem beschränkten Maß berücksichtigt. Was ist darunter zu verstehen? Welche Bewegungen sind gemeint? Gewöhnliche Bewegungen erhalten einen Impuls beispielsweise von plötzlich auftretenden Dingen: die Pfütze auf dem Gehweg, der Poller auf der Platzfläche. Es sind Hindernisse, die uns in einem Augenblick eine Bewegung abverlangen. Sie werden weniger reflektiert, sondern vielmehr vollzogen. Es sind vertraute Bewegungen oder spielerische Momente, die leiblichen Reflexen ähneln. Anders verhält es sich mit Bewegungen, die ausdrücklich bewusst getätigt werden. So balancieren wir auf Bordsteinen, oder nehmen die dreistufige Treppe mit einem Satz. Hierbei handelt es sich nicht um Hindernisse, sondern um Schwellen. Sie drängen oder motivieren uns, sie zu überschreiten. Probieren wir uns an den Schwellen, begeben wir uns auf ungewohntes Terrain. Dabei verlassen wir das Gewöhnliche und unternehmen Experimente - wir Spielen. Der Begriff des Spielens wird also gedehnt. Damit er nicht überdehnt wird, müssen Differenzen herausgearbeitet werden. Im Rahmen der Exkursion haben wir uns auf vier beschränkt. Sie wurden als "Entwurfsansätze" zum Thema Spiel aufgefasst und anhand von Landschaftsarchitekturen aus Berlin diskutiert:³)

Spielen im multifunktionalen Raum

Ein Gedanke dieses Ansatzes ist, dass die Bedürfnisse des Menschen so vielfältig sind, dass vom Entwerfer wenig beeinflusst werden kann, was in einem Raum gespielt wird. Deshalb seien multifunktionale Räume notwendig. Dabei wird sich dem Mittel der Reduktion bedient. Bauliche Elemente werden so sparsam eingesetzt, dass ein Raum entsteht, der möglichst verschiedene Spielmöglichkeiten eröffnen soll. Dieser Ansatz ist weit verbreitet. Er scheint zum Beispiel in Teilbereichen (!) des Parks am Gleisdreieck, in Form von großen Wiesenflächen, vertreten worden zu sein.

Spielen in "raumergreifender" Situation

Ein anderer Ansatz besteht darin, dass der Raum so stark mit materieller Substanz gegliedert wird, dass viele Spielmöglichkeiten ausgeschlossen, dafür aber bestimmte besonders ermöglicht werden. Als Beispiel wurde hier das Denkmal für die ermordeten Juden Europas ausgemacht:4) Dieser Raum ist nicht multifunktional zu nutzen, da er stark strukturiert ist. Er rückt einem gewissermaßen so auf den Leib, dass sich der "raumergreifenden" Situation nur schwer entzogen werden kann.

Spielen als implizites Motiv eines Entwurfs

Das Spielen ist in diesem Ansatz ein implizites Motiv des Entwurfs: Eine Mauer wird beispielsweise so konstruiert, dass sie zwar ihre Funktion erfüllt, aber zugleich so gestaltet ist, dass das Ballspiel "Wandschießen" ermöglicht wird. Für diesen Ansatz konnte kein Werk eindeutig und exemplarisch ausgemacht werden. Hinweise sind allerdings zum Beispiel im Tilla-Durieux-Park mit seinen geneigten Wiesenflächen und langen Wippen zu finden.

Spielen im Rahmen des Struktur-Inhalt-Prinzips

Bei diesem Ansatz ordnet sich das Spiel dem "Struktur-Inhalt-Prinzip" unter. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Aufgabe des Entwerfers darin besteht, Strukturen zu schaffen, die unterschiedlich gefüllt werden können.5) Dabei werden Räume für das Spielen freigehalten, wobei im ersten Schritt vage bleibt, ob und gegebenenfalls was für ein Spielen dort stattfinden könnte. Gut ablesbar ist dieses beispielsweise im Hans-Baluschek-Park. Entlang einer Promenade werden vier gleichgroße Flächen vorgesehen, auf denen Aktivitäten stattfinden können - darunter auch das Spielen. Die Struktur ist definiert, der Inhalt ist austauschbar. Diese vier Ansätze müssten selbstverständlich stärker differenziert, bestimmten Strömungen zugeordnet sowie die Begriffe geschärft werden. Auch sind noch zahlreiche weitere Ansätze auszumachen. Dennoch legen sie bereits eine Spur, die das Nachdenken über das Spielen im Freiraum erweitern könnten.6) Generell geht es dabei um eine Sensibilisierung für eine bestimmte Art, wie sich der Mensch im Freiraum bewegt. Landschaftsarchitekten sollten hier äußerst aufmerksam sein, wollen sie die feinen Abstufungen der leiblichen Bewegung im Freiraum nicht unachtsam übergehen.

Sebastian Feldhusen

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