Zur Bedeutung von Treppen als Sozial- und Erlebnisraum in der Stadt

Exklusiv oder Inklusiv?

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Treppen Öffentlicher Raum und urbanes Grün
Treppen sind autofreie Rückzugsorte, hier in Rom auf dem Kapitolshügel. Foto: Ingrid Schegk

In Städten, die sich im bewegten Gelände entwickelt haben, gehören Treppenaufgänge und Freitreppen zu den prägenden Elementen des Stadtraums. Oft stellen sie die letzten Referenzen der ursprünglichen Topographie dar. In Abhängigkeit von ihrer Entstehungsgeschichte und -intention tragen Treppen als Identifikatoren zur Einzigartigkeit der Städte bei und haben sich zu mehr oder weniger bekannten, auch touristischen Anziehungspunkten entwickelt. In der Rangliste der berühmtesten, meistabgebildeten und bestuntersuchten Aufstiege dürfte wohl die Spanische Treppe in Rom, die von der Piazza di Spagna zur Kirche Santa Trinità dei Monti hinaufführt, ganz weit obenliegen. Aber auch Anlagen wie die vom Jugendstil geprägte Strudlhofstiege in Wien oder die aus etwa der gleichen Zeit stammende Scala dei Giganti in Triest - beide vom Rokoko-Charme der Spanischen Treppe inspiriert -, die 'Montagne de Beuren' im Belgischen Lüttich, die Domtreppe in Helsinki, die Potemkin'sche Treppe in Odessa und viele andere mehr prägen den stadträumlichen Kontext und die urbane Identität.

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Treppen Öffentlicher Raum und urbanes Grün
Die steile Domtreppe am Senatsplatz in Helsinki mit Stufen aus rotem Turku-Granit. Foto: Ingrid Schegk
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Aufstieg ins Grüne: Die über einem Verkehrstunnel angelegte Jugendstiltreppe „Scala dei Giganti“ in Triest. Foto: Ingrid Schegk
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Unten Treppe, oben Rampe: Die Strudlhofstiege in Wien mit ihren Podesten und Brunnen. Foto: Ingrid Schegk

Als Einzelobjekt weniger bekannte Treppen geben der Stadtlandschaft in ihrer Gesamtheit ein Gesicht wie in Wuppertal, Lissabon, Sarajewo oder im Pariser Montmartre, wie die Stuttgarter "Stäffele" oder die Treppen der Jahrtausende alten jordanischen Hauptstadt Amman.

Unter der allgegenwärtigen Prämisse barrierefreien und inklusiven Bauens werden Treppen oft vorrangig hinsichtlich ihrer Wirkung als Hindernis und Barriere beurteilt - insbesondere dann, wenn sie per se keine herausragende baukulturelle Bedeutung repräsentieren. Dabei wird oft vergessen, dass eine Vielzahl von Barrieren im öffentlichen Raum - im Sinne von Schikanen für schwächere oder motorisch, sensorisch oder kognitiv eingeschränkte Verkehrsteilnehmer - durch die funktionale Zergliederung und autogerechte Organisation des öffentlichen Raums entstanden ist. Abseits von Fußgängerzonen und "Shared-space"-Konzepten sind Treppen bis heute vielfach die einzigen, komplett autofreien Rückzugsorte innerhalb des urbanen Erschließungssystems, die zudem eine Entschleunigung im besten Wortsinn bewirken und durch Aus- und Überblicke eine direkte Orientierung im städtischen Gefüge ermöglichen.

Treppe und Evolution - zur Entstehung von Stufen und Treppen

Die Erforschung der Entstehung der Treppe und der Gründe für die Anlage von Treppen führt zu den Anfängen menschlicher Evolution zurück. Der Treppenforscher Friedrich Mielke erklärt die Erfindung der Treppe mit der einsetzenden "Arbeitsteilung von Armen und Beinen" beispielsweise beim Halten von Gegenständen mit den Händen oder Tragen von Lasten in der Fortbewegung des aufrecht schreitenden Homo sapiens. Ab einer bestimmten Gelände- oder Hindernisneigung wird dies immer schwieriger bis unmöglich. Die Gewichtskraft ist größer als die Reibungskraft, ohne den sichernden Griff der Hände verlieren die Füße ihren Halt. Bereits mit dem "Übergang vom Vierbeiner zum Zweibeiner" begann daher "die Herstellung von gestuften Hilfsmitteln zur Überwindung von Höhenunterschieden" (Mielke: 2008: 20). Das Zerlegen von steilen Wegeabschnitten in viele kleine Stufen, die jeweils aus senkrechten, leicht zu überwindenden Steigungshöhen und waagerechten, rechtwinklig zur Gewichtskraft ausgerichteten Auftritten bestehen, gehört somit zu den evolutionären Urstrategien der fußläufigen Barrierefreiheit. In der Architektur ermöglichte dieses simple, auf dem Naturgesetz der Schwerkraft basierende Prinzip das übereinander Stapeln von Geschoßen und Nutzungsebenen, in der Landschaft die Bewirtschaftung von Terrassen im zuvor steil geneigtem Gelände und in der Stadt die Besiedlung und direkte, vergleichsweise platzsparende Erschließung von begünstigten Lagen auf Hängen und Hügeln. Dabei wurden die Treppenläufe nicht immer einfach geradlinig in die Falllinie gelegt, sondern sind durch Podeste gegliedert, perspektivisch verjüngt, geteilt, in Bögen geschwungen oder als kegelförmige Rundtreppe ausgebildet wie die berühmte Renaissance-Erfindung Donato Bramantes für den Belvederehof des Papstpalastes (Morsbach et al.: 2012: 86). In diesem Sinne stellen Freitreppen häufig eindrucksvolle Symbiosen aus der vorgegebenen Topographie und der baustilistisch begründeten Reaktion darauf dar.

Treppen Öffentlicher Raum und urbanes Grün
Bramantes Rundtreppe nachempfunden: Doppel-Kegeltreppe in Neapel. Foto: Ingrid Schegk
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Die dicht besiedelte, auf sieben Hügeln entstandene jordanische Hauptstadt Amman ist reich an Treppen, hier genutzt zum Gebet. Foto: Maroulla Shami
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… und weist dementsprechend zahlreiche Treppenaufgänge und Treppenwege auf. Foto: Ingrid Schegk
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Die Stadt Sarajewo ist von Hügeln umgeben … Foto: Ingrid Schegk

Treppe und Interaktion - Treppenals Orte der Nutzung

Als Element des urbanen Erschließungs- und Freiraumsystems haben Treppen hybriden Charakter: Sie vereinen Wesenszüge von Wegeverbindungen und Bewegungsräumen und von Plätzen zum Verweilen und Kommunizieren. Ihre Morphologie ermöglicht eiliges Hinauf- oder Hinabsteigen, kurzes Stehenbleiben und Ausschauhalten ebenso wie Platznehmen und Ausruhen. Je nach Gestaltung, Bedürfnis und Situation kann die Treppe so zur Passage, zur Bühne oder zur Tribüne werden. Eine bereits aus den späten 1970er-Jahren stammende sozialwissenschaftliche Untersuchung zur vielfältigen Nutzung und Aneignung der Spanischen Treppe beschreibt dies anhand folgender Aussagen: "Man braucht fünf Minuten bis man von unten nach oben kommt. Viele Leute brauchen Stunden dazu, weil sie auf jedem zweiten Podest stehen bleiben, sich auf die Stufen setzen, schwatzen." "Manche machen ihren Mittagsschlaf auf der Treppe. Oder träumen. Oder hören Musik…". Freilich bieten nicht alle Freitreppen vergleichbare Potenziale wie diese besondere Anlage, deren revolutionäre Konzeption in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts sich nicht am Vorbild anderer bestehender, steiler Kirchenaufstiege und "Himmelstreppen" orientiert, sondern vielmehr an der geschwungenen Hafenanlage des 1704 eröffneten barocken Tiberhafens Porto di Ripetta und bewusst auf eine genussvolle Frequentierung ausgerichtet wurde (Günter et al.: 1978: 47, 64). Auch ist das durch die Hippie-Bewegung beeinflusste Freiraumverhalten im Italien der 1970er-Jahre nicht grundsätzlich auf jede Alltagssituation in mittel- oder nordeuropäischen Städten übertragbar. Trotzdem wirken die im Rahmen der Studie formulierten Sätze sehr zeitgemäß und unabhängig vom jeweiligen Objekt: "Baukunst ist Inszenierung einer Bühne, in der nicht mehr die Kulissen primär sind, sondern die Schauspieler." "Architektur ist in erster Linie keine Sache, sondern ein Prozess: der Umgang von Menschen miteinander - stimuliert durch Gebautes." (Günter et al.: 1978: 11, 15). Sie gelten heute vielleicht mehr denn je und stehen für eine integrative und partizipative Gestaltung der Stadtlandschaft.

Treppe und Identifikation - der Beitrag von Treppen zur kulturellen Identität

Eine entschleunigende, zur Aneignung und Interaktion einladende Wirkung kann auf größeren Freitreppen immer wieder und nahezu überall beobachtet werden, unabhängig in welcher Klimazone sie liegen und wie sie im Detail gestaltet sind. Auch das Steigen auf Treppen, das erheblich mühsamer als das Gehen in der Ebene ist, steigert das Freiraumerlebnis ganz wesentlich, zumal die Anstrengung oftmals durch einprägsame Ausblicke belohnt wird. Nicht nur deshalb bieten Treppen auch immer wieder einen Rahmen für Kunstprojekte, die die Wahrnehmung anregen und die soziale Identifikation stärken sollen. So wurden beispielsweise im Jahr 2006 "7 Treppen" von den etwa 500 öffentlichen Treppenaufgängen in der Stadt Wuppertal durch namhafte Künstler gestaltet, teilweise unter aktiver Einbeziehung der Anwohner (Morsbach et al.: 2012: 104ff.).

Die vielfältigen Potenziale und die Bedeutung der Treppen für die besondere Identität der auf sieben Hügeln entstandenen und sich heute über 21 Hügel erstreckenden Stadt Amman in Jordanien hat Maroulla Shami im Rahmen ihrer Masterthesis untersucht. Im dicht besiedelten Zentrum der insbesondere auch durch Zuwanderung seit 1930 stark gewachsenen Metropole stellen die zahlreichen topografisch bedingten Treppenaufgänge wesentliche Elemente des Freiraumsystems dar (Shami: 2016: 28ff.). Durch die Ausarbeitung und beispielhafte Anwendung einer Dokumentationsmethodik leistet die Arbeit einen grundlegenden Beitrag zum bestehenden Vorhaben der Stadt, mehr als 200 dieser Treppen baulich instand zu setzen und aufzuwerten (Shami: 2016: 63). Vorgeschaltet wurde im Rahmen einer Umfrage die Bedeutung der Treppen im Bewusstsein und täglichen Leben der Menschen untersucht. Nach Meinung der Befragten zählen die öffentlichen Treppen zu den fünf prägendsten städtebaulichen Elementen Ammans, neben Flachdächern, Steinfassaden, Quartiers- und Nachbarschaftsparks sowie Kreisverkehren. Obwohl weniger als 30 Prozent der Teilnehmer regelmäßig (täglich bis wöchentlich) eine oder mehrere der Treppen benutzen und auch nur einzelne Treppennamen mehreren Befragten bekannt sind, erachten etwa zwei Drittel die Treppen als Bestandteile des kulturellen Erbes, das es zu bewahren gilt, sowie als ästhetisch bedeutende und funktional nützliche Verbindungselemente in der Stadttopographie. Als typische Nutzungen werden Muße, Freizeit und Einkaufen mit den meisten Nennungen, die Funktion als Schul-, Arbeits- und Heimweg und als Platz zum Beten angegeben. Die Auswirkung von Kunstaktionen und -initiativen wie beispielsweise das farbige Bemalen der Stufen wird von etwa zwei Drittel der Befragten positiv beurteilt, wenn gleich nur wenige selbst daran beteiligt waren (Shami: 2016: 58ff.).

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Die Spanische Treppe als Begegnungsraum. Foto: Ingrid Schegk
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Treppen vereinen Wesenszüge von Wegeverbindungen und Verweilplätzen. Zu sehen ist hier der Treppenaufgang in La Coruña, Spanien. Foto: Ingrid Schegk

Treppe und Proportion - Treppen und Stufen im Regelwerk

Beinahe so alt wie die ersten Treppenaufgänge sind die Bemühungen, ihren Stufen ein für den jeweiligen Zweck ideales Maß zu verleihen. Empfehlungen und Regelungen für die Baugestaltung von Gebäudetreppen sind seit der Antike dokumentiert (Morsbach et al.: 2012: 60). Zahlreiche bedeutende Baumeister und Architekten haben dazu geforscht und publiziert. Am bekanntesten dürfte die ergonomisch motivierte Schrittmaßregel zur Stufendimensionierung beziehungsweise -proportionierung (2 s + a = Schrittmaß, wobei s = Treppensteigung(shöhe) und a = Treppenauftritt bedeutet) des französischen Architekten, Ingenieurs und Mathematikers François Blondel (1617-1686) sein, die bei zahlreichen in den letzten drei Jahrhunderten entstandenen Stadttreppen eingehalten wurde und als Bestandteil der einschlägigen deutschen Fach-Norm DIN 18065, die die Treppe als zusammenhängende Folge von mindestens drei Stufen definiert, bis heute Relevanz hat. Dabei wird ein beim Steigen etwas verkürztes Schrittmaß von 650 und in der Norm 590 bis 650 Millimeter angenommen (DIN 18065: 2015: 12).

Bei Freitreppen beziehungsweise Treppen im Freien spielt die bestehende Topographie, in die das Bauwerk eingepasst wird, die wesentliche Rolle bei der Stufendimensionierung. Dieser Tatsache trägt die DIN 18065 Rechnung, indem "Freitreppen im Gelände" im Anwendungsbereich ausdrücklich ausgenommen werden (DIN 18065: 2015: 5). Bei "notwendigen Treppen" im Freien, "die nach den behördlichen Vorschriften (zum Beispiel Bauordnungen der Länder) als Teil des Rettungsweges" gelten, spricht vieles für eine Beachtung der Anforderungen der Norm. Allerdings legt diese für solche Treppen die Treppensteigungshöhe auf 140 bis 190 Millimeter und den Auftritt auf 260 bis 370 Millimeter fest, das Verhältnis aus beiden, das Steigungsverhältnis, dementsprechend auf eine Spanne von 140/370 bis 190/260 (DIN 18065: 2015: 11). Neigungen, die flacher als 1 zu 2,64 bzw. 38 Prozent sind, werden in der Norm als Rampen kategorisiert (DIN 18065: 2015: 19). Dies führt zu der Frage, ab welcher Neigung der Einbau von Stufen - sei es einzeln oder paarweise im geneigten Weg beziehungsweise der gestuften Rampe oder zusammenhängend als Treppenlauf - aus Sicht der Nutzerfreundlichkeit angezeigt erscheint und welche Steigungsverhältnisse geeignet sind. Zwischen der gerade noch als barrierefrei geltenden Norm-Neigung für Verkehrsflächen von sechs Prozent über zehn Meter Länge (DIN 18040-1: 2010: 8 und DIN 18040-3: 2014: 8) und der flachst-möglichen Norm-Treppenneigung von ca. 38 Prozent entsteht offensichtlich ein regelfreier Gestaltungsspielraum für die Konzeption landschaftlicher Stufenrampen und Treppenanlagen. In konsequenter Interpretation der Blondel'schen Formel ist bei Treppenneigungen von 1 zu 5 (20 Prozent) bis 1 zu 3 (33 Prozent) ein entsprechend längeres Schrittmaß anzusetzen. Dahingehende Empfehlungen für Gartentreppen hat der Landschaftsarchitekt Alwin Seifert (1890-1972) schon in den 1960er-Jahren formuliert (Mader: 2004: 94). Fall- und Literaturstudien ergeben, dass die Anwendung der Schrittmaßregel bei Neigungen von etwa 20 Prozent mit einem Schrittmaß von 700 bis 800 Millimeter, bei Neigungen von etwa 25 Prozent mit 670 bis 750 Millimeter und bei Neigungen von zirca 1 zu 3 von 650 bis 700 Millimeter zu angemessenen und bequem empfundenen Treppenproportionen führt.

Treppen Öffentlicher Raum und urbanes Grün
Dialog zwischen Ort und Norm: Treppe aus Stufen mit gerundetem Profil, Unterschneidung und sich verringernder Höhe in der Hamburger Hafencity; zu beachten ist, dass der Radius der Rundung nicht in den Auftritt gerechnet werden darf. Foto: Ingrid Schegk

Als nicht ganz nachvollziehbare Einschränkungen können die Anforderungen der Barrierefreiheit an Treppen interpretiert werden. So heißt es in der DIN 18040-1, die nicht nur für Gebäudetreppen, sondern auch für "Treppen im Bereich der äußeren Erschließung auf dem Grundstück" gilt: "Treppen müssen gerade Läufe haben. Die Treppenlauflinie muss rechtwinklig zu den Treppenstufenkanten verlaufen. Ab einem Innendurchmesser des Treppenauges von 200 Zentimeter sind auch gebogene Treppenläufe möglich." Dabei bieten insbesondere gebogene Treppenläufe eine individuelle Wahlfreiheit zwischen dem steileren Aufstieg mit kleinerem Schrittmaß im inneren und dem flacheren Aufstieg mit längerem Schritt im äußeren Radius. Auch zur Detailgestaltung des Stufenprofils mit Unterschneidungen und zur Einbindung der Stufen ins Gelände werden einschränkende Aussagen formuliert: "Trittstufen dürfen über die Setzstufen nicht vorkragen. Eine Unterschneidung bis zwei Zentimeter ist bei schrägen Setzstufen zulässig." "Setzstufen mit sich verringernder Höhe oder Trittstufen mit sich verjüngender Tiefe, zum Beispiel aus topografischen oder gestalterischen Gründen im Außenbereich, sind nicht geeignet. Dies gilt auch für Einzelstufen." (DIN 18040-1: 2010: 14). Die für Freitreppen einschlägigere DIN 18040-3 setzt offensichtlich Konzepte der klaren Nutzungstrennung voraus, die der urbanen Realität im Freiraumverhalten der Menschen kaum entsprechen dürften. Neben Anforderungen zur Markierung von Stufen und Podesten sowie Anordnung von Handläufen heißt es hier: "Treppen, die nur zum Begehen gedacht sind, sind frei von Einbauten (z. B. Pflanztröge, Sitzgelegenheiten) zu halten." "Bei Treppen, die neben der Begehung auch zum Verweilen bestimmt sind, sind gegebenenfalls vorhandene Einbauten so zu gestalten und zu kennzeichnen, dass sie für blinde und sehbehinderte Menschen rechtzeitig wahrnehmbar sind." Möglicherweise würde unter diesen Prämissen heute keine Spanische Treppe mehr entstehen.

Treppe und Vision - Fazit und Ausblick

Treppen gehören zu den faszinierendsten (Landschafts-)Architekturelementen. Als urbanes Kulturlandschaftselement und vielfältiger Sozialraum sind sie gleichermaßen identitätsstiftend wie integrativ, zumal sie in der Regel ausschließlich den schwächsten Verkehrsteilnehmern, den Fußgängern vorbehalten sind.

Obgleich das Gebiet der Treppenforschung, die Scalalogie, vor allem durch Friedrich Mielke zahlreiche publizierte Studien und Erkenntnisse hervorgebracht hat und inzwischen auch im Friedrich-Mielke-Institut für Scalalogie an der OTH Regensburg verankert ist, erfahren Stadttreppen abseits prominenter Einzelobjekte und Treppenstädte noch verhältnismäßig wenig Aufmerksamkeit in der Fachwelt, von der - selbstverständlich notwendigen - Überprüfung und Konzeption barrierefreier Alternativen einmal abgesehen. Dabei zeigen erfolgreiche Projekte, dass Treppen aufgrund des symbiotischen Zusammenwirkens natürlicher, gebauter und sozialer Komponenten für den öffentlichen Raum und das urbane Zusammenleben für eine Vielzahl von Menschen eine bedeutende Rolle spielen können.

Es ist zu hoffen, dass in diesem Sinne Treppenstädte ihre Potenziale nutzen, sei es nun Ost-Amman oder die smog- und feinstaubgeplagte Stadt Stuttgart, die im Vorfeld und im Rahmen der IBA 2027 Gelegenheit dazu hat, den zahlreichen Treppen ihrer Halbhöhenlagen, Staffeln oder Stäffele genannt, die gemeinsam auf eine Stufenzahl von rund 10.000 kommen dürften, entsprechende Projekte zu widmen.

Normen

DIN 18040-1 Barrierefreies Bauen - Planungsgrundlagen - Teil 1: Öffentlich zugängliche Gebäude, Oktober 2010.

DIN 18040-3 Barrierefreies Bauen - Planungsgrundlagen - Teil 3: Öffentlicher Verkehrs- und Freiraum, Dezember 2014.

DIN 18065 Gebäudetreppen - Begriffe, Messregeln, Hauptmaße, März 2015.

Literatur

Gargulla, Nadja; Christof Geskes (2007): Treppen und Rampen in der Landschaftsarchitektur. Stuttgart.

Günter, Roland; Reinink, Wessel; Janne Günter (1978): Rom, spanische Treppe. Architektur, Erfahrungen, Lebensformen. Hamburg.

Mader, Günter (2004): Freiraumplanung. München.

Mielke, Friedrich (2008): Mensch und Treppe. Scalalogia - Schriften zur internationalen Treppenforschung, Band XVI. Konstein.

Morsbach, Peter; Thekla Schulz; Joachim Wienbreyer, (2012): Die Treppe - Leiter der Sinne. Begleitband zur Ausstellung der Hochschule Regensburg und des Kunst- und Gewerbevereins Regensburg e. V. Regenburger Beiträge zu Architektur, Bauforschung und Denkmalpflege, Band 1. Regensburg.

Schegk, Ingrid (2008): Scalalogie - Treppen als gebaute Topografie. In: Garten und Landschaft, Zeitschrift für Landschaftsarchitektur, Heft 9/2008, S.28-31.

Shami, Marolla (2016): Staircases of East Amman. An Ascent Through Landings of Urban Heritage. Master Thesis an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen und Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, unveröffentlicht, Nürtingen.

Prof. Ingrid Schegk
Autorin

Lehr- und Fachgebiet Baukonstruktion und Entwerfen

Hochschule Weihenstephan-Triesdorf

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