Mehr Artenvielfalt auf Grünland und Äckern

Fairpachten mit Naturschutzmaßnahmen

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Artenvielfalt Landwirtschaft
1 Durch die späte Mahd können artenreiche Wiesen entstehen. Foto: Frank Gottwald

Wie können Grünland und Äcker unserer Kommune naturverträglicher gestaltet werden, um mehr Lebensräume für Arten zu schaffen? Mit dieser Frage beschäftigt sich Bruno Fischer gemeinsam mit seiner Ortsgruppe des NABU (Naturschutzbund Deutschland) in Kirchberg an der Jagst. Zu der kleinen Ortschaft in Baden-Württemberg gehören etwa 50 Hektar landwirtschaftlicher Fläche, überwiegend Grünland, die von der Kommune an Landwirtinnen und Landwirte aus der Umgebung verpachtet werden.

Bruno Fischer und seinen Mitstreitenden liegt viel daran, etwas gegen das Insektensterben und den Rückgang der Artenvielfalt auf den Äckern, Weiden und Wiesen rund um ihren Heimatort zu unternehmen. Eine Möglichkeit dafür ist, ökologische Aspekte bei der Bewirtschaftung der Flächen mehr zu berücksichtigen, zum Beispiel durch eine naturverträglichere Wiesennutzung. Mit diesem Anliegen wandten sie sich im Herbst 2019 an die Stadtverwaltung und alle Gemeinderäte. Einen Tag nach ihrem Vorstoß erfuhr Bruno Fischer zufällig vom Projekt 'Fairpachten': "Als ich den Flyer dazu bekommen habe, dachte ich sofort: Das ist ja genau das, was wir auch wollen! Also schickte ich diesen Flyer direkt an die Stadtverwaltung und den Bürgermeister."

Das Beratungsangebot Fairpachten

Das Projekt Fairpachten der NABU-Stiftung Nationales Naturerbe ist ein kostenloses Beratungs- und Informationsangebot für alle, die landwirtschaftliche Flächen verpachten und sich mehr Natur wünschen. Private Personen mit Grundeigentum, Kommunen und Kirchen, können sich bei Fairpachten darüber informieren, wie sich in Absprache mit ihren Pächterinnen und Pächtern mehr Naturschutz auf Ackerflächen, Wiesen und Weiden umsetzen lässt. So ist es zum Beispiel möglich, in den Pachtverträgen das Anlegen von Ackerrandstreifen mit Wildblumen oder eine naturschonende Bewirtschaftung ohne Pestizide zu vereinbaren. Fairpachten wird im Bundesprogramm Biologische Vielfalt vom Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz gefördert.

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2 Der Verzicht auf Pestizide fördert die Vielfalt von Ackerwildkräutern und Insekten. Foto: Karoline Brandt
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3 Mehrjährige Blühstreifen bieten Nahrung, Rückzugsraum und Brutmöglichkeiten für viele Arten. Quelle: Jochen Goedecke

"Welche Naturschutzmaßnahmen für landwirtschaftliche Flächen sinnvoll sind, hängt von vielen Faktoren ab. Hier kann eine naturschutzfachliche Beratung hilfreich sein", sagt Karoline Brandt, Projektmanagerin von Fairpachten. Im Zentrum der Beratung stehen die individuellen Wünsche der Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer sowie die örtlichen Gegebenheiten. Im persönlichen Gespräch identifizieren die fünf bundesweit aktiven Fairpachten-Regionalberatenden geeignete Naturschutzmaßnahmen und erläutern, was deren Umsetzung in der Praxis bedeutet. Außerdem stellen sie Vertragsvorlagen zur Verfügung und weisen auf geeignete Fördermöglichkeiten hin. Die konkreten Pachtbedingungen handeln Verpachtende und Pachtende aber unter sich aus.

Schutz von Bodenbrütern, Böden und Gewässern

In Kirchberg an der Jagst nahm Bruno Fischer Kontakt mit Fairpachten-Regionalberater Jochen Goedecke auf, schilderte ihm sein Anliegen und lud ihn ein, das Projekt in Kirchberg an der Jagst einmal vorzustellen. In einem gemeinsamen Gespräch mit der Stadtverwaltung, dem Bürgermeister und den Ortsvorstehern erklärte Jochen Goedecke dann, welche Naturschutzmaßnahmen auf den landwirtschaftlichen Flächen in der Kommune Kirchberg möglich wären und wie diese in künftigen Pachtverträgen vereinbart werden können. "Dabei haben wir dann gemerkt, dass die Hürden gar nicht so hoch sind, die wir und die Landwirte nehmen müssen, um mehr Naturschutzmaßnahmen umzusetzen", sagt Stefan Ohr, Bürgermeister von Kirchberg an der Jagst.

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4 Die Wiesen und Weiden der Stadt Kirchberg an der Jagst werden künftig nur noch zweimal jährlich gemäht. Foto: S. Sorg
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5 Die Landwirte in Kirchberg an der Jagst verzichten auf das Ausbringen des Pestizids Glyphosat auf den Ackerflächen der Kommune. Foto: S. Sorg
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6 Die Stadt Kirchberg an der Jagst ist von viel Grünland umgeben. Foto: S. Sorg

Gemeinsam verständigten sie sich schließlich darauf, in neuen Pachtverträgen zu vereinbaren, dass Weiden und Wiesen nur noch zweimal im Jahr und nicht vor dem 15. Juni gemäht werden dürfen. Diese späte Mahd ermöglicht vielen Vogelarten, die bevorzugt in Wiesen brüten, ihre Brut noch vor dem ersten Schnitt großzuziehen, ohne dass ihre Nester durch das Mähwerk zerstört werden. Auch Wiesenpflanzen benötigen ausreichend Zeit für Blüte und Samenbildung, sodass bis Mitte Juni bereits eine Blütenpracht auf der Wiese entstehen kann. Außerdem soll auf Ackerflächen auf das Ausbringen von dem Pestizid Glyphosat komplett verzichtet werden, wodurch das Grundwasser und der Boden geschont, aber auch die Vielfalt von Ackerwildkräutern, Insekten und Feldvögeln gefördert werden. Um auch die Landwirtinnen und Landwirte von dem gemeinsamen Anliegen zu überzeugen, wurden die Ortsvorsteher aktiv in den Prozess miteingebunden. Da im Ortsteil Lendsiedel die Neuverpachtung aller landwirtschaftlichen Flächen noch im selben Jahr anstand, setzte sich Bruno Fischer sofort mit Ortsvorsteher Bernhard Röder, der selbst auch Landwirt ist, zusammen. Gemeinsam überlegten sie, auf welchen Flächen die Maßnahmen sinnvoll sind. Dann suchte Bernhard Röder das Gespräch mit den anderen Landwirtinnen und Landwirten: "Es war ganz wichtig, dass er auf sie zugegangen ist, mit ihnen geredet und alles erklärt hat", sagt Stefan Ohr. "Das war sicher einer der Gründe, warum das hier alles so gut geklappt hat." Auch bei der öffentlichen Verpachtungsaktion, bei der alle Landwirtinnen und Landwirte dabei sind, warb Bernhard Röder noch einmal sehr offensiv für die Naturschutzmaßnahmen - mit Erfolg: Alle, die die zur Verfügung stehenden Flächen neu gepachtet haben, stimmten zu, die Mahdtermine einzuhalten und auf Glyphosat zu verzichten.

Im letzten Jahr liefen auch in den Ortsteilen Gaggstatt und Kirchberg einige Pachtverträge aus. Auch hier vereinbarte die Kommune die naturverträglichere Bewirtschaftung in den neuen Pachtverträgen mit den Pachtenden. Zusätzlich wurden bei einem Teil der Flächen in Kirchberg mit Hilfe einer Förderung des Landschaftserhaltungsverbandes mehrjährige Blühstreifen angelegt, die Nahrung, Rückzugsraum und Brutmöglichkeiten für viele Arten bieten. Insbesondere Wildbienen und Schmetterlinge profitieren von der bunten Pracht. Bruno Fischer und Bürgermeister Stefan Ohr sind zufrieden. "Wir sehen das auch für die Zukunft als Modell, das wir das so weiterverfolgen können", sagt Stefan Ohr.

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7 Stefan Ohr, Bürgermeister der Stadt Kirchberg an der Jagst. Foto: Stefan Ohr

Ein Paradies für Insekten in Soest

Ähnlich erfolgreich verlief die Verhandlung um eine Bewirtschaftung unter Berücksichtigung von Naturschutzmaßnahmen auf kommunalen landwirtschaftlichen Flächen in der Stadt Soest in Nordrhein-Westfalen.

Mit vielen Fragen rund um geeignete Naturschutzmaßnahmen für die rund 60 Hektar Land der Stadt wandte sich Ulrich Günther, damaliger Klimaschutzbeauftragter der Stadt, im Jahr 2018 an Fairpachten: Nach einem intensiven Austausch per Telefon mit dem damals zuständigen Fairpachten-Regionalberater bekam dieser die Möglichkeit, das Projekt und passende Naturschutzmaßnahmen beim Ausschuss für Umwelt, Natur- und Klimaschutz der Stadt Soest vorzustellen. Viele Gespräche und Diskussionen später entschied sich der Ausschuss für den Verzicht auf Pestizide und für mehr biologische Vielfalt. Auch der für die städtischen Liegenschaften zuständige Betriebsausschuss der Zentralen Grundstückswirtschaft stimmte zu und beschloss ein umfangreiches Maßnahmenpaket: In neuen Pachtverträgen wird mit den Landwirtinnen und Landwirten nicht nur der Verzicht auf Glyphosat, sondern auch eine mehrgliedrige Fruchtfolge auf Ackerstandorten vereinbart. Abgerundet wird das Paket durch 10 Meter breite, mehrjährige Blühstreifen, die zukünftig an jedem Acker angelegt werden. "Wir als Kommune stellen uns mit diesen Vereinbarungen dem Rückgang der Artenvielfalt entgegen", sagt Tobias Trompeter, Abteilungsleiter Immobilienmanagement der Kommunalen Betriebe Soest. Die Abstimmung zwischen der Kommune als Verpächterin und den verschiedenen Landwirten und Landwirtinnen als Pachtende sei ausgesprochen sachlich, zielorientiert und positiv gewesen.

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8 Artenreiche Blühfläche. Foto: Daimler Truck AG, Werk Gaggenau

Für mehr Naturschutz auf kirchlichen oder kommunalen landwirtschaftlichen Flächen können aber auch Bürgerinnen und Bürger aktiv werden: "Alle, die sich mehr Natur auf den Äckern, Weiden und Wiesen von Kommune und Kirche wünschen, sollten auf die Gemeinde- und Kirchenvertretung zugehen und ihnen von unserem Angebot erzählen", sagt Karoline Brandt. "Gemeinsam können dann weitere Schritte geplant werden - Hand in Hand für die Natur."

„UnternehmensNatur“ im Südwesten verwandelt grau in bunt

Viele Wege führen nach Rom. Das gilt auch für die Ansätze der naturnahen Umgestaltung von Flächen und Gebäuden. Ob Sandarium für Insekten, Teich für Amphibien oder die artenreiche Wildblumenfläche: Im Rahmen des Projekts "UnternehmensNatur" haben sich in Baden-Württemberg 2021 bereits 30 Unternehmen zu Fragen der Umgestaltung ihrer Unternehmensflächen beraten lassen.

Dazu bieten NABU und Flächenagentur Baden-Württemberg im Rahmen des vom Umweltministerium des Landes geförderten Projektes eine kostenfreie Beratung für Firmen mit Flächen in Baden-Württemberg an. Das Angebot besteht auch 2022 fort und enthält eine gemeinsame Begutachtung der relevanten Flächen sowie die Entwicklung von Vorschlägen, wie sich das Gelände von eher grau in mehr bunt verwandeln lässt. Wenn Unternehmen mitmachen, erhalten sie außerdem für eine aufbauende Detailplanung einen Beratungszuschuss vom Land.

Kontakt:
Anke Heidemüller, Projektleiterin UnternehmensNatur,
Telefon: 0711-966 72-43,
Mail: anke.heidemüller@NABU-BW.de
Web: baden-wuerttemberg.nabu.de/natur-und-landschaft/aktionen-und-projekte/unternehmensnatur/index.html

Weitere Informationen:

Karoline Brandt, Projektmanagerin Fairpachten
Telefon: 0 30/28 49 84 18 44,
Mail: fairpachten@NABU.de,
www.fairpachten.org
 Jasmin Helm
Autorin

NABU-Stiftung Nationales Naturerbe

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