Zur Rückgewinnung des innerstädtischen Spreekanals als Lebensraum

Flussbad Berlin

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Axonometrie des Projektgebiets. Abb.: realities:united/Flussbad Berlin e.V.

Das Projekt "Flussbad Berlin" hat zum Ziel, den heute weitgehend ungenutzten Spreekanal in Berlin-Mitte zu reaktivieren. Die beiden zentralen Vorhaben stellen die Säuberung des Flusses und die Schaffung eines Zugangs zum Kanalraum und zum Wasser dar. Im Herzen der Hauptstadt, zwischen Humboldt-Forum und Bode-Museum, soll der Kanal als öffentlicher Ort mit gesäubertem Wasser entlang der Museumsinsel Einwohner und Besucher der Stadt zum Schwimmen einladen, im Oberlauf soll das Flusswasser natürlich gereinigt, und der Spreekanal in eine ökologische Wasserlandschaft verwandelt werden.

Die Projektidee wurde bereits 1997 von den Künstlern und Architekten Jan Edler und Tim Edler (realities:united) entwickelt und 1998 erstmalig veröffentlicht. 2011 wurden die Brüder für das inzwischen weiterentwickelte Flussbad mit dem "Lafarge Holcim Award Europe" ausgezeichnet, einem der weltweit wichtigsten Auszeichnungen für nachhaltige Architektur- und Stadtentwicklungsprojekte. Ein Jahr später erhielten sie auf globaler Ebene des Wettbewerbs den Holcim Award in Bronze.

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Schwimmbereich am Pergamonmuseum. Abb.: realities:united/Flussbad Berlin e.V.
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Renaturierter Bereich an der Fischerinsel. Abb.: realities:united/Flussbad Berlin e.V.
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Schwimmbereich am Humboldt-Forum. Abb.: realities:united/Flussbad Berlin e.V.

Motiviert durch diese internationale Anerkennung gründete sich 2012 der gemeinnützige Verein "Flussbad Berlin", der sich für die Realisierung des Projektes einsetzt. 2014/15 ließ der Verein mit Hilfe aus Mitteln der Lotto-Stiftung Berlin eine technische Machbarkeitsstudie durchführen, deren Ergebnisse die grundsätzliche technische Machbarkeit des Projektes bestätigte. Seit 2014 wird das Flussbad Berlin-Projekt als "Nationales Projekt des Städtebaus" vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und von der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen gefördert. 2017 wurde das Flussbad Projekt vom Rat für Nachhaltige Entwicklung mit dem Qualitätslabel "Projekt Nachhaltigkeit" ausgezeichnet.

Drei Projektabschnitte gliedern den Kanal

Der Projektbereich erstreckt sich über den 1,8 Kilometer langen Spreekanal, zwischen Fischerinsel und Bode-Museum. Mit der Verlegung des Schiffsverkehrs auf die Hauptspree verlor der Kanal 1894 seine ursprüngliche Funktion als frequentierter Verkehrs- und Versorgungsweg, mit der Schließung der letzten verbleibenden Schleuse für kleine Sportboote ist seit der Mitte der 1930er-Jahre keine durchgehende Durchfahrt mehr möglich. Der Kanal dient heute fast ausschließlich der Hoch- und Abwasserabfuhr. Das Projekt Flussbad möchte dies ändern und den Kanalraum auf der gesamten Länge als öffentlichen Lebensraum erschließen und das aktive Naturerleben der Menschen in der Stadt fördern. Dafür planen wir, den Kanal in drei Bereiche zu unterteilen:

Im ersten Abschnitt, der sich im oberen Bereich des Kanals an der Fischerinsel befindet, soll der Flusslauf zwischen der Inselbrücke und der Gertraudenbrücke in einen ökologischen Regenerationsraum für Flora und Fauna umgestaltet werden. Entlang einer Ufer begleitenden fußläufigen Erschließung auf schwimmenden Steganlagen sollen dafür begrünte Flachwasserzonen entstehen. In der über mehrere Kilometer im Innenstadtbereich kanalisierten Spree soll so ein sogenannter "ökologischer Trittstein " gebaut werden.

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Filterschnitt. Abb.: realities:united/Flussbad Berlin e.V.

Durch die partielle Entfernung der betonierten Uferwände sollen zudem begrünte Uferböschungen Zugang zum Kanalraum für schaffen und somit die Uferzone in dem durch Wohnnutzung geprägten Gebiet aufwerten.

Im zweiten Projektabschnitt, dem sogenannten Filterbereich, könnte ein Pflanzenfilter in der Höhe der Friedrichsgracht von circa 300 Metern Länge das verschmutzte Wasser reinigen. In diesem Filter wird - angetrieben allein durch den Niveauunterschied am existierenden Wehr im Kanal - das Wasser durch ein 80 Zentimeter tiefes Kiessediment "gedrückt" und dabei durch die hier lebenden Mikroorganismen natürlich gereinigt. Das nun saubere Wasser wird in einer darunter liegenden Drainageschicht gesammelt und fließt in den Schwimmbereich jenseits der Schleusenbrücke.

Der dritte Bereich entlang des Kupfergrabens erstreckt sich auf etwa 825 Meter - und könnte zu einem neuen innerstädtischen Lebensraum werden, zum Schwimmen, zum Erholen oder auch als Treffpunkt, um sich am Wasser aufhalten zu können. Durch ein Abschlusswehr wird der Schwimmbereich an der nördlichen Spitze von der Hauptspree abgegrenzt und damit ein Rückfluss des nicht gereinigten Wassers in den Schwimmbereich verhindert.

Warum muss das Wasser gereinigt werden?

Das in Berlin ankommende Spreewasser ist qualitativ trotz einiger Belastungen aus der Landwirtschaft und dem Tagebau in der Regel so gut, dass man darin bedenkenlos schwimmen kann. Der vor Berlin liegende, von der Spree durchflossene Müggelsee zum Beispiel weist in der Regel Badewasserqualität auf. Die eigentliche Verunreinigung erfolgt erst in Berlin, ist also "hausgemacht". Sowohl Spree als auch Spreekanal werden periodisch durch Überläufe aus der Berliner Mischwasserkanalisation belastet - mit gravierenden Folgen für das ökologische Gleichgewicht des Flusses.

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Der 2. Berliner Flussbad Pokal,... Foto: Axel Schmidt, 2016
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… Schwimmwettbewerb im Kupfergraben. Foto: Axel Schmidt, 2016

Etwa 15 bis 25 Mal im Jahr übersteigt das in die Kanalisation eingeleitete Regenwasser das Fassungsvermögen der Kanalrohre, so dass ihr Inhalt mit allen Abwässern der Berliner Haushalte, das heißt, mit Fäkalien, Spülrückständen und Hygieneartikeln ungeklärt in den Fluss geleitet werden. Der Fluss ist dann so stark verschmutzt, dass der direkte Wasserkontakt für den Menschen gesundheitliche Folgen haben und es sogar zu einem Fischsterben kommen kann. Diese stark verschmutzenden Einleitungen werden durch den Pflanzenfilter effektiv gereinigt, so dass in dem gefilterten Wasser gefahrlos geschwommen und gebadet werden kann.

Ziele und Wirkungen

Die Ziele des Flussbad Projekts sind vielfältig. Ganz konkret soll der Kupfergraben im Sommer als Badegewässer nutzbar gemacht werden, im Winter könnte er als Eislauffläche dienen. Durch die Möglichkeit hier zu verweilen und auch zu schwimmen, soll ein Ort des alltäglichen Lebens für alle geschaffen werden. Das heute stadtraumprägende Angebot der musealen und repräsentativen Angebote wird durch diesen "sozialen Baustein" ergänzt, nicht zuletzt um dazu beizutragen, dass die Mitte der Stadt auch in Zukunft lebendig und bedeutsam bleibt. Der wiedergewonnene direkte Zugang zur Lebensader Spree wird die Berliner Wohnbevölkerung wieder mehr in die Mitte ihrer Stadt bringen.

Entlang der Museumsinsel, ein als UNESCO Weltkulturerbe geschützter Ort der Hochkultur, entsteht mit dem Flussbad ein der Gemeinschaft gewidmeter Raum, der die Potenziale einer ökologischen und nachhaltigen Stadtentwicklung unmittelbar spürbar und erlebbar macht und damit ein katalytisches Bild für eines der wichtigsten gesellschaftlichen Themen und Herausforderungen unserer Zeit schafft. Und dieses Bild wirkt bereits heute, also lange schon vor der Umsetzung des Projekts: "Flussbad Berlin" wird weit über die Grenzen des Landes hinaus als Wegbereiter, Vorbild und Hoffnungsschimmer für das Projekt der innovativen, modernen und nachhaltigen Weiterentwicklung unserer Städte verhandelt und ist als eine konkrete soziale Utopie längst auch zum Mut machenden Antrieb für vergleichbare Initiativen geworden.

 Barbara Schindler
Autorin

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Flussbad Berlin e.V.

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