Städtische Grünflächen in ihrer Bedeutung für die Biodiversität unterschätzt

Förderung der biologischen Vielfalt

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1 Wiese mit alten neben neu gepflanzten Obstbäumen auf einer städtischen Grünfläche in Würzburg. Foto: Jonas Renk

An das Management städtischer Grünflächen werden heute sehr umfangreiche und teils konträre Anforderungen gestellt. In der Praxis spielen dabei in der Regel Aspekte der Gestaltung, Ordnung und Sicherheit eine zentrale Rolle. Zugleich scheint das weite Spektrum der Ökosystemleistungen von städtischen Grünflächen und deren hohe Bedeutung für die Stadtbevölkerung, etwa zur Klimaanpassung und Luftreinhaltung, zunehmend Beachtung zu finden. Auch dass städtische Grünflächen einen Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten darstellen können, ist inzwischen weitgehend bekannt.

Wie wichtig städtische Grünflächen und Städte insgesamt für die biologische Vielfalt aber tatsächlich sind, wird sicherlich noch häufig unterschätzt. Denn trotz der gravierenden Probleme, die die Urbanisierung für Natur und Landschaft teilweise mit sich bringt, kann der urbane Raum heute aus ökologischer Sicht wohl kaum noch pauschal als Ort mit einer Armut an heimischen Pflanzen und wild lebenden Tieren abgetan werden. Im Gegenteil weist in der Wissenschaft heute vieles darauf hin, dass Städte im Vergleich zum ländlichen Umland in der Regel sogar von einer eher höheren Artenvielfalt der Flora und Fauna gekennzeichnet sind (vgl. dazu auch Werner und Zahner 2009). Obgleich nicht heimische Arten für die hohe Artenvielfalt in Städten durchaus eine Rolle spielen, ist auch in Bezug auf die heimische Flora und Fauna die Diversität in Städten vergleichsweise hoch (vgl. ebd.).

Unter den Pflanzen kann im urbanen Raum nicht nur die Anzahl der vorkommenden Arten, sondern auch der Anteil bedrohter und seltener heimischer Arten höher als im Umland sein (vgl. ebd.). Die relativ hohe Artenvielfalt im urbanen Raum hängt insbesondere damit zusammen, dass Städte eine hohe Vielfalt an unterschiedlichen Nutzungsarten und -intensitäten aufweisen, woraus sich wiederum vielfältige Habitatsstrukturen für Pflanzen und Tiere ergeben (vgl. ebd.).

Vor diesem Hintergrund erscheint auf städtischen Grünflächen für die Vielfalt an Habitaten und damit auch an Arten insbesondere der Strukturreichtum, die Pflegeintensität und der Nutzungsdruck relevant - also Faktoren, die durch das Grünflächenmanagement bestimmt werden oder zumindest stark beeinflusst werden können. Insofern geht mit der Entwicklung, Pflege und Unterhaltung von städtischen Grünflächen eine besondere Verantwortung für die biologische Vielfalt einher. Nachfolgend werden einige allgemeine Anregungen gegeben, wie beim Management städtischer Grünflächen unmittelbar und effektiv zum Erhalt und zur Entwicklung der biologischen Vielfalt beigetragen werden kann.

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2 Wegeführung durch natürliches Gebüsch auf einer städtischen Grünfläche in Würzburg. Foto: Jonas Renk
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3 Extensive Mähwiese auf einer städtischen Grünfläche in Würzburg. Foto: Jonas Renk
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4 Kleine Blühfläche in Würzburg. Foto: Jonas Renk
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5 Steinhummel auf einer Blüte. Foto: Jonas Renk
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6 Rosenkäfer auf einer Blüte. Foto: Jonas Renk
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7 Natürlicher Höhlenbaum. Foto: Jonas Renk
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8 Baum mit einem befestigten Vogelnistkasten (unten) und einem Fledermausrundkasten (oben). Foto: Jonas Renk
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9 Liegendes Totholz, in das zur Förderung von Wildbienen und Solitärwespen kleine Löcher gebohrt wurden. Foto: Jonas Renk

Auswahl und Kombinationen geeigneter Gehölze zur Förderung von Insekten und Vögeln

Bei der Neupflanzung von Gehölzen kann zur biologischen Vielfalt beigetragen werden, indem solche Gehölzarten verwendet werden, die den heimischen Insekten und Vögeln in besonderem Maße als Nahrungsgrundlage und Lebensraum dienen. Solche Gehölze können sich zum einen dadurch auszeichnen, dass sie Insekten, die sich von Nektar und Pollen ernähren, wie etwa entsprechenden Wildbienen, Solitärwespen, Faltern und Käfern, ein weites Blühspektrum durch die Abdeckung eines langen Blühzeitraums und verschiedener Blütenformen bieten. Zum anderen können Gehölze ausgewählt werden, die Vögeln Nahrung bieten, beispielsweise durch ein Angebot geeigneter Beeren und die Anlockung geeigneter Insekten als Beutetiere, und ihnen zugleich Nistmöglichkeiten und Ruhebereiche bereitstellen. Die Auflistung am Ende des Textes zeigt ein paar Beispiele für überwiegend heimische Gehölze, die bekanntermaßen zur Förderung sowohl von Insekten als auch von Vögeln geeignet sind. Selbstverständlich stehen die Beispiele stellvertretend für eine Vielzahl von Gehölzarten, die in diesem Kontext besonders geeignet sind.

Rückschnitt zu Baumtorsos als Alternative zur Fällung oder Rodung stark geschädigter Bäume

Bei größeren Bäumen, die erheblich und irreversibel geschädigt sind und die aus Sicherheitsgründen ansonsten gefällt würden, kann es aus naturschutzfachlicher Sicht in vielen Fällen zielführend sein, stattdessen einen Rückschnitt zum Baumtorso durchzuführen. Im Unterschied zu einer Kappung oder einem Kronensicherungsschnitt sollten beim Rückschnitt zum Baumtorso Stämme, Stammteile oder Stämmlinge von einigen Metern Höhe belassen werden, die Krone allerdings komplett oder weitgehend entfernt werden. Dies betrifft insbesondere größere Bäume mit Höhlungen oder Spalten, die ein (potenzielles) Habitat für seltene beziehungsweise besonders und streng geschützte Tierarten wie etwa entsprechende Fledermaus- und Vogelarten darstellen können. Bei Stämmen und Stammteilen von solchen Gefahrenbäumen, in deren Höhlen- oder Spaltenstrukturen Lebensstätten besonders oder streng geschützter Tierarten vorhanden sind, kann dies auch aus Gründen des Besonderen Artenschutzes zu geeigneter Zeit erforderlich sein (vgl. hierzu § 44 Abs. 1 BNatSchG). Bei solchen Bäumen sollte der Rückschnitt zum Baumtorso gegebenenfalls in ausreichendem Abstand oberhalb dieser Strukturen durchgeführt werden. Ansonsten erscheint bei Baumtorsos aus naturschutzfachlicher Sicht grundsätzlich eine Mindesthöhe von etwa 5 Metern sinnvoll, damit sich Lebensraumpotenzial etwa für Fledermäuse und Vögel bilden kann. Wenn diese Höhe im konkreten Fall nicht möglich ist, so sollten Torsos doch zumindest eine Höhe von etwa 3 Metern aufweisen. Verbleibende Äste können an Baumtorsos entfernt werden, um die Einflugmöglichkeiten insbesondere für Fledermäuse zu verbessern.

Vogelnistkästen und Fledermauskästen

Insbesondere dort, wo Habitatbäume für Vögel und Fledermäuse fehlen oder selten sind, können entsprechende Kästen an Bäumen befestigt werden. Beim Aufhängen solcher Elemente sollte darauf geachtet werden, dass diese sowohl vor zu starker Erhitzung, als auch vor dem Eindringen von Feuchtigkeit geschützt sind. Wenn Nägel zur Befestigung erforderlich sind, sollten grundsätzlich Aluminiumnägel verwendet werden, damit die Nägel nicht im Stamm rosten. Wichtig ist beim Aufhängen außerdem eine geeignete Höhe beziehungsweise Ausrichtung der Kästen. Fledermauskästen (Flach-, Rund- und Quartierskästen) sollten in der Regel mindestens auf 3 Meter Höhe angebracht werden. Die Einflugschneise zu Fledermauskästen muss frei und die Einflugöffnungen dürfen nicht durch Zweige oder Äste verdeckt sein, damit die Elemente von den Tieren angenommen werden. Bei Vogelnistkästen sollte die Einflugöffnung grundsätzlich möglichst nach Südosten ausgerichtet sein. Beim Anbringen von Kästen für Vögel und Fledermäuse sollte berücksichtigt werden, dass die Elemente einer regelmäßigen (am besten jährlichen) Kontrolle und Wartung bedürfen. Daher ist es empfehlenswert, die Anbringung der Elemente von Anfang an räumlich und zeitlich zu dokumentieren und eine systematische Kontrolle und Wartung einzuplanen. Hierzu kann es sinnvoll sein, die Elemente in einem GIS als Punktdaten mit hinterlegten Sachdaten (z. B. Vogelnistkasten oder Flach-, Rund- oder Quartierskasten für Fledermäuse, Datum der Anbringung, Datum der letzten Kontrolle, Datum der nächsten Kontrolle, festgestellte Arten) zu führen.

Belassen von liegendem und stehendem Totholz

Da das Totholz abgestorbener Bäume oder Baumteile grundsätzlich wichtig für den Naturhaushalt ist und Lebensraum für verschiedene Tier- und Pflanzenarten sowie Pilze und Flechten bietet, sollte bei Fällungen und stärkeren Rückschnitten in Grünflächen nach Möglichkeit Totholz von Stämmen, Stämmlingen und Starkästen zumindest teilweise an geeigneten Stellen, etwa in Gebüschen, stehend oder liegend belassen werden. An sonnigen, leicht exponierten Stellen kann das Habitatpotenzial von kleineren Totholzstücken aus Hartholz erheblich gesteigert werden, wenn kleine Löcher mit einem Durchmesser von 2 bis 10 Millimeter quer in das Holz gebohrt werden, die dann von Wildbienen und Solitärwespen als Niströhren verwendet werden können.

Belassen von Schnittguthaufen

Im Herbst, insbesondere im Oktober, kann nach größeren Schnittmaßnahmen an geeigneten windgeschützten Stellen von Grünflächen, etwa an Gebüschen und Hecken, Schnittgut und Laub zu Haufen zusammengefügt werden. Falls dabei beabsichtigt wird, die Schnittguthaufen nachträglich noch zu entfernen, sollte damit zumindest bis zum nächsten Frühling gewartet werden, damit dort zum Beispiel Igel ihren Winterschlaf verbringen können und in dieser Zeit nicht beeinträchtigt werden.

Laubbläser und -sauger vermeiden

Auch bei der Verwendung von Laubbläsern und -saugern sollte berücksichtigt werden, dass in Laubhaufen Tiere ihre Winterruhe oder ihren Winterschlaf verbringen können. Insbesondere abseits von Wegen und Aufenthaltsbereichen sollte insofern wenigstens ab November auf den Einsatz von Laubbläsern und -saugern möglichst verzichtet werden.

Strukturreiche Hecken

Um im Sinne der biologischen Vielfalt strukturreiche Hecken zu entwickeln, sollten diese möglichst abschnittsweise und zeitlich versetzt auf den Stock gesetzt beziehungsweise zurückgeschnitten werden.

Extensive Rasen- und Wiesenflächen

Auch Rasen- und Wiesenflächen sollten für die Förderung der biologischen Vielfalt abschnittsweise und zeitlich versetzt gemäht werden. Eine extensive Mahd mag bei angelegten Intensiv-Rasenflächen mit hohem Nutzungsdruck wenig sinnvoll sein. Doch häufig bestehen in Grünflächen auch weniger stark genutzten Bereiche, in denen eine extensivere Mahd im Sinne der biologischen Vielfalt durchaus sinnvoll sein kann. Eine extensive Mahd kann zum Beispiel in einer ein- bis zweischürigen Mahd mit einem Mähbalken bei entsprechendem Mähregime (z. B. einschürige Mahd im Zeitraum September bis Oktober oder zweischürige Mahd im Juli und im Oktober) bestehen, wobei es häufig sinnvoll ist, das Mähgut abzuräumen. Bei der Neuanlage oder Nachsaat von Rasenflächen können nach Möglichkeit standortgerechte Kräuter-Rasen-Mischungen verwendet werden. Insbesondere bei Wiesenflächen kommen neben artenreichem standortkonformem Saatgut zum Beispiel auch Heusaat- oder Heumulchverfahren mittels des Mähguts geeigneter Flächen in Frage.

Verträgliche nächtliche Außenbeleuchtung

Angesichts der umfassenden negativen Umweltauswirkungen von Lichtverschmutzung im Freien durch übermäßige künstliche Außenbeleuchtung bei nächtlicher Dunkelheit erscheint es dringend erforderlich, bei der Außenbeleuchtung auch auf eine möglichst hohe Verträglichkeit für Flora und Fauna zu achten. Eine entsprechende nächtliche Außenbeleuchtung zeichnet sich dadurch aus, dass sie auf das räumlich und zeitlich erforderliche Maß begrenzt ist und dass nur so intensiv beleuchtet wird, wie dies vor Ort notwendig ist. Die Außenleuchten sollten möglichst nur von oben nach unten und nur auf das ausgerichtet sein, was es zu beleuchten gilt (z. B. auf einen Weg). Die Lichtquellen sollten dabei so niedrig wie möglich aufhängt sein. Als Außenleuchten eignen sich vollabgeschirmten Leuchten (sogenannte FCO-Leuchten) mit geschlossenem Lampengehäuse, als Leuchtmittel LEDs mit warm-weißer Lichtfarbe (2700 bis 3000 K) oder Natriumdampf-Niederdrucklampen. Kugelleuchten, Uplights, Flutlichtstrahler und Leuchtscheinwerfer sollten im Sinne der biologischen Vielfalt grundsätzlich vermieden werden. Keinesfalls sollten Skybeamer (Himmelsstrahler) und entsprechende Lasergeräte im Freien verwendet werden. Dies gilt insbesondere für den Zeitraum von Mitte Februar bis Mitte Mai sowie von August bis Mitte November aus Rücksichtnahme auf Zugvögel. Gewässer, insbesondere naturnahe Gewässer und Fisch-Gewässer, sollten grundsätzlich nicht beleuchtet werden. (vgl. hierzu auch den entsprechenden Beitrag in der Ausgabe 05/2019 und die darin genannten Quellen)

Neben den hier aufgezeigten Beispielen gibt es viele weitere Möglichkeiten, wie beim Management städtischer Grünflächen umfassend und langfristig zur biologischen Vielfalt beigetragen werden kann, so etwa auch durch das Zulassen von natürlicher Sukzession und Brachflächen, die Anlage von Blühflächen, den Verzicht auf Pestizide und synthetische Düngemittel, die Bekämpfung von invasiven Neophyten oder die Verwendung wasserdurchlässiger Wegebeläge und die dezentrale Entwässerung (vgl. zu weiteren Maßnahmen auch Mohaupt et al. 2018). Viele Maßnahmen zur Förderung der biologischen Vielfalt bieten zugleich Synergieeffekte in Form von Ökosystemleistungen oder Kosteneinsparungen. Im Vorfeld oder während der Umsetzung solcher Maßnahmen kann es sinnvoll sein, die Stadtbevölkerung auf den naturschutzfachlichen Hintergrund der Maßnahmen hinzuweisen, etwa in Form von öffentlichkeitswirksamen Schautafeln sowie Veranstaltungen und Pressemitteilungen.

Beispiele für Gehölze zur Förderung von Insekten und Vögeln:

Bäume

  • Acer campestre (Feldahorn)
  • Acer pseudoplatanus (Bergahorn)
  • Malus sylvestris (Holzapfel)
  • Prunus avium (Vogelkirsche)
  • Pyrus pyraster (Wildbirne)
  • Sorbus aria (Mehlbeere)
  • Sorbus aucuparia (Eberesche)
  • Sorbus torminalis (Elsbeere)
  • Tilia cordata (Winterlinde)
  • Tilia platyphyllos (Sommerlinde)

Sträucher

  • Amelanchier ovalis (Gemeine Felsenbirne)
  • Berberis vulgaris (Gewöhnliche Berberitze)
  • Euonymus europaeus (Gemeines Pfaffenhütchen)
  • Lonicera xylosteum (Rote Heckenkirsche)
  • Prunus spinosa (Schlehe)
  • Rosa canina (Hundsrose)
  • Sambucus nigra (Schwarzer Holunder)
  • Sambucus racemosa (Roter Holunder)
  • Viburnum lantana (Wolliger Schneeball)
  • Viburnum opulus (Gemeiner Schneeball)

Klettergehölze

  • Clematis vitalba (Gewöhnliche Waldrebe)
  • Hedera helix (Efeu)
  • Parthenocissus tricuspidata (Wilder Wein)

Literatur

Mohaupt, F.; Müller, R.; Riousset, P.; Hirschfeld, J.; Welling, M.; Witzel, M.; Spreter, R.; Wissel, S.; Biercamp, N. (2018):Grünflächenmanagement im Kontext von Klimawandel und Biodiversität. Synthesebericht zum Modul I des Projekts Stadtgrün. Berlin.

Werner, Peter und Zahner, Rudolf (2009): Biologische Vielfalt und Städte. Eine Übersicht und Bibliographie. BfN-Skripten 245. Bonn - Bad Godesberg.

M.Sc. (TUM) Jonas Renk
Autor

Umweltplaner und Ingenieurökologe, freiberuflicher Fachautor und Berater für Naturschutz und Biodiversität

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