20 Jahre Netzwerk Frauen in der Geschichte der Gartenkultur

Frauenräume als Freiräume

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Exkursionsziel Lohsepark in der Hafencity. Die 20. Netzwerktagung wurde durchgeführt von Ann-Christin Neugebauer und Kai Haberland, Verlag Grüner Anzeiger; Sabine Nolting, PR für Grün und Kultur und Christine Schatz, M.A., Historikerin. Foto: Susanne Yacoub

Aus Hamburg, der gediegenen Hanseatin im Norden, kommen immer wieder zukunftsträchtige Impulse. Wegweisend ist die konsequente Gründachstrategie. Für die Hafencity wurde so manch spektakulärer Freiraum zum Markenzeichen, zuletzt der mit dem Deutschen Landschaftsarchitekturpreis ausgezeichnete Baakenpark. Bahnbrechend wirkt auch der Aufruf "Natürlich Hamburg", mit dem die Behörde für Umwelt und Energie eingefahrene Grenzen zwischen Freizeit, Erholung und Naturschutz in Grünanlagen und Parks zu sprengen sucht. Wo steht Hamburg heute, sieben Jahre nach Internationaler Garten- und Bauausstellung? Für Hamburgs jüngste Strategien zog es das Netzwerk Frauen in der Geschichte der Gartenkultur vergangenen Herbst zur 20. Tagung in die Elbmetropole.

Ob Wandel von hässlichen Ausfallstraßen in menschenfreundlichere Freiräume, Bürgerbeteiligung in Quartieren mit hohem Migrationsanteil oder Doppelnutzung von Mikrofreiräumen - in Susanne Metz, Leiterin des Amtes für Landesplanung und Stadtentwicklung in der Stadtentwicklungsbehörde traf das Netzwerk auf eine Entscheidungsträgerin, die leidenschaftlich für Freiräume eintritt. Sie wolle selbst ja auch nicht irgendwie ins Grüne, sondern verlange, dass es schön sei, betonte Metz. Und so steht sie ein für den Freiraumanteil im Geschosswohnungsbau der boomenden Stadt. "Unsere neuen Arbeitswelten über unsere digitalen Medien erlauben uns, Wohnen und Arbeiten wieder näher zusammenzubringen". Das hat Einfluss auf Urbanität, Arbeitsteilung, Wohnalltag und Rollenbilder. Trotz Bauboom, die Menschen sollen von überall her schnell raus ins Grüne gelangen, ein Mantra, das alle Städte anstimmen.

Hamburg nimmt das neue Leitbild "Grünes Netz" ernst: Zwölf zu stärkende Landschaftsachsen sollen sich zukünftig mit zwei Umgebungsgrün-Ringen verzahnen. Bekannt wurde schon die Landschaftsachse Horner Geest wegen ihrer medienaffinen Intensivst-Bürgerbeteiligung. Auch wurde vor drei Jahren ein höherer Pflegeetat im Hamburger Haushalt verankert, trotz Sparzwang und Null-Schulden-Politik. "Wie kann ich das Grüne steigern? Nicht jammern, sondern eine Qualitäts-Offensive Freiraum herstellen", rät Susanne Metz.

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Signalhafte Schriftzüge an drei Zugängen machen neugierig auf das Projekt Ohlsdorf 2050, hier Haupteingang Fuhlsbüttler Straße. Foto: Susanne Yacoub

Prominentes Vorzeigebeispiel ist der Wilhelmsburger Inselpark, entstanden zur Internationalen Gartenausstellung (IGS 2013) auf einer Elbinsel, einst ein Arbeiterquartier. Inzwischen leben dort Menschen aus 190 Nationen. Das lange sozial schwache und benachteiligte Gebiet gilt als eines der größten Stadtentwicklungsprojekte Deutschlands. Zur IGS ging eine schwungvolle Bürgerbeteiligung offensiv auf die Menschen aus anderen Herkunftsländern zu. Wie erfolgreich Hamburger Bürger, die nicht unbedingt von sich aus nach Teilhabe drängen, wirklich erreicht wurden, ist umstritten. Wichtige Impulse aus der Partizipation zumindest führten zum ästhetischen Park mit vielen Sportmöglichkeiten, darunter Skaten, Klettern und Basketball. Heute übernehmen die hier aktiven Sportvereine viele soziale Aufgaben. "Freiraum und Sport können zusammen mit Stadtentwicklung total wirksam werden in einem Stadtteil mit hohem Migrationsanteil und geringen Einkommen. Die Jugend- und Sozialarbeit funktioniert super und die Leute machen mit bei Bürgerbeteiligung, weil sie das als Chance für sich erkannt haben", attestiert Susanne Metz.

Gute Parks zu schaffen reicht nicht mehr. Aktuell wendet sich Hamburg seinen "Unorten" zu, den Räumen entlang von Magistralen und Ausfallstraßen, die unerträglich hässlich, aber produktiv sind. Voller Leben, von Gewerbe über Imbissbude bis zum vereinzelten Wohnhaus. "Das sind unsere Sparbüchsen für die Zukunft, wo wir auch Wohnen oder Gewerbe entwickeln können, wenn wir davon ausgehen, dass wir die Mobilität anders organisieren und das ist ein Freiraumthema! Die urbane Mobilität bestimmt unseren öffentlichen Raum," postuliert Metz. Hamburg steht noch ganz am Anfang einer umweltfreundlicheren Mobilität, will mehr Angebote für Car- und Radsharing, weitere Busse umstellen auf Hybridfahrweise, Straßen rückbauen und Kreuzungen entschärfen.

Klingt ganz einfach, aber finden Bürger, Investoren und Bezirke trotz Interessenkollisionen in Hamburg wirklich besser zueinander als anderswo? Eine Qualität der jährlichen Netzwerktreffen liegt im hierarchiefreien Austausch. Berufliche Leistungen werden selten losgelöst von Biografie und Persönlichkeit betrachtet und so möchten die Tagungsteilnehmerinnen auch hier mehr erfahren über die Durchsetzungsfähigkeit der Abteilungsleiterin. Susanne Metz, zugezogen aus Frankfurt, fährt gut mit der Hamburger Mentalität, bürgerschaftlich selbstbewusst und ganz im Sinne hanseatischer Geschäftstüchtigkeit divergierende Positionen miteinander auszuhandeln. "Wir arbeiten an unserer Aufgabe, wenn es geht, in guter direkter Kommunikation."

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Memorial Hannoverscher Bahnhof im Lohsepark in der Hafencity. Foto: Sabine Nolting

Von der Metaebene der Stadtentwicklung zurück in den Alltag

Kulturwissenschaftlerin Darijana Hahn bot einen kritischen Blick auf Spielplatzkultur im Laufe der Jahrzehnte unter der Prämisse "Kinderspiel, Klatsch und soziale Kontrolle". Anhand von Fotoreihen zeigte sich entlarvend, dass viele Spielgeräte seit den 1920er-Jahren bis heute auf den immergleichen Prinzipien beruhen, von Schaukel bis Klettergerüst. Ihr Fazit: Spielplätze beeinflussen eindimensional das Spielverhalten der Kinder und zementieren auch die Rollen der Erwachsenen, die vom Rand her wartend ihren Kindern zusehen. "Der Spielplatz symbolisiert unser modernes Leben. Wir wollen den Fortschritt, aber stecken fest."

Eine ernüchternde These. Etwas ermutigender blickt die Kunst auf die Stadtgesellschaft. Das Programm "Kunst im öffentlichen Raum" hat das Programm "Kunst am Bau" abgelöst. Skulpturen und Werke von Künstlerinnen in Hamburger Grünanlagen im Laufe von 100 Jahren dokumentieren eindringlich zunehmendes Selbstbewusstsein und den Wandel von Frauenrollen, legte Kunsthistorikerin Anke Tröster nahe. Platziert im öffentlichen Raum, sind die Werke und ihre Botschaften jedem und jeder zugänglich. Bildhauerin Elena Luksch-Makowsky etwa zeigt in "Ein Frauenschicksal" 1912 eine Mutter, die von ihren Kindern noch am Rockzipfel festgehalten wird, während sie längst gedanklich woanders hin aufbricht. Sie lauscht einem kleinen Vogel, der auf ihrer Schulter sitzt, sicher ein Kuckuck, in Russland ein Symbol für geistige Unabhängigkeit. 1950, einige Jahrzehnte weiter, verströmen abstrahiert dargestellte Nackte eine heitere Sorglosigkeit, zu sehen auf dem Kalksteinrelief "Sommerruhe" von Annemarie Vogler im Park Planten un Blomen. Zeitgenossin AnneMarie Maes bewegt sich an der Schwelle zwischen Kunst und Wissenschaft und widmet ihre Arbeit einem globalen Thema, dem Ringen um Nachhaltigkeit. In ihrer Bio-Tech-Skulptur "ElbBienen" konnte letztes Jahr vier Wochen lang gewohnt werden, wobei permanent Daten und Videos aus der Überwachung eines Bienenstocks zu verfolgen waren.

Auch auf dem Ohlsdorfer Friedhof, dem Exkursionsziel am nächsten Tag, schauten die Teilnehmerinnen genau hin. Gerlinde Volland, Mitbegründerin des Netzwerks, umriss kurz anhand einer ihrer frühen Forschungsarbeiten bezogen auf weibliche Trauerfiguren, Grabengel und Grabinschriften, wie Ideologien bestimmte Weiblichkeitskonzepte konstruieren. Die teils in Massenanfertigung erstellten Grabskulpturen zeigen selten einen individuellen Ausdruck. Gern klemmt eine Rose als Symbol der Liebe in der Hand, während die künstlerische Ausstrahlung ambivalent schwankt zwischen Keuschheit und Eros oder zwischen Melancholie und Schicksalsergebenheit. Dennoch, der weltweit größte Parkfriedhof, dem eine große kulturhistorische Zäsur bevorsteht, verbreitet seine ganz eigene wunderbare Aura. Uhu, Eisvogel und viele andere geschützte Arten sind hier zu Haus, eine Wiege der Biodiversität. Mit 390 Quadratkilometern ist er so groß, dass Buslinien und private Fahrzeuge auf 17 Kilometern asphaltierten Wegen kreuzen. Aufgrund des Trends zur Urnenbestattung ist nur noch ein Drittel als Trauerstätte nötig.

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Aufbruch in die Zukunft im Parkfriedhof in Ohlsdorf. Foto: Sabine Nolting

Unter dem Titel "Ohlsdorf 2050" wird der Rest, EU-gefördert, in den nächsten 30 Jahren zum Park. Ein sehr langsamer Prozess, in dem Bürger durch eine besonders gute Öffentlichkeitsarbeit mitgenommen werden sollen, wie Marc Templin von der Friedhofsverwaltung versichert. Nur weiß er auch noch nicht, wie das am besten gelingt. Für mehrere ausgediente Friedhofskapellen, die hier so groß sind wie Kirchen, braucht es neue Ideen. Das ganze unterirdische Rohrsystem muss tauglich aufgerüstet werden für ein langfristig tragfähiges Wassermanagement. Noch sind es kleine, punktuelle Änderungen, die den Wandel einläuten: Ein Wildblumen- und Duftgarten hier, ein verschönerter Teich dort, bessere Spazierrouten, signalhaft gestaltete Eingänge.

Aus der Abgeschiedenheit des Friedhofs ging es in die pulsierende Hafencity, in den Lohsepark, gestaltet von Vogt Landschaftsarchitekten in bester Volkspark-Absicht. Wie alle Parks in der hochverdichteten Hafencity ist er hochwertig ausgestattet, mit abwechslungsreich akzentuierten Räumen für Spiel und Erholung. Ein kleines umzäuntes Wildbiotop, ein Eichenhain und ein Aussichtsplateau bereichern das Panorama. Wichtig auch das neue Denkmal für einen verschwundenen Bahnhof, von dem aus Menschen in Vernichtungslager deponiert wurden. Allein 500 Bäume wurden gepflanzt, von Kirsch- und Apfelbäumen darf geerntet werden. Die Anwohner erleben im Park sicher das Paradies vor der eigenen Haustür. Für manche Besucherin aus der Ferne stellte sich das rechte Glücksgefühl nicht ein. Etwas aneinandergereiht wirkten die Funktionen.

Bemerkenswerte Praxisprojekte, Fakten, Thesen und Biografien hat das interdisziplinäre Netzwerk "Frauen in der Geschichte der Gartenkultur" in den 20 Jahren seit Gründung ausgegraben. Um die 300 Mitglieder in den deutschsprachigen Ländern, Skandinavien, Israel und den Benelux-Länder sind angetreten, um Geschlechterrollen, Rollenklischees, einseitige Forschungsfragen und Frauenperspektiven auf den Kopf zu stellen und Geschlechtergerechtigkeit samt Frauenperspektiven voranzutreiben. So ist es keine bange, sondern vielmehr eine rhetorische Frage, wenn Mitbegründerin Roswitha Kirsch-Stracke, Leibniz Universität Hannover fragt: "Wurde unser Ziel erreicht, Frauen in der Geschichte der Gartenkultur sichtbarer zu machen?"

20 Tagungen mit 100 Vorträgen geben eine eindeutige Antwort. Zugunsten von zumeist kaum bekannten Pionierinnen, die in Landbau, Naturschutz, Lehre, Gesetzgebung oder Gartenkunst wirkten, laut Tagungen in Hessen (2009), Brandenburg (2012) und Wien (2013). Zugunsten von bewegenden Einzelschicksalen, wie etwa das von Landschaftsarchitektin Ester Claesson, der so avantgardistischen wie glücklosen Einzelkämpferin aus den 1920er-Jahren oder von Martha Künzel, der biologisch-dynamischen Pflanzenzüchterin aus dem KZ Dachau, thematisiert in Erfurt (2014).

Also bitte, liebes Netzwerk, unbedingt weiterführen, diese Art der Wahrnehmung! Wo sonst könnten wir einer beinah vergessenen Ausnahme-Künstlerin so nahekommen wie Hanna Höch in ihrem kleinen Selbstversorger-Garten in Berlin? Hierhin hatte sich die einst berühmte Dadaistin vor den Nationalsozialisten gerettet. Auf gewisse Weise behielt sie ihre innere Immigration in der DDR bei. Bis 1978 lebte Höch in dem kleinen Haus mit Gärtchen, heute ein berührendes Gartendenkmal in Heiligensee, in das die Berliner Tagung 2007 entführte.

Und wo sonst könnten wir lernen, dass die Kulturlandschaftsentwicklung in Mecklenburg-Vorpommern im 18. bis 19. Jahrhundert vor allem durch tüchtige Landwirtinnen fortschrittlich wurde? Oder wie es diesen Frauen - teils adliger Herkunft - gelang, familiäre Machtpolitik damals schon mit naturnahen Gestaltungskonzepten zu verbinden? Um die gartenkulturelle Forschung Ostdeutschlands drehte sich die Tagung in Stralsund (2010), 21 Jahre nach der Wende.

Eines aber hat sich doch verändert im Laufe der Netzwerktagungen. Gendermainstream-Planung wird gesellschaftlich heute weitaus weniger kontrovers diskutiert und scheint deutlich weniger angreifbare Forderungen zu bergen als noch vor 20 Jahren. Die Frage sei, kommentiert Beate Ahr, eine der sogenannten Netzwerkknotenfrauen der ersten Stunde, "wie und ob heute gendergerecht geplant werden muss. Denn wenn sich die Lebensverhältnisse bereits geändert haben, was wir ja eigentlich alle wollen, kann die gendergerechte Planung anders erfolgen."

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Öffentlich zugänglich und stets präsent. Werke von Künstlerinnen dokumentieren den Rollenwandel. "Aurora", Bronze Ursula Querner, 1953, Bürgergärten PLanten un Blomen. Foto: Sabine Nolting

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Die Tagung vertieft in diesem Jahr methodische Besonderheiten bei der Erforschung weiblicher (Fachfrauen-)Biografien. Und es könnte blumig werden, mit Vorträgen über die Frankfurter Pflanzenmalerin Elisabeth Schultz sowie die Floristin, Gärtnerin und Autorin Marianne Beuchert.

Die Exkursion sucht aktuelle Gartenprojekte und botanische Projekte auf, die durch Frauen geprägt sind. Dazu gehören der Grüngürtel Frankfurt, das Gartennetzwerk Garten-Rhein-Main und die Ausstellung 'Frankfurter Gartenlust' im historischen Museum.

21. Tagung 2020, 18. und 19. September 2020
"Es gibt nicht nur die Merian - Frankfurter Gärtnerinnen und Botanikerinnen" (Arbeitstitel)

Veranstaltungsort: Palmengarten Frankfurt am Main

Einladende sind Sabine Kübler, Ilse Henning, Rosemarie Kärcher-Schack

www.gartenlinksammlung.de/netzwerk_frauen.htm

Autorin

Landschaftsarchitektur + Video

Susanne Isabel Yacoub

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