Erfolgreiche Bürgerbeteiligungen an Konversionsprozessen

Freiraumgestaltung auf Konversionsflächen in Osnabrück

von:
Freiflächenmanagement
Spielplatz „Spieleband“ im Wissenschafts- und Wohnpark Osnabrück. Foto: Andre Floß 2017

Mit Beschluss des vollständigen Truppenabzugs alliierter Gaststreitkräfte bis 2020, geht in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen eine Fläche von rund 20.000 Hektar an die Länder zurück. Diese stehen vor der Herausforderung, zivile Folgenutzungen zu finden und die ehemaligen Militärareale in das städtische Gefüge und Freiraumkonzept zu integrieren.¹

Im niedersächsischen Osnabrück, wo sich das ehemals größte britische Regiment außerhalb Großbritanniens befand, wurden insgesamt 160 Hektar Kasernenfläche von sechs verschiedenen Standorten an die Stadt zurückgegeben. Mit Vollendung des Abzugs im Jahr 2009 und Beginn des Konversionsprozesses, arbeiteten die Stadt Osnabrück und die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben kooperativ zusammen, um gemeinsam das Ziel einer erfolgreichen Konversion zu verwirklichen. Die dafür geschaffenen Rahmenvereinbarungen beinhalten ein Höchstmaß an Transparenz, eine offene Informations- und Kommunikationsstruktur sowie eine frühzeitige Auseinandersetzung und gemeinsame Konzeptausarbeitung mit den Bürgern der Stadt.²

Das zu entwickelnde Konzept erfolgte auf zwei räumlichen Ebenen. In der Ebene "Perspektive Gesamtstadt" wurde in drei öffentlichen Foren mit zwischengeschalteten Workshop-Phasen ein wohnungswirtschaftliches Handlungskonzept sowie deren Entwicklungspotenziale ausgearbeitet. Im zweiten Planungsschritt zum Handlungsfeld "Perspektive Einzelliegenschaften" wurden die Ergebnisse der gesamtstädtischen Ebene zusammengetragen. Städtebauliche Wettbewerbe brachten weitere Qualifizierungen und vorhabenbezogene Entwicklungen für die Einzelliegenschaften hervor. Zudem erlangten die neu zu besiedelnden Flächen durch intensive Pressearbeit, Internetpräsenz sowie Busführungen auf den Arealen weitreichende Aufmerksamkeit und wurden über den Osnabrücker Raum hinaus bekannt.

Um die Interessen und Nutzungsansprüche des lokalen Umfelds sowie das Potenzial der Akzeptanz des Planungsgebiets zu fördern, sind die in Osnabrück angewandten Schritte der Bürgerbeteiligung exemplarisch gewesen. Die rechtzeitige Integration der Bürgerbelange förderte nicht nur das Interesse am Konversionsprozess, sondern hat die Identifikation des Bürgers mit dem Projekt selber erhöht. Zudem bietet eine frühe Konfrontation mit Planungsbeteiligten die Chance auf schnelle Konfliktlösungen, wie auch der Erkennung von weiterführenden Entwicklungspotenzialen.

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Im Allgemeinen hatte der Osnabrücker Planungs- und Beteiligungsprozess "KonVisionen" zum Ziel, städtebauliche Konzepte vorzubereiten, öffentliche Aufmerksamkeit auf die Entwicklungsflächen zu lenken und potenzielle Investoren zu akquirieren.

Im Rahmen einer Bachelor Thesis des Studiengangs Freiraumplanung an der Hochschule Osnabrück, setzte sich der Autor mit der Nutzung von Freiräumen auf Konversionsflächen am Beispiel der Stadt Osnabrück auseinander. Die darin aufgestellte Forschungsfrage: "Bringen die neugeschaffenen Freiräume unter Berücksichtigung des ausgiebigen Konversionsprozesses der Stadt Osnabrück eine attraktive Freiraumqualität für den Bürger hervor?" wurde untersucht.

Generell ergeben sich in Bezug von Freiflächenplanungen auf Konversionsflächen signifikante Herausforderungen für die Projektbeteiligten: Im Gegensatz zur Planung urbanen Grüns auf innerstädtischer Ebene werden oftmals zum Start eines Konversionsprozesses mehrere zu planende Flächen an die Stadt oder Kommune zurückgegeben. Zudem können Altlasten und Kampfmittelbeseitigungen insbesondere bei Militärkonversionen zu Problemen führen. Freiraumplanung auf Konversionsarealen ist daher keine planerische Routineaufgabe, sondern bringt individuelle Aufgaben und Schwierigkeiten mit sich mit. Dennoch bietet eine zivile Nachnutzung die Chance, das Freiraumsystem auf gesamtstädtischer Ebene zu vervollständigen und zu verbessern. Hierbei ergibt sich die Möglichkeit, die neu gewonnenen Gebiete in das bestehende Freiraumgefüge zu integrieren und als stadtnahen und qualifizierten Landschaftsraum zu etablieren. Die genannten Herausforderungen und Potenziale lassen sich auch auf den Osnabrücker Konversionsprozess beziehen.

Freiraumcheck zur Ermittlung der Freiraumqualität

Anhand des Freiraumsystems einer ausgewählten Konversionsfläche soll die Integration der Bürger in den Planungsprozess überprüft werden. Das im Rahmen der Bachelor Arbeit aufgestellte Bewertungsverfahren für die Qualität von Freiräumen beruht auf Grundlage des 2013 veröffentlichen Freiraumchecks der Hansestadt Hamburg. Dieser wurde im Zuge eines Beitrags zur städtischen Innenentwicklung und Nachverdichtung veröffentlicht. Der Freiraumcheck dient der Ermittlung und Verhandlung von Freiraumqualitäten. Dieser ist eine konkrete Prüfliste wie auch ein methodischer Ansatz, um eine Verständigung über freiraumbezogene Ziele sowie Qualitätsanforderungen herbeizuführen.

Die darauf aufbauende Checkliste für den Freiraumcheck Osnabrück wurde spezifisch für die Konversionsflächen in Osnabrück herausgearbeitet. Dieser ist der Schlüssel für die Beantwortung der Forschungsfrage und basiert auf vier Kategorien. Die erste Kategorie beschreibt die Ausgangssituation des zu untersuchenden Plangebiets. Darin werden die aktiven Akteure sowie der urbane Kontext betrachtet. In einem nächsten Schritt werden die Nutzungsanforderungen an die neu geschaffenen Freiräume herausgearbeitet. Darin liegt der Fokus auf den freiräumlichen Angeboten, die für die unterschiedlichen Nutzergruppen geschaffen werden. Die dritte Rubrik analysiert die Qualitäten der neuen Freiräume. Im Vordergrund stehen dabei die Qualität, ökologische Funktionen wie auch die Abgrenzung zwischen öffentlichen und privaten Grün. Hauptaugenmerk dieses Artikels liegt auf der vierten und letzten Kategorie. Kooperative Handlungsansätze eines Freiraumchecks werden aufgegriffen und die stattgefundene Bürgereinbindung in den Planungsprozess betrachtet.

Für die Anwendung des Freiraumchecks Osnabrück werden die Freiräume des Wissenschafts- und Wohnparks Osnabrück im Stadtteil Westerberg untersucht. Das 14,2 Hektar große Areal soll sich künftig als ein urbanes wie auch hochwertiges Quartier zum Wohnen, Arbeiten und Forschen präsentieren. Der östliche Teil des Areals wird als Wissenschaftspark genutzt, während im westlichen der sogenannte Wohnpark entsteht. Diese unterschiedlichen Nutzungen sollen dabei nicht losgelöst nebeneinanderstehen, sondern vernetzt und als städtebauliches Gesamtbild wirken. Das ausschlaggebende Merkmal für die Überprüfung dieser Konversionsfläche ist die Mischnutzung des Gebiets, denn durch die vorliegende Nutzungsvielfalt entsteht ein funktionales Gesamtquartier. Der Stadtteil Westerberg gehört zu den bevorzugten Wohngegenden der Stadt. Hier haben die Universität und die Hochschule Osnabrück einen großen Bildungsstandort. Weiterhin sind die innerstädtische Lage sowie die Nähe zu Erholungsräumen zu nennen.

Die im Fokus der Untersuchung stehenden Freiräume werden in Abbildung 3 aufgeführt und beinhalten den Entree-Platz des Wissenschafts- und Wohnparks, den Spielplatz "Spieleband" sowie das Regenrückhaltebecken zwischen den beiden Wohnparkanlagen. Diese drei öffentlichen Freiflächen bilden die Untersuchungsbasis.

Bei der Untersuchung wurden der Vorplatz am InnovationsCentrum Osnabrück und der Multifunktionsplatz des Gebiets nicht berücksichtigt. Diese Freiräume weisen hauptsächlich repräsentative oder funktionale Charaktere auf und finden keinerlei Berücksichtigung für die Untersuchung und Bewertung.

Das Resultat der ersten drei Kategorien des angewandten Freiraumchecks betrachtet vorwiegend planerische, gestalterische und analytische Aspekte. Darin ist festzuhalten, dass die öffentliche Freiraumstruktur unterschiedliche Nutzungsinteressen im urbanen Raum verbindet. Die Freiflächen werden in das Grünsystem der Stadt in die angrenzenden Naherholungsräume des Westerbergs eingebunden. Mittels eines offenen Konzepts, hochwertiger und möglichst nachhaltiger Materialien wird auf den neugestalteten Grünflächen, eine positive Atmosphäre und Aufenthaltsqualität hervorgebracht. Eine ökologische Vernetzung der umliegenden Naherholungsgebiete und der vorhandenen Grünstrukturen sowie der Erhalt von Bestandbäumen bestärken die Qualitäten des Freiraums. Das sich im Wohnpark befindende Regenrückhaltebecken dient neben der entwässerungstechnischen Funktion als parkähnlicher Erholungsbereich im Quartierszentrum. Hierbei entstand eine gelungene Verknüpfung eines Entwässerungssystems mit freiraumplanerischer Ästhetik.

Generell vermitteln die Materialen und Pflanzungen in Verknüpfung mit einer derzeit regelmäßig stattfindenden Entwicklungspflege einen hochwertigen Eindruck. Weiterhin wird durch gezieltes Wiederholen dieser, der Wiederkennungswert auf den Freiflächen gesteigert.

Jedoch weist der Wissenschafts- und Wohnpark Osnabrück aufgrund der geringfügigen Einbindung in das bestehende Wohnumfeld und der fehlenden Integration in das bestehende Wegenetz, eine Einzelstellung auf. Im Zuge der Fertigstellung einer bereits geplanten Entlastungsstraße wird sich die infrastrukturelle Anbindung verbessern.

Bürgerbeteiligung analysieren und bewerten

Zuletzt gilt es, die im Vorfeld durchgeführte Bürgerbeteiligung, welche ein elementares Charakteristikum vorweist, zu analysieren und zu bewerten. Die angebotenen Workshop-Phasen in Zusammenarbeit mit Fachplanern führten zu einem ansehnlichen Ergebnis auf dem Gebiet der ehemaligen Scharnhorstkaserne. Aufgrund der Berücksichtigung der Bürgerbelange und der zusammen erarbeiteten Potenziale, weisen die Freiräume eine ästhetisch anspruchsvolle Qualität auf. Die resultierenden Leitideen für das Plangebiet, welche in das Konzept integriert wurden, ergaben die Einbindung des InnovationsCentrum, eine Verknüpfung zum bestehenden Wohnumfeld und die Herstellung eines attraktiven Freiraumangebots. Ergänzend sind die Einbindung des Baumbestands, die Renaturierung eines naheliegenden Baches sowie die Integration des Regenrückhaltebeckens berücksichtigt worden. Dieses Ergebnis, welches als "Masterplan Wissenschafts- und Wohnpark" betitelt wurde, repräsentiert das Grundgerüst für die ehemalige Kaserne.

Ein weiteres wichtiges Element, welches in enger Abstimmung mit den Bewohnern geplant wurde, sind die Spielgeräte des Spielplatzes.³ Das Ergebnis sind Spielangebote mit steigenden Herausforderungen für die Kinder angelegt worden. Nicht nur die Anwohner profitieren von der Mitbestimmung, sondern auch der naheliegende Kindergarten und die Grundschule, welche den Spielplatz ebenfalls nutzen.

Letztendlich wurden die Interessen und Bedürfnisse der verschiedenen Nutzergruppen im Wissenschafts- und Wohnpark Osnabrück gemeinsam erörtert, berücksichtigt, akzeptiert und mit in das Konzept aufgenommen. Im Sinne der Investoren lag besonders, dass das Planungsgebiet für die zukünftigen Bewohner und Bürger ansprechend gestaltet wurde. Abschließend ist zu erwähnen, dass die von der Stadt Osnabrück vollzogenen Schritte zur Ergebnisfindung des Planungsprozesses verdeutlichen, dass sie einen qualitativen, nachhaltigen und werterhaltenden Städtebau umsetzten möchte.

Die anfangs dargestellte Forschungsfrage kann abschließend positiv beantwortet werden. Nach Anwendung des erarbeiteten Freiraumchecks Osnabrück, der auf das ehemalige Areal der Scharnhorstkaserne abgestimmt wurde, ist festzuhalten, dass der intensiv stattgefundene Dialog mit den Bürgern und weiteren relevanten Akteuren des Planungsprozesses, eine sehr ansprechende Freiraumqualität hervorgebracht hat. Nach der Fertigstellung im Jahre 2016 der öffentlichen Freiflächen des Wissenschafts- und Wohnparks ist die Integration in das bestehende Freiraumsystem gelungen. Nicht nur der oben genannte öffentliche Dialog, sondern auch die einzigartige Kombination aus Wohnen, Arbeiten und Forschen hebt die erfolgreiche Konversion im Stadtteil Westerberg besonders hervor.

Kritische Betrachtung des Bewertungsverfahren

In kritischer Betrachtung des hergeleiteten Bewertungsverfahrens zur Beurteilung der Freiraumqualität muss verdeutlicht werden, dass der entwickelte Freiraumcheck aus landschaftsarchitektonischer Sicht erstellt wurde. Dementsprechend kann die Untersuchungsmethodik durch andere Disziplinen verbessert oder ergänzt werden. Ein wichtiges Kriterium im Zuge einer Freiflächenplanung und -unterhaltung sind die Themen Finanzierung und fortlaufende Kosten. Diese wurden bei dieser Untersuchung nicht in Betracht gezogen, da die Schwerpunktsetzung der Arbeit auf Erstellung und Anwendung einer Untersuchungsmethodik für Freiräume auf Konversionsflächen lag. Eine wiederkehrende Untersuchung unter Berücksichtigung tiefgründiger Kriterien, zum Beispiel die Freiraumattraktivität der angebundenen Freiflächen, die Integration des Quartiers in die Umgebung sowie die fortlaufende Erhaltung der Anlagen, kann im Zuge einer erneuten Datenerhebung weitere Erkenntnisse folgen lassen. Dennoch ist die vorzufindende Freiraumqualität im neugeschaffenen Stadtquartier das erfolgreiche Ergebnis der Planer, Verantwortlichen und einer gelungenen Bürgerbeteiligung.

Anmerkungen

1 britenabzug.bundesimmobilien.de/672001/der-britenabzug-in-nrw-und-niedersachsen (aufgerufen am: 21.02.2017)

2 www.osnabrueck.de/konversion/projekt-konversion/konversionsprozess.html (aufgerufen am: 02.03.2017)

3 www.osnabrueck.de/start/aktuelles/news/wasserpark-im-wohn-und-wissenschaftspark-der-ehemaligen-scharnhorstkaserne-eroeffnet.html (aufgerufen am 04.05.2017)

Literatur

Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung [Hrsg.]: Praxisratgeber Militärkonversion, Berlin 2013, S. 33, 48, 75-76.

Freie und Hansestadt Hamburg [Hrsg.]: Mehr Stadt in der Stadt - Gemeinsam zu mehr Freiraumqualität in Hamburg, Hamburg 2013, S. 85.

Stadt Osnabrück [Hrsg.]: Wissenschafts- und Wohnpark Osnabrück - Leitfaden zur Nutzung, Gestaltung und Grundstücksvergabe, Osnabrück 2013, S. 3-14

 Andre Floß
Autor

Master Student, Management im Landschaftsbau (M.Eng.), Hochschule Osnabrück

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