Gärtnerische Antworten auf aktuelle Probleme

Friedhofskultur im Wandel

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Friedhöfe
Klare Formen der Gestaltung liegen im Trend. So zum Beispiel mit ausgefallenen,hitzeresistenten Bodendeckern und der Beet-in-Beet Bearbeitung bei Doppelgräbern. Fotos:

Ein Friedhof muss heute mehr als eine Beisetzungsstätte für Menschen sein. Er sollte Aufenthaltsqualität haben, als Platz dem Gedenken und der Begegnung dienen. Auch hohen gestalterisch-ästhetischen Maßstäben muss er genügen, selbst wenn es schon Lücken in den Grabreihen gibt, weil sich einige aufgelassene Grabstätten nicht erneut belegen lassen, wenn also immer mehr Park im Friedhof entsteht. Was auf der einen Seite wie die Quadratur des Kreises klingt, wird von Friedhofsverwaltungen und beteiligten Gewerken wie Bestattern, Steinmetzen und Friedhofsgärtnern in Deutschland inzwischen ideenreich in der Praxis gelöst. Es gibt gute Beispiele aus jüngster Zeit, die vom Bund Deutscher Friedhofsgärtner (BdF) e. V. empfohlen wurden. Die aktuellste Entwicklung wird man in der Ausstellung "Grabgestaltung und Denkmal" auf der IGA Berlin 2017 sehen können.

Im Zuge zunehmender Säkularisierung in den letzten 60 Jahren gab unter anderem die katholische Kirche den Zwang zur Erdbeisetzung auf - erst die Feuerbestattung ermöglichte kleinere Gräber und die heute bekannten Alternativen zur klassischen Erdbestattung. Ein anderer Grund für immer lückiger werdende Grabreihen sind schlicht und einfach die Kosten für eine traditionelle Beisetzung. Das Geld für einen Sarg, die Trauerfeier, den Blumenschmuck, den Ankauf des Grabes, seine Bepflanzung und seine Pflege ist heute für viele Menschen nicht mehr aufzubringen. Oder es soll für diesen Zweck nicht mehr ausgegeben werden. Mit dem Wegfall des Sterbegeldes, das 2004 von den gesetzlichen Krankenkassen endgültig gestrichen wurde, verschärfte sich die Situation. Aber Friedhöfe stellen nun mal für Städte eine wichtige Einnahmequelle dar, wie ein Beispiel aus Köln beweist: Die Kosten für den Erwerb und die Grablege in einer Doppelgrabstelle für 25 Jahre belaufen sich auf dem Friedhof Melaten aktuell auf rund 3888 Euro. Bucht man die Grabpflege über die örtliche Friedhofsgenossenschaft auf 25 Jahre hinzu, fallen weitere 10.000 Euro an.

Die Alternative: gärtnerbetreute Gemeinschaftsflächen

Viele Menschen empfinden heute traditionelle Friedhöfe, in denen Gräber in Reih und Glied zu finden sind, oft als eintönig, langweilig, wenig individuell und schlicht und einfach nicht mehr zeitgemäß. Zudem fällt in einer immer älter werdenden Gesellschaft die Pflege der Gräber schwer. Ein Beispiel für neue Friedhofskultur ist das gärtnerbetreute Rundfeld auf dem Bieberer Friedhof bei Offenbach. Bereits 2009 hatte die Verwaltung des städtischen Dienstleisters ESO die Zeichen erkannt und Urnengemeinschaftsgräber anlegen lassen, deren Pflege und Gestaltung spezialisierte Gärtnereien in Zusammenarbeit mit Steinmetzen übernehmen und so die Hinterbliebenen von der Pflege befreien.

Geplant und gestaltet wurden sie durch die Treuhandstelle für Dauergrabpflege Hessen-Thüringen. Voraussetzung für die Urnenbeisetzung und den Graberwerb ist dort ebenfalls der Abschluss eines Vertrags mit der Treuhandstelle über die Dauer von 25 Jahren.

In der gärtnerbetreuten Anlage in Bieber kostet ein Doppelgrab rund 4500 Euro und schließt sämtliche Leistungen für das Grabmal und die Pflege auf 25 Jahre ein. Während der gesamten Laufzeit kommen für die vereinbarten Lieferungen und Leistungen keinerlei Nachzahlungen auf die Hinterbliebenen zu. Auch mögliche Preissteigerungen gehen nicht zu Lasten des Vertragsnehmers. Unabhängige Prüfer kontrollieren regelmäßig, ob die Leistungen in vereinbarter Weise erbracht werden. Die Treuhandstelle garantiert, dass die Grabanlage durchgehend mit diversen Bodendeckern, Stauden und Gräsern versehen wird. Außerdem ergänzen verschiedene kleine Beete das Urnengrabfeld im jahreszeitlichen Wandel. Bis jetzt gibt es dieses Sorglos-Paket nur für Urnengemeinschaftsanlagen, denkbar ist es aber auch für die Erdbestattung. Dazu gehört auch, dass eine Anlage auf derart hohem Gestaltungsniveau zwei Mal nach jeweils acht Jahren erneuert wird.

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Ein gutes Beispiel, wie der Beruf des Verstorbenen noch einmal in Erinnerung kommen kann. Hier wird der Bezug zur Architektur geschaffen.
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Figurative Elemente aus Bronze beleben den Grabstein und erzählen Geschichten. Die Plastik sollte stets in perfekter Symbiose mit der planerisch-gärtnerischen Gestaltung stehen. Gute Gestaltungsbeispiele liefern die Mustergräber auf Landes- und Bundesgartenschauen.

Exkurs zu Alternativen: vom Ruheforst zur Weltraumbestattung

Ab der Jahrtausendwende haben sich alternativ zur klassischen Gräberkultur die "Ruheforsten" entwickelt. Heute gibt es in Deutschland rund 50 Bestattungswälder, in denen bislang aber nach aktuellen Zahlen nur knapp ein bis drei Prozent der Menschen beigesetzt wurden. Auf ähnlich geringe Zahlen, aber immer auf ein großes Echo in den Medien, stoßen andere "Bestattungsformen" wie die Weltraumbeisetzung, das virtuelle Begräbnis, die Verwandlung der Totenasche in einen Diamanten oder das Verstreuen der Asche in der freien Natur - diese Form ist jedoch in Deutschland nicht zugelassen. Die Folgen der allgemeinen Entwicklung zu alternativen Bestattungen sind vor allem auf den großen Friedhöfen augenscheinlich. Wo es möglich ist, versuchen die Friedhofsträger diese Flächen anders zu nutzen. Waren sie nie Beisetzungsfläche und liegen sie in Randbereichen, werden sie entwidmet und anderen Zwecken zugeführt. Aus Sicht der Verwaltung verursachen sie Kosten, weil sie gepflegt werden müssen, aber mangels Nachfrage keine Gebühren einbringen. Über kurz oder lang steigen so die Beiträge für alle Nutzer, was wiederum dazu führt, das sich immer mehr Menschen für kleinere Gräber entscheiden. Und es wieder mehr Freiflächen auf Friedhöfen gibt. Wie ist diese Abwärtsspirale zu durchbrechen?

Sind Kolumbarien eine Lösung?

Mittlerweile haben die ersten Gemeinden dieses Problem erkannt - sie bieten die klassischen Wahlgräber zum Beispiel mit günstigeren Gebühren an als kleine Urnengräber oder Rasengräber. Die namenlose Beisetzung, die landläufig auch als "anonym" bezeichnet wird, weil am Ort kein individuelles Grab und kein Zeichen auf den Verstorbenen hinweisen, scheint vom Trend her nun gebrochen. Die Alternative zur namenlosen Beisetzung sind heute die vielfach vorhandenen Kolumbarien. Als Bauwerke müssen sie bestimmten gesetzlichen Anforderungen entsprechen, doch bedeuten sie für den Friedhofsträger eine große Investition, die in der Regel erst nach mehreren Belegungen erwirtschaftet werden kann. Zudem müssen Urnen aus Kolumbarien nach Ablauf der Ruhefrist in Erde nachbestattet werden, das ist hierzulande immer noch gesetzlich festgeschrieben. Vor diesem Problem stehen auch die Betreiber von Indoor-Kolumbarien wie zum Beispiel den verschiedenen Grabeskirchen. 2000 wurde mit der St. Josef Kirche in Aachen eines der ersten aufgelassenen Gotteshäuser für diesen Zweck eröffnet. Heute wird teilweise auch in Kirchen beigesetzt, die noch von einer aktiven Gemeinde besucht werden. Viele Menschen empfinden die Indoor-Kolumbarien als bequeme Stätten für die Trauer. Der Individualität sind hier aber oft Grenzen gesetzt. Diese Grenzen wurden von vielen Menschen auch auf den Friedhöfen moniert. Die Verwaltungen haben die Probleme verstanden, in den letzten Jahren ist in den neuen Satzungen eine deutliche Liberalisierung zu finden.

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In Halbmonden befindet sich der Wechselflor, der das Gesamtbild im Frühjahr, Sommer und Herbst verändern kann. Ein schönes Beispiel für eine sehr harmonische, achsial angelegte Grabstelle.
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Individualität ist heute gefragt. Auch kleinteilige Gräber können über die Wahl des Grabsteins und der Gestaltung starke Aussagen über den Verstorbenen treffen.
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Steinmetz- und Metallarbeiten lockern das Gesamtbild der klassischen Grabgestaltung auf. Bodendecker mit einem kleinen Ausschnitt für die saisonale Bepflanzung machen es pflegeleicht.
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Individualität lässt sich auch in der Gestaltung durch Bezüge zum Namen herstellen. Hier ein Beispiel von der Mustergrabstelle auf der igs hamburg 2013. Foto: Sibylle Eßer

Landschaftlich gestaltete Grabfelder füllen Freiräume

Als Vorreiter dieser Entwicklung kann man den Hauptfriedhof in Karlsruhe nennen. Dort entstand um die Jahrtausendwende mit dem Feld 24 das erste landschaftlich gestaltete Grabfeld in Deutschland. Die Gräber wurden dort als Gemeinschaftsanlagen in unterschiedlichen Varianten gestaltet - sie fanden bei der Bevölkerung und den Fachleuten großen Zuspruch. Mit den gärtnerbetreuten Feldern setzten die badischen Friedhofsgärtner diesen Weg vor rund zehn Jahren fort. Gemeinschaftsgräber für Urnen waren zu diesem Zeitpunkt die Antwort der Verwaltungen und Gewerke auf die Entwicklungen in der Bestattungskultur. Mit den gärtnerbetreuten Feldern entstand ein Modell, aus dem bis heute deutschlandweit mehr als 400 Anlagen erwachsen sind.

Am Beispiel der Stadt Gelsenkirchen ist gut zu sehen, wie unterschiedlich und individuell gestaltet diese Anlagen sein können. Die Stadt verzeichnet heute dank der vielen gärtnerbetreuten Felder einen deutlichen Rückgang der Rasenreihengräber.

Sondergrabstätten wie zum Beispiel die beiden in Deutschland bekannten Grabstätten für Schalke Fans in Gelsenkirchen oder für HSV-Fans in Hamburg sind von ihrer Anlage und der Finanzierung her übrigens gärtnerbetreute Felder. Beide Beispiele finden sich auf ganz "normalen" deutschen Friedhöfen. In der Regel sind es Friedhofgärtner, die gemeinsam mit der Verwaltung und den anderen Gewerken ein Feld planen, finanzieren und bepflanzen.

Sinnhafte und aussagekräftige Gestaltung im Memoriamgarten

Dabei stehen zum einen die Vielfalt an Grabformen und die Vielseitigkeit der Bepflanzung im Vordergrund. Friedhofsgärtner sind in erster Linie Gärtner, das Arbeiten mit der Pflanze ist ihr ureigenstes Gebiet. 2009 stellte der Bund deutscher Friedhofsgärtner (BdF) deshalb im Rahmen der Bundesgartenschau in Schwerin mit dem ersten "Memoriam-Garten" ein offenes Konzept vor, an dem sich jeder Interessierte beteiligen kann. Bis heute gibt es in Deutschland 65 Memoriam-Gärten.

Diese Form des gärtnerbetreuten Feldes folgt klaren Regeln, so muss es zum Beispiel Urnen- und Sarggräber enthalten, namenlose Beisetzungen gibt es dort nicht. Aus Sicht der Angehörigen bieten die neuen gärtnerischen Formen der Bestattung zwei große Vorteile: Die gesamte Anlage wird vor der ersten Beisetzung fertig gestellt und gepflegt, man kauft also etwas, das man sieht. Auf eine gute Aufenthaltsqualität wird außerdem viel Wert gelegt. Zum anderen werden die gärtnerbetreuten Felder und Memoriam-Gärten immer in Zusammenarbeit mit der bewährten friedhofsgärtnerischen Dauergrabpflege erstellt. Das bedeutet für die Angehörigen, dass sie beim Kauf eines Grabes einen Dauergrabpflegevertrag abschließen mit dem sie sicher sein können, dass ihr Grab über die gesamte Ruhefrist hinweg immer sorgfältig gepflegt wird. Vor allem älteren Menschen wird damit die Sorge um die Grabpflege genommen. Heute gehört ein Memoriam-Garten als fester Bestandteil zu jedem friedhofsgärtnerischen Auftritt auf einer Bundesgartenschau und internationale Gartenausstellung. Doch auch auf den Landesgartenschauen fanden sich in diesem Jahr gärtnerische Antworten auf die aktuellen Entwicklungen in der Bestattungskultur. Hervorzuheben sind die individuell gestalteten Themen-Grabstätten, die in Form der gärtnerischen Anlage in Zusammenarbeit mit dem Steinmetz auf eine persönliche Besonderheit oder ein Hobby des Verstorbenen eingehen und so individuell und einzigartig sind. Gärtnerisch präsentieren sie Trends auf höchstem Niveau und dabei kleinstem Raum: wer ausgefallene Gräser/ Staudenkombinationen sucht, die Vielfalt der Bodendecker und Zwerggehölze, der konnte sie hier und auf der BUGA Havelregion erleben. Der Ausstellungsteil "Grabgestaltung und Denkmal" ist auch gerade deswegen ein Besuchermagnet.

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Auf immer mehr Friedhöfen in Deutschland gibt es mittlerweile fließende Grabformen. Oft werden sie in gärtnerbetreuten Grabanlagen wie dem Memoriam-Garten umgesetzt. Dort sind die Grenzen zwischen den einzelnen Ruhestätten – wie der Name schon sagt – fließend.
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Zurück zur Tradition - nur in neuer Anlage

Mit den gärtnerbetreuten Feldern haben die Friedhofsgärtner eine Lösung für die aktuelle Entwicklung gefunden, die vielen Menschen auch deshalb gefällt, weil sie einen Bereich mit hoher Aufenthaltsqualität und der gleichzeitigen Möglichkeit zum individuellen Gedenken schafft. Grabgestaltungen mit ansprechendem Inhalt, starker Symbolkraft und Inspiration tragen dazu bei, dem traditionellen Begräbnis das "Aus den Augen, aus dem Sinn" zu ersparen.

Als Spiegel für das Neue, das die Tradition wiederbelebt wird die Internationale Gartenausstellung in Berlin 2017 neben den klassischen diesmal aber eher kleinteiligen 90 Mustergräbern für den Wettbewerb der Friedhofsgärtner ineinander verzahnte Grabflächen in fließender Form in ausgesparten Ellipsen anlegen. Für die IGA Berlin 2017 haben 60 Steinmetzbetriebe, Holzbildhauer und Metallbauer moderne Grabzeichen entworfen. Mehr als 160 Arbeiten sind dafür entstanden. Mit einem in Berlin vorgestellten neuen Konzept für naturnahe Bestattungen, das eine Alternative zum Memoriamgarten sein wird, will der BdF langfristig die friedhofsgärtnerischen Geschäftsfelder und den Friedhof als Bestattungsort bereichern. Seine Besonderheiten: torfreduzierter Boden, insektenfreundliche Staudenmischpflanzung mit jahreszeitlichen Blüheffekten, keine Wechselbepflanzung. Auch Insektenhotels, Futterhäuser und Nistgelegenheiten für Vögel, Farne in Natursteinmauern, die Biodiversität werden eine Rolle spielen. Das Konzept läuft unter dem Begriff "NaturRuh". Eine ständige Besucherinformation ist auf der IGA ebenso vorgesehen wie die "lebende Werkstatt der Steinmetze". Das "Pflegemodell" der Mustergräber, bei dem junge Friedhofsgärtner und Auszubildende jeweils zehn Tage auf der IGA arbeiten werden, wird derzeit seitens des BdF vorbereitet.

M. A. Sibylle Eßer
Autorin

Leitung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Deutsche Bundesgartenschau-Gesellschaft mbH (DBG)

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