Die Religionsgemeinschaft der Shaker und ihre Gärten

Gärtnern ohne Eile

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Kräutergärten Gartengestaltung
Der für ein Gartenfestival nahe Frankfurt am Main "rekonstruierte" Shaker-Garten zeigte die klassischen Eigenschaften dieses Gartentypus: schlicht und schön! Foto: Thomas Herrgen

In Europa ist seit Jahren das Urban Gardening en vogue. Nutzpflanzen anbauen, Selbstversorgung, Gemeinschaftserlebnisse und teilweise auch der Gedanke der Entschleunigung sind hier das zentrale Thema, das oft auf freien Flächen in der Stadt praktiziert wird. Doch neu ist das nicht, abgesehen vom urbanen Umfeld. Auf dem Land wird seit eh und je Nahrung angebaut und nicht nur Hippies in den 1960ern und die "Landkommunen" der 1980er-Jahre haben Kartoffeln, Gemüse und Salat selbst angepflanzt. Das gemeinschaftliche Gärtnern hat Vorbilder, die schon mehr als 200 Jahre alt sind.

Religion und Gartentyp

Allen großen Weltreligionen kann - mehr oder weniger treffend - auch jeweils eine bestimmte Gartenform zugeordnet werden. Alles begann im Judentum mit dem alttestamentarischen "Garten Eden" und dem "Baum des Lebens". Das Christentum hat beispielsweise die Klostergärten innerhalb eines Kreuzgangs mit vielen Arznei-, Heil- und Kräuterpflanzen als Gartentyp hervorgebracht. Und ummauerte Gärten mit exotischen Früchten und Wasserspielen sind etwa im Islam üblich. Auch die in Europa kaum bekannte Religionsgemeinschaft der Shaker hat ihren eigenen Gartentyp entwickelt.

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Der religiöse, kreisförmige "Schütteltanz", von dem sich der Name der Shaker ableitet, ist eine Gemeinschaftserfahrung und soll auch bewirken, dass alle Sünden, Sorgen und Nöte abgeschüttelt werden. Quelle: Wikimedia commons, gemeinfrei
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In relativ einfachen, aber dennoch harmonisch gestalteten Holzhäusern wohnten die Shaker. Ihre (Nutz-)Gärten liegen in direkter Umgebung. Quelle: Wikimedia commons, gemeinfrei

Entstehung der Freikirche

Die im 18. Jahrhundert in den Vereinigten Staaten gegründete christliche Freikirche ging aus dem Quäkertum hervor. Ihr so genannter Schütteltanz, bei dem sich die gesamte Gemeinde kreisförmig bewegt und hüpft, ist für sie eine Gottesverehrung, zugleich ein Gemeinschaftserlebnis und eine Form der Entledigung von Negativem. Aus den Bezeichnungen Shaking (Schütteln) und Quakers (Quäker) wurden die Shaker, eine christliche Sekte mit friedlichen und geordneten Strukturen.

Sie wurden ab dem 19. Jahrhundert, außer mit ihren berühmten, puristischen Möbeln auch durch ihre Gärten bekannt, die nach heutigen Maßstäben biologisch-dynamisch bewirtschaftet wurden. Die Produkte dienten der Ernährung, der vorbeugenden Gesundheit sowie heilenden, medizinischen Zwecken. Shaker-Gärten waren stets schön, aber Schönes sollte umgekehrt immer nützlich sein. Seit der Urban Gardening Bewegung und dem wieder aufgelebten Nutzgartengedanken im Privaten hat der Shaker-Garten eine gewisse Vorbildfunktion gewonnen, ist aber auch für sich genommen ein interessanter Aspekt. Da es heute, außer im US-Bundesstaat Maine, fast keine Shaker mehr gibt, müssen ihre Gärten aus den zahlreich hinterlassenen Dokumenten, aus Büchern, Bildern und Exponaten in Museen "rekonstruiert" werden.

Mit Gartenarbeit Gott dienen

Die Shaker zeichneten sich durch eine hohe Arbeitsethik, Fleiß und ein nahezu klösterliches, zölibatäres Gemeindeleben aus. Dennoch waren sie alles andere als rückständig. Sie betrieben Farmen mit Tieren, Äckern, Gärten und allerlei Technik, die sie oft selbst entwickelt hatten. Im Unterschied zu Amish People sind Shaker jeder neuen Technik und Entwicklung gegenüber offen, da sie den eigenen Zwecken dienen kann.

Sie sammelten darüber hinaus "alte" Pflanzensorten, vermehrten sie und handelten mit ihren Überschüssen, Samen und Pflanzenteilen. Aus den Gartenprodukten wurden, neben Essbarem auch Essenzen, Hilfs- und Reinigungsmittel sowie Duftstoffe, etwa aus Rosenblättern oder Lavendel, hergestellt. Blumen, die einfach "nur" schön waren, ohne einen Nutzen zu haben, waren verpönt. Die Arbeit im Garten, auf den Feldern und in den Werkstätten galt den Shakern als Dienst an Gott, insofern als Teil der gelebten Religion. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts hatten die Shaker-Gemeinden mit 20 Siedlungen und etwa 6000 Mitgliedern ihre größte Verbreitung. Männer und Frauen waren gleichberechtigt und existenziell abgesichert. Da jedoch Heirat und eigene Kinder ausgeschlossen waren, rekrutierten die Shaker neue, erwachsene Mitglieder (ab 21 Jahren) oder Kinder aus Waisenhäusern. Um 1920 gab es noch zwölf Gemeinschaften. Das Heiratsverbot und der fehlende Nachwuchs an Waisen im Zuge der aufkommenden staatlichen Fürsorge ließ die Freikirche nahezu aussterben.

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Center Family Dwelling, einst Heimat von mehr als 100 Shakern. Es wurde aus Kalkstein gebaut, der von den Kentucky River Palisades gewonnen wurde. Foto: Tom Allen, Wikimedia
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Grundriss des beim Gartenfestival gezeigten Shaker-Gartens. Abbildung: Entwurf Petra Hirsch, Foto/Bildbearbeitung: Thomas Herrgen

Ein "rekonstruierter" Shaker-Garten

Anlässlich eines Gartenfestivals im Rhein-Main-Gebiet wurde einmal die Nachbildung eines Shaker Gartens präsentiert. Garten- und Landschaftsbaufirmen waren zusammen mit Planern aufgerufen, Arbeiten zum Sonderthema "Vergessene Gartenschätze - alte Sorten, Techniken und Traditionen" einzureichen. Dabei sollten Ideen umgesetzt werden, die als "verschollen", kaum noch verwendet und eingesetzt galten oder neu interpretiert werden konnten. Inspiriert von den Shakern entwickelte eine Teilnehmergruppe einen Nutzgarten, der im Wesentlichen mit Kräutern und Heilpflanzen besetzt wurde. Hinzu kamen einige Gerüstpflanzen wie Zwerg-Kiefern (Pinus mugo), etwa einen Meter hohe Kugel-Lorbeer-Hochstämmchen und gut belaubte Säulenäpfel 60/80. Der Shaker-Schaugarten ähnelte in seiner Grundstruktur einem Bauerngarten mit kreuzförmiger Erschließung und vier mittleren Quadranten zur Bepflanzung. Ein außen umlaufendes Beet und ein taubenblauer Staketenzaun rahmten die etwa sechs Mal sechs Meter große Fläche. Die Wege aus gebrauchten Klinkern und Bohlen sowie die von Holzbrettern eingefassten Hochbeete verstärkten den bodenständigen Charakter. Alte Gartengeräte wie Rechen, Siebe und Zink-Gießkannen komplettierten das historische Gesamtbild.

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Mit schlichten, aber wirkungsvollen Konstruktionen aus Holz und Schnüren werden emporwachsende und leicht abknickende Frucht- und Kräuterpflanzen befestigt. Foto: Thomas Herrgen
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Die mit Brettern eingefassten Hochbeete erleichtern die Bestellung des Gartens und sollen beispielsweise Schnecken abhalten. Foto: Thomas Herrgen
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Zäune schützen die wertvollen Anpflanzungen, die hauptsächlich der Selbstversorgung dienen, vor unerwünschten Eindringlingen wie Tieren oder bedingt, vor Diebstahl. Foto: Thomas Herrgen
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Shaker bearbeiten ihre Gärten häufig mit einfachen Gartengeräten, sind aber dem technischen Fortschritt und Maschinen gegenüber offen, im Unterschied zu den Amish People. Foto: Thomas Herrgen
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Auch Holz, als natürlicher und nachwachsender Rohstoff ist als Baumaterial sehr willkommen, zumal es im US-Staat Maine quasi vor der Haustüre liegt. Foto: Thomas Herrgen
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Die Baustoffe der Skaker-Gärten sind einfache, oft auch recycelte Materialien, wie hier die Wege aus gebrauchten Klinkern. Foto: Thomas Herrgen

Im Fokus Nutzpflanzen

Die Bepflanzung eines Shaker-Gartens richtet sich, wie in allen anderen Bereichen des religiösen Gemeindelebens nach dem Nutzen. Neben Kartoffeln, Wurzelgemüse und Schotenpflanzen wie Erbsen, Bohnen und Linsen sind im klassischen Shaker-Garten vor allem Kräuter für die Küche, zum Aufgießen für Tees sowie Pflanzen mit ätherischen Ölen zu finden, die anderen Stoffen hinzu gegeben werden oder in konzentrierter Form heilende Kräfte entfalten. Der Schaugarten des Gartenfestivals fokussierte, schon aus Platzgründen, vor allem auf die kleineren Pflanzen, die in sechs Themenbereiche untergliedert waren.

Pflanzenliste des Schaugartens (Auszug):

Gehölze

  • Laurus nobilis (Lorbeer Kugel auf Stamm)
  • Malus (Säulenapfel)
  • Pinus mugo (Bergkiefer, Kriechkiefer)

Küchenkräuter

  • Allium schoenoprasum (Schnittlauch)
  • Ocimum basilicum (Basilikum) in Sorten
  • Petroselinum crispum (Peterli/Petersilie)
  • Satureja spicigera (Kriechendes Berg-Bohnenkraut)

Würz- und Aromakräuter

  • Helichrysum italicum (Currykraut)
  • Melissa officinalis (Zitronenmelisse)
  • Origanum vulgare 'Compactum' (Oregano)
  • Rosa officinalis ("Apotheker-Rose", älteste, bereits vor 1310 kultivierte Rose)
  • Rosmarinus officinalis 'Pyramidalis' (Rosmarin)
  • Thymus x citrodorus 'Silver Queen' (Zitronen-Thymian)

Teekräuter

  • Aloysia citrodora (Verveine/Zitronenstrauch)
  • Mentha spicata (Grüne Minze) und weitere Sorten wie Orangenminze, Multimentha, Eau de Cologne
  • Monarda didyma 'Gardenview Scarlet' (Indianernessel/Scharlach-Monarde)
  • Salvia officinalis 'Purpurascens' (Rotblättriger Salbei)

Heilkräuter

  • Chamaemelum nobile 'Plenum' (Römische Kamille; mit Heilkraft, wie echte Kamille)
  • Dryopteris filix-mas (Echter Wurmfarn)
  • Echinacea purpurea 'Magnus' (Sonnenhut)
  • Hypericum perforatum (Echtes Johanniskraut)
  • Thymus x cherlerioides 'Duftkissen' (Polster-Thymian)
  • Vitex agnus-castus (Mönchspfeffer)

Stauden, essbar und/oder mit Heilwirkung

  • Achillea millefolium 'Lilac Beauty' (Schafgarbe, hellviolett blühend)
  • Alcea Hybriden rosa, gelb (Stockrose/Stockmalve)
  • Anemone japonica in Sorten Whirlwind, Honorine Jobert, Septemberglanz, Praecox (Herbst-Anemone)
  • Cimicifuga racemosa var. Cordifolia (Trauben-Silberkerze)
  • Coreopsis verticilata 'Grandiflora' (Mädchenauge)
  • Eryngium alpinum 'Donard' (Alpen-Mannstreu)
  • Hedera helix (Efeu)
  • Helenium Hybriden 'Waltraut', 'Rubinzwerg' (Sonnenbraut)
  • Helianthemum hoch: Ruth, Dompfaff (Sonnenröschen)
  • Hosta in Sorten Harry v. Trier, Aureomarginata, So Sweet (Funkien)
  • Lavandula angustifolia 'Hidcote Blue' (Lavendel)
  • Nepeta x faassenii 'Walker´s Low' (Katzenminze)
  • Sedum telephium 'Herbstfreude' (Große Fetthenne, Sorte)
  • Vinca minor 'Marie' (Kleines Immergrün, Sorte)

(Petra Hirsch Gartenplanung)

Die Gründerin der Shaker-Religionsgemeinschaft, Mutter Ann Lee, die auch "Das Gartenhandbuch" (The Gardener´s Manual, 1843) geschrieben hatte, sagte einmal über die Anlage eines Gartens: "Fang alles an, als hättest Du eintausend Jahre zu leben und als wüsstest Du doch, du müsstest morgen sterben." Eile, etwa beim Säen, Pflanzen und Gießen einerseits und große Geduld beim Wachsen- und Reifenlassen andererseits sind Gärtnertugenden, an denen sich bis heute nichts geändert hat.

Doch Ruhe, Geduld und die viel zitierte Entschleunigung sind vielleicht das wichtigste, wenn man einen Garten anlegt und bestellt. Da liegen die Shaker und die Urban Gardener wohl eng zusammen. Mehr zum Thema bietet der Band "Der Shaker-Garten - Von der Schönheit des Nützlichen" von Stephanie Donaldson, dessen deutsche Auflage bereits vergriffen ist, aber noch über Online-Plattformen erworben werden kann.

Quellen

www.maineshakers.com

maineshakers.com/portfolio/raised-bed/ (Workshops zur Anlage von [Hoch-]Beeten)

www.deutschlandfunk.de/die-freikirche-der-shaker

www.petra-hirsch.de (Planung des Schaugartens)

www.gartenfest.de ("Wolfsgarten", Seite des Gartenfestivals)

Dipl.-Ing.(FH) Thomas Herrgen
Autor

Landschaftsarchitekt

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